Ein herrliches Weib stolpert

von Gabi Hift

Berlin, 25. Oktober 2017. Ich muss was gestehen. Ich habe der Redaktion vorgespiegelt, ich könne "Highness" von Melanie Jame Wolf unvoreingenommen kritisieren. In Wirklichkeit war ich befangen. "Highness" ist der zweite Teil einer Trilogie über archetypische Frauenrollen: die Hure, die Queen, die alte Vettel, deren ersten Teil, "Mira Fuchs", ich schon gesehen hatte. Damals, im Juni, hat sie sich gleich beim Auftritt splitterfasernackt ausgezogen, groß, üppig, alabasterweißer Körper, schwarzes Haar, phantastische Brüste, hat gefragt "Do you wanna dance?" Ihre kleine rote Zungenspitze kam zwischen den Zähnen raus. Der Tanz war ein Lap Dance. Sie kommt aus Melbourne, hat dort jahrelang als Stripperin gearbeitet. Wie ein Riesen-Cowgirl der Postmoderne ist sie auf meinem Schoß geritten, die Knie haben mir gezittert. Eine performative, postkoloniale lecture demonstration von einer queeren, sexpositiven Expertin des Alltags. Was mich angeht: Ich war verliebt.

Den König spielen die anderen

"Savage amusement" nennt sich ihre production company, und ein wildes, ein wüstes Vergnügen war "Mira Fuchs" wirklich. Diesmal gibt es mehr als nur sie und ihren Luxuskörper. Einen mit weißen Tüchern ausgehängten Raum, zwei Tänzer im weißen Tennisdress, cool mit schönem ironischen Bewegungsrepertoire: Louise Trueheart und Jos McKain. Dann wird SIE aufgedeckt, die Queen, ein Rieseninsekt in einem mit Blumenornamenten bedruckten Ganzkörperbody, ein schönes Raubtier auf Kothurnen, auch das Gesicht steckt hinter der Strumpfmaske, keine Augen, das Wesen ist blind. In einem Schattenspiel wird sie als Königin mit riesiger Watteperücke eingekleidet. Die Kostüme sind schön und witzig (Veronika Schneider) und Melanie Jame Wolf beherrscht die Körpersprache der Königin perfekt - sie biegt, hält, setzt und erhebt sich majestätisch.

HIGHNESS 560 SamSmith uMelanie Jame Wolf im königlichen Ganzkörperanzug von "Highness" © Sam Smith

Aber während sie in "Mira Fuchs" mit ihrer erotischen Macht alle in Untertanen verwandelte, hat sie hier, als Königin, leider keinerlei Macht. Am Theater sagt man: Den König spielen die anderen. Eine reale Königin wird als Trägerin jahrhundertealter Staatsmacht geboren, das Volk weiß das und Theater muss das spürbar machen. Ein paar hübsch getanzte Verbeugungen und Rückwärtsgänge der Diener, wie man sie hier sieht, genügen nicht. Auf allen Flächen erscheinen Bilder der Königin (Video: Sam Smith); sie läuft mit einer Leinwand herum, versucht sich in eine Projektion ihrer selbst einzukleiden. Ein kluges Bild, aber danach kommen nur noch Szenen, in denen man sieht, dass es eine Königin auch nicht leicht hat – eine Weisheit aus Gazetten beim Zahnarzt.

Wie kommt sie überhaupt auf die Idee, dass Königinnen ein gutes weibliches Rollenbild abgeben könnten? Melanie Jame Wolfs Persona ist die High femme – das ist eine sehr, sehr feminin auftretende Frau, die ihre Weiblichkeit performt und übertreibt, ähnlich einer Drag Queen (sic!), nur dass das Geschlecht, das die High femme hochkünstlich erzeugt, zufällig ihrem biologischen Geschlecht entspricht.

Highness 560 MarthaGlenn uProjektionsfläche Königin: Melanie Jame Wolf, Louise Trueheart, hinten: Jos McKain © Martha Glenn

Das ist schillernd und theatral, unterwirft sich nicht der Zuschreibung von außen, ist eine selbsterschaffene Rolle, die auf alle Erwartungen pfeift, Teil eines sexpositiven Feminismus, wie es ihn in Deutschland kaum gibt, von dem wir froh sein können, wenn wir ihn importieren können. Nur mit real existierenden Königinnen hat das leider nichts gemeinsam, die dürfen ihre Weiblichkeit ja gerade nicht ausstellen und ihre Macht beruht nicht auf einer Performance, schon gar nicht einer selbst entwickelten.

