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Einladungen zum Berliner Theatertreffen 2021
Neue Mehrheiten
Berlin, 9. Februar 2021. Im Rahmen einer Pressekonferenz haben die Berliner Festspiele heute gemeinsam mit der diesjährigen Jury die Auswahl für das Berliner Theatertreffen 2021 bekanntgegeben. Folgenden zehn Inszenierungen werden eingeladen:
Einfach das Ende der Welt
nach Jean-Luc Lagarce (Übersetzung: Uli Menke)
Schauspielhaus Zürich, Regie: Christopher Rüping
Nachtkritik vom 3. Dezember 2020
Reich des Todes
von Rainald Goetz
Deutsches Schauspielhaus Hamburg, Regie: Karin Beier
Nachtkritik vom 11. September 2020
Der Zauberberg
nach Thomas Mann
Deutsches Theater Berlin, Regie: Sebastian Hartmann
Nachtkritik vom 21. November 2020
Show me a good time
von und mit Gob Squad
HAU – Hebbel am Ufer Berlin und La Jolla Playhouse Without Walls Series San Diego in Koproduktion mit Mousonturm Frankfurt, Schlachthaus Theater Bern und dem International
Summerfestival Kampnagel Hamburg
Nachtkritik vom 21. Juni 2020
Graf Öderland
Eine Moritat in zwölf Bildern von Max Frisch
Theater Basel, Übernahme Residenztheater München, Regie: Stefan Bachmann
Nachtkritik vom 14. Februar 2020
Automatenbüfett
von Anna Gmeyner
Burgtheater Wien, Regie: Barbara Frey
Nachtkritik vom 30. Oktober 2020
Scores that shaped our friendship
von und mit Lucy Wilke und Paweł Duduś
schwere reiter München
Medea*
nach Euripides
Schauspielhaus Zürich, Regie: Leonie Böhm
Nachtkritik vom 19. Dezember 2020
Maria Stuart
von Friedrich Schiller
Deutsches Theater Berlin, Regie: Anne Lenk
Nachtkritik vom 30. Oktober 2020
Name Her. Eine Suche nach den Frauen+
Idee, Konzept, Text, Inszenierung: Marie Schleef
Eine Produktion von Marie Schleef in Kooperation mit dem Ballhaus Ost Berlin, dem Kosmos Theater Wien und den Münchner Kammerspielen
Die Auswahl wurde von Berliner Festspiele-Intendant Thomas Oberender und Theatertreffenleiterin Yvonne Büdenhölzer gemeinsam mit der Jury per Livestream aus dem im Haus der Berliner Festspiele verkündet. Der Kritiker*innen-Jury gehörten dieses Jahr an: Cornelia Fiedler, Wolfgang Höbel, Georg Kasch, Andreas Klaeui, Sabine Leucht, Petra Paterno und Franz Wille.
Es wurden den Informationen der Berliner Festspiele zufolge 285 Inszenierungen in 60 Städten analog oder digital besucht. 531 Voten gingen ein und insgesamt wurden 26 Inszenierungen vorgeschlagen und diskutiert. Mit der diesjährigen Festivalausgabe beenden Cornelia Fiedler, Wolfgang Höbel und Andreas Klaeui ihre Jurytätigkeit. An ihre Stelle werden Mathias Balzer, Katrin Ullmann und Sascha Westphal berufen.
Für die diesjährige Auswahl galt zum zweiten Mal die 2019 verabschiedete Quotenregelung, die der Auswahljury die Verpflichtung auferlegt, das 50 Prozent der eingeladenen Produktionen von Frauen inszeniert sein müssen. In der Auswahl 2021 stammen sechs der zehn eingeladenen Inszenierungen von Regisseurinnen bzw. Teams, die überwiegend aus Frauen bestehen.
(Berliner Festspiele / miwo)
Hier finden Sie den Video-Mitschnitt des nachtkritik-Gesprächs zur Auswahl des Berliner Theatertreffens 2021 mit den Juror*innen Petra Paterno, Andreas Klaeui und Franz Wille.
