Presseschau vom 28. Juli 2012 – Die Süddeutsche Zeitung interviewt Sven-Eric Bechtolf

"Sonntage des Theaters"

"Sonntage des Theaters"

28. Juli 2012. In der heute erschienenen Wochenend-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung interviewt Christine Dössel den neuen Schauspielchef der Salzburger Festspiele Sven-Eric Bechtolf – und fragt ihn zunächst, warum er sich zusätzlich zu seiner Arbeit als Schauspielchef gleich noch eine Operninszenierung habe aufbrummen lassen. "Mir macht das alles wahnsinnig viel Spaß", sagt Bechtolf. Inszenieren sei Freude. "Und natürlich will man auch prägend vorkommen." Er hätte sich allerdings nicht von selber vorgedrängelt. "Pereira hat mich gefragt, ob ich nicht die 'Ariadne' inszenieren und so unsere gemeinsame Zürcher Arbeit fortsetzen möchte. Das ist schön, da fällt Neinsagen schwer." Im Schauspiel hätte er es aber nicht gemacht. "Ich will nicht die Ressourcen für mich alleine kapern."

Zu seinen Programmplänen als Schauspielchef der Salzburger Festspiele sagt er:
 Zunächst einmal gebe es bei der Programmgestaltung kein Motto mehr. "Ich habe das immer eher als Korsett empfunden und oft gedacht: Was übersteht, wird abgesägt. Und fand es auch ein bisschen naseweis." Ihn interessierten Künstler. "Und zwar die unterschiedlichsten." Wobei er glaube, dass man der Vereinheitlichung, die er im deutschsprachigen Theater wahrnehme – "das, was ich 'Mainstream' nenne" –, widerstehen solle. Stattdessen sollten Festspiele zeigen, was Theater alles kann. "Festspiele sind insofern die 'Sonntage des Theaters', als sich das Medium selber feiern sollte."

Den Vorwurf der Beliebigkeit, der auf so ein Programm sofort folge, müsse man aushalten. "Wir versuchen, die Beliebigkeit insofern zu durchkreuzen, als wir eine Struktur aus neun Programmpunkten haben." Dazu gehöre auch das Vorhaben, jedes Jahr ein großes Werk des Kanons, genannt Klassiker, zu spielen. "Ich glaube nämlich, dass Klassiker notwendige Navigationspunkte nicht nur unserer künstlerischen, sondern überhaupt unserer Existenz sind, an denen wir uns immer wieder neu ausrichten und vielleicht wieder zu geschichtlichen Wesen zurückentwickeln können. Um nicht gänzlich dem Augenblicksirrsinn zu verfallen."

Er habe das Gefühl, "dass wir zu modisch werden". Die Ästhetik an den Bühnen werde auf eine komische Weise gleichförmig. "Es gibt da einen reflexhaften Hang zur Hässlichkeit." Schönheit und Anmut hingegen seien im Theater selten geworden. Und das finde er schade. "Vielleicht wäre es an der Zeit, nachdem wir sämtliche Bilder gestürmt haben und alle Klassiker eingetreten wurden, dass wir uns langsam wieder auf diese Berggipfel zubewegen und sie nicht zu uns herunterreißen." Vielleicht lohne es sich, "da ein bisschen nachzuhorchen". Aber grundsätzlich sei er von niemandem ein Feind – also auch nicht vom Regietheater.

(sd)

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