#me too

Gerade jetzt, wo wir Frauen mal wieder, zum gefühlt hunderttausendsten Mal drauf hinweisen müssen, dass Männer sexuelle Übergriffe dazu benutzen um Frauen klein zu halten, wäre es so schön gewesen, Modelle für stolze sexuelle Körper zu sehen. Beispiele von Spielen, die nicht nur abwehren müssen, sondern Kontra geben, sich nicht in soziale Unterdrückung und Entwürdigung, ummünzen lassen. In "Mira Fuchs" war das wunderbar gelungen. Die Königinnen, die mit Lady Di und einem "This was no ordinary love" – also einer Opferpersona – enden, erfüllen diese Hoffnung leider nicht.

Vielleicht ist das aber auch zu hart und entspringt meiner enttäuschten Verliebtheit. Auf jeden Fall kann man Wolfs herrlichen Körper bewundern, der mit Bravour jegliche Balance hält. Sie anzusehen, wie sie geht, steht, sich dreht, ist auf jeden Fall Genuss, sie ist eine schillernde Schönheit, ein Glanz. Der Geist allerdings stolpert diesmal – über ein holpriges Konzept.

 

Highness
von Melanie Jame Wolf
Texte, Choreografie, Video, Performance: Melanie Jame Wolf, Video, Set: Sam Smith, Kostüme: Veronika Schneider, Sounddesign: Annika Henderson, Savage Amusement, Künstlerische Beratung: Sharon Smith, Produktion: björn&björn.
Mit: Melanie Jame Wolf, Louise Trueheart, Jos McKain.
Dauer: 1 Stunde 10 Minuten, keine Pause

sophiensaele.com

 

Kritikenrundschau

"Melanie Jame Wolf lässt in 'Highness' in den Sophienesaelen die Queens über Rollenzuweisungen (hinab) stürzen", schreibt Alexandra Hennig auf tanzraumberlin.de (1.11.2017). Wolf kenne sich aus mit Überhöhung und "weiß, dass der Sturz Teil der Verabredung ist." Sie entlarve in ihre Arbeit Rollen- und Machtzuschreibungen und habe Female Drag "die feierliche Aneignung und positive Übertreibung des 'Weiblichen' perfektioniert: mein Hintern, meine Kurven, mein Gesicht, meine Lippen, meine Vagina – in your face." Ist es also konsequent, wenn in "Highness" – dem zweiten Teil ihrer Trilogie zur Frau als Hure – die Fallhöhe zum ganzen Motiv werde? "Bis zu Letzt bleibt es seltsam unentschieden, ob die futuristische Queen im floralen, hautengen Ganzkörperanzug mit den extremen, kantigen Schultern, auf übertriebenen High-Heels, ohne Gesicht – ob diese Power Ranger-Queen nun das Phantom der Rächerin oder der Geplagten ist." Fazit: "'Highness' ist eine schillernde aber nachdenklich stimmende Performance mit Female Drag, die keine König*innen-Vorbilder schafft, sondern die (allzu) alte Geschichten wiederholt."

 

Kommentare  
Highness, Berlin: langatmig
Ich kenne die Vorgänger-Show "Mira Fuchs" nicht. Gabi Hifts Enttäuschung über "Highness" teile ich. Der Auftakt war stark. Der restliche Abend gerät, obwohl er nur eine knappe Stunde dauert, recht langatmig. In einer assoziativen szenischen Collage ohne wirkliche Spannungsmomente reiht sie kurze Sequenz an Sequenz. Irgendwann landet sie bei den Bienenköniginnen und den Federboas der Drag Queens, beide in Splitscreen-Technik auf der Videoleinwand von Sam Smith fürs Publikum vervielfacht.

