Presseschau vom 29. August 2011 – Das Berliner Festival Tanz im August erregt weiterhin die Gemüter

Doch kein Kinderkram?

Doch kein Kinderkram?

29. August 2011. Vor einer Woche hatte die Tanzkritikerin der Frankfurter Allgemeinen, Wiebke Hüster, vorgelegt und das Berliner Festival "Tanz im August" recht grundsätzlich in die Mangel genommen ("Kinderkram"). Nun heulen die Wölfe mit.

In der Welt (29.8.2011) fragt sich etwa Manuel Brug: "Für wen wird hier eigentlich getanzt. Und was? Wird überhaupt getanzt? (…) In meist kurzen, mit sehr simplen Fragestellungen aufwartenden Stücken wird niemand gefordert. Tanz verengt sich oft auf eine zu lösende Kinetikaufgabe, meist durch stupide Wiederholung intensiviert. Das hat man meist nach zehn Minuten verstanden." Die nächsten Fragen Brugs lauten: "Wann hat Susanne Linke zuletzt etwas Kreatives fabriziert? (…) Was haben die mittelmäßigen Hip-Hopper, die Mickael le Mer geschickt hat, hier verloren? Oder die 25 Minuten lang ein wenig müden Breakdance vorführenden Eurasierinnen von 'Yonder Woman'?" Der "Tanz im August" ersticke fast "an seiner Selbstreferentialität und seiner kleinmütigen 'Alles geht'-Haltung".

Im Tagesspiegel (27.8.2011) kommt Sandra Luzina zu ähnlichen Ergebnissen: "Hier findet jeder Selbstdarsteller seine Bühne und jedes Nischenprogramm ein Publikum, die Szene kuratiert sich selbst." Die Darbietungen hinterließen "einen oft ratlosen, vielfach tief deprimierten Betrachter". Die Unzufriedenheit mit dem Festival wachse: "Im Rückblick muss man feststellen, dass in den letzten Jahren Entwicklungen verpasst und wegweisende Arbeiten dem Publikum vorenthalten wurden. Warum waren die britischen Stars Wayne McGregor und Hofesh Shechter nie in Berlin? Das größte deutsche Tanzfestival hat an Glanz eingebüßt."

Die Necla Kelek der Tanzkritik

In der Berliner Zeitung (29.8.2011) holt Michaela Schlagenwerth hingegen überraschend zum Gegenschlag aus, und da bekommt nun Wiebke Hüster ihr Fett weg: "Nein, dieser Tanz im August war kein guter, es war ein unterdurchschnittlicher Festivaljahrgang. Aber ist dieses Festival deswegen wirklich gleich eine Katastrophe, wie neulich in einem wutschäumenden Artikel in der FAZ zu lesen war? Handelt es sich bei den gezeigten Stücken tatsächlich um 'prozessorientierten Kinderkram von selbstberufenen standardlosen Subventionsempfängern'? Wohl kaum. Die Autorin Wiebke Hüster ist so etwas wie die Necla Kelek der Tanzkritik. Zweifelsohne kompetent, aber zuweilen so verblendet, dass die Realität und schlichte Fakten souverän ausgeblendet werden. Denn der Hohn und beißende Spott der Autorin gilt in der Hauptsache einem kleinen, marginalen Workshop, der das Festival nicht repräsentiert, sowie der tatsächlich reichlich im eigenen Saft schmorenden Berliner Tanzszene. Die aber ist beim Tanz im August gar nicht vertreten. (…) Amüsante, auch schlagkräftige Volten lassen sich auf diese Weise schlagen, und es stimmt ja wohl, dass Zeitungsleser starke Meinungen mögen. Sie haben aber sicher auch nichts dagegen, richtig informiert zu werden."

(wb)

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