Glanz und Elend der Kurtisanen - An der Volksbühne Berlin lässt sich Pollesch mit Minichmayr und Wuttke von der schönen Geste faszinieren
Hau ab, Method Acting!
von Wolfgang Behrens
Berlin, 6. September 2013. Ist es eigentlich viel oder wenig, wenn einem von einem Theaterabend vor allem ein Gedanke hängen bleiben wird? Immerhin, ein Gedanke! Sicherlich keiner, der zum ersten Mal gedacht worden wäre – was auch ein bisschen viel verlangt wäre vom Gedanken –, aber doch einer von der Art, der sich durch seine Perspektivumkehrung einprägt, eine geläufige Sichtweise auf den Kopf stellt.
Der Gedanke, den Diskursserientäter René Pollesch in seinem neuesten Diskursserienprodukt "Glanz und Elend der Kurtisanen" an der Berliner Volksbühne hin und her wendet, dreht sich um das Verhältnis von Geste und Selbst. Die derzeit wohl verbreitetste, die gewissermaßen volkstümliche Auffassung besagt, dass da irgendwo ein authentisches Ich ist, das sich in seinen Gesten gefälligst authentisch auszudrücken habe: Ich gestikuliere, also bin ich, und ich zeige, was ich fühle. Pollesch dreht das um: Die Geste ist zuerst einmal Kommunikation, ist Aufführung, ist Rolle – und als solche muss sie mit dem Selbst nicht viel zu tun haben. Vielleicht konstituieren die Gesten ja das Ich mit, vielleicht sind sie ja das Primäre, eines sind sie jedenfalls bei Pollesch nicht und sollen es nicht sein: authentischer Selbstausdruck.
Absage an den Seelenstrip
Diese gedankliche Figur wird in "Glanz und Elend der Kurtisanen" in hundertfältigen Variationen, Abschweifungen und geistreichen Dialogen umkreist, und manchmal wähnt man sich, während man dem abschnurrenden Diskurs lauscht, in der verrauchten Altbau-Küche auf der Party eines Philosophiestudenten, wo so ernsthaft wie verkniffen um Begriffe und Konzepte gerungen wird, als gäbe es hinter dem Zigarettennebel kein Morgen. (Ein Aschenbecher steht auf Bert Neumanns leerer, von einem wunderbar glitzernden Lamettavorhang umsäumter Bühne praktischerweise bereit.)
Ein Lieblingsthema Polleschs, das Verhältnis von Schauspieler und Rolle, kommt dabei natürlich auch nicht zu kurz und fügt sich nahtlos in den Diskurs ein. "Wenn sich eine Schauspielerin noch heulend verbeugt, weil sie annimmt, sie wäre noch in der Rolle", räsoniert etwa einmal Birgit Minichmayr, "da kann man nur sagen, nein, die war in der Rolle auch schon nur sie selbst." Und: "Diese trostlose Leidenschaft, beim Schlussapplaus noch immer erfüllt von der Rolle anzutreten. Warum nicht die Rolle ausziehen und sich überschwänglich und voller Freude in einer anderen verbeugen?" So formuliert, ist das schon eine ziemlich klare Absage an alle Seelenstrips und Innerlichkeitsexzesse auf der Bühne: Method Acting, hau ab!
Das Gegenmodell setzt auf eine bewusste Äußerlichkeit. Martin Wuttke bringt es einmal auf den Punkt: "Worum geht's denn hier eigentlich? Es geht um die Schönheit der Geste im öffentlichen Raum", um die Arbeit an der "mondänen Geste". Und das Schöne an diesem Abend ist, dass man diese Schönheit sogar sehen kann: Wie Birgit Minichmayr ihre Zigarette abspreizt, wie sie ihren Redefluss mit fast ballettartigen Bewegungen begleitet, wie sie ihren Körper in unglaublicher Spannung hält und dann unvermittelte tänzerische Impulse setzt – das atmet wirklich etwas Mondänes und hat zugleich mit Selbstausdruck herzlich wenig zu tun.
Pas de Deux mit dem Fesselbal(lon)zac
Martin Wuttke hingegen führt eher das Misslingen der schönen Gesten vor: Herrlich, wie er von Eleganz redet und dabei eine elegante Geste auf Kläglichste scheitern zu lassen versteht. Es wird deutlich: Nur die gelungene Geste vermag für Distinktion zu sorgen. Wuttke beherrscht es zudem famos, die Pollesch-Gedanken durch seinen fahrigen, immer wieder von virtuos platzierten Stammlern durchzogenen Vortrag so zu entwickeln, als fielen sie ihm tatsächlich im Moment ein und als leide er förmlich an ihnen. Polleschs theorielastigem Text wird so ein Leben eingehaucht, das ihm leider in der etwas hölzernen Deklamation der drei übrigen Darsteller – Christine Groß, Franz Beil und Trystan Pütter – fehlt. Paradoxerweise kann auch Pollesch-Text nicht auf die großen Schauspieler, die so etwas wie eine Aura von Authentizität zu erzeugen vermögen, verzichten.
