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Rechteinhaber erzwingen Änderungen an Herbert Fritschs "Puntila"
Ein handfester Handzettel-Skandal?
5. März 2012. Die Frankfurter Allgemeine meldet heute glossierend einen "Skandal im Schauspielhaus Köln". Dabei bezieht sie sich auf einen Handzettel, der bei zwei der Februar-Vorstellungen von Brechts Herr Puntila und sein Knecht Matti in der Inszenierung von Herbert Fritsch ans Publikum verteilt werden musste und auf dem die Erben von Paul Dessau sowie der Suhrkamp Verlag mitteilen ließen: "Die Bearbeitungen haben das ursprüngliche Werk erheblich verändert und sind ohne Abstimmung mit den Urheberberechtigten erfolgt. Bei den Klavieruntermalungen handelt es sich durchweg um Improvisationen von John R. Carlson. Von der originalen Musik Paul Dessaus ist in dieser Inszenierung kaum etwas übrig geblieben. Wenn in den bearbeiteten Passagen eine Bezugnahme stattfindet, dann in teilweise entstellender Weise."
Eine Nachfrage von nachtkritik.de beim Schauspiel Köln ergab, dass inzwischen eine Einigung erzielt wurde, der sowohl der Regisseur Herbert Fritsch und das Kölner Leitungsteam als auch der Verlag und die Erben zugestimmt haben. Die Aufführung musste dazu in einigen Punkten geändert werden: Das von John R. Carlson bearbeitete Puntilalied von Dessau wurde ersatzlos gestrichen, ebenso dürfen von Carlson vertonte Brecht-Texte nicht mehr gesungen, sondern nur noch gesprochen werden. Verblieben sind hingegen zwei weitere, in der Instrumentation veränderte Stücke Dessaus ("Ballade vom Förster und der schönen Gräfin" und "Hymne"). Handzettel werden künftig nicht mehr verteilt, der Skandal findet nicht statt.
(wb)
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Möchte das Theater von diesem Vertrag abweichen oder gibt es Unsicherheiten, dann muss es mit dem Verlag oder den Rechteinhabern oder beiden REDEN.
Wenn es keine Einigung gibt, darf das Theater die geplanten Änderungen NICHT durchführen. Denn: Pacta sunt servanda.
Natürlich handeln nicht alle Autoren oder Erben vernünftig oder aufgrund (konservativer) Ansichten, die einem Theater oder Regisseur nicht gefallen müssen. Aber sie haben das Recht dazu, genauso wie ein Regisseur ein Urheberrecht auf seine Inszenierung hat und das Theater nicht nachträglich in die Inszenierung eingreifen darf. Wem die Arbeit mit den Verlagen zu anstrengend ist, soll eben nur gemeinfreie Texte spielen....
Unser Rechtssystem ist in dieser Hinsicht also mit einem völlig antiquierten Kunstverständnis des 18./19. Jahrhunderts ausgestattet und keiner macht Anstalten hier mal notwendige Änderungen herbei zu führen. Ein Aufruf könnte in dieser Hinsicht vom Schauspiel Köln ja durchaus mal gestartet werden!
"ermessensfrage" in sachen urheberrecht: da geht doch ihre interpretationen (th. rothschild/beckett) einfach an eben dieser realität vorbei! vor allem, wenn es sich um brecht handelt. denn dem gut informierten theatermenschen - und einen solchen erwarte ich einfach in entsprechend verantwortungsvoller position - haben v.a. bei brecht/dessau die alarmglocken zu schrillen in sachen urheberrecht und dessen nutzung etc. das lehrt man doch heute mitunter schon in der oberstufe...
und, egal ob das mir, ihnen, frau beier oder weissderkuckuck wem gefällt: es ist halt schon auch so, wie das klaus m. oben dargestellt hat bzgl. rechteerwerb und -nutzung etc., es kommt zu einem vertrag und an dessen inhalt hat man sich zu halten. das ist doch keine rechtsfreie zone, selbst wenn dies so manche theaterleitung glaubt und/oder sich wünscht bzw. sich gar nicht dafür interessiert (meine, in diesem falle natürlich nicht zu belegende vermutung).
und nur weil so manches auto über eine rote ampel fährt, gilt doch nicht gleich die vorschrift, bei rot sei zu halten, nicht mehr! "patent" in sachen theater-inszenierung ist m.e. gar nicht so weit hergeholt, trotzdem ist in diesem zusammenhang dem poster 8 ein bequemer schaukelstuhl am rande des theater-rhabarber-feldes anzubieten.
im rumblaffen sind sie ja schon geübt, aber in sachen rechtefragen bzgl. dramenaufführungen offensichtlich nicht. eher naiv. denn diese "zone", von der sie sprechen hat durchaus einen rechtsfreien charakter. glauben sie allen ernstes, dass dieser vertrag jedes kleine detail regelt? pustekuchen! für brecht machen sie zb eine strichfassung, lassen diese suhrkamp zukommen und in einzelfällen erreicht diese dann noch die erben selber. und ob diese fassung dann durchgeht oder nicht, das liegt ganz am gusto des verlags bzw. am ende am gusto der erben. jedoch der andere und einfachste weg jeden erben alle seine ideale vergessen zu lassen und ihn zum schweigen zu bringen, ist und bleibt der am wenigsten überraschendste: geld, geld und nochmal geld.
