Presseschau vom 3. November 2011 - Kleist-Interview mit Jan Bosse in der Frankfurter Rundschau/Berliner Zeitung

Stell dich dem Wahnsinn!

Stell dich dem Wahnsinn!

3. November 2011. "Was dieses Mädchen alles hinter sich lässt, was sie für diese Liebe alles opfert!" ruft Jan Bosse, für die Frankfurter Rundschau/Berliner Zeitung von Dirk Pilz interviewt, über die liebestolle Protagonistin von Kleists "Käthchen von Heilbronn" aus, das er gerade am Maxim Gorki Theater inszeniert: "Ist das überhaupt Liebe? Wenn ja, dann ist Liebe zerstörerisch. Sie ist hier jedenfalls eher wie ein Dämon, eine Besessenheit."

Das Käthchen sei "eine Jeanne d'Arc ohne Auftrag, eine Selbstmordattentäterin ohne Ideologie." Es komme ihm vor, als würde Kleist in diesem Stück "wie in einem Menschenversuch zwei Menschen zusammenzwängen, die nicht zusammengehören." Das sei ja das Brutale und Fiese bei Kleist, dass er Beziehungen zeige, in denen das Vertrauen gefährdet oder verloren sei: "Er täuscht seine Figuren über ihr innerstes Gefühl."

Diese Figuren müsse man "gleichzeitig wegrücken und an sich ranholen", um sie zu verstehen. "Sie verwirren einen immer wieder, weil sie voller Widersprüche sind." Wenn sich Hass und Begehren auf dasselbe Objekt richteten, explodierten die Kleist-Menschen. "Das sind oft echte Splatter-Szenen, die er entwirft." Es sei schwer, alle Aspekte zu erwischen, denn: "Es gibt banalsten Spaß und tiefen Ernst zugleich."

Kleist habe alles, wirklich alles in seine Stücke gepackt, "da wird nichts zurückgehalten." Deshalb und als Herausforderung an die Regie gehörten seine Stücke auch heute noch unbedingt aufs Theater: "Kleist schreit einen immer an: Finde Bilder! Stell dich dem Wahnsinn! Das zwingt mich, Neues auszuprobieren."

(FR/BLZ/sd)

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