Ach so, ja, das Stück heißt doch – wie nochmal? "Glanz und Elend der Kurtisanen", ist das nicht ein Roman von Balzac? Richtig, aber auch wenn ab und an Figurennamen und kurze Romanausschnitte durch die Aufführung geistern, ist das für den Abend im Grunde egal. Pollesch hat in Balzacs Roman eine Welt entdeckt, in der die "mondänen Gesten" noch intakt sind – dieser Anknüpfungspunkt ist von Interesse und sonst nichts weiter. Immerhin hat Balzac dann doch noch einen großen Auftritt, denn irgendwann schwebt plötzlich ein großer Fesselballon auf die Bühne (mit dem Martin Wuttke einen ziemlich grotesken Pas de deux tanzt), auf dem die Buchstaben ZAC stehen. Offensichtlich der BAL(lon)ZAC. Mehr als ein Gag bleibt von Balzac also nicht übrig. Aber eine Romanbearbeitung à la John von Düffel wird wohl auch niemand erwartet haben – "Glanz und Elend der Kurtisanen" jedenfalls ist reiner Pollesch.
Glanz und Elend der Kurtisanen
von René Pollesch nach Honoré de Balzac
Regie: René Pollesch, Bühne: Bert Neumann, Kostüme: Tabea Braun, Licht: Lothar Baumgarte, Dramaturgie: Anna Heesen.
Mit: Franz Beil, Christine Groß, Birgit Minichmayr, Trystan Pütter, Martin Wuttke.
Dauer: 1 Stunde 40 Minuten, keine Pause
www.volksbuehne-berlin.de
Der Abend werde zum Triumph für Birgit Minichmayr und Martin Wuttke, schreibt Christine Wahl im Tagesspiegel am Sonntag (8.9.2013), wobei René Pollesch zum Spielzeitauftakt auch viel Routine liefere, "seine anderthalbstündige Variation der immergleichen These kommt nicht ohne Längen aus." Doch trotzdem: Wenn man Sennetts knapp vierzig Jahre alten Gesellschaftsbefund so konsequent wie Pollesch aufs Theater anwende, gewinne das einen äußerst bereichernden Meta-Witz. "Lohnen würde sich der Volksbühnenbesuch schon allein wegen Wuttkes ballettösen Duetts mit einem Heißluftballon, den er zunächst mit wunderbar unterspielter Innerlichkeitsironie umtänzelt und anschließend geradezu liebevoll im Priesterkostüm des Balzac-Helden Herrera entert."
Pollesch reiße "in den ersten zehn Minuten seines neuen Stücks mehr prinzipielle Fragen an als alle anderen bisherigen Berliner Saisonstart-Premieren zusammen", meint Peter Laudenbach in der Süddeutschen Zeitung (9.9.2013). "Und er macht das entschieden lässiger, intelligenter und anspielungsreicher als die Kollegen von der Konkurrenz." Theater sei "hier nicht die Suche und die Sucht nach dem tief empfundenen Ausdruck, sondern die Polemik genau dagegen." Dafür, dass "Polleschs Denkspiel sich nicht nach Seminarraum" anfühle, sorgten "nicht nur die so entspannt wie hochtourig agierenden Schauspieler", sondern "vor allem Bert Neumanns Bühne", die "Abstraktion und Glamour ins Extrem" treibe.
Pollesch habe "Balzacs hochdramatischen Roman nicht in ein hochdramatisches Stück umgeformt, sondern zitiert es dezent und nutzt es ansonsten als Inspirationsquelle für federnd geistreiche Dialoge über die Dialektik von Sein und Schein, Innerlichkeit und Äußerlichkeit, Fakten und Fiktionen – also für einen zupackend animierten Diskurs über das Leben, die Liebe und über das Theater", schreibt Irene Bazinger in der Frankfurter Allgemeinen (9.9.2013). "Vor allem die draufgängerische Birgit Minichmayr (…) und der diszipliniert entfesselte Martin Wuttke kicken sich die rhetorischen Kurzpässe fröhlich und treffgenau zu." Und nicht zuletzt dank dem "wie ein Wunder (…) aus dem Bühnehimmel" herabkommenden Heißluftballon gelängen der Aufführung "unvergessliche magische Momente".