Komplette Kritik: https://daskulturblog.com/2017/10/25/highness-melanie-jame-wolff-testet-in-den-sophiensaelen-weibliche-posen/
Highness, Berlin: objectifying review
if this article had been written by a man, nachtkritik would surely not have published it. the author's 'disappointed infatuation' with wolf, because she doesn't understand the central concerns of the work, and her ultimate tip for us to comfort ourselves by merely admiring wolf's 'biological' body objectifies and dismisses wolf, the artist, the woman. it is disgusting to me that hift titles a paragraph of her review '#me too' as if to suggest that wolf somehow represents women who 'ask for it...?' hift, you should be ashamed of yourself. nachtkritik, you should be ashamed.
Highness, Berlin: # du solltest dich schämen
„Hift, du solltest dich schämen!“ schreibt goandseethis - und das passt schon. Denn bei „Mira Fuchs“ habe ich mich in meine frühen feministischen Jahren zurückversetzt gefühlt, dieselbe produktive Verwirrung in Hirn und Unterleib wie damals, und da haben sie uns auch immer nachgeschrien „Ihr solltet euch schämen, ihr Huren!“ wenn wir mit zerrissenen Netzstrümpfen, Minirock und schwarz gemaltem Mund durch die Stadt gezogen sind. „Non serviam“ haben wir mit aufgestelltem Mittelfinger zurückgebrüllt „f... euch!“ Wir wollten überall dabei sein, bei den Kämpfen um politische Macht ebenso wie bei der Jagd nach Freiheit und Sex. „ I‘m the hunter“ haben wir gesungen, und “Because the night belongs to lovers, because the night belongs to us.” Melanie Jame Wolf hat mich an diese Zeit des Aufruhrs erinnert, eine gute Zeit war das. Dem wollte ich, mit Mut zur Peinlichkeit, die Reverenz erweisen. Es gehört sich ja heutzutage nicht, über die Verführungskraft und Schönheit einer Frau zu sprechen, und in einer Kritik haben die privaten Gefühle der Autorin nichts zu suchen- schon gar nicht die sexuellen. Aber es gab mal Zeiten, in denen das Private als politisch galt. Wolfs Ziel war „to invite audiences to actively and critically reflect upon their own position on performative intimacy: https://vimeo.com/142832497.“ She asked for it. Hat uns in die Dialektik von „Solltest dich was schämen/hör auf dich zu schämen“ gestoßen und hat uns drin zappeln lassen wie Frösche im immer heißer werdenden Wasser: ...
Highness, Berlin: # schäm dich/schäm dich nicht
#schäm dich/ schäm dich nicht

Sie nennt sich „Mira Fuchs“, steckt in einer glänzenden, durchsichtigen Strumpfhose, du starrst auf ihren unglaublichen Körper, schäm dich eine Frau so anzustarren! Schäm dich, dass du nicht anders kannst. Willst du so sein wie die Kunden in dem Stripperlokal, in dem sie gearbeitet hat? Schäm dich. „Do you want a dance?“ fragt sie. Du nickst. Sie gibt dir Anweisungen: Füße flach auf den Boden, Beine leicht geöffnet, damit sie sich stabil draufsetzen kann, aufrecht sitzen, nicht anlehnen, Hände an die Seiten, stillsitzen, keine Bewegung, keine Berührung, Finger weg.
Was sie da gerade vorführt, ist die Arbeit der Sexworker. Solltest du dem nicht kritisch gegenüberstehen? Du solltest dich in Grund in Boden schämen, dass diese Situation dich anturnt. Sie kniet auf deinem Schoß, spult eine „Lapdance-routine“ ab, für die sie woanders bestimmt hohe Summen bekommen hat. Eine Stimme in deinem Kopf sagt: hol soviel Erregung aus den paar Minuten raus, wie du kannst. So eine Chance kommt nie wieder. Genieß es, und sei stolz drauf, dass du es genießt, sei stolz auf deine Sexualität, das ist es doch, was sie von dir will, oder? Oder solltest du dich dafür schämen, dass du das denkst? Noch ein Glück, dass du kein Mann bist, sonst könnten jetzt alle deine Erektion sehen. Aber auch so verraten die roten Flecken am Hals, dein flacher Atem wie erregt du bist. Deine Pupillen sind sicher so groß wie Untertassen.

Du bist am Schnittpunkt von zwei Moralsystemen. Dem der Lapdancebar, zu der das gehört, was sie da mit dir macht, und dem des linken Offtheaters, in dem du sitzt. Dessen Moral heißt: Sex kaufen ist Teil eines Unterdrückungszusammenhangs. Sex darf nichts mit Geld zu tun haben. Sollte immer auf Augenhöhe stattfinden (auf deiner Augenhöhe sind nur ihre riesigen Brüste, die von links nach rechts schwenken, nur Millimeter von deinem Gesicht entfernt). Schäm dich! Kunden kaufen Sex, weil sie lieber mit Geld zahlen wollen als mit Verantwortung und Mitgefühl.
Sie dreht sich um, ihr Hintern kreist vor deinem Mund. Dieses „sei anständig“ in deinem Kopf - ist das nicht gefährlich nahe an der alten antifeministischen konservativen Sexualmoral? Sex nie von Liebe trennen, Treue, Zweierbeziehung, bürgerliche Ehe - sind das nicht die Pfeiler des Patriarchats? Ist es nicht das Patriarchat selbst, das dir einredet du müsstest dich schämen? Als Frau müsstest du so tun, als wolltest du keinen Sex. Dürftest nur nachgeben, wenn du jemanden sosehr liebst, dass du ihm sogar dein Heiligstes schenken willst: deinen Körper. Schäm dich, dass du darauf reingefallen bist, das ist die alte, repressive Sexualmoral. Du musst dich befreien! – Auf Kosten ausgebeuteter Sexarbeiter? Schäm dich!

