Die Worte hämmern

29. Juli 2023. Lessing verteidigte in seinem Stück die Errungenschaften der Aufklärung. Nun taucht Regisseur Ulrich Rasche den Stoff vier Stunden lang in Düsternis. Eine Qual.

Von Gabi Hift

Nathan der Weise bei den Salzburger Festspielen © Monika Rittershaus

29. Juli 2023. "Tut nichts! Der Jude wird verbrannt!“, skandiert eine Gruppe schwarzgewandeter Gestalten, die sich bedrohlich aus dem Hintergrund der Bühne nach vorne bewegen und doch auf der Stelle treten. Sie verlangen Strafe wegen eines unverzeihlichen Frevels: Der Jude soll ein christliches Kind als sein eigenes ausgegeben und als Jüdin erzogen haben. Alle Einwände gegen die Härte der Strafe (das kleine Mädchen hatte keine Eltern mehr, es wäre ohne Hilfe gestorben) zählen nicht: "Tut nichts. Der Jude wird verbrannt!"

Das ist der stärkste und schrecklichste Moment in Ulrich Rasches Inszenierung von Lessings "Nathan der Weise". Er hat aus zwei judenfeindlichen, christlichen Figuren einen anonymen Chor aus neun Schauspieler:innen geformt; so wird die Verbindung des Judenhasses aus der Zeit der Kreuzzüge im 12. Jahrhundert, in der Lessing sein Stück angesiedelt hat, über die Epoche der Aufklärung im 18. Jahrhundert, in der es geschrieben wurde, zum Massenmord an den Juden im NS-Staat erschreckend deutlich.

Am laufenden Band

Wer Inszenierungen von Rasche kennt, hat viele solcher Szenen im Kopf, in denen sich eine Gruppe von Individuen in einen mörderischen Mob verwandelt: die Räuber unter Karl Moor, die Anhänger des Dionysos in den Bakchen, die beiden Brüder in Das große Heft. Und immer laufen sie dabei auf einem Boden, der ihnen von den berühmten Raschemaschinen aus Laufbändern und Drehscheiben erbarmungslos unter den Füßen weggezogen wird.

Diesmal geht es auf der riesigen Bühne der Pernerinsel vergleichsweise minimalistisch zu: eine Drehbühne mit zwei Ringen, die sich mit- aber auch gegeneinander drehen können, langsam diesmal, so dass die Figuren nicht gehetzt sind, aber immer in Bewegung, gehen, gehen, gehen. Die Gesichter oft zum Zuschauerraum gewandt, in verschraubtem Seitwärts- oder Rückwärtsgang, die Arme steif abgewinkelt, die Hände ragen mit abgespreizten Daumen wie rosa Krebsscheren aus den langen schwarzen Trikotärmeln. Über ihnen hohe Eisentürme, zwischen denen sich im Bühnennebel Lichtwände mit Wolkenlandschaften aufspannen; über die Hinterwand jagen expressionistische Schatten.

Schatten über Jerusalem © Monika Rittershaus

"Nathan der Weise" ist ein Stück, das fast alle in der Schule gelesen haben. So ungefähr weiß man auch, worum es geht: um Aufklärung als Voraussetzung für den Fortschritt der Menschheit. Toleranz zwischen allen Menschen und Religionen. Um Vernunft und Humanismus als Basis von Entscheidungen. All das können so viele unterschreiben, dass es einem langweilig vorkommen könnte. Aber in letzter Zeit gibt es ein erschreckendes Roll-back. Gegen ein solches hat auch Lessing angeschrieben, in dessen Lebenszeit die Aufklärung zunächst aufblühte und dann wieder zurückgedrängt wurde. Der Judenhass galt ihm als das schreiendste Beispiel für Unterdrückung und Gewalt. Weil er das nicht mehr direkt schreiben durfte, verpackte er es in ein Stück. Die Hauptfigur, Nathan, zeichnete er nach seinem lebenslangen Freund, dem jüdischen Philosophen Moses Mendelssohn. 

