Offene Türen

von Wolfgang Ueding

Bielefeld, 6. September 2014. "Bitte eintreten", sagt eine freundliche Stimme in Endlosschleife. Ein noch freundlicherer Herr erfragt die Vornamen der Theaterbesucher, verkündigt sie sodann zeremonienmeisterlich im Saal und ordnet jedem eine Nummer zu. Mal 5, mal 7839, was zu einigem Getuschel im Publikum führt. Es wird auch später noch häufig glucksen und prusten. Schließlich ist David Gieselmann in Bielefeld als Komödienautor bekannt und beliebt, seit Christian Schlüter, Regisseur damals wie heute, 2011 hier sein Stück Falscher Hase zum Publikums- und Kritiker-Erfolg machte.

Zerfallende Fiktionen
"Die Oppelts haben ihr Haus verkauft" ist nun der dritte Bielefelder Gieselmann, die Uraufführung einer Auftragsproduktion, die ursprünglich von der schrecklichen Finanzkrise handeln sollte, aber nun Zeitreisen, Lebenspläne, Esoterik und die Wahl der richtigen Tür fröhlich durcheinander wirft. Zunächst bildet den Rahmen eine "spiritistische" Sitzung bei Frau Laura Ambrosia, zu der ihr Sohn Peter verklärt lächelnd das Publikum und das Paar Pia und Ted begrüßt. Aber nach ein paar Lachern über den wohl von einer Marina-Abramović-Performance abgeguckten Therapiestil des friedensstiftenden Einander-Anguckens zerfällt die eine Fiktion in mehrere: Pia und Ted sind im Jetzt erleuchtete Assistenten und in der Vergangenheit, Jahre früher, ein scheiterndes Ehepaar. Weil Ted seinen Job verlor, wendet sich Pia seinem Zwillingsbruder Tom zu, mit besseren Karriereaussichten. Das Paar scheitert aber auch; es gibt den amerikanischen Traum für die Sinnsuche auf und zieht ins Nachbarhaus der Gudmunds, das die Oppelts aus dem Stücktitel wegen der Finanzkrise verkaufen mussten.

die oppelts 02 560 philipp ottendoerfer uWas bergen die Zukünfte? © Philipp Ottendörfer

Die Verwirrung steigt, als die weise Frau Gudmund, die mit Spiritismus eigentlich gar nichts am Hut hat, zufällig ein Dimensions-Portal entdeckt, den "Ob-Raum", der zeitlose Versetzungen nach hier und dann und dort und wann erlaubt. Dazu erklingt die Titelmelodie der britischen Science Fiction-Fernsehserie Dr. Who.

Rasende Revue
Das Publikum macht alles mit. Lacht über Opel-Kalauer und einen "Tod oder Tem", der in einer Als-Ob-Passage zu zwei Brüdern in einem Körper verschmilzt. Und in der sonst tadellosen Darstellung durch Thomas Wehling mehr nach Spastikerwitz als nach Steve Martin aussieht. Weitere Film-Zitate folgen. Und eine überlange Hatz durch immer mehr Dimensionstüren, durch verschieden ausgehende Zukünfte: Das vexierende Durcheinander des ersten Teils mündet in eine rasende Revue, bis am Ende jeder Darsteller, den Rücken zum Publikum, in seiner eigenen Tür sitzt und die leitende Laura uns die Botschaft bringt: Es sei eben schwierig, wenn in einem Raum einer Musik hören, der andere aber fürs Staatsexamen büffeln wolle. Ach was?

Der Schlussapplaus ist lang und rhythmisch. Und mindestens jeder zweite hat gewiss seine ihm am Eingang zufällig (?) zugeteilte Nummer vergessen, die seinen Rang als "Spirifitär" angab – sein spiritistisches Defizit: Wir standen alle amüsiert bei Null.

Die Oppelts haben ihr Haus verkauft
von David Gieselmann
Uraufführung
Regie: Christian Schlüter, Ausstattung: Jochen Schmitt, Dramaturgie: Katrin Enders.
Mit: Doreen Nixdorf, Katharina Solzbacher, Guido Wachter, Thomas Wehling.
Dauer: 1 Stunde 45 Minuten, eine Pause

www.theater-bielefeld.de

 

Kritikenrundschau

Regisseur Christian Schlüter lasse sein schauspielerisches Personal nach der Pause in wilder Hatz durch die Dimensionen jagen, schreibt Burgit Hörttrich im Westfalen-Blatt (8.9.2014). "Es ist ein Wahnsinn. Komödie halt." Was will uns der Autor damit sagen? Vielleicht will er die Sinnsuche thematisieren in einer Zeit, die minütlich dutzende und aberdutzende Entscheidungen einzufordern scheint. "Vielleicht will er sein Publikum aber 'nur' so richtig amüsieren." Auch gut, so der Tenor.

"Zur besonderen Komik" dieser Inszenierung "gehören sprachlich ausgefeilte Dialoge, Wortwitz, Ironie und Satire – von allen vier Darstellern in mitreißender Spiellaune umgesetzt", schreibt Claudia Viotto in der Neuen Westfälischen Zeitung (9.9.2014). Die vielschichtige Anlage der handelnden Figuren wird hervorgehoben, ebenso wie die "vom Lachen ausgelassene und begeisterte" Publikumsreaktion am Premierenabend.

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