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Theaterverlegerin Maria Müller-Sommer verstorben

29. August 2023. Maria Müller-Sommer, Verlegerin, Senior-Chefin und Gesellschafterin des Theaterverlags Gustav Kiepenheuer Bühnenvertriebs-GmbH ist tot. Das teilte der Verlag am heutigen Dienstag mit. 

Maria Müller-Sommer, 1922 in Berlin geboren, studierte in Berlin Theaterwissenschaft, Zeitungswissenschaft Germanistik und Kunstgeschichte. 1945 promovierte sie mit einer Arbeit zur Zensur im Berliner Theaterleben. Im Jahr darauf kam sie als Dramaturgin zur Gustav Kiepenheuer Bühnenvertriebs-GmbH. Sie erwarb die Anteile des Unternehmens und wurde 1950 alleinige Geschäftsführende Gesellschafterin. In den folgenden Jahren nahm sie zahlreiche junge oder in Deutschland noch unbekannte Autoren wie Günter Grass, Jean Giraudoux, Arthur Miller oder Jean Anouilh in ihrem Verlag unter Vertrag.

Auch gilt sie als Entdeckerin George Taboris für das deutschsprachige Theater, dessen gesammelte Dramen sie 2014 im Steidl-Verlag herausgab. Darüber hinaus edierte sie (mit Michael Rössner) die erste deutsche Gesamtausgabe der Werke Luigi Pirandellos und setzte polnische Autoren wie Sławomir Mrożek und Tadeusz Różewicz auf deutschen Bühnen mit durch.

Daneben war Maria Müller-Sommer Vorsitzende des Verwaltungsrates der VG Wort und seit 1999 deren Ehrenpräsidentin. Sie wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Bundesverdiestkreuz 1. Klasse und dem Verdienstorden des Landes Berlin. 2014 erhielt sie den Deutschen Theaterpreis Der Faust für ihr Lebenswerk. Im Alter von 101 Jahren starb sie am 27. August in Berlin.

(Gustav Kiepenheuer Bühnenvertriebs-GmbH / sle)

Kommentare  
Maria Müller-Sommer: Jenseits des Rampenlichts
Sie stehen nicht im Rampenlicht, die Scouts der Theaterverlage, und doch haben ihnen die Theater viel zu verdanken. Maria Müller-Sommer gehört zu der Handvoll herausragender Verlegerinnen, die entdecken, was den Dramaturg*innen entgeht, den Weg bereiten für Autor*innen, die noch niemand kennt, und vor allem: sich auch in anderen Ländern und Sprachen umsehen. Unser Theater wäre um einiges ärmer, wenn es nicht die Übersetzer*innen und ihre Verbündeten in den Verlagen gäbe.
Maria Müller-Sommer: Güte und Kraft
Sie sitzt zwischen Stapeln von Zeitungen und Manuskripten, unterschreibt hier einen Vertrag, nimmt dort einen Anruf an. Sie begrüßt den Besucher mit festem Händedruck, lässt seine Lieblingskekse kommen, spottet über eine Premiere, auf der sie gestern war. Jeden Text, alle wichtigen Namen und Termine hat sie parat. Bald wird Frau Sommer hundert. Sie verkörpert deutsche Theatergeschichte wie kaum jemand, in letzter Zeit wird sie mit Preisen zugeworfen: Lebenswerk, Lebenswerk, Lebenswerk … Nichts davon ist ihr anzumerken. Alles ist heitere, konzentrierte Gegenwart, so viel Neues gilt es zu entdecken und auf den Weg zu bringen …
Am Ende des Gesprächs steht sie auf: „Dann wollen wir mal.“ Zwei Hunde springen an ihr hoch, traumatisiert von früheren Besitzern. Niemand wollte diese Hunde, Frau Sommer schenkt ihnen, jeden Tag neu, ein schönes Leben. Sie lässt Verlag, Verdienstorden, klingelndes Telefon hinter sich und zieht mit ihnen eine halbe Stunde durch den Wald.
So viel Güte, so viel Kraft. Maria Sommer wird unvergessen bleiben.
Maria Müller-Sommer: Vorbild für uns Theaterschaffende
Maria Müller-Sommer war uns über die letzten Jahrzehnte eine wichtige Partnerin, nicht nur in Hinblick auf Autor:innen; vielmehr konnte man mit ihr über das Theater als Kunstform, über Sprache und Ästhetik, über Kultur und Welt jederzeit leidenschaftlich diskutieren. In Gemeinsamkeit mit ihren Mitarbeitenden hat sie in der Kiepenheuer-Villa in Berlin einen ganz besonderen Spirit erzeugt, an den wir hier in Hannover viel denken. Wir danken ihr für ihre Neugierde, Direktheit, Klugheit und Aufmerksamkeit, die uns viele Autor:innen und Projekte beschert hat. Aber auch dafür, dass sie als Denkerin, Gast- und Impulsgeberin Vorbild war für uns Theaterschaffende. Unser Mitgefühl gilt ihren Angehörigen, Freunden und Kolleg:innen.
Maria Müller-Sommer: Dankeschön für so viel Vorbild
einhunderteins geworden, sehr mutig + leidenschaftlich + eher hinter den kulissen wirkte die kluge Maria Sommer bahnbrechend für autorinnen, für literatur, für dramaturgische freiheit + demokratie am theater.
dankeschön für so viel vorbild
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