Im Bühnenbild Bert Neumanns "schillert, glitzert, funkelt und gähnt" uns die Volksbühne "in allen Regenbogenfarben an: eine vollkommene Blase. Schön." Und, so sagt es Ulrich Seidler in der Berliner Zeitung (9.9.2013), dieses "rückhaltlose Bekenntnis zur Hohlheit und Substanzlosigkeit" sei auch "das Thema der Pollesch-Dialog-Schleifen". Der "Clou bei Pollesch" sei aber, "dass sich etwa ein Spieler wie Martin Wuttke in dieses postdramatische Gedöns offenbar einzufühlen vermag. Der leidet und forscht scheinbar im Augenblick der Aufführung an seinen Gedanken." Birgit Minichmayr dagegen leide nicht: Sie sei "sich in ihren mondänen Gesten mehr als genug". Die anderen Darsteller agierten "ein wenig als Kontrastmittel, das zeigt, wie schnell Leere langweilig wird, wenn sie nicht mit der Aura des heißen Leids (Wuttke) oder des kühlen Genusses (Minichmayr) umhüllt ist."
Matthias Heine würdigt in der Welt (12.9.2013) ausgiebig die Zitate aus Godards Film "Bande à Part" (dt. "Die Außenseiterbande"); doch am Ende seien alle Vorlagen "sowieso wieder nur ein Anlass für Pollesch, über seine beiden Seelenthemen zu philosophieren: Das Verhältnis zwischen Rolle und echtem Leben und die Liebe, die auch nur ein mehr oder weniger gutes Theaterstück ist." Polleschs neues Werk erscheint dem Kritiker als "ein mit Pointen durchwobener Textteppich, der selbstverständlich nicht den Hauch einer Geschichte erzählt". Der Autorregisseur gehe "kein Risiko ein, aus der Postdramatiker-Krankenkasse geworfen zu werden". Trotz der Seitenhiebe lobt Heine dieses Vorgehen: Polleschs "ewiger Dreh, theorietrunkene Spitzfindigkeiten rasend schnell so zu sprechen lassen als wären es Boulevardpointen, funktioniert gut." Denn: "Der Rausch der Rezeption ist manchmal glorreicher als das, was hängen bleibt."
Für die Wiener Zeitung (28.9.2013) hat Petra Paterno ein Gespräch mit Birgit Minichmayr geführt, in der sie u.a. über die Arbeit mit René Pollesch spricht. Hier geht's zur Presseschau.
Schön, dass Sie diesen Text gelesen haben
Unsere Kritiken sind für alle kostenlos. Aber Theaterkritik kostet Geld. Unterstützen Sie uns mit Ihrem Beitrag, damit wir weiter für Sie schreiben können.
mehr nachtkritiken
meldungen >
- 18. September 2024 Ehemaliger Mainzer Intendant Peter Brenner gestorben
- 17. September 2024 Therese-Giehse-Preis für David Ruland
- 16. September 2024 Friedrich-Luft-Preis für "The Silence" von Falk Richter
- 16. September 2024 Martin-Linzer-Preis an Schlosstheater Moers
- 13. September 2024 Staatstheater Kassel: Geschäftsführer freigestellt
- 13. September 2024 Salzburg: Nuran David Calis wird Schauspieldirektor
- 12. September 2024 Heidelberg: Intendant Holger Schultze hört 2026 auf
- 12. September 2024 Auswahl des "Augenblick mal"-Festivals 2025 in Berlin
neueste kommentare >
-
Kleiner Mann, was nun?, Berlin Theatrale Wohltat
-
Therese-Giehse-Preis Glückwunsch
-
Kassler GF freigestellt Unverständnis
-
Therese-Giehse-Preis Unabhängig
-
Kassler GF freigestellt Obelix
-
Appell Fonds DaKü Dank!
-
Therese-Giehse-Preis 2024 nochmal gefragt
-
Therese-Giehse-Preis 2024 In der Nominierungs-Jury?
-
Blue Skies, Hamburg Theater und Wirklichkeit
-
Empusion, Lausitz Zweisprachige Ortsschilder
nachtkritikcharts
dertheaterpodcast
nachtkritikvorschau
Mei, die Minichmayr bleibt halt auch immer die Minichmayr. Auch beim Schlussapplaus.
Und der Wuttke ist halt der Wuttke.
