Freischaffende Schauspieler:innen in der pandemischen Krise - Ein Brief der Schauspielerin Julischka Eichel an Monika Grütters
Wir sind nicht gerettet!
von Julischka Eichel
Januar 2021.
Sehr geehrte Frau Monika Grütters, sehr geehrte Damen und Herren,
mein Name ist Julischka Eichel. Ich bin freischaffende Schauspielerin. Ich habe von 2003 bis 2006 an der Schauspielschule "Ernst Busch" in Berlin studiert und bin dann bis 2013 ans Maxim Gorki Theater (Berlin) als festes Ensemblemitglied gegangen. Dort hatte ich viele Premieren und eine sehr aufregende Zeit. Anschließend war ich ein Jahr freischaffend und arbeitete in Dresden am Staatsschauspiel und am Schauspielhaus Hamburg, um dann für ein Jahr ins Ensemble des Schauspiel Köln zu gehen. Danach war ich vier Jahre am Staatsschauspiel Stuttgart als festes Ensemblemitglied. 2018 beschloss ich, als freischaffende Schauspielerin zu arbeiten und spielte in Bremen, Basel, Leipzig und Berlin (Volksbühne).
Ich bin praktisch selbständig, aber eben nicht ganz. Als freischaffende Schauspielerin schreibt man keine Rechnungen, denn jedesmal, wenn ich arbeite, ob für Film, Hörfunk, oder Theater, bin ich angestellt mit allem, was dazu gehört. Das ist oft gut, weil man dann angemeldet ist und versichert und man in die Arbeitslosenkasse einzahlt. Allerdings schreibt man eben auch keine Rechnungen und kommt so nicht in die Künstlersozialkasse, die einzige Versicherung, die ungefähr weiß, wie unsere Arbeitsbedingungen und Arbeitsumstände aussehen.
Das zieht Ärger mit dem Arbeitsamt nach sich, das nicht mit der Rentenkasse zusammenarbeitet. Zum Beispiel kennt das Arbeitsamt oft die Vorgaben der Rentenkasse nicht und will mich dann fürs Arbeitslosengeld sperren oder nachzahlen lassen mit der Behauptung, ich würde den Bedingungen der Arbeitsagentur nicht entsprechen. Ich muss ständig erklären, dass ich, obwohl ich vom Theater oft durchversichert werde, was ja eine Vorgabe der Rentenversicherung ist, nur an den Tagen Geld bekomme, an denen ich tatsächlich arbeite, und ansonsten aber dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe und also den Bedingungen der Agentur für Arbeit entspreche.
Das "Nebentätigkeits"-Missverständnis
Ein weiteres Problem ist ein relativ neues Gesetz zur "Nebentätigkeit". Ich persönlich erlebe fast nur Sachbearbeiter*innen, die meine Arbeit fälschlicherweise als Nebentätigkeit bewerten. Für uns gilt ein Urteil vom Sozialgericht Berlin vom 24.5.2013. Darin heißt es: "Es ist verpflichtend, sich für eine sozialversicherungspflichtige Tagesanstellung aus dem Leistungsbezug des Arbeitslosengeldes abzumelden, um neue Anwartschaften zu begründen. Dies gilt selbst dann, wenn es sich bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nur um einen Arbeitstag handelt." Wenn die Vorstellung oder der Drehtag nun als "Nebentätigkeit" dokumentiert wird, darf man nur bis zu 450 Euro behalten, alles andere muss abgegeben werden. Wir sind aber nie nebentätig! Wir arbeiten in unserem Hauptberuf und immer sozialversicherungspflichtig, sind also an diesen Tagen sozusagen festangestellt. Wir melden uns trotzdem ab und an, eben weil wir sonst kein Arbeitslosengeld bekommen (bzw. einen neuen Anspruch erarbeiten können) und wir nur Geld bekommen nach gespielter Vorstellung oder absolviertem Drehtag.