Wieso ist das Theater mitsamt seinen Diskursen eigentlich in die Ecke der Leute rübergewechselt, die dir ständig sagen, du sollst dich wegen irgendwas schämen? Früher bist du doch vor genau diesen Leuten ins Theater geflohen, es war deine Rettung. Mira Fuchs steigt von deinem Schoß. Ihr Geruch hängt schwer in der Luft. „Thanks a lot“ sagt sie, „have a good day“ – und strahlt dich an. Zwischen ihren Schneidezähnen ist eine kleine Lücke. Alle schauen dich an: wie wirst du reagieren - danach? Ist das nicht großartig, wie es in deinem Kopf streitet, und der Kopf mit dem Unterleib; wie rund um dich Leute sitzen, denen es genauso geht und denen du dabei zusehen kannst? Vielleicht kriegst du ja gerade das Theater von früher zurück, das, das du so geliebt hast.
Highness, Berlin: # to ask for it
# to ask for it

„. it is disgusting to me that hift titles a paragraph of her review '#me too' as if to suggest that wolf somehow represents women who 'ask for it...?'” “Disgusting”- da zucke ich doch ein wenig mit der Wimper, man ist ja nicht aus Holz. Aber erst durch das Nachdenken über diesen Kommentar ist mir bewusstgeworden, dass mit dem „it“ in „to ask for it“, dem ES in „es herausfordern“, ganz unterschiedliche Dinge gemeint sein können. Wer von sich sagt, er sei „angewidert“, meint vermutlich mit "she asked for it" die tatsächlich widerliche Unterstellung, eine Frau, die vergewaltigt wurde, habe das provoziert, indem sie z.B. mitten in der Nacht allein unterwegs war, oder indem sie einen kurzen Rock getragen hat, sei also selbst schuld. Wer auf die Art Täter-opfer-umkehr betreibt, ist in meinen Augen ein übles Schwein. Ich selbst habe noch niemals über ein Opfer von Gewalt gedacht oder gesagt, es habe die Gewalt herausgefordert. Noch viel weniger habe ich mir gewünscht, Melanie Wolf möge Frauen vertreten, die sexuelle Gewalt absichtlich herausfordern. Ich glaube nicht, dass es solche Frauen überhaupt gibt.

Aber mit „ES herausfordern“ könnte man auch etwas anderes meinen: Frauen, die mitspielen wollen, bei der pursuit of happiness, bei den Statuskämpfen, die in allen menschlichen Institutionen stattfinden und eben auch beim erotischen Spiel, das im Hintergrund der meisten kollektiven Unternehmungen mitläuft - und zwar nicht als die - im schlimmsten Fall mit Gewalt - geholte Trophäe, sondern als gleichberechtigte Spielerin, Tänzerin, als Handelnde, als Subjekt. Die neue Frauenbewegung hat einmal ganz selbstverständlich mit dieser Forderung begonnen. Aber inzwischen gibt es nur noch wenige, die an solchen „sexpositiven“ Fronten forschen - Melanie Jame Wolf scheint mir eine davon zu sein. Sie probiert das mit theatralen Mitteln und mit ihrer ganzen Bühnenpersona als „High Femme“. Und- um "go and see this" sowohl zuzustimmen als auch zu widersprechen: ich habe mir nach dem brillianten "Mira Fuchs" Stück von ihr mehr erhofft in Bezug auf die Frage: How can we ask for it without asking for it.
Highness, Berlin: Spiel mit dem Begehren
Sophiensaele halt. Performance und Tanz statt Philosophie und Text. Oder steckt hier evtl. doch Philosophie mit drin? Philosophie würde für mich nach dem Zusammenleben unterschiedlichster Menschen fragen. Nach den Beziehungen zwischen Menschen und den Grenzen ihrer persönlichen Moral. So, wie Gabi Hift hier schreibt, klingt es danach, als gehe es tatsächlich allein um sie selbst. Sie schreibt zwar von Wolf, aber eigentlich geht es Hift weniger um diese als vielmehr um deren ästhetische Wirkung auf sie selbst. Denn sie, wie die Zuschauer, sieht ja erstmal nur den Körper. Könnte es nicht sein, dass Wolf mit dem (unbewussten) Begehren bzw. mit den Schamgrenzen der Zuschauer spielt? Und dass das weniger etwas mit dem Thema der privaten Sexualität zu tun hat als vielmehr mit der Macht des (unbewussten) Begehrens bzw. mit dem Begehren der Macht?

