Presseschau vom 26. März 2011 – In der NZZ verteidigt die Baseler Dramaturgin Julie Paucker Romanadaptionen für die Bühne

Risiko mit offenem Ausgang

Risiko mit offenem Ausgang

26. März 2011. "Das Theater, seit je ein diebisches Medium, hat sich immer Stoffe einverleibt: Mythen, Herrscherschicksale, Märchen, historische Ereignisse und Götterkämpfe – kurz: die besten Geschichten aller Zeiten," verteidigt die Baseler Dramaturgin Julie Paucker in der Neuen Zürcher Zeitung (26. 3. 2011) die von der Kritik immer wieder geschmähte Mode der Romanadaptation auf dem Theater.

In welche Form diese Stoffe jeweils gegossen gewesen seien, "ob bereits in Dramenform, in eine Novelle, ob sie der mündlichen Tradition entstammten oder eben in Romanform daherkamen – das war nie das einzige Kriterium für die Frage, ob ein Stoff theatertauglich sei (oder gemacht werden könnte)"

Für Julie Paucker handelt es sich bei Bühnenadaptionen epischer Stoffe auch um keine Mode, vielmehr sei bereits die Theatergeschichte des 19. und 20. Jahrhundert stark auch von Romanadaptionen geprägt. Die Ursache dafür sieht sie u.a. auch in ökonomischen Gründen: dass Autoren ihre Stoff mehrfach verwerten wollten und mussten, nicht nur als Roman sondern auch für die Bühne. Als berühmtes Beispiel führt sie u.a. Alexandre Dumas' "Kameliendame" an.

Wichtiger als die formale Herkunft eines Stoffes sei für das Theater stets gewesen, "was gesellschaftlich virulent war, welche Themen in der Luft lagen, welche Geschichten die Menschen interessierten. Theater ist seit seinen Ursprüngen in der Antike – immer auch – ein Ort der Verhandlung aktueller politischer, sozialer und gesellschaftlicher Themen. Und diesem Anspruch muss auch das heutige subventionierte Stadttheater sich stellen. Der Aktualitätsbezug (ob er sich nun abstrakter oder konkreter äussert) steht neben dem Unterhaltungs- oder dem Textpflege-Anspruch. Wobei das eine das andere überhaupt nicht ausschliessen muss, sondern es im Gegenteil sehr oft ergänzt.

Die Formen der Romanadaptionen seien, so Paucker, für die Bühne "heute so unterschiedlich wie die Inszenierungskonzepte, die ihnen zugrunde liegen. Der Roman als Grundlage einer Inszenierung allein sagt über das künstlerische Ergebnis weder formal noch qualitativ etwas aus. Ob man sich nun Schillers "Maria Stuart" oder Bulgakows "Meister und Margarita" anschaut, der Theaterbesuch bleibt ein Risiko mit offenem Ausgang.

(sle)

Kommentar schreiben