Das ist kompliziert und oft unangenehm. Immer wieder erlebe ich Geringschätzung mir gegenüber und meiner Berufswahl ("Ist doch nicht meine Schuld, dass sie sich so einen scheiß Beruf ausgesucht haben, wo es keine Gesetze für gibt"). Immer wieder erklären, immer wieder anrufen, immer wieder widersprechen und es eigentlich besser wissen und immer wieder das Gefühl, beweisen zu müssen, dass mir die Hilfe – in Form von Rat und Information und vor allem von Geld – zusteht.
Neustart- oder Novemberhilfen: "keine Chance"
Wir sind nirgendwo einzuordnen. Wir sind freischaffend, aber nicht selbständig, weil wir nach sehr alten Definitionen weisungsgebunden sind und keine Rechnungen schreiben dürfen. Man nennt unsere Art von Beschäftigung UNSTÄNDIGE BESCHÄFTIGUNG und sie ist niemals eine NEBENBESCHÄFTIGUNG. Sie haben das alles bestimmt oft gehört, und ich habe es so oft erklärt und bin nun verzweifelt. Die Novemberhilfen, die Dezemberhilfen, die Ersthilfen, die Neustarthilfen, alle gehen an uns vorbei, weil wir nicht selbständig im klassischen Sinne sind, weil wir keine oder wenige Einnahmen an selbständiger Arbeit haben (eben weil wir keine Rechnungen schreiben). Die Steuerberater (ich fragte drei) sagten mir: "keine Chance". Der Rechtsanwalt des Bffs sagte: "Keine Chance ...da wurde (noch) nichts verbessert..."
Ich bin jetzt zu Hause in Süddeutschland, da kommt meine Familie her, und andauernd sprechen mich auf der Straße Nachbarn an, dass "wir Künstler ja jetzt gerettet werden", dass "der Staat uns Künstler ja pampert". Alle haben die Info, dass wir nun "gerettet" sind ... es stimmt aber nicht. Meine ganzen Freunde kommen aus der Branche, und die Freischaffenden unter uns sind fix und fertig. Alle berichten Ähnliches oder Schlimmeres. Es schmerzt mich, dass es so ist, wie es ist. Dass mein Erfahrungswert zum Theaterleben ein so anderer ist, als für so viele Menschen um uns herum. Theatermenschen, freischaffende Menschen arbeiten viel. Sie arbeiten am Wochenende, monatelang ohne Pause, zwischen den Vormittags -und Abendproben wird Text gelernt und werden Kostümproben gemacht (sehr oft ausserhalb der Arbeitszeit), treffen sich Kollegen zum Vorbereiten. Vor und nach den Vorstellungen wird vor- und nachbereitet, und nach Premieren gehen direkt die nächsten Proben los. Ist man freischaffend, ist man zusätzlich ständig auf der Suche nach neuen Arbeiten und Bewerbungsgesprächen mit anderen Theatern.
Will man drehen, verhält es sich nicht anders. Hier kommen neben der Netzwerkarbeit, den Bewerbungen und den Castings noch teure, aber essentielle Fotoshootings hinzu, Trainings bei Coaches und und und ... Immer wieder neu anfangen, sich neu orientieren und seinen Platz suchen in einem Ensemble, sei es im Theater oder bei Dreharbeiten. Ich kenne so viel zweifelnde und kämpfende Kolleginnen und Kollegen.
Keine Solidarität von den Theatern
Ich kenne so viele, die niemals ohne triftigen Grund Hilfe vom Staat annehmen würden oder angenommen haben. Wir zahlen ein überall dort, wo man als arbeitender Mensch zu zahlen hat. Wir arbeiten viel, wenn wir dürfen, weil es uns und das alles was angeht, weil es uns Spass macht, wir es gerne tun und wir was zu sagen haben. Das ist mein Erfahrungswert. Ständig bin ich konfrontiert mit Klischees, Unterstellungen und komplettem Unwissen über unseren Arbeitsalltag.