In meiner Wahrnehmung wird das gern mal verwechselt. Und es kommt bei einigen wohl irgendwie auch immer noch von der Vorstellung von Adam und Eva her, dass es angeblich immer das (böse) weibliche Prinzip ist, das uns verführe. Und dann kommt auch gleich noch die Rede vom Auge Gottes, das alles sieht und dass wir alle wieder vom Baum der Erkenntnis essen müssten usw.

Das trifft es aber nicht. Jedenfalls nicht für mich. Sondern es geht für mich eher um die moralische Entscheidung jedes einzelnen in Bezug zum Thema Macht. Macht heisst nämlich nicht nur "Regierungsverantwortung", sondern auch Bewusstsein über die eigene Rolle bzw. den in jedem Menschen unterschiedlich ausgeprägten Trieb zu führen und/oder sich zu unterwerfen. Jeder Mensch kann das im anderen erspüren.

Real existierende Königinnen? Monarchie ist ursprünglich geschlechtsunabhängig. Monarchie ist die philosophische Idee, dem Volk zu dienen. Oder real doch eher, über es zu herrschen? Demokratie als Herrschaft des Staatsvolkes ist eine andere philosophische Idee. Verfügbarkeit über den Körper der Königin ist damit aber sicher nicht gemeint. Das ist vulgärmarxistisch.
Highness, Berlin: Bitte um Entschuldigung
Dieser Artikel bringt es nicht fertig, sich auf die Arbeit einer wichtigen zeitgenössischen Künstlerin zu konzentrieren, zieht es wohl aber stattdessen vor, das eigene Begehren auf vulgär-exotische Weise auszubreiten.
Auf den Fotos zu sehen ist eine Ästhetik für die ich gern Worte und Beschreibungen gelesen hätte. Warum wird hier nicht über Bühnenvorgänge, Raum und Licht geschrieben? Über das Konzept und inwiefern Idee und Umsetzung gelingt.
Über den späten Schulterschluss #metoo kann ich mich nur ungläubig ärgern. Ich denke, es wäre angebracht, sich zu entschuldigen oder den Artikel aus dem Netz zu nehmen.

"If you weren't a woman, you'll be a dirty old man to me." (AJShanti)
Highness, Berlin: Was bitteschön...?
Ich finde den Artikel auch unter aller Kanone. Was bitteschön sind phantastische Brüste? Große? Kleine? Mittlere? Und was habe ich mir unter stolzen sexuellen Körpern vorzustellen? Und was unter einem herrlichen Körper? (...)
Und ja, wenn es ein Mann geschrieben hätte, wäre das nicht erschienen.
(...)
Highness, Berlin: Ideal
@Feministin:
1. Phantastische Brüste sind solche Brüste, die sich jemand seinem eigenen Brüste-Ideal entsprechend vorstellt. Das müssen Sie ja nun selbst wissen, was da Ihr unverzichtbares Ideal ist, wie soll das ein anderer Ihnen vorschreiben?
2. Sind sie jetzt sauer, weil Frau Hift ihnen nicht mitteilt, was genau Ihr persönliches, unverzichtbares Brüste-Ideal ist? Es ist doch offenbar das, das Ew. Hihgness da gerade verkörperte...
Das gleiche trifft auf "herrliche" Körper zu.
(...)
Highness, Berlin: Sexismus und Verdinglichung
"Kritik sollte qualifiziert zu den Ästhetiken und Inhalten auf der Bühne Stellung nehmen und den durch Künstler*innen begonnenen Diskurs fortführen, ob der Abend gefiel oder nicht. Ansonsten wiederholt sich die Spirale aus Galanterie und Verachtung, aus Sexismus und Verdinglichung, die Melanie Jame Wolf in ihren Arbeiten kritisch befragt. Genau das hat die Kritikerin nicht im Blick, wenn sie von der eigenen Verliebtheit schreibt, die sie ganz offensichtlich betriebsblind gemacht hat. Auch die Souveränität der Kritikerin ist eine machtvolle Fiktion mit Folgen."

