Wie es euch gefällt - Andreas Herrmann befragt die Möglichkeiten des Dreispartentheaters
Des Herzogs Dusche unter der Gießkanne
von Charles Linsmayer
Luzern, 5. Februar 2011. Das Luzerner Theater ist in jüngster Zeit wiederholt in Frage gestellt worden, als es um die von einem anonymen Mäzen in Aussicht gestellte, 100 Millionen Franken teure "Salle modulable" hinter dem KKL, dem monumentalen Luzerner Kunst- und Konzerthaus, ging. Dadurch wäre der Theaterbetrieb in die Südpol-Hallen der Stadt verdrängt worden. Nachdem das Geld zurückgezogen wurde - die Presse karikierte das Projekt im vergangenen Oktober als "Salle blamable" bzw. "Salle modul-Adé"! - , reagierten die Verantwortlichen schließlich auf die Kritik der Theaterfreunde und planten in eine neue, allerdings noch keineswegs finanzierte Variante des leicht hybriden Projekts auch wieder den Dreispartenbetrieb Luzerner Theater für eine jährlich neunmonatige Spieldauer mit ein.
Ein Exempel statuieren
Im Zusammenhang mit dieser Infragestellung ist es zu sehen, wenn das Theater nun schon zum zweiten Mal versucht, die Vorteile seines Dreispartenbetriebs in einer Inszenierung sichtbar zu machen. Für den Regisseur Andreas Herrmann ist Shakespeares "Wie es euch gefällt" eine "Dreisparten-Komödie schlechthin", und man durfte daher gespannt sein, was der Einbezug von Oper und Ballett für die Inszenierung bringen würde.
Max Wehbergs Bühne erinnert mit seinen drei teils parallel verlaufenden, teils in Schräglage gebrachten Galerien an ein Fußballstadion. Vor allem in den ersten Szenen laufen da slapstickmässig Leute hin und her und vermitteln einen Eindruck von der Größe des Ensembles, zu dem inklusive Zuzüger und Choristen 23 Personen gehören. Die gleiche Konstruktion dient auch als Wald von Ardenne, dessen paradiesische Zustände durch eine Gießkanne symbolisiert werden, mittels derer dem exilierten Herzog Kopf und Füsse geduscht werden.
Manager und Prokuristen
So spröd das Bühnenbild, so spröd das Personal, das, was die adeligen Herrschaften angeht, gut von der Chefetage eines internationalen Konzerns bezogen worden sein könnte. Der Kontrast könnte ja noch lustig sein, aber dass das Stück eine Komödie sein soll, ist einzig dem Programmheft, nicht aber dem Spiel auf der Bühne zu entnehmen.
Selbst Jörg Dathe als Touchstone ringt dem Publikum nur ab und zu ein müdes Lächeln ab, und sogar der Boxkampf Orlando/Charles, der doch eine sichere Lachnummer sein müsste, kommt einem vor, als ob sich betrunkene Manager in ihrer Verstiegenheit einen mit einem Schreikrampf endenden peinlichen Ausrutscher geleistet hätten.
Für etwas Spaß sorgen einzig Rosalind und Orlando, die von einem Coup de foudre erfasst werden und die dann auch den Teil des Abends, der im Ardenner Wald spielt, vor dem Absinken in Langeweile bewahren.
Entzückendes Liebespaar
Samuel Zumbühl als Orlando und Julia Reznik als Rosalind sind eindeutig die Publikumslieblinge des Abends, und wenn diese Rosalind in der Verkleidung als Ganymed den begriffsstutzigen Orlando umschwärmt und bezirzt und dabei vor allem auch mit ganz außerordentlichen körpersprachlichen und mimischen Möglichkeiten arbeitet - dann schenkt sie dem Abend einige ganz besonders geglückte, hinreißende Momente. Eine große Szene erlebt man auch, wenn Jacques (Christian Baus) die sieben Lebensalter des Menschen vorführt, und auch der gewöhnungsbedürftige Touchstone bringt das Publikum im zweiten Teil des Abends zum Lachen, wenn er an der smarten Blondine Audrey (Wiebke Kayser) zum verliebten Narren wird.
Oper und Ballett nicht integriert
Eher enttäuschend aber präsentiert sich der so groß angekündigte Einsatz von Oper und Ballett. Ob im Tropenhelm, im Morgenmantel oder mit antiker Perücke: der Männerchor erbringt mit seinen Choreinsätzen nicht viel mehr als eine artige Zugabe, und auch die Tanzeinlagen von Andrea Mirabile sind nicht wirklich zwingend in die Inszenierung eingearbeitet. Was geboten wird, ist eine ziemlich konventionelle, insgesamt nicht eben temperamentvolle, aber um Variété-Elemente angereicherte Inszenierung mit einem eindeutig verpatzten Schluss, bei dem das Publikum viel zu früh mit jenem zaghaften und nie zu wirklicher Intensität anwachsenden Applaus begann, der weit eher Irritation denn Begeisterung zum Ausdruck brachte und wohl vor allem den professionellen Leistungen einzelner Schauspielerinnen und Schauspieler galt.