Aber, und das ist noch schlimmer, selbst Behörden und Verwaltungen, die es wissen müssten, haben eben nur gefährliches Halbwissen oder wissen gar nichts – entscheiden aber, ob wir unterstützt werden oder nicht. Das größte Aber ist allerdings: Meine/die Theater verhalten sich nicht öffentlich zu uns Gästen. Im ersten Lockdown gab es mehrere Theater, die nur teilweise die ausgefallenen Vorstellungen zahlen wollten. Genutzt haben ihnen die Gastverträge, die unmöglich sind, die Paragraphen enthalten, die arbeitsrechtlich nicht haltbar, aber gängige Arbeitspraxis sind. Da kein Schauspieler klagt, denn alle fürchten Repressalien und Nachteile, bleibt alles beim alten. Durch die Arbeit des Ensemblenetzwerks, mit dem ich phasenweise täglich zu tun hatte, zahlten "meine" Theater dann doch. Tatsächlich halfen Gespräche. Ich weiß aber von Beispielen, wo es anders ausging.
Bis heute fehlt eine öffentliche Ansprache bzw. überhaupt ein Gespräch mit uns, wie man mit Gästen umgehen will, jetzt und in der Zukunft. Das Theater hat immer schon seine Gäste gebraucht und sich mit ihnen geschmückt. Ich war sehr lange festes Ensemblemitglied und habe immer gerne mit Gästen gearbeitet. Sie sind wichtig, um offen zu bleiben und andere Einflüsse kennen zu lernen. Theater muss beweglich und fremd bleiben, also brauchen wir die Reisenden und die Fremden. Gäste sind, wenn sie am Theater arbeiten, immer, wie ich oben schon sagte, angestellt, kurzfristig, aber angestellt. Wir sind ein Teil des Ensembles. Wir sind Teil des Theaters.
"Coronagagen" und brachliegende Projekte
Durch Corona wurden wir als erste "nicht weiter beschäftigt", weil die Theater es aufgrund unsere Verträge können ("kann das Theater aufgrund höherer Gewalt ..." bzw. "Sollte das Theater aus nicht zu vertretenen Gründen (z.B. Streik oder behördliche Anordnung) während der oben vereinbarten Zeit geschlossen sein, so kann das Theater diesen Vertrag ab sofort auflösen, ohne dass dem Gast deshalb Entschädigungsansprüche zu steht."). Projekte, die in der Zukunft lagen und angedacht waren, wurden nicht mehr weiterbesprochen oder weggeschwiegen.
Es gab plötzlich "Coronagagen", die unter dem lagen, was Kollegen und ich sonst verdienen. Das kam im Theater und auch beim Dreh vor (nur einmal erlebte ich, dass mir wegen erschwerten Arbeitsbedingungen eine höhere Gage gezahlt wurde). Mir wurde nicht erklärt, warum die Gagen plötzlich niedriger waren, für die gleiche Arbeit. Alles war plötzlich so "verschmiert". Ich hatte mehrmals das Gefühl, dass ich froh sein sollte, überhaupt als Gast arbeiten zu dürfen (was man ist). Also tat man mir einen Gefallen? Oder gehörte ich doch wieder zum festen Kern und also dazu? Und sollte mich mit verantwortlich fühlen und mit anpacken, um die Krise gemeinsam zu überstehen? Wir sparen gemeinsam! Aber war ich nicht gerade eben ohne Theater und gehörte nirgendwo hin und brauchte tatsächlich das Geld, weil es mir bis zum Hals steht? Auf meine Frage, ob man die "Coronagagen" auch bei anderen angesetzt hatte, wie zum Beispiel bei Regie oder Intendanz, gab es keine Antwort.