Presseschau
"Macht es Sinn, in einer Zeit, in der die Bühnen monatelang geschlossen waren und noch immer zwangsgeschlossen sind, am Berliner Theatertreffen festzuhalten?", fragt Christine Dössel in der Süddeutschen Zeitung (9.2.20201) und zitiert in ihrem Übersichtstext zur TT-Auswahl Theatertreffen-Leiterin Yvonne Büdenhölzer: "Wir wollen das, was stattfand, diskutieren und würdigen und darüber sprechen, was möglich und was nicht möglich war." Eine Überraschung sei die Einladung des Tanzprojekts "Scores That Shaped Our Friendship“ von Lucy Wilke und Paweł Duduś. Auch die Einladung von "NAME HER. Eine Suche nach den Frauen+" hebt die Autorin hervor, in dem die "unverwüstlich famose" Performerin Anne Tismer vergessenen Frauen hinterherspüre und -tanze. Dössel schließt mit der Konklusion: "Die Auswahl zu kommentieren oder zu kritisieren, wäre in diesem Jahr vermessen." Niemand habe dieses Jahr viel Theater gesehen.
"Eine bemerkenswert analoge Auswahl" sei das dieses Jahr, kommentiert Fabian Wallmeier vom rbb (9.2.2021). Zwar habe die Jury erstmals in der Geschichte des Theatertreffens auch digitale Inszenierungen einbezogen, doch das Endergebnis sei ebenso bedenkenswert wie der Fakt, dass nur zwei Arbeiten ihre Premiere im Livestream hatten: "Show me a good Time" von Gob Squad und "Der Zauberberg“ von Sebastian Hartmann. Zweitere Arbeit sei ein "Triumph" geworden und "lasse im enorm organischen Zusammenschmelzen von Film und Theater tatsächlich etwas Neues entstehen." Wallmeier sieht eine Jury, deren Begeisterung für digitale Experimente noch nicht vorhanden sei. Doch Teil der Wahrheit sei eben auch, dass viele Häuser das künstlerische Niveau analoger Theaterformate noch nicht erreichten. Gleichzeitig stellt der Autor ein sich verstärkendes Bewusstsein dafür fest, digitale Projekte nicht nur als Pausenfüller zu begreifen.
Mit "Zeugnis eines Ausnahmezustands" greift Patrick Wildermann im Tagesspiegel (9.2.2021) den definierenden Kommentar von TT-Intendant Thomas Oberender zur diesjährigen Auswahl auf. Erstaunlicherweise klinge die Auswahl aber "gar nicht so sehr nach Krise" – schließlich haben die Juror*innen die verbliebende Zeit für Live-Sitzungen in den Zeitfenstern benutzt, in denen das möglich war: "285 Inszenierungen in 60 Städten wurden gesehen (34 Prozent weniger als gewöhnlich)". Auch, dass die Quote hinsichtlich des Anteils weiblicher Regisseurinnen nicht nur gehalten, sondern sogar übertroffen werden konnte, erfreut den Autor. Zur fraglichen Form des diesjährigen TTs zitiert er die Festivalleiterin Büdenhölzer: "Verschiebungsszenarien sind nicht ausgeschlossen“.
"Sechs zu vier" sei ein maßgebliches Verhältnis gleich in zweierlei Hinsicht, konstatiert Ulrich Seidler in der Berliner Zeitung (9.2.2021): Neben der Frauenquote beschreibe das auch das Verhältnis der Auswahl von Inszenierungen aus Berliner Häusern und dem weiteren deutschsprachigen Raum. Es begrüßt der Autor neben Sebastian Hartmanns "Zauberberg“ besonders die Einladung von Anne Lenks "Maria Stuart".
Auf Karin Beiers Rainald-Goetz-Revue habe man "auch so" kommen können, lässt die FAZ (9.2.2021) in ihrer Meldung zur diesjährigen TT Auswahl verlauten – aber interdisziplinäre Arbeiten wie "Scores that shaped our friendship“ und "NAME HER. Eine Suche nach den Frauen+" seien ohne die Pandemie-Ausnahme-Situation vielleicht übersehen worden. Auch die FAZ zeigt sich gespannt hinsichtlich der diesjährigen Umsetzung des TTs – und greift die Aussage der Festivalleitung auf, dass man an einer digitalen Ausgabe arbeite.
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(Daniel Binswanger nach "The Tyranny of Merit" von Michael Sandel)
Können wir bitte damit aufhören?!
Von zehn Stücken sind drei aus der CH und eins aus Österreich, bleiben sechs aus "Deutschland", von denen zwei internationale Ko-Produktionen sind (inkl. Ballhaus Ost).
