Presseschau vom 24. Februar 2011 - Die Zeit porträtiert die Theatermacherin Shermin Langhoff

"Hast Du Lust Theater zu machen? Irgendwas mit Türken?"

"Hast Du Lust Theater zu machen? Irgendwas mit Türken?"

Seit drei Jahren, schreibt Mely Kiyak in der Wochenzeitung Die Zeit (24.2.2011), gibt es das Ballhaus Naunynstraße, wo Künstler der zweiten und dritten Einwanderergeneration Theater spielten und Tanz, Film, Literatur und Musik zeigten. "So ein Haus gibt es nirgends sonst in Deutschland, und so hat Shermin Langhoff die 75 000 Euro des Kairos-Preises, mit dem sie nun ausgezeichnet wird, mehr als verdient." Shermin Langhoff hat das Ballhaus Naunynstraße aufgebaut, und ihre Geschichte erzählt der Zeit-Artikel.

1969 in Bursa geboren, wächst das Kind bei den Großeltern in Edredit am Ägäischen Meer auf. Die Mutter muss arbeiten. Mit neun Jahren kommt Shermin Langhoff nach Nürnberg, ihre Mutter hat sich als "Gastarbeiterin" von der AEG anwerben lassen. Deutsch lernt das Kind schneller, als die fränkische Küche zu ertragen. Sie absolviert eine Lehre zur Verlagskauffrau und gründet die "Nürnberger deutschtürkischen Filmtage". Denn "eigentlich will Langhoff zum Film, als Produzentin. Das Organisieren liegt ihr." Einem Volontariat beim NDR folgt ein Engagement an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin, wo sie auch ihren Mann Lukas Langhoff, den Sohn des Regisseurs Thomas Langhoff, kennenlernt.

Sie bekommt eine Tochter und Matthias Lilienthal, Intendant des Berliner Hebbel am Ufer, fragt sie: "Hast Du Lust Theater zu machen? Irgendwas mit Türken?" Vier Jahre arbeitet Langhoff als Kuratorin am HAU, "entdeckt Neco Çelik, Nurkan Erpulat, deutsch-türkische Künstler der zweiten Einwanderergeneration".

Damals, schreibt Mely Kiyak, habe Langhoff "jenes Publikum" gewonnen, "von dem es heißt, es existiere gar nicht: mehrheimische Zuschauer, die – wie die Künstler selbst – 'ihre' Geschichten sehen wollen." Langhoff habe dafür den Begriff "postmigrantisch" gewählt. Dafür wollte sie eine eigene Spielstätte, das Ballhaus Naunynstraße. Langhoff erkläre, schreibt Kiyak: "Wir werden manchmal Türkentheater genannt. Das ist falsch. Wir zeigen Theater aus unserer Perspektive und bestimmen unsere Konfliktzonen selbst."


Siehe dazu auch die Presseschau zum Ballhaus Naunynstraße vom 23. Februar 2011

 

Zu den Herausforderungen interkultureller Arbeit im Theater debattierte jüngst auch die Dramaturgische Gesellschaft in Freiburg, nachzulesen im ausführlichen Tagungsbericht von nachtkritik.de. Für den theoretischen Background der Debatte höre man hier Mark Terkessidis im O-Ton, der die Interkultur-Debatte wesentlich mit angestoßen hat.

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