Presseschau vom 7. Oktober 2011 – Die New York Times interviewt den Performer Mike Daisey zu Steve Jobs
Schausteller und Ideale-Verräter
Schausteller und Ideale-Verräter
7. Oktober 2011. Steve Jobs ist tot. Mit der Entwicklung von iPhone und iPad hat er zwar auch die Theaterästhetik beeinflusst (etwa in Ivo van Hoves Schaubühnen-Inszenierung Der Menschenfeind), vor allem aber hat er die Technik theatralisiert: "Er ist weniger ein Computerfreak als ein Schausteller", sagt Mike Daisey, amerikansicher Autor und Schauspieler in einem Interview mit der New York Times, das noch vor Jobs Tod entstand. Als (performativer) Künstler sei Jobs "ungeheuerlich effektiv".
Daisey, der in seinen abendfüllenden Monologen autobiographische Erlebnisse mit historischen Fakten verknüpft, hatte sich nach Shows über das Leben als Angestellter beim Online-Shop Amazon, über den Scientology-Gründer L. Ron Hubbard, 9/11 und Wal-Mart auch Steve Jobs vorgeknöpft, weshalb ihn vor Kurzem vor der New-York-Premiere die NYT interviewte: In "The Agony and the Ecstasy of Steve Jobs" verbindet er seine eigene Bewunderung für Jobs Erfindungen mit den Arbeitsbedingungen chinesischer Arbeiter, die er vor Ort recherchierte.
Sein Abend zeigt vor allem die Schattenseiten des Apple-Systems, die ungeniale Seite des Künstlers Jobs: "Wenn wir über ihn als Künstler sprechen, dann würde ich sagen: Er hat seine Ideale verloren." Das war einer der Erkenntnisse, die Daisey auf seinen Recherchen sammelte: "Ich hatte erwartet, dass die Bedingungen schlimmer sein würden als ich es jemals selbst erfahren habe, und ich hatte bislang ein ziemlich komfortbales Leben. Was mich schockiert hat war der Grad an Entmenschlichung, der in jene Systeme eingebaut ist, die die amerikanischen Firmen in Zusammenarbeit mit den Zulieferern installiert haben."
Die Situation jener Menschen, die versuchten, sich beim Konsum ethisch korrekt zu verhalten, vergleicht Daisey mit der Situation in den 1950ern, als Bio-Lebensmittel noch ein Fremdwort war: "Die Menschen damals haben überhaupt nicht verstanden, warum jemand kein Essen aus der Dose haben wollen könnte. Anders gesagt: Hier die Denkweise der Menschen zu verändern ist ein revolutionärer Akt."
(geka)
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