Presseschau vom 22. Dezember 2011 – Die Berliner Zeitung über die fehlgeleitete Verwendung der Gelder des Hauptstadtkulturfonds

Aufforderung zum Schämen

22. Dezember 2011. "Den Kleinen nehmen ... " ist heute ein Artikel im Feuilleton der Berliner Zeitung überschrieben, der sich anhand aktueller Beispiele mit der eingerissenen Praxis des Hauptstadtkulturfonds befassst – nämlich die Budgets der Berliner Staatsoper (42 Millionen Subventionen), der Deutschen Oper (39 Millionen Subventionen), des Preußischen Kulturbesitzes (138 Millionen Euro Fördergelder) oder der Berliner Festspiele zusätzlich zufüllen, falls dort noch etwas fehlt.

Dazu jedoch, schreibt Birgit Walter, sei der Hauptstadtkulturfonds mit seinem Fördertopf von jährlich 10 Millionen Euro nicht erfunden worden. Sondern um kleine, freie Theater- oder Kunstprojekte zu fördern bzw. zu ermöglichen: "innovativ, relevant, strahlkräftig." Der Hauptstadtkulturfonds sei 1999 also gerade deshalb entstanden, weil das ganze Geld stets nur in die großen Institutionen und ihre Apparate floss und nichts übrig blieb für das Neue, das in der wiedervereinten Hauptstadt plötzlich entstand.

"Da also sprang generös der Bund ein, zur Rettung der Hauptstadtszene – eigentlich ein Paradoxon, aber ein herrliches." Vor Missbrauch sei dieses "schöne Geschenk" des Bundes an Berlin dabei von Anfang an nicht sicher gewesen, so Walter. Die Jury, die über die Verteilung des Geldes befinde, dürfe nämlich z.B. bei der "Regelförderung" (2 Millionen Euro) gar nicht mitreden.

Die Praxis beschreibt Birgit Walter denn auch so, "dass Kulturstaatsminister Bernd Neumann und Kultursenator Klaus Wowereit in der vierköpfigen gemeinsamen Kommission die Summe vollkommen freihändig an all die Großempfänger verteilen, denen ihre Subventionen nicht reichen. Dabei stören sie sich nicht an lästigen Jury-Empfehlungen. Im Gegenteil: Sie genehmigen genau solche Projekte, die die Jury zuvor gut begründet abgelehnt hat."

Schließlich benennt Walter als Kern des Problems den Berliner Kulturhaushalt. "Er liegt bei 375 Millionen Euro, der Bund legt noch mal 435 Millionen drauf. Es kommt also einiges zusammen und gerade deswegen ist es so ideenlos und ungerecht, immer bei denen zu sparen, die so lächerlich wenig haben. Die Landesmittel für die freie Szene wurden zuletzt um 1,3 Millionen auf 7,9 Millionen Euro gekürzt. Der Hauptstadtkulturfonds zieht von den 10 Millionen auch noch 3 bis 4 Millionen raus. Das ist doch schäbig bei einer Summe von 810 Millionen. Zumal die Hälfte des künstlerischen Personals in Berlin freiberuflich arbeitet, oft unterhalb der Armutsgrenze."

Vielleicht gebe es ja auch nicht jedes Jahr Innovationen, die 10 Millionen Wert sind; dann dürfen aus Sicht von Birgit Walter getrost die Kriterien der Vergabe der Fondsgelder geändert werden. Das Geld aber einfach den Subventions-Großabnehmern zuzuschanzen, sei zum Schämen. "Auch Kulturpolitiker, die Steuereinnahmen verteilen, dürfen sich für eine Untergrenze an Gerechtigkeit stark machen."

(sle)

Kommentar schreiben