Zwischen den Fronten

Die Handlung spielt in Jerusalem, zur Zeit der Kreuzzüge, Christen kämpfen gegen Muslime, die Juden bewegen sich rechtlos zwischen den Fronten. Auch Nathan, ein wohlhabender Kaufmann gerät in Schwierigkeiten. Der Sultan Saladin will sich mit einem Trick sein Vermögen aneignen. Er verlangt von ihm, er solle sagen, welche der drei Religionen die beste sei und hofft, Nathan werde etwas Inkriminierendes gegen den Islam sagen – damit hätte er ihn, und sein Geld, in der Hand. Stattdessen erzählt ihm der gewitzte Nathan die Ringparabel und macht sich damit den Sultan zum Freund.

Doch eine weitere Notlage bringt ihn fast zu Fall: Seine Tochter Recha verliebt sich in einen Tempelherrn. Sie: eine Jüdin, er: ein Christ – eine unmögliche Verbindung. Da eröffnet die Gouvernante, dass Recha gar nicht seine leibliche Tochter ist. Sie sei ein getauftes, christliches Kind, das Nathan als das seine – und als Jüdin – aufgezogen hat. Für dieses Verbrechen verlangt der Patriarch, und hier der ganze Chor der Christen, seinen Tod.

Salzburger Festspiele 2023, Nathan der Weise, Premiere am 28.07.2023, Regie und Bühne:Ulrich Rasche, Komposition:Nico van Wersch, Kostüme:Sara Schwarz, Licht:Alon CohenNathan: Valery Tscheplanowa, Tempelherr:Mehmet AtesciValery Tscheplanowa als "Nathan" © Monika Rittershaus

Das ist eine bittere Wendung: All seine Weisheit, seine Güte, sein Witz und sein Geld haben Nathan letztlich nichts genützt, er steht isoliert am Abgrund. In einer geradezu surrealen Komödienvolte rettet Lessing am Ende seine Figuren, indem er enthüllt, dass alle mit allen verwandt sind: Recha und der Tempelherr sind Geschwister und der Sultan ihr Onkel. Ein Märchenende wie in einigen Shakespearekomödien, so abrupt, dass einem ganz schwindlig wird vor lauter Unwahrscheinlichkeit, und man annehmen kann, dass Lessing genau das im Sinn hatte: zu sagen, dass die Sache in der Realität niemals so glimpflich ausgehen würde. Aber wäre es nicht schön, wenn die Menschen einsähen, dass wir alle Brüder und Schwestern sind.

Bei Rasche ist das Ende genauso düster und hart wie der Rest. Durch die verfremdete Sprechweise gibt es ohnehin keine psychologischen Wahrscheinlichkeiten und Rasche wollte sie durch die Besetzung von Nathan mit Valery Tscheplanowa, einer jungen, blonden Frau, noch weiter aushebeln. Er stellt sich damit dem Problem, dass das humanistische Projekt "Aufklärung" heutzutage von Menschen aus anderen Kulturkreisen vielleicht nicht als befreiend erlebt wird, sondern als ein paternalistischer Herrschaftsdiskurs. Die Besetzung mit einer Frau statt mit einem alten weißen Mann ändert daran aber rein gar nichts.

Unterm Brennglas

Tscheplanowa hat erst drei Wochen vor der Premiere für die erkrankte Judith Engel übernommen und meistert die Sache brilliant. An allen Stellen, wo tatsächlich nur ein philosophisches Konzept zur Diskussion gestellt wird – wie in der Ringparabel – funktioniert die monotone, extrem verlangsamte Sprechweise wie ein Brennglas, das einen zwingt, jedes einzelne Wort mitzudenken. Und Almut Zilcher als Saladins Schwester schafft es sogar immer wieder, etwas Eigenes, Widerständiges aufblitzen zu lassen. Über die ganze Strecke der vier Stunden ist die Inszenierung aber extrem anstrengend und teilweise quälend. Auf schmerzhafte Weise fehlt die spielerische Freude am Streitgespräch, die für Lessing und Mendelssohn in ihrer unwahrscheinlichen, aber doch gelebten Freundschaft eine so große Rolle spielte. Sie findet keinen Platz in diesem unerbittlichen Wortgehämmere.

