Volpone - Soeren Voima und Christian Weise ziehen der elisabethanischen Komödie die Zähne
Der Fuchs im Schnäppchenmarkt
von Ulrike Gondorf
Köln, 1. November 2007. Der Todgeweihte lässt es sich schmecken. Lustvoll schwingt er das gebratene Hühnerbein, genießerisch gießt er sich ein aus der Magnum-Flasche Champagner. Sein Outfit passt nicht ganz zu diesem stilvollen Imbiss auf dem Silbertablett. Er trägt ein grünliches Krankenhaushemd und hockt auf einem Stapel weißer Handtücher.
Seine Bühne, das Krankenzimmer, ist eine Drehscheibe mit lila belegtem Fußboden, im Halbkreis umrahmt von dunklen Doppeltüren, die wirkungsvolle Auftritte bieten werden für seine Mitspieler. Varieté scheint angesagt an diesem Abend, und der erste Eindruck wird sich bestätigen.
Soeren Voima – kein Autoren-, sondern ein Markenname, hinter dem sich in wechselnden Besetzungen ein Kollektiv von Theaterleuten aus dem Umfeld des Frankfurter TAT verbirgt – hat sich "Volpone" vorgenommen, eine Komödie des Shakespeare-Zeitgenossen Ben Jonson. Die Uraufführung am Schauspiel Köln ist die sechste Premiere und die fünfte Uraufführung seit dem erfolgreichen Start der neuen Intendanz von Karin Beier vor drei Wochen – und diejenige, die am wenigsten überzeugt.
Spekulation à la baisse
"Geld ist Gott." Mit diesem ketzerischen Credo und einer langen Rede über die Welt-Macht Kapital beginnt das Stück, 1605 bei Jonson wie 2007 bei Voima. Volpone redet sich hinein in einen Rausch, eine Allmachtsphantasie, aus der die Intrige des Stücks entspringt. Der reiche Mann will sich sterbenskrank stellen, um ein Vermögen zu erschleichen von den Erbschleichern um ihn herum, die alles tun werden, um einander auszustechen, damit er sein Testament zu ihren Gunsten abfasst. Wie sein Namensvetter, der Fuchs, stellt er sich tot, um desto sicherer nach seiner Beute zu schnappen.
Volpone spekuliert à la baisse, auf den abgrundtiefen Verfall aller menschlichen Werte, und seine Rechnung wird aufgehen. Ben Jonsons Stück ist rabenschwarz, sein Blick auf die menschliche Gesellschaft, deren Vertreter er schon durch ihre Namen als Bestien entlarvt, durch und durch pessimistisch.
Diese Haltung behält Soeren Voima bei – auch in dieser Bearbeitung gibt es keine Lichtblicke. Aber sie verliert dennoch an Stringenz, weil sie die wesentliche Triebfeder der Handlung aus dem Blick geraten lässt: Volpone ist hier nicht getrieben von der Gier nach Geld, er ist ein Simulant, ein Hypochonder, der in einer Kurklinik seine Wehwehchen pflegt, geplagt von wer weiß welchen psychischen Problemen, aber jedenfalls nicht besessen von der Sucht nach Gewinnmaximierung. Stattdessen ergeht er sich in larmoyanten Tiraden über Gesundheitskosten, Pflegestandards und die Überalterung der Gesellschaft.
Gestatten: Frau Dr. Schmeißfliege
Auf den ersten Blick schafft das Aktualität, auf die Dauer nimmt es dem Stück sehr viel Schlagkraft. Voima verzettelt sich, der Zuschauer verliert das Interesse an den Listen des Fuchses Volpone, weil sie ihn selbst kaum zu interessieren scheinen; ebenso cool und leidenschaftslos intrigiert sein dienstbarer Geist, Mosca, die Schmeißfliege – hier mutiert zur Ärztin Frau Dr. Fliegel.