http://missy-magazine.de/blog/2017/11/01/highness-eine-replik/
Highness, Berlin: Auf wen wirkt was wie?
@ Missy M.: Ist der Satz "Ich finde diese Performerin sehr schön" dann auch schon verdinglichend? Anders gefragt: Wo fängt die Verobjektivierung und damit der Sexismus an? Dort, wo man eine Frau/einen Mann auf primare bzw. sekundäre Geschlechtsmerkmale bzw. ihren/seinen Körper reduzieren kann? Und weiter gefragt: Liegt die potentielle Verobjektivierung eines Performers/Darstellers in einer Theatersituation, zumal, wenn der Zuschauer im Dunkeln sitzt, nicht immer im Blick des Betrachters? Wie auch der Begriff bzw. die Definition von "Schönheit" im Blick des Betrachters liegt? Wenn ich einen Menschen als "schön" empfinde, dann spielt da für mich persönlich noch mehr rein als äußere Schönheit. Von der ich mich als Zuschauer natürlich durchaus angezogen fühlen kann.

Fazit: Angeschaut zu werden, ist zwangsläufig eine Art von Machtausübung. Aber es ist auch eine Form von Machtausübung, das zu "provozieren" und mit dem Begehren des Anderen zu spielen. Oder: Auf wen wirkt was wie? Und wovon hängt das ab? Von der sozialen/beruflichen Position, von der Position im Raum, von der Kleidung, vom Körper, vom Geist oder von was noch? Und kann eine Person auf nur EINE dieser Kategorien reduziert werden? Am Ende gilt: Blickt die angeschaute Person zurück, setzt sie sich auf meinen Schoß oder spricht mit mir, wie hier die Performerin mit der Kritikerin, wird meine Macht des Anschauens sofort hinterfragt bzw. muss ich mich ihr stellen.
Highness, Berlin: Kopfzerbrechen
Das sind alles ganz wunderbare und wirklich sehr sehr wichtige Fragen. Besonders für Theater, also Spieltheorie. Man (nach meiner Erfahrung besonders gerne mann)), kann sein ganzes Leben mit diesen und ähnlichen Fragen verbringen und dabei - weil die eben so wichtig sind - gar nicht bemerken, dass man beim darüber Kopfzerbrechen weder jemanden richtig angeschaut hat, noch jemanden dazu provoziert, solches bei jemandem oder einem selbst zu tun. Dann hat man sein eigenes oder das Begehren überhaupt verpasst. Ich habe Menschen getroffen, bei denen das so war und keiner von ihnen war am Ende darüber glücklich.
Highness, Berlin: visuell fixierte Kritik
Diese Kritik ist voyeuristisch, objektifizierend und herablassend. Wie konnte sie so veröffentlicht werden, Nachtkritik.de? Ich kann mir keine Konstellation egal welcher Geschlechter und Herkünfte mit beliebigen Verfasser*innen, zu Kritisierenden und Adressaten vorstellen, in der es okay wäre für Erste, so über die Körper von Zweiteren zu schreiben. Dadurch, dass Hift sich hier in den Kommentaren auf ihre "privaten und sexuellen Gefühle" beruft, spricht sie der Künstlerin ihre Subjektivität ab. (Wie zynisch, dass Hift im Text selbst noch nach stärkeren weiblichen Rollenbildern verlangt.) Wolf hat Hift und alle anderen nämlich nicht dazu eingeladen, diese Gefühle ungefragt und öffentlich über sie zu ergießen (Und auch hier wieder die Frage: In welchem Kontext wäre das bitte okay gewesen?), sondern sie lädt dazu ein, "to critically reflect upon their own position on performative intimacy, dance as labour, and gendered economies of desire". Wohlgemerkt: “kritisch reflektieren”. In MIRA FUCHS geht es um den performativen Akt, einen Lapdance zu erhalten, um das dabei-gesehen-Werden, nicht um den Lapdance selbst. Und bei HIGHNESS hat Hift das Gros der Arbeit schlicht für ihren Text unterschlagen: Die "landscape"-Passage etwa, in der Wolf das Queen-Sein sowohl als nicht nur märchenhafte, sondern eben auch blutig-ausbeuterische koloniale Pose offenlegt und gleichzeitig das Publikum als Erfüllungsgehilfen dieses Raubbaus anklagt. Wolf arbeitet in HIGHNESS zudem mit Choreografien (und Interviews) von Madonna (es muss die Blonde Ambition Tour gewesen sein, wenn ich mich nicht irre) und Diana – mit Frauen, die über Widerstände triumphiert haben, Emporkömmlinge, Macherinnen ihrer selbst. Dann ist da das Zwischenspiel mit den ihr auferlegten Begriffen, derer sich die Queen-Persona ganz unterschiedlich entledigt. Und wie kann man den Song "Ordinary Love" als Einnahme eine Opfer-Position lesen? Im Gegenteil: Auch das von Sade hier verfasste lyrisch Ich behauptet sich doch über sein Schicksal, nimmt es an, nur um sich dann darüber zu erheben. (Ich konnte HIGHNESS zweimal erleben und bemerken, wie variabel Wolf selbst dieses Ende Abend für Abend auslegt.) So visuell fixiert wie Hifts Text ist, so sehr lässt sie darin die visuellen Aspekte der zahlreichen Projektionen, des unglaublich variablen Bühnenbilds, die Verschneidung von Leinwand und lebenden Körpern vollkommen außer Acht. Schade. Erschreckend hingegen aber ist die sexualisierende-objektifizierende Wortwahl und der hier etablierte unreflektierte Zugang zu dem Stück, der sich vom ersten Absatz bis in den letzten zieht.
PS: Ohne ein weiteres Detail über das Stück preisgeben zu wollen, aber es gibt in HIGHNESS kurz vor Schluss einen Monolog, in dem Wolf genau solche Reaktionen wie diese von Hift kritisch vorwegnimmt. Warum das dennoch auf Nachtkritik.de reproduziert werden musste, bleibt mir unverständlich.
Highness, Berlin: Projektionen.
@ Grenzen der Macht: Sind Sie ein Mann? Hab ich mir gedacht. Jetzt kommt wieder der alte litauische Regieassistent im grauen Kittel und will in dem Mann und der Frau wieder nur die oldschool-Konventionen der wechselseitigen Verführung und des Flirts sehen. Inklusive klischeehafter Bekleidung. Ja, Spiel. Schön und gut. Aber auch Sie kennen dann das Leben nicht, sondern sehen eben auch nur Ihre eigenen Projektionen.
Highness, Berlin: Mit allem Wünschen und Wollen
Was muss Kunst? Nichts. Was darf Kunst? Alles. Ähnliches ließe sich auch über die Kritik sagen. Klar ist es gut, wenn die Leser*innen bei der Lektüre einer Kritik einen Eindruck bekommen von dem, was da stattgefunden hat. Nur: Was hat da stattgefunden? Das nimmt jede*r Zuschauer*in individuell wahr. Also auch jede*r Kritiker*in. Was das, was da passiert, mit einem macht, drücken die einen eher indirekt aus, verstecken die Voraussetzungen, unter denen sie in eine Inszenierung gehen (die Vorbildung, die Vorlieben…). Andere preschen wild vor und werfen sich selbst mit all ihrem Wünschen und Wollen in einen Text. Ich mag das, weil ich das ehrlich finde. Die Leser*innen wissen, woran sie sind, werden nicht mit einem scheinbar unantastbaren Kritiker-Halbgott konfrontiert. Gabi Hift nimmt „Highness“ zum Anlass, um sich mit Körperlichkeit sexpositiv auseinanderzusetzen, also den weiblichen Körper zu feiern.