Ganz am Ende bleibt Nathan allein und schwarz auf der Vorderbühne und spricht die letzten Sätze der Ringparabel. Die enden mit den Worten "zu Hilf" – es geht darum, welche Tugenden einen auf der rechte Suche nach dem wahren Ring weiterbringen. Aber Valery Tscheplanowa spricht das "zu Hilf" noch einmal ganz für sich, und nun klingt es wie ein einsamer Hilferuf des Juden im Angesicht der Geschichte. Das ist zuletzt doch noch ein rührender Moment nach Stunden der kalten, düsteren Unausweichlichkeit.

 

Nathan der Weise
von Gotthold Ephraim Lessing
Regie und Bühne: Ulrich Rasche; Komposition: Nico van Wersch; Kostüme: Sara Schwartz; Chorleitung: Toni Jessen; Licht: Alon Cohen; Sounddesign: Raimund Hornich; Dramaturgie: Sebastian Huber.
Live-Musik: Carsten Brocker, Christopher Lübeck (Keyboard), Katelyn King, Špela Mastnak (Schlagzeug), Thomsen Merkel (Bass, Moog).
Mit: Valery Tscheplanowa, Julia Windischbauer, Nicola Mastroberardino, Almut Zilcher, Mehmet Ateşçi, Aleksandra Ćorović, Toni Jessen, Sören Kneidl, Marcel Kohler, Philipp Lehfeldt, Jürgen Lehmann, Linn Reusse, Yannik Stöbener, Alida Stricker.
Premiere am 28. Juli 2023
Dauer: Vier Stunden, eine Pause

www.salzburgerfestspiele.at

 

Kritikenrundschau

Regine Müller vom Berliner Tagesspiegel (29.7.2023) schreibt: "Regisseur Ulrich Rasche konterkariert Lessings Aufklärungsstück […] mit der Frage, ob der Antisemitismus allen Beteuerungen zum Trotz ein systemimmanentes Phänomen der Aufklärung bis hin zum heutigen offenen Gesellschaftsmodell war und ist. Und ob hinter Toleranzgedanken nicht auch wieder Absolutheitsansprüche lauern. Der Abend lässt wenig Zweifel daran, dass dem tatsächlich so ist." Das Ensemble besteche mit plastischer Diktion, Rhythmus und nicht zuletzt mit enormer Kondition. "Im letzten Drittel des Abends schleicht sich eine gewisse Redundanz ein, weniger wäre mehr gewesen. Dennoch: ein ästhetisch, formal und inhaltlich starker Abend."

"Nicht die Figuren stehen im Mittelpunkt, es sind die Worte, die rausgepresst und rausgeschrieen werden, begleitet von Haltungen und Gesichtsausdrücken, die in ihren minimalen Varianten ganze Welten entstehen lassen", schreibt Stephan Hilpold vom Standard (29.7.2023). "Geht Nathan rückwärts, dann erzählt das mehr als ein subtiles psychologisches Spiel, durchschreitet er eine der Lichtwände, dann ist das ein heimlicher Knalleffekt. In der Reduktion der Mittel entwickeln Rasche und seine kraftvollen Spieler eine Zeitgenossenschaft, die man beim 'Nathan' nicht für möglich gehalten hätte."