Die guten Pointen sind dünn gesät an diesem Abend, viele Witzchen passen in Qualität und Preisklasse zu den Schnäppchenmärkten, mit denen der Volpone 07 sein Vermögen gemacht haben will. Regisseur Christian Weise bedient die Krankenhausklamotte, mit Infusionsständern, Windeln und vorhersehbaren Ekelspielchen mit Blut, Schleim und Erbrochenem.
Was den stärksten Eindruck hinterlässt an diesem Abend, sind die Darsteller, die mit komödiantischem Elan über die Schwächen des Stücks hinwegspielen. Auch bei dieser sechsten Premiere erweist sich das interessant gemischte, in jeder Position professionell überzeugende Ensemble als größtes Kapital des neuen Teams.
Mit Martin Reinke in der Rolle des Volpone kehrte ein langjähriger Publikumsliebling an den Rhein zurück, der sicher unterfordert blieb, aber dennoch glänzte mit ungebremster Verve und lax heruntergespielter Virtuosität. Traugott Buhre und Albert Kitzl führten mit brillant karikierenden Charakterstudien die Riege der Erbschleicher an. Das Publikum, das seit Beginn der neuen Intendanz geradezu demonstrativ seine endlich wieder erwachte Liebe zum Kölner Schauspiel herauskehrt, reagierte überaus freundlich.
Volpone
von Soeren Voima nach Motiven von Ben Jonson
Regie: Christian Weise, Bühne: Stéphane Laimé, Kostüme: Joki Tewes, Musik: Steffen Illner.
Mit: Martin Reinke, Lina Beckmann, Thomas Wittmann, Albert Kitzl, Patricia Peraza-Rios, Traugott Buhre, Jan-Peter Kampwirth, Murali Perumal
www.schauspielkoeln.de
Kritikenrundschau
In der Kölnischen Rundschau (3.11.2007) sieht Hartmut Wilmes Kölns Schauspiel unter Karin Beier weiter auf "dem Weg der Besserung". Bei Christian Weise komme "die stark gespielte Typenkomödie aufreizend unpsychologisch" und "in Text wie Bild keineswegs stubenrein" daher. Dass sie indes auch anders könnten, zeigten Weise und seine "brillanten" Spieler "im gespenstischen Memento mori, wenn die tierhaften 'Helden' tatsächlich als Fuchs (Volpone), Wolf und Geier auftauchen", da reiße der Regisseur den Abend "aus Slapstick-Gefilden in die Höhenluft des Diskurses". Das seien allerdings "stilistische Pirouetten", die davon ablenken müssten, "dass das Stück bisweilen ebenso wortreich wie ratlos um seinen überschaubaren Kern rotiert."
Andreas Rossmann referiert in der FAZ (3.11.2007) kurz die deutsche Aufführungsgeschichte von Ben Jonsons Volpone. Kapitalismuskritische Konjunktur habe der immer, im Notfall bessere eine Neuübersetzung wie die von Elisabeth Hauptmann und Benno Besson von 1952 nach. Voima allerdings, bisher ein Kollektiv-Pseodonym, das jedoch im Kölner Programmheft überraschend mit individueller Biographie samt Foto aufwarte, trage mit seiner Neufassung das Fell des Fuchses zu Markte. Die Aufführung frage erst gar nicht, was die Erbschleicher so geil und blind vor Habgier mache, sie lasse nur "karikaturesk" ausspielen. Es werde "infantil-anal überzeichnet, changiert, gekaspert und gesabbert, dass es eine Kindergartenlust ist."
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Reinkes kräftige Figur. Wir sehen das Maskuline und Mächtige symbolisiert durch Reinkes starke Körperbehaarung. Eine behaarte Brust steht ja für Maskulinität - und bei Reinke reicht die Behaarung noch weit darüber hinaus. Somit verkörpert Nacktheit des Schauspielers die Eigenschaften besser, als es je ein Kostüm könnte.
eine schreckliche Aufführung. Das Theater war nach einer
Std. wieder halb leer. Auch wir (5 Leute) verließen das Stück. Die Handlung war zum kotzen. Es ist traurig für die
Schauspieler. Die Inzenierung des Schauspiels war schrecklich. Das Geld dafür war zu schade.