Medienschau: SZ – Carolin Emcke über die Aufgaben von Kunst und Kultur
Neoliberale Unverantwortlichkeit
Neoliberale Unverantwortlichkeit
30. Juli 2023. In ihrer Kolumne in der Süddeutschen Zeitung wendet sich Carolin Emcke vehement gegen den Vorwurf, Kultur finde nur für "die eigene Blase" statt.
Dahinter stecke die Annahme, dass Kultur nur dann relevant sei, wenn sie ein breites Publikum erreiche und gesellschaftliche Probleme löse. "Als seien diejenigen, die sich für Kultur interessieren, das falsche Publikum, schon allein deshalb, weil sie sich bereits interessieren. Als seien Positionen und Argumente, als seien Theater und Musik nur dann relevant, wenn sie auch konsensfähig in jeden sozialen, kulturellen, politischen Kontext hineinstrahlen."
Dabei seien Kunst und Kultur eben nicht dazu da, Konsens zu erzeugen oder sich an die Mehrheit anzupassen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern, die Demokratie zu stärken und zu schützen, zu bilden und zu fördern. Diese politischen Aufgaben dürften nicht auf die Kultur abgewälzt werden. Kunst, Kultur und Wissenschaft "können nur existieren, wenn sie sich nicht dauernd als systemrelevant und nützlich behaupten müssen. Was soll das eigentlich heißen: systemrelevant? Die Kultur kann nicht allein danach beurteilt werden, ob es ihr gelingt, AfD-Wähler oder Querdenker zu erreichen und umzustimmen. Das ist eine neoliberale Unverantwortlichkeit, die den Kulturinstitutionen und den Künstlerinnen aufträgt, was vorher vernachlässigt wurde."
Die Kultur bleibe jener Raum, "in dem es uns möglich ist, etwas anderes zu entdecken, etwas anderes zu verstehen als zuvor gedacht oder gefühlt, die Kultur bleibt der Raum, in dem wir uns ausliefern können den Wahrnehmungen und Erfahrungen anderer, die Literatur, die Musik, der Tanz, die bildende Kunst bleiben der Raum, in dem wir uns angstfrei verstören oder entführen lassen" – unabhängig davon, ob sie die breite Masse erreiche oder gesellschaftliche Probleme löse.
(geka)
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