Ich habe mich an mehreren Theatern beworben. Als Gast. Als Feste. Ich habe von den meisten keine Antwort bekommen. Mit denen, die ich gut kenne, habe ich gesprochen, sie sehen keine Chance, so wie die Lage ist. Die Theater sagen uns Gästen ab, weil es finanzielle Einbußen geben wird, nicht, weil sie uns nicht wollen. Man will sparen. In der Wirkung ist es aber so, als gäbe es uns nicht mehr, und bald wird das vielleicht auch Realität sein. Das kann nicht sein und ist nicht wahr.
Es geht um unsere Existenz
Ich bitte Sie uns nicht zu vergessen in dieser Pandemie. Damit es uns noch gibt, wenn es uns wieder geben "darf". Ich möchte spielen. Ich möchte arbeiten. Ich möchte eine Chance haben, meiner Arbeit nachgehen zu können. Unverschuldet sind wir in diese Lage gekommen. Wir wollen niemanden brauchen, nur einfach arbeiten. Solange wir das nicht können, weil wir unsere Kranken und Alten schützen – das ist ganz selbstverständlich –, brauchen wir Ihre Hilfe. Ihre Hilfe, um unsere Existenz zu erhalten, aber auch als Zeichen, dass wir Teil dieser Gesellschaft sind.
Ich weiß, dieses Schreiben ist vielleicht etwas zu lang, aber das muss es sein, weil es von Vielfalt und Komplexität zeugt und die Situation kompliziert ist. Mir liegt so sehr am Herzen, dass Sie und auch die Gesellschaft verstehen, also auch unsere eigenen Leute: Hier geht es um finanzielle Unterstützung, die uns tatsächlich erreicht , das heißt es müssen dringend die Voraussetzungen und Bedingungen der Hilfspakete angepasst werden. Hier geht es um die Suche nach Klarheit und Anerkennung unseres Status, sowie die Gleichbehandlung und Kenntnisnahme dieser Berufsgruppe "freischaffende Schauspieler*in" in Behörden, Verwaltungen und der Gesellschaft. Hier geht es um Kommunikation und Gespräche innerhalb des Theaters über Zugehörigkeit und Verantwortung. Hier geht es um Wissen, denn wir werden vergessen, weil man es nicht besser weiß.
Und während ich das an Sie schreibe, erreichen mich zwei Schreiben, das eine von der Investitionsbank Berlin und das andere von der Agentur für Arbeit. Beide wollen Beweise meiner Lage und fordern eine Rückzahlung. Beide zu Unrecht, aber eine Forderung bekommt gesetzlich Recht, weil ich nicht selbständig bin. Es muss anders werden.
Ich grüße Sie herzlichst
Julischka Eichel
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als aussenstehender kann man leider immer nur erahnen mit welchen ganzen Sorgen Ihr in Eurer Branche zu kämpfen habt derzeit.
Eure Ängste, Euren Aufwand, daher sind solche Texte wirklich wichtig und gar nicht zu lang.
Mich hat er sehr stark berührt und ich werde Ihn weiter teilen und wünsche allen Betroffenen viel Kraft.
Mit freundlichen Grüßen
Maik Grieser
Wir hatten zwar nicht damit gerechnet, dass im November wieder Spielverbot erteilt wird, aber wir hatten die Verträge für ein Stück dann so abgefasst, dass auch ausgefallene Vorstellungen honoriert werden. Am 6. November sollte die Premiere sein, die Probenarbeit war komplett abgeschlossen, die Ausstattung premierenreif.
Es hätte uns in der Seele weh getan, hätten wir Regisseur und Akteure nicht honorieren können. Wir bibbern jetzt aber, was noch alles passiert, bis wir (für ein Drittel der normalen Besucherzahl) wieder öffnen dürfen. Haben die Kommunen und das Land in den nächsten Jahren so viel in der Kasse, dass die Fördermittel weiter gezahlt werden können? Wenn nicht, müssen wir schließen, und alle Investitionen in mittlerer sechsstelliger Höhe sind futsch. Das wäre das zweite Mal in unserer gut 25jährigen Selbständigkeit, nachdem beim ersten Mal unser Haus abgerissen wurde zugunsten rentablerer Nutzung - ohne irgendeine Entschädigung und nur marginaler Stützung beim Ausbau einer neue Spielstätte.