Dass sie damit die Absicht der Künstlerin nicht erfasst hat – möglich. Wer sich auf die Bühne begibt, kann die Wahrnehmung dessen, was da passiert, nicht mehr kontrollieren. Das Kunstwerk ist klüger als sein Autor, Kunst und ihre Deutung entsteht erst in einem wechselseitigen Prozess zwischen (potentiellem) Kunstwerk und Rezipient.

Nun habe ich als Redakteur den besprochenen Abend selbst nicht gesehen und kann deshalb nur sehr begrenzt etwas zu den konkreten Arbeiten „Mira Fuchs“ bzw. „Highness“ sagen. Zumindest in „Mira Fuchs“ aber scheint es darum zu gehen, Körperlichkeit zum Thema zu machen. Gabi Hift tut das auf ihre Weise: Sie gibt sich zu erkennen, macht sich angreifbar, stellt sich zur Disposition, alles Dinge, die die Performance einfordert. Hift versucht gerade nicht, sich in eine Super-Position des Durchblickertums zu retten, sondern feiert eine sinnliche Dimension, gerade weil ihr die konzeptuelle Dimension von "Highness" eher schwach zu sein scheint- ganz anders als in "Mira Fuchs"

Warum überhaupt so viel von "Mira Fuchs" die Rede sein muss, wenn es doch um "Highness" gehen soll? Weil dieser Kontext ein Grund dafür ist, das Werk weiterzuverfolgen. Und weil Kontexte notwendig sind, um Einzelarbeiten einzuschätzen und mitunter auch - wie hier - anzudeuten, dass ein weniger gelungener Abend nicht das Interesse an einem künstlerischen Schaffen verderben sollte, dass die Autorin im Grund äußerst hoch schätzt.

