Medienschau: Zeit – Esther-Slevogt-Interview zum DT Berlin

Das spannendste Theater im langweiligsten Land der Welt

Das spannendste Theater im langweiligsten Land der Welt

30. November 2023. nachtkritik-Chefredakteurin Esther Slevogt hat gerade eine große Studie zum Deutschen Theater Berlin vorgelegt. Anlass für Jana Hensel von der Zeit, sie zum ausführlichen Gespräch zu bitten.

Slevogt und Hensel widmen sich den wichtigsten Intendanzen des Deutschen Theaters: von Max Reinhardt, der das Haus ab 1905 als Privattheater groß machte und später von den Nazis enteignet wurde, bis in die DDR-Jahre mit Wolfgang Langhoff als zentraler Figur der Nachkriegszeit (er hatte als Dichter des "Moorsoldaten"-Liedes nach seiner KZ-Haft die NS-Zeit im Schweizer Exil verbracht). Langhoff, überzeugter Kommunist aber als Künstler widerständig, wurde 1963 von der DDR-Führung geschasst. Über diese Periode sagt Slevogt: "Für mich sind beide Staaten finstere, repressive Nachkriegsrepubliken. In der DDR herrschten die Stalinisten, die ständig Angst hatten, dass ihre Untaten aus der Moskauer Zeit bekannt werden könnten. Und im Westen die Antikommunisten."

In den darauffolgenden Jahren erhält die Intendanz von Gerhard Wolfram ab 1972 viel Aufmerksamkeit und die Ereignisse rund um die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann: "Die DDR hatte für den Ostblock einen relativ hohen Wohlstand erreicht und war international anerkannt. In Berlin wurde der Palast der Republik eröffnet, aber für die Intellektuellen und Künstler hatte sich aller utopische Überschuss verbraucht. Plötzlich erschien die DDR als das "langweiligste Land der Welt", wie es in einem Stück von Volker Braun heißt. Das DT erzählte immer wieder von diesen Disruptionen und Enttäuschungen."

Mit dem Schauspieler-Intendant Dieter Mann geht das DT in die Wende und verliert, so Slevogt, in der Folge an Bedeutung: "Nach 1989 arbeiteten hier Künstlerinnen und Künstler aus Ost und West, es trafen unterschiedliche historische Erfahrungen aufeinander. Aber es gab im Theateralltag keinen Raum für die Erkundung dieser Unterschiede – und wohl auch keine Einsicht in die Notwendigkeit, sich damit zu befassen."

(zeit.de / chr)

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