Du siehst: Unsere Situationen sind total unterschiedlich. Aber ansonsten, bei Berufsauffassung und Lebensziel sitzen wir in einem Boot, welches leider ganz schön leck geschlagen ist.
Und dabei müssen wir uns Dasselbe vorhalten lassen wie Du: Macht doch mal was Sinnvolles!
Wir können uns kaum was Sinnvolleres vorstellen als Theater zu machen.
Dir (und uns allen) TOI TOI TOI.
Ein paar Beispiele dafür, wie es Menschen am anderen Ende der Theaterpyramide ergeht.
Ich habe Intendanten und namhafte Regisseure getroffen, die:
- eine Wohnung in der Münchner Innenstadt (ihrem neuen Arbeitsmittelpunkt) bezogen, während sie ihr Loft im Hamburger Hafen behielten;
- die Gründstücke in der Toskana hatten mit Olivenhainen, die sie von jungen SchauspielerInnen unentgeltlich abernten ließen, was diese taten, weil sie um die Gunst des einflussreichen Theatermachers buhlten
- die Grundstücke natürlich nicht nur in der Toskana, sondern auch in der Uckermark, auf Mallorca oder in der Provence besaßen
- die mich in ihre Garage geführt und mir ihren Aston Martin (!) gezeigt haben
- die generell im Verborgenen Luxusartikeln zugeneigt waren, z. B. Segelschiffen oder edlen Weinen über 1000 Euro, die sie auf Auktionen ersteigerten und in aufwändig restaurierten Weinkellern im österreichischen Weinviertel stolz präsentierten
All das zu 100% finanziert vom Geld der SteuerzahlerInnen.
Von all den "großen Männern" ganz zu schweigen, die junge Kostümbildnerinnen frisch von der Hochschule vor versammelter Truppe wegen einer Nichtigkeit in einer Weise heruntergemacht haben, dass diese in Tränen ausbrachen, ohne dass eine/r der Anwesenden ihnen beisprang. Wobei das vielleicht noch besser war, als beim Nachhauseweg vom Regisseur abgepasst zu werden und gerade noch atemlos die Wohnungstüre hinter sich zuschlagen zu können, bevor es zu einem jener an Theatern meiner Erfahrung nach völlig üblichen Vorfälle kommt, für die dann nominell die Anlaufstelle "Themis" zuständig ist.
Ich persönlich glaube nicht, dass der feudale und hoffnungslos verbeamtete Neandertaler-Betrieb "Stadttheater" wirklich reformierbar ist.
Gerade deshalb wünsche ich Ihnen und Ihren LeidensgenossInnen viel Kraft.
Herzlich,
Peter Truschner
truschner.fotolot@perlentaucher.de
Jana Schulz
nein, können Sie leider nicht.
In einem Artikel im Kölner Stadtanzeiger vom 10.12.2015 heißt es:
"(...) Peymann, Intendant des Berliner Ensembles, offenbarte, dass er 200 000 Euro pro Jahr erhalte. Für einen Regisseur der Champions League, so Peymann selbst, sei das billig – vor allem im Vergleich zum Kollegen in Bonn, der 350 000 Euro verdiene. Der gescholtene Generalintendant Klaus Weise entgegnete empört, dass er doch nur 320 000 Euro erhalte. Weise verließ die einstige Bundeshauptstadt 2013, die Bezüge seines Nachfolgers Bernhard Helmich fallen mit 183 000 Euro deutlich geringer aus (...)".