Nun ist klar: Der / die Kritiker*in ist in einer Machtposition. Der/die Künstler*in aber auch, weil er / sie eine öffentliche Plattform und eine Öffentlichkeit hat. Anders als in anderen Medien gibt es auf nachtkritik.dezudem eine Kritikenrundschau, die weitere Eindrücke vermittelt – so denn andere Texte erschienen sind (worauf wir keinen Einfluss haben). Außerdem bieten wir die Möglichkeit, in aller Öffentlichkeit dem Eindruck, der durch eine Kritik entsteht, entgegenzutreten, andere Sichtweisen aufzuzeigen – so, wie Sie es hier tun. Das kann für Dritte weitaus wertvoller sein, als nur eine Kritik wahrzunehmen. Wo ist die Grenze zwischen sexpositivem Feminismus und weiblichem Sexismus? Ich weiß es nicht, aber vielleicht hilft die Diskussion hier dabei, es herauszufinden.
Highness, Berlin: Überfrachtung
Lieber Georg Kasch, das ist gewiss alles richtig, was Sie über KrtikerInnen und ihre Intentionen sagen. Und ich weiß, ehrlich gesagt, gar nicht was "sexpositiv" sein soll. Ich kann mit dem Begriff nichts anfangen. Und ich kann auch nichts damit anfangen, dass es extra lobenswert oder kollegial extra schützenswert sein soll, wenn jemand den explizit weiblichen Körper feiert. - Ich finde, dass die Leute allgemein mehr ihr Leben und seine jeweils sehr persönliche Einmaligkeit feiern sollten. Diesen Körper, der jeweils ihnen gehört und der ohne ihren Geist nicht auskommt wie umgekehrt ihren Geist, der ohne ihren Körper gar nicht wirklich ihrer sein kann... Diese Feier geht auch ohne Kunst, ohne Kritik und auch ohne den Beistand von intellektuellen Eliten. Sie geht nur nicht unter einer Überfrachtung mit Informationen, die den einzelnen Menschen gar nicht intellektuell, physisch und psychisch unmittelbar persönlich betreffen. Und auch nicht unter Verhältnissen, die ihm gar nicht gestatten, von seinem Geist durch Erinnern, Träumen, Ordnen Gebrauch zu machen, weil er durch sie ständig nur in permanenter Sorge um Obdach und Erwerb zum Überleben des nächsten Tages sein kann.
Highness, Berlin: zum Kontext von Mira Fuchs
"Zumindest in „Mira Fuchs“ aber scheint es darum zu gehen, Körperlichkeit zum Thema zu machen", schrieb Georg Kasch oben.

Ich möchte zum Kontext/Hintergrund der Arbeit folgendes beitragen: Gabi Hift hat den Abend im Sommer bei einer Wiederaufnahme in den Sophiensaelen erlebt. "Mira Fuchs" wurde davor schon im März 2016 beim Festival "My Body is my Business" präsentiert. Medienpartner war u.a. das Missy Magazin.

Auf dem Programm stand damals außerdem "Traumboy" von Daniel Hellmann, das ich hier besprochen habe: https://daskulturblog.com/2016/03/05/traumboy-daniel-hellmann-plaudert-aus-dem-alltag-eines-sexarbeiters/

Das Spannende an dieser "Traumboy"-Arbeit ist zum einen, wie reflektiert, mutig und klug sie sich mit den Fragen der Schamgrenzen, des Objektstatus, des Begehrens befasst. Überraschend war für mich zum anderen, wie ungeschützt Zuschauer während der Vorstellung auf die sehr intimen Fragen des Performers antworteten. Bei einem späteren Gastspiel im Studio des Gorki Theaters war dies sogar noch stärker zu erleben als beim Festival in den Sophiensaelen.

Bei den "My Body is my Business"-Performances haben wir es offensichtlich mit Theaterarbeiten zu tun, die weit vom Mainstream des Stadttheaters entfernt sind. "Mira Fuchs" habe ich bisher nicht gesehen, es scheint wesentlich freizügiger zu sein, aber im Prinzip ähnlich zu funktionieren und denselben Fokus zu haben.

Die Kritik des Missy Magazins an der Wortwahl in der Rezension von Frau Hift kann ich gut nachvollziehen.

Ich fände es interessant, wenn das Missy Magazin auf die von Inga unter #11 aufgeworfenen Fragen eingehen könnte. Es scheint mir der spannendste Punkt der Debatte zu sein, darüber nachzudenken, was es sowohl für Performer als auch für Publikum bedeutet, dass die "Verobjektivierung" hier zentraler Bestandteil eines reflektierten Performance-Konzepts ist.
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