"Was, wenn es gar keinen Mehrwert hätte, dass die Menschen in einem fort auf einem sich drehenden Boden wandern und die Bässe wummern; was, wenn sogar ein Anti-Nathan, ein Anti-Lessing daraus würde?", fragt Anne-Catherine Simon in der Presse (30.7.2023). Sie lobt die "aufklärerische Helligkeit in Form von Valery Tscheplanowa als Nathan" und räumt ein, dass es sinnvoll sein könne, dass Nathan es schwer habe, sich verbal in einer Welt aus Lärm und Dunkelheit zu behaupten. "Aber behaupten müsste er sich doch, soll Lessings Vernunftdrama seinen Zweck erfüllen – statt zugedröhnt zu werden von Bässen und monoton sich drehenden Maschinerien."

"Valery Tscheplanowa ist das Ereignis dieses Salzburger Festspielsommers", findet Egbert Tholl in der Süddeutschen Zeitung (30.7.2023). "Schreiten und Sprechen, jedes Wort erhält das Gewicht eines schweren Steins, nur bei Tscheplanowa und Windischbauer nicht. Ihre Rhetorik ist erfüllt vom Menschsein." Allerdings hätte Rasche kürzen müssen, gerade "in den menschlicheren Szenen, ohnehin nicht Lessings Stärke"; mit drei statt vier Stunden hätte die Aufführung "die Wucht eines Schreis. Ein wenig steht er sich da selbst im Weg."

"Im Grunde liefert Rasche keine Interpretation, sondern eine Gegenerzählung zu 'Nathan der Weise' ab", schreibt Wolfgang Höbel im Spiegel (30.7.2023). Rasche dementiere Lessings Zuversicht. "Die pädagogische Unerbittlichkeit, mit der er sein Dementi durchexerziert, macht den Theaterabend zu einer zunehmend öden Geduldsprüfung. Am Ende lässt Rasche die Figuren in weißen Strampelanzügen wie Mehlwürmer über die Bühne taumeln. Wir haben es kapiert: Die Menschen sind eine primitive, lemurenhafte Spezies."

"Es spricht nichts dagegen, sich ein paar Stunden lang in ein kaltes und zugleich heißes Bad der Aufklärung zu begeben", schreibt eine sehr angetane Judith von Sternburg in der Frankfurter Rundschau (30.7.2023, auch in der Berliner Zeitung erschienen). Rasche schaffe einen imposanten Abend, an dem einem Stück etwas weggenommen und dem dafür etwas gegeben werde. "Die Rechnung geht auf."

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (31.7.2023) stimmt auch Simon Strauß in den Chor der Tscheplanowa-Bewunderer ein, die Nathan, "diesen traditionell großmütigen, im warmen Tonfall der Menschlichkeit sprechenden Charakter als listigen, hoch konzentrierten Fanggeist" spiele. Rasche aber zeige eine Regiearbeit, die sich gleichzeitig zu viel und zu wenig vornehme: hier eine monumentale Parabel auf den menschlichen Hass, da wenig Sinnlichkeit, die über die vier Stunden trüge. Es gebe Momente, insbesondere bei Tscheplanowa und Windischbauer, in denen sich "die Quintessenz des Stücks dem Herzen offenbart: Der Mensch ist wichtiger als seine Konfession. Ein paar mehr solcher guten Gesten hätten an diesem langen Abend sehr geholfen."

Tscheplanowa habe "ihr Publikum vollkommen im Griff: Jeder Ausfallschritt, jedes gelassen formulierte Wort wird verfolgt, man klebt an ihren Lippen", so Manuel Brug in der Welt (2.8.2023). Almut Zilcher gelinge "ein subversiv kritisches Schweben, ein angenehmer Widerstand gegen die Rasche-Technik", die immer wieder beeindrucke. Lange lässt man Rasche gewähren, er beeindruckt immer wieder. Gegen Ende aber sei man das ewig gedehnte, bedeutungshubernde Rasche-Sprechen, unterlegt mit psychedelisch insistierender Leisewummermusik, längst leid.