was haben denn meine einlassungen mit naivität zu tun? geld hin oder her, die begründung war eindeutig, falls sie sie nicht gelesen haben: "Die Bearbeitungen haben das ursprüngliche Werk erheblich verändert und sind ohne Abstimmung mit den Urheberberechtigten erfolgt" - darauf beziehe ich mich hier.
je nachdem, ob ihr berufsfeld mit theater und/oder dramaturgie zu tun hat oder mit rhabarber, wird ihnen u.u. bekannt sein, was in der debatte schon fiel und eben auch innerhalb der begründung des verlages auftauchte: es geht (v.a. auch) um die fehlende "abstimmung" mit dem rechteinhaber. darauf wies (nicht nur) ich hin, u.a. auch in kenntnis solcher verträge, dazu brauche ich also meinen glauben nicht bemühen. was in wessen gusto liegt und warum, dazu habe ich keine veranlassung stellung zu beziehen. wohl aber, wenn die üblichen verdächtigen die nächsten shit-storms in wassergläschen anfachen...
woraus sie ihre schlüsse ziehen, das frag ich mich.
es geht hier doch nicht um haltungen bzw. was SIE befürworten (nochmals). das scheint in ihren - mit verlaub - betonkopf nicht hineingehen zu wollen. wie von einem vorredner bereits angeführt: verträge sind zu halten, so ist das nun mal.
und was soll ihr polemischer verweis, wer in welcher weise "künstlerisch wertvolles" geschaffen hat. das sollte also ihres erachtens der gradmesser für solche entscheidungen sein? toll. dann lassen wir also am besten arkadij zarthäuser entscheiden, der schreibt hier doch so tolle beiträge. oder helmut kohl, für sein kunstvolles schweigen. kommen sie, was für ein lärmener unsinn!
sie offenbaren hier nicht nur ein schon sehr zweifelhaftes rechts- sondern auch kunstverständnis. von ihren schlüssen auf die haltung anderer mal ganz abgesehen.
wie gerate ich Ihnen denn hier rein ??
Es wäre gewiß (wenn auch nicht unbedingt lärmender) Unsinn, sollte ich das ent-
scheiden; allerdings, wenn ich entscheiden müßte, würde bei diesem "lärmenden Unsinn" ungefähr Folgendes herauskommen: Verträge sind zu halten !.
das war lediglich eine positiv gemeinte referenz - nichts für ungut!
besten gruß.
Na, da bin ich beruhigt; ich stand "mir" zu nahe bei Herrn Kohl, als daß ich hier nicht noch einmal "eingehakt" hätte. Ich hatte sogar schon ein "Helmut Kohl"-Posting erwogen, daß etwa so gehen sollte:
"Alfred, hol die Koffer ab ...", Quatsch, nein, falscher Text: "Wie sagt ein altes englisches Sprichwort- "All animals are equal...", mit anderen Worten "Kein Schwein sollte etwas gegen Verträge haben, erst recht nicht jene(s), welche(s) diesen zu brechen gedenk(t)en, könnt ja jeder (jede ??, Frauentag heute) kommen."
Möglicherweise sollte "man" gelegentlich die Polemik gegen das nichtkünstlerische Personal eines Theaters nicht zu weit treiben
und mit der eigenen "Rechtsabteilung" zB. auch und gerade während eines Probenprozesses auf Tuchfühlung bleiben (so man eine "Rechtsabteilung" besitzt), bevor sich jemand zurecht vor vollendete Tatsachen gestellt sieht und vor den Kopf gestoßen..
Richtig, nichts für ungut !
Herzlichen Gruß zurück !.
- freundlich oder wenigstens augenzwinkernd bleiben
- sich die argumente des anderen durch den kopf gehen lassen und auf sie eingehen
- eigene behauptungen argumentativ darlegen
das fehlt bei ihnen alles, deswegen spar ich mir die müh und wünsche mir eine weitere meinung nach ihrem ersten kontakt mit den brecht-erben. da werden sie dann erfahren, um was es geht, das sie – etwas grün hinter den ohren – "vertrag" nennen.
ach, und einen kleinen verweis erlaube ich mir doch noch: möglicherweise ist ihnen noch nicht bekannt, dass alle entscheidungen, die in einer repräsentativen demokrate gefällt werden, im besten fall entscheidungen sind, die von fachleuten, also vertretern qua expertise, gefällt werden. nichts anderes als dies fordere ich für die rechtevergabe.
sie hingegen befürworten das entscheidungsprinzip durch erbfolge, das etwa monarchien konstitutiert.
ich hoffe, dass ich mich mit ihnen jetzt nicht darüber streiten muss, welcher dieser beiden entwürfe den zivilisierteren darstellt.