Quelle: https://www.ksta.de/kultur/hoehe-der-bezuege-warum-die-gehaelter-von-intendanten-meist-geheimsache-sind-23283046?cb=1610719488833
Das sind aber nur die Fixgehälter.
Wenn sie inszenierende IntendantInnen und Haus-RegisseurInnen haben, werden einige davon großen Wert darauf legen, nebenbei an anderen Häusern zu inszenieren und Regiehonorare abzugreifen. Besonders beliebt dabei weil ungleich lukrativer: die Oper, wo man an Top-Häusern das Doppelte bis Dreifache für die Regie einsacken kann.
Auch besonders beliebt: das Burgtheater Wien, wo z.B. Matthias Hartmann sich nicht nur das Intendantengehalt zahlen ließ, sondern auch noch für seine Inszenierungen separate, bestdotierte Regiehonorare kassierte.
Uswusw.
Kann alles genauso unterschreiben.
Leider muss man es immer wieder sagen, wir Schauspielerinnen und Schauspieler tragen leider eine grosse Mitschuld an diesen katastrophalen Zuständen, weil wir es viel zu lange versäumt haben, uns zu organisieren. Die Corona Pandemie zeigt diese Versäumnisse jetzt auf und ich habe die Hoffnung, dass wir endlich ein Bewusstsein dafür entwickeln, für eine Verbesserung aktiv werden zu müssen. Mit dem Ensemble Netzwerk gibt es erstmalig eine Organisation, die unsere Interessen vertritt und bereit ist, dafür auch zu kämpfen. Das hört sich pathetisch an, aber wenn wir uns nicht mehrheitlich dafür einsetzen und auch bereit sind, dafür zu kämpfen, wird sich nichts ändern.
"Karlsruhe/Stuttgart (dpa/lsw) - Generalintendant Peter Spuhler wird das Badische Staatstheater in Karlsruhe zwar im Sommer verlassen - welche finanziellen Folgen das für das Land hat, ist aber unklar. Aus Datenschutzgründen wolle man nicht sagen, ob wegen der Auflösung seines Vertrags eine Abfindung gezahlt werde und wie hoch diese ausfallen könnte, sagte am Dienstag eine Sprecherin des Wissenschaftsministeriums. Die "Stuttgarter Zeitung" hatte zuvor den Anspruch Spuhlers auf 1,25 bis 1,4 Millionen Euro taxiert und sich dabei auf "informierte Kreise" bezogen."
Wie hoch das Jahresgehalt war, lässt sich ergoogeln.
Ihre Zeilen sind ungemein wertvoll, um nicht nur die Theater, sondern vor allem auch die Politik zu erreichen. Es gibt Theater wie das, an welchem ich arbeite, die Gastgagen für ausgefallene Vorstellungen ausgezahlt haben und dadurch unter den Druck der ihnen vorgesetzten Ministerien geraten. Wenn ein Ministerium empfiehlt, die Gastgagen einzubehalten, kann sich ein Theater noch dagegen stemmen (immerhin setzen die entsprechenden Leiter*innen dann einiges aufs Spiel, aber das muss sein - Hut ab vor ihnen). Wenn ein Ministerium das allerdings anweist, sind auch dem Theater die Hände gebunden.
Ich habe dann einen längeren Brief geschrieben mit dem Hinweis, dass wir Corona haben und dass ich nichts dafür kann ,dass sich ständig alles ändert und dass sie es doch bitte unterlassen sollen, mich ständig anzuschreiben. Dann bin ich in die Schweiz gezogen. Wahrscheinlich schreien die Schreiben nun im Berliner Briefkasten- ich höre nicht mehr hin. Wahrscheinlich kann ich nie wieder in Deutschland einreisen, es sei denn, es gibt ein neues Gesetz für uns und Ausbildungskurse für Arbeitsamtbeschäftigte.