Rasches "Nathan" sei ein Werk der Verdichtung, so Peter Kümmel in der Zeit (3.8.2023). Er lobt die Musik und die "großartige Valery Tscheplanowa". Als Zuschauer fühle man sich allerdings nach kürzester Zeit ordnungsgemäß zermürbt vom Regiewillen, der die Gefahr spüren lassen wolle, in der Nathan, ruhelos wandernd, ohne Unterlass schwebe. "Der Rezensent, das Nervenkostüm geplättet vom terroristischen Gleichmaß der Schritte und der Musik, verließ vor Ende der Veranstaltung das Theater und floh in die Nacht. Völlig erledigt, aber ergriffen."

Kommentare  
Nathan der Weise, Salzburg: Engel
zoom-nathan dem weisen:
dem ganz jungen (kindlichen) menschen ist ein engel
noch immer lieber als ein wirklicher mensch.
(freidenkender lehrer, der den schüler anhält
den ganzen "nathan" zu lesen):
es sind auch heute nicht alle frei -
die ihrer ketten (als christlich erzogene) spotten.
modern: nicht nur der wille - die gabe macht den geber!
der schlechtweggekommene:
alles was ich sonst nicht besitze, hat natur und un-glück mir
zugeteilt. dies wenige an eigentum allein dank ich der tugend.
an den jungen nathananschauer (gaffer):
wie viel andächtig schwärmen leichter als gut handeln ist? -
schwärmen ist jugendlich. erwachsensein heißt:
immer nur gut handeln ist nicht realistisch, daher:
die weisheit hat man sie ist (wird) vergessen.
der mensch muss auch müssen. was wäre die Mnschenwelt
ohne:du musst!
alltag: grad`unter alltagmenschen musst du ein immer nur
guter mensch zu sein weitgehend verlernen.
der wahre und reale bettler ist doch einzig und allein kein könig.
macht dann der süße wahn der bitteren wahrheit platz.
es ist mehr gedankengift und weniger arznei - was man mir
reichte (sagte - lehrte, hat beigebracht).
Nathan, Salzburg: Warum?
Warum zahlen wir eigentlich den immer gleichen Regisseuren horrende Summen damit sie immer das Gleiche machen?
Es kann mir doch keiner erzählen dass das nervige Rasche-Gelaufe und -Geschreie irgendwen genug interessiert, um es sich drei Mal im Jahr auf mehr oder weniger passende Texte gezwungen anzuschauen.
Nathan, Salzburg: Schlechte Zeiten
Johann Peter Eckermann
Gespräche mit Goethe
in den letzten Jahren
seines Lebens
1823 - 1832

Mittwoch, den 7. Februar 1827
Goethe schalt heute auf gewisse Kritiker, die nicht mit
Lessing zufrieden und an ihn ungehörige Forderungen
machen.
"Wenn man", sagte er, "die Stücke von Lessing mit
denen der Alten vergleicht und sie schlecht und miserabel
findet, was soll man da sagen! - Bedauert doch den
außerordentlichen Menschen, daß er in einer so erbärmlichen
Zeit leben mußte, die ihm keine besseren Stoffe gab,
als in seinen Stücken verarbeitet sind! - Bedauere ihn
doch, daß er in seiner Minna von Barnhelm an den
Händeln der Sachsen und Preußen teilnehmen mußte,
weil er nichts Besseres fand! - Auch daß er immerfort polemisch
wirkte und wirken mußte, lag in der Schlechtigkeit seiner Zeit.
In der Emilie Galotti hatte er seine Piquen auf die Fürsten.
IM NATHAN AUF DIE PFAFFEN."