Bei den immer gleichen SichübertheaterschauspielerzuschauerlustigmachPhrasen kann man auch auf Durchzug schalten .
UNTERHALTSAM WARS TROTZDEM. Wie immer beim Pollesch.
auch ein gutes alter für einen pollesch um frühzeitig mit einer strategische vergiftung von diskursen zu beginnen. chapeau für den großartigen quasimodo von martin wuttke in der herrlich anfangsviertelstunde.
So wie sie es beschreiben klingt's nach einem tollen Abend. Jetzt hab ich grad Lust bekommen, da hinzugehen.
Das diskursive Theater verliert hierzulande zunehmend die Bretter unter den Füßen, zugunsten konservativer Pseudo-Realitäts-Vorstellungen; es ist in Zeiten des (staatlich) gepredigten Wohlfühlklimas zu anstrengend für das Publikum. Wenn man die Diskurse nicht mit theatraler Lust füttert (sondern nur auf der Bühne raucht), wird das Klischée weiter bestätigt, und die Theater bleiben leer, und noch mehr die kleinen, die sich ans Experiment wagen. Ich denke einige der Zuschauer, die dieses Stück gesehen haben, werden das nächste mal doch lieber eine DT-Premiere bevorzugen. Wir brauchen ein zeitgemäßes Theater, dass sich mit immer neuen Ideen, gerne provokant bis sadistisch, auf ein Publikum zubewegt. Das sich selbst in Frage stellt, ohne im Leerlauf zu kreisen. Sonst schauen wir bald alle wieder in die Röhre, bzw. gegen eine 4. Wand.
PS: es gab auch einige sehr gute Moment, der Nachtkritiker hat sie oben aufgezählt. Ich freu mich auf die nächste Pollesch-Inszenierung.
Gegenfrage: Wer sind Sie eigentlich?
(Lieber Stefan, liebe Inga, kurzer Einfwurf vom Mitlesenden: Aufgrund der Struktur dieses anonymen Kommentarbereichs lässt sich diese Frage vermutlich nicht gut weiterverfolgen. Aber es stehen ja Thesen im Raum, die ohne Spekulation über die Offline-Identität diskutabel erscheinen. Mit freundlichen Grüßen, Christian Rakow / Redaktion)
Selbst vor dem Podex und den Brüsten
der Frau/des Manns ergriff ihn/sie ein Gelüsten,
was er/sie jedoch als Mann/Frau von Stand
aus Höflichkeit meist überwand.
nach Joachim Ringelnatz
(...)
"Aber keine Utopie der Welt ist damit zu erreichen, dass wir beschließen, gute Menschen zu sein. Das hier ist nunmal ein Nachtclub mit Kontakten zur Mafia und so. Das geht auch alles zu regeln, ohne zu beschließen, gute Menschen zu sein, es gibt auch einen Sozialismus jenseits seiner sentimentalen Sorte. Es muss auch eine gesellschaftliche Utopie geben, die auf gegenseitiger Interesselosigkeit basiert."
Also, entweder Pollesch spinnt. Oder die Welt. Oder beide. Denn irgendwoher muss Pollesch seine Texte ja haben. Er sagt ja selbst, dass die nicht aus dem Nichts heraus entstehen.
komplette Kritik: http://stagescreen.wordpress.com/2013/09/29/der-mit-dem-ballon-tanzt/
Als dann am Ende der Vorstellung das Publikum die Vorstellung mit anhaltendem Applaus und Beifallsrufen und -pfiffen quittierten,
hatte ich bedenkliche Zweifel an meinem Theater-Verständnis.
Ich tröstete mich mit der Erklärung, dass die Zuschauer wohl überwiegend die schauspielerische Leistung der beiden Hauptdarsteller/innen belohnt hätten.
Nun zu den Kommentaren in nachtkritik.de:
Als ich die ersten Abschnitte(Pressestimmen)las, verstärkten sich die Zweifel an meinem Verstand; erst die nachfolgenden Kommentare trösteten mich: Es gibt offenbar auch andere Theaterfreunde, denen diese Aufführung missfiel.
Dabei war festzustellen, dass - ähnlich wie bei Besprechungen von Ausstellungen "zeitgenössischer Kunst" - die "berufenen Kritiker" überwiegend schwulstige und phrasenhafte Lobhutdeleien von sich geben, während demgegenüber die "freien Kritiker" mit Kritik im eigentlichen Sinn - nämlich mit Tadel und Beanstandung - nicht so zurückhaltend sind.