Wie es euch gefällt
von William Shakespeare, übersetzt nach August Wilhelm Schlegel von Peter Stein
Regie: Andreas Herrmann, Bühne: Max Wehberg, Kostüme: Catherine Voeffray, Musik: Thomas Wullschleger, Dramaturgie: Bernd Isele.
Mit: Jürg Wisbach, Marc-Oliver Oetterli, Jörg Dathe, Hans-Caspar Gattiker, Samuel Zumbühl, Hajo Tuschy, Christian Baus, Julia Reznik, Samia von Arx, Bettina Riebesel, Wiebke Kayser, Andrea Mirabile, Jürg Trionfini, Philipp Suter, Karl Heinz Klimpel und der Herrenchor des Luzerner Theaters.
www.luzernertheater.ch
Mehr vom Theater Luzern: Wir besprachen zuletzt Amrains Welt, das Ueli Jäggi nach Texten von Gerhard Meier im Dezember 2010 zur Uraufführung brachte und Thorleifur Örn Arnarssons Peer Gynt, der auch für das nachtkritik-Theatertreffen 2011 nominiert ist.
Kritikenrundschau
"Für Regiseur Andreas Herrmann ist 'Wie es euch gefällt' die 'Drei-Sparten- Komödie schlechthin', er macht daraus ein großes Theaterfest", schreibt Urs Bugmann in der Neuen Luzerner Zeitung (7.2.2011). Das habe seinen Reiz, "wenn der wendige Tänzer, imitiert von Wiebke Kayser, mit rundem Gox und eckigen Gesten Text und Geschehen illustriert, wenn der Chor, als wären wir im 'Freischütz', Jägerweisen singt. Das leuchtet aber lange nicht immer ein und sorgt neben Witz auch für gedehnte Länge und Ausschweifung." Im "Freizeitpark mit Klappstühlen und Kugelgrill" gehe trotz großer Spiellust im Ensemble "der Tiefsinn leicht verloren".
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nachtkritikvorschau
Als regelmässiger Theaterbesucher - ich sehe mir Stücke nicht nur in Luzern, sondern auch in Basel, Zürich und im gesamten deutschen Raum und häufig sogar in London an - habe ich schon einige Inszenierungen von Shakespeares „Wie es Euch gefällt“ erlebt. Die Produktion am Luzerner Theater wird mir, zusammen mit einer Aufführung aus den neunziger Jahren der englischen Theatergruppe Cheek by Jowl (Hammersmith Theater) als bemerkenswert in Erinnerung bleiben.
Für mich war die Aufführung vom Samstag „a comedy at its best“. In den vergangenen Jahren hat man an verschiedenen Theatern versucht, diesem Werk auf unterschiedlichste Art und Weise gerecht zu werden. Zu häufig endeten diese Versuche mit einer Vergewaltigung des shakespeareschen Werkes.
Nur selten, so finde ich, ist eine Inszenierung so gut geglückt, wie am vergangenen Samstag in Luzern. Ich habe mich köstlich amüsiert. Es war eine tolle Ensemble-Leistung, eine leichtfüssig daherkommende Inszenierung, die es geschafft hat, die Verwirrungen und das Ränkespiel, das diesem Stoff zugrunde liegt, unterhaltsam auf die Bühne zu bringen.
Herr Linsmayer läuft Gefahr, dass ich künftig nach dem Grundsatz handeln werde: Wenn Herr Linsmayer einen Verriss schreibt – nichts wie hin! Wenn er rühmt, dann kann ich mir das Geld sparen. Und jetzt ist er wieder da, dieser Ohrwurm von Georg Kreisler: „Doch ich weiss sehr gut was Kritik ist, je schlechter umso mehr freun sich die Leut.“
Edward de Vere
Ich habe Ihren Aufführungsbericht jedenfalls mit gleichem Interesse wie die Rezension gelesen und kann mir ein ungefähres Bild machen.
Und wenn man merkt, man hat bei manchen Rezensenten durchweg konträre Auffassungen, na dann geht man eben nur hin, wenn er verreißt - wie Herr Kreisler und Sie nahelegen.
Wirklich sauer auf Kritiker bin ich nur, wenn ich merke, er ist nicht ehrlich und vorurteilsfrei, nutzt die Rezension gar zum Angriff aus Gründen, die nichts mit der Aufführung zu tun haben.
Mit freundlichem Gruß