Oder schlagen Sie eine Initiative vor, die das Urheberrecht insgesamt (für Theater? allgemein?) außer Kraft setzt?
Da kann man dann aber noch weiter gehen und gleich noch andere Vorschriften und Gesetze in einem demokratischen Verfahren beseitigen, die die künstlerische Gestaltungsfreiheit der armen Regisseure behindern. Ich schlage vor: Das Arbeitszeitgesetz, die Versammlungsstättenverodnung, Berufsgenossenschaftliche Vorschriften für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, die Tarifverträge für Technik und Verwaltung in Theatern, die Klauseln in den Verträgen der Regisseure, die sie zur Einhaltung bestimmter Budgets verpflichten, die Möglichkeiten der Theater, Besetzungen zu bestimmen, im Vorfeld festgelegte Premierentermine, die Freiheit der Presse ...
Mal sehen, woher Sie dafür Mehrheiten bekommen.
ihre bemüht aber doch schon sehr verkniffen wirkenden postings gehen konsequent über die inhalte hinweg und wirken schon etwas troll-haft, mit verlaub. von daher verabschiede ich mich aus der diskussion. im prinzip ist ja alles schon gesagt.
@word up, klaus m., demokratie & theater...
@a.z. ich musste lachen, danke!
bereits Lessing hat die Meinung vertreten, dass Theater eine autonome Kunstform sei. Sie ist nicht zu verwechseln mit Literaturunterricht.
1. Ein Theaterstück ist Spielmaterial. Jeder, der ein Theaterstück schreibt, aufgeführt werden und Tantiémen kassieren will, sollte diese Spielregel kennen. Es ist nachgerade bigott, nach dem Kadi zu schreien, weil das Theater tut, was des Theaters ist.
2. Wenn ein Interpret im Stück eines Autors etwas entdeckt, was der Autor (oder seine Erben) selbst noch nicht entdeckt hat, sollte er sich über diesen Zuwachs an Sinn oder Bedeutung freuen, statt (sich) zu (be)klagen. Große Werke sind klüger als ihre Autoren. (Oder wollen Sie behaupten, dass z.B. Goethes Aufsatz über sein Gedicht "Urworte, orphisch" auch nur im Entferntesten an sein Gedicht herankommt?)
3. Wer ein Stück kennen lernen möchte, soll es lesen und sich seine eigenen Gedanken dazu machen. Das Theater ist keine Bedürfnisbefriedigungsanstalt für Lesemuffel (Faulpelze).
4. Das heißt nicht, dass es nicht auch wunderbare Regisseure gäbe, die mit den Mitteln der körperlichen Vergegenwärtigung die fremden Gedankengänge der Stücke auf alle ihre Nuancen hin abklopfen und dem Zuschauer zu wunderbaren Evidenzerlebnissen verhelfen (Der "Ach so"-Effekt: Das habe ich ja noch gar nicht im Zerbrochenen Krug gesehen. Das leuchtet mir aber ein.) Aber auch die Dessau-Erben und der Suhrkamp-Verlag haben nicht das Recht, uns vorzuschreiben, welchen Brecht wir sehen dürfen oder nicht. Schon deswegen nicht, weil es eine Erfahrungstatsache ist, dass "Erben" früher oder später noch jeden Betrieb ruiniert haben - finanziell oder moralisch.
5. Dessau-Erben/Suhrkamp-Verlag handeln gegen Brechts erklärten Willen: "Der moderne Zuschauer wünscht nicht, bevormundet zu werden." Bertolt Brecht, Gesammelte Werke (1967) Bd.15, S.221
Nein, die Erben haben kein Recht dazu, eine Meinungsdiktatur auszuüben. Brecht gehört der Menschheit und nicht irgendwelchen Leuten, die er mit irgendwelchen Frauen irgendwann mal gezeugt hat und zu denen er selbst meist kein Verhältnis hatte.
Es will ihnen doch niemand ihre Villen und Pfründe wegnehmen. Aber beim Recht auf die Gedanken- und Kunstfreiheit hört der Spaß wirklich auf. Wer es nicht erträgt, missverstanden zu werden, darf sich nicht öffentlich äußern.
Der Vergleich mit dem Urheberrecht an der Inszenierung hinkt in 2 Punkten:
1. Setzt sich das Theater mit dem Urheber der Inszenierung auseinander. Ein Regisseur, der sich mit Erben und Verlagen herumschlagen muss, kann das nicht tun. Und die Erben bekommen recht, selbst wenn sie dem Willen des Texturhebers (an dessen Stelle sie gerückt sind) eindeutig widersprechen.
2. Eine veränderte Inszenierung kann nicht mehr an ihrem Original gemessen werden. Das Original ist vernichtet. Der veränderte Stücktext hingegen ist jederzeit für jeden nachprüfbar.