Zeitungsschau in Kürze:
"...Diskursserientäter René Pollesch...eine ziemlich klare Absage an alle Seelenstrips und Innerlichkeitsexzesse auf der Bühne...Und das Schöne an diesem Abend ist, dass man diese Schönheit sogar sehen kann...Es wird deutlich: Nur die gelungene Geste vermag für Distinktion zu sorgen...Polleschs theorielastigem Text wird so ein Leben eingehaucht...Pollesch hat in Balzacs Roman eine Welt entdeckt, in der die "mondänen Gesten" noch intakt sind..."Glanz und Elend der Kurtisanen" jedenfalls ist reiner Pollesch...gewinne das einen äußerst bereichernden Meta-Witz...Lohnen würde sich der Volksbühnenbesuch schon allein wegen Wuttkes ballettösen Duetts mit einem Heißluftballon, den er zunächst mit wunderbar unterspielter Innerlichkeitsironie umtänzelt und ...Bert Neumanns Bühne", die "Abstraktion und Glamour ins Extrem" treibe...Pollesch habe "Balzacs hochdramatischen Roman nicht in ein hochdramatisches Stück umgeformt, sondern zitiert es dezent und nutzt es ansonsten als Inspirationsquelle für federnd geistreiche Dialoge über die Dialektik von Sein und Schein, Innerlichkeit und Äußerlichkeit, Fakten und Fiktionen – also für einen zupackend animierten Diskurs über das Leben, die Liebe und über das Theater"...dank dem "wie ein Wunder (…) aus dem Bühnehimmel" herabkommenden Heißluftballon gelängen der Aufführung "unvergessliche magische Momente"...Im Bühnenbild Bert Neumanns "schillert, glitzert, funkelt und gähnt" uns die Volksbühne "in allen Regenbogenfarben an: eine vollkommene Blase. Schön..."
Die freien Kommentatoren formulieren (Zitate von s. oben) u.a.:
"Bei den immer gleichen Sichübertheaterschauspielerzuschauer- lustigmachPhrasen kann man auch auf Durchzug schalten...Die Verwurstungsmaschinerie knattert weiter in Redundanz...Meta-Quatsch in ermüdenden Loops...paar billigen Lachabholern und Instantanphilosophemen... Verrenkungs-Slapstick auf trüben Spiegeln. Wring deine letzten Gedanken aus...verhülle sie aber bloß in enervierender Umständlichkeit.. was für eine dünne Textsuppe... Willkommen im allesmelkenden Neoliberalismus des René Pollesch. Big Verarsche...leider oberflächlich und langatmig....es gibt keine Regie...eine Art Theaterkabarett, und keine Kunst oder Theater... Seichte Filmmusik. Balzac vollkommen sinnlos für das Ganze. nur als Aufhänger und kitschiges Französischsahnehäubchen benutzt...zwei eingekauften Profischauspielern, die sich aber nur selbst feiern (Wuttke) oder in alte Eitelkeiten verfallen (Minichmayr)...Diesmal korrespondierte für mich die Leere der Bühne mit Einfallslosigkeit...Zuschauer, die dieses Stück gesehen haben, werden das nächste mal doch lieber eine DT-Premiere bevorzugen...Die schöne Geste bzw. künstliche Pose ist das Eine, aber Gefühl, Leidenschaft und Seele sind das Andere. Das kann man nicht kontrolliert spielen, es sei denn, man ist so abgebrüht wie Pollesch und Konsortien...Also, entweder Pollesch spinnt. Oder die Welt. Oder beide. Denn irgendwoher muss Pollesch seine Texte ja haben...
Welche unverantwortlichen Intendanten lassen das eigentlich zu?..
Entschuldigt die lange Zitatenreihe, aber die Kritiker haben mir aus dem Herzen gesprochen.
Diethard 7.Januar 2014 10:50 Uhr
Es ist ja immer interessant, wie der berühmte Mensch der Neuzeit in dem berühmten Holzschnitt auch mal den Horizont des eigenen psycho-sozial-kognitiven Systems zu durchstoßen und in andere Peer-Groups mit ihren Codes hineinzuhorchen (Hi, NSA!).
Das hat Pollesch in seinen Stücken als permanente Revolution der kognitiven Systeme ja selbst gemacht, bevor er seine Masche in serieller Massenproduktion selbst verschleisst. Aber es ist ja eine schöne Erfahrung, miterleben zu dürfen, wie selbst genialische Geister wie Bourdieu in der perpetuellen Reproduktion zu Gequassel werden können. Wir leben eben im Zeitalter der Beschleunigung.