Anmerkung: Und in welcher erbärmlichen und schlechten Zeit
leben wir? - Oder ist es eine viel bessere Zeit, und die Stücke
von Bernhard, Handke und Jelinek sind viel besser als die
der Lessingzeit?
Nathan, Salzburg: Geht auf die Nerven
Ja, das Rasche-Gelaufen und -Geschreie als immer Gleiches -
sollte endlich einmal aufhören.
Das geht nicht nur Kommentar 2 auf die Nerven.
Insofern herrschen "Schlechte Zeiten" auf den Bühnen
der Theater . . .
Nathan, Salzburg: Sprache
Es ist erstaunlich, wie sehr der Text durch die Sprachbehandlung des Ensembles tatsächlich zu einem dramatischen Gedicht wird.
Nathan, Salzburg: Bravourös
Vor allem drei Ensemble-Mitglieder prägen diesen Abend auf ihre eigene Weise. Allen voran natürlich Valery Tscheplanowa in der Titelrolle, der die Kritiker von SZ bis FAZ zu Füßen lagen. Wenige Wochen vor der Premiere sprang sie für Judith Engel ein und meistert diesen Part mit Knopf im Ohr mit einer so bravourösen Selbstverständlichkeit, dass man fast nicht glauben kann, dass die Besetzung je anders geplant war.

Tscheplanowa ist eine Rasche-Spielerin par excellence: mit ihrem ganz eigenen Mix aus filigranen Bewegungen und Stimmgewalt glänzte sie schon in zwei seiner stärksten Arbeiten, "Die Räuber“ vom Residenztheater, mit denen er 2017 seinen Durchbruch feierte, und „Die Perser“, die vor fünf Jahren in Salzburg Premiere hatten. In einem Abend, der mit vier Stunden deutlich zu lang ist, setzt sie starke Akzente: zu nennen sind hier vor allem die berühmte „Ringparabel“ vor der Pause, und ihr „Zu Hilfe! Zu Hilfe!“-Schlusswort.

Es wäre schön, wenn es nicht bei einem kurzen Theaterbühnen-Gastspiel von Tscheplanowa bliebe, die nach Castorfs Volksbühnen-Abschieds-„Faust“ und ihrem Salzburger „Buhlschaft“-Auftritt 2018 verkündete, dass sie sich auf den Film konzentrieren will. Bleibende Spuren hat sie in den vergangenen Jahren dort jedoch nicht hinterlassen, ihre Filmografie beschränkt sich fast nur auf TV-Produktionen und Nischen-Kino-Filme wie „Echo“, das in der gerade eingestellten Berlinale-Nebenreihe „Perspektive Deutsches Kino“ lief. Vielleicht ist der Jubel für ihren „Nathan“ der Grundstein für ein von vielen ersehntes Theater-Comeback von Valery Tscheplanowa.

Sein Rasche-Debüt gibt als Tempelherr Mehmet Ateşçi, der vom Gorki Theater über das Burgtheater ans Schauspielhaus Hamburg wanderte. Mit raubkatzenhafter Eleganz schleicht er wie Rilkes Panther über die Drehbühne: lauernd gibt er die Grundstimmung für den antisemitischen Mob vor, der Nathan bedroht. Diese Gegenpositionen zur aufklärerischen Doktrin Lessings verstärken Rasche und sein Dramaturg Sebastian Huber mit antisemitischen Fremdtext-Schnipseln von Zeitgenossen wie Fichte und Voltaire, die das Programmheft in ausführlichen Essays und Interviews einordnet.

Eine kleine Rolle, aber mit starker Präsenz hat Almut Zilcher, die nach dem clownesken König Popo in Rasches „Leonce und Lena“ am Deutschen Theater Berlin wieder als Sitta, Schwester des Sultans (Nicola Mastroberardino) dabei ist. Mit Tscheplanowa hat sie gemeinsam, dass Dimiter Gottscheff ein prägender Regisseur ihrer Theaterbiographie war und dass sie mit ihrer Sprachgewalt schnell zum Mittelpunkt der jeweiligen Szene wird.

Komplette Kritik: https://daskulturblog.com/2023/08/01/nathan-der-weise-salzburger-festspiele-theater-kritik/
Nathan, Salzburg: Verkürzt
Wie man die hervorragende Kritik in der SZ vor allem auf den negativen Einwand, das Stück sei zu lang, kürzen kann, ist mir schleierhaft. Auf die FR und Berliner Zeitung will man ganz verzichten.
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