Presseschau vom 15. Dezember 2011 – die Neue Zürcher Zeitung würdigt Anna Viebrock

Die Welt anschauen

Die Welt anschauen

15. Dezember 2011. "An einem regentriefenden Dezembernachmittag" in Stuttgart hat Barbara Villiger Heilig die Bühnenkünstlerin Anna Viebrock getroffen, von der sie schreibt: "Der Begriff 'Ausstattung', unter dem gewöhnlich die Verkleidung eines Stücks, nämlich Bühnenbild und Kostüme, rubriziert wird, passt schlecht, wenn es um diese Künstlerin geht."

Aus Viebrocks Räumen, die immer einen ganzen Fundus an Geschichten bärgen, wüchsen Personen und Handlungen einer Inszenierung vielmehr hervor. "Und solche – meist geschlossene – Räume, in denen sich Fundstücke aus der wirklichen Welt zusammensetzen zu fremd und vertraut zugleich wirkenden Eindrücken, bergen auch Geschichte: Gegenwart, das Hier und Jetzt des Theaters, dehnt sich zurück in die Vergangenheit oder tönt eine Ahnung von Zukunft an."

"Die Welt anschauen", so lapidar umschreibe Anna Viebrock ihre Leidenschaft. Mit dem Fotoapparat halte sie unterwegs unendlich viele jener Details fest, die der Normalblick übergeht: "Spuren von Zeit, ob auf blätterndem Verputz, rissigen Wänden, abgenutzten Böden, fleckigen Zimmerdecken oder schimmligen Möbeln aus verfallenen Hotels, verleihen später, reproduziert, der Bühne eine Patina, die wiederum lediglich den Hinter- und Untergrund des Zuschauerbewusstseins erreicht und dort für Dichte und Konsistenz des Gesamteindrucks sorgt."

Anlässlich des 60. Geburtstags der Künstlerin ist in diesem Jahr ein neuer Bild- und Textband über Viebrock erschienen. "Die Arbeitsweise von Anna Viebrock, deren Bühnenbilder stets wie Wunderkammern zwischen konkreten Realitäten und surrealer Imagination anmuten, illustriert das schöne Buch anhand vieler Inszenierungen", so Barbara Villiger Heilig. Restlos aufschlüsseln aber könne es, trotz Dokumentation der Recherchen und Viebrock-Kommentaren, die kunstvollen Endprodukte nicht: "Sie behalten ihr Geheimnis."

(NZZ/ sd)

Mehr über Anna Viebrock? Eine regelmäßige Zusammenarbeit verbindet sie mit Christoph Marthaler, für dessen Eröffnungsinszenierung der Wiener Festwochen 2011 sie zuletzt ein Subpolares Basislager konstruierte. Viebrock inszeniert aber auch selber, zuletzt in Köln: Wozuwozuwozu, ein Theaterabend nach Heinrich Bölls "Billard um halb zehn".

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