Von den vier "deutschen" sind zwei vom Deutschen Theater Berlin. Nun wird der Herr "Feststellender" dies als West-geleitet nicht akzeptieren, aber die Regie der zwei Stücke hatten inne:
- Sebastian Hermann, geb. in Leipzig
- eine 1978 geborene Frau, o.k. in Wessiland, aber irgendwann ist das doch hoffentlich egal, oder?
Lieber Herr Feststellender, ich flehe sie an, lassen sie es gut sein.
Können wir nicht lieber dafür kämpfen, dass wieder mehr Karten in den freien Verkauf kommen und nicht immer mehr Karten des Theatertreffens irgendwelchen VIPs angedient werden?
In diese Sinne von Theaterfan zu Theaterfan.
TT-Jury-Mitglied Franz Wille beantwortete diese Frage bei der gestrigen Zoom-Diskussion am Abend so: "Ich glaube nicht, dass die Auswahl so in der Quote ausgefallen wäre, wenn es die Quote nicht gäbe. Ich halte die Quote für absolut notwendig." Allerdings sieht er die Quote "nur als temporäres Instrument - bis sich unten was geändert hat." Laut Wille wirkt die Quote also zwar (noch?) nicht direkt auf den Betrieb (gibt lediglich Impulse), aber durchaus im "Oberstübchen" der Juror*innen.
Und als vor zwei Jahren Dresden zwei mal dabei war, wurde auch direkt gefragt: Muss das denn sein?
Soll mal einer diese Jury verstehen. Das Theatertreffen gehört neu erfunden. Allein schon nur aufgrund der Auswirkungen dieser Pandemie. Es ist überteuert, unnötig, überflüssig. Gebt das Geld der Freien Berliner Szene, die hat es derzeit dringender nötig.
Ich bezweifle das. (...)
Darf ich einen anderen Vorschlag machen: die Kommentarfunktion abschaffen. Ich meine das ernst, liebes Nachtkritik. Die fehlende Transparenz warum hier a very few was schreiben, zersetzt jede ernstzunehmende Debatte, ist nur noch tendenziös und "fragwürdig, eitel und unsolidarisch", liebe*r Arbeiter*in. Nochmal, ich meine das enrst: bitte aufhören mit diesen Kommentaren!
Und dann noch zur Sache: ich kenne nicht alle Produktionen, die da eingeladen wurden. Aber ich würde jetzt erst einmal sagen - es werden wieder einige tolle darunter sein und das in dieser Scheiss Zeit anzuerkennen, finde ich schon richtig.
(Teile dieses Kommentars wurden gekürzt, weil sie nicht dem Kommentarkodex von nachtkritik.de entsprechen. Nachzulesen ist der Kommentarkodex hier: https://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=12&Itemid=102 d. Red.)
(Danke für den Hinweis, wir haben nachgebessert, d. Red.)
@ Dramaturg: Vielleicht einfach den eigenen Rat befolgen: bitte aufhören mit diesen Kommentaren!
Nun ließe sich der Grund dafür, und so machen es ja hier die meisten, erst einmal in der Jury suchen. Vielleicht kommt die Schweiz oft vor, weil die Jury-Mitglieder das irgendwie sympathisch-exotischer finden, als ihr Theater vor der Haustür, wenn sie in Basel aus dem Zug steigen oder jemand einen leichten schweizerischen Zungenschlag hat. Vielleicht fühlen sie sich irgendwie freier in Berlin als in Cottbus, wo vielleicht das Hotel spießiger ist und man vor der Aufführung nicht noch die alte Freundin aus dem Studium trifft.
Aber vielleicht ist es ja auch ganz anders - und das Bemerkenswerte wird eben nur noch in den Metropolen geschaffen? Wir beobachten ja nicht nur im Theater einen Sog Richtung Berlin, den es - zumindest nach meiner Erinnerung - früher so nicht gegeben hat. Welche kreativen Menschen leben denn noch in den Mittelstädten? Wundert es irgendjemanden, dass eben in Freiburg, Kiel oder Gera nicht die künstlerische Avantgarde lebt und arbeitet?
Der zunehmende Zentralismus fordert seinen Preis. Das ist sicher auch die Folge einer Kulturpolitik, die gern alles nach Berlin reißt, was nicht ohnehin schon da ist. Und es ist, wie hier schon angemerkt, auch Ergebnis eines Betriebs, in dem die Stars wie im Wanderzirkus durch die Städte ziehen, die ihre Gagen noch zu zahlen bereit sind.
Ich weiß selber nicht genau, wie ich diesen Befund finden soll - normal? Ärgerlich?