Dazu kommt noch, dass wir bei jedem Arbeitsgeber Sozialabgaben und Krankenkasse zahlen und ein Recht auf dieses eingezahlte Geld in Form von Arbeitslosengeld haben und auch ein Recht darauf,dass man sich mit unserer Berufsgruppe beschäftigt. Schließlich sind wir nicht nur eine Handvoll Künstler*innen, vor allem in den Grossstädten.
Danke für diese ausführlichen Worte, ich hoffe Frau Grütters, die ja eine bekennende Theatergängerin ist, erhört uns. Ansonsten gibt es bald eine Menge Parkwächterinnen und Strafvollzugsbeamte, das ist nämlich das, was man angeboten kriegt als Plan B.
Liebe Frau Grütters,
Gerade lese ich ein Spiegelinterview mit Ihnen über den Wert von Kunst und Kultur. Leider ist es nun so gekommen, dass die Soforthilfen der Bundesregierung in den meisten Fällen nicht bei uns ankommt. Zum einen sind freiberufliche Schauspieler*innen meistens keine Soloselbstständige. Zum Anderen: sollten sie es sein, haben sie oft keinen Anspruch auf die Soforthilfen, da mit diesen nur (die bei uns im juristischen Sinne sehr geringen) Betriebskosten bezuschusst werden. Da wir mit unserem Körper und unserem Geist arbeiten sind unsere meisten Betriebskosten unsere Lebenshaltungskosten. Aber für die gibt es den Zuschuss nicht. Das betrifft auch einen Großteil der Künstler und Künstlerinnen anderer Gewerke.
Ich schrieb Ihnen vor der Abstimmung zum Hilfspaket (Anmerkung: im März) im Bundestag auch zur grundsätzlichen sozialversicherungsrechtlichen Situation im Schauspielbereich. Leider habe ich bisher noch keine Antwort erhalten. Vielleicht war zu viel zu tun. Im Anhang nochmal mein Schreiben von damals, dass immer noch aktuell ist.
Als Mitglied der Deutschen Filmakademie haben wir beide uns schon mal bei einem der Empfänge kurz kennengelernt.
Es gibt einen Podcast der Akademie (Close up. Corona spezial) der nächste Woche kommt, in dem ich mit Susanne Bormann über das Thema spreche. Vielleicht haben Sie ein Ohr oder auch Augen für unser Problem und wir können in einen Austausch kommen, wie man da etwas verbessern könnte. Für jetzt aber auch für später. Herzliche Grüße aus Leipzig
Hier der Brief:
https://out-takes.de/2020/sozialversicherung-grundproblem-eines-berufsstands/
Erich Heeder - Stadtteilkünstler & Strassenmagazin Verkäufer in Hamburg seit April 1994
Mona Kloos
vielen Dank für deinen Aufruf, danke Nachtkritik für die Verstärkung!
Ich möchte, ähnlich wie Annika Meier, meine Erfahrungen mit der Agentur für Arbeit kurz schildern, weil das deutlich macht, in was für eine dämliche Situation uns die Gesetzgeber*innen gebracht haben.
Ich bin deutscher Staatsbürger und war zwei Jahre fest in Österreich am Theater engagiert. Als ich zurück nach Deutschland kam, um freischaffend beim Film und weiter als Gast am Theater zu arbeiten, hatte ich natürlich nicht sofort nur Arbeit und super viel Geld, also habe ich ALG I beantragt. Da ich innerhalb der EU zwei Jahre versichert angestellt war, habe ich hier Anspruch. Es hat dann insgesamt anderthalb Jahre, die Unterstützung eines befreundeten Juristen, Papierkrieg und nach zwei Absagen und meinem Entschluss endlich aufzugeben, eine Ansage aus der Zentrale in Nürnberg, dass das nicht rechtens sei gebraucht, bis die Berliner Arbeitsagentur mir meinen Anspruch hat gelten lassen. Danach Anwesenheitsterror, sinnlose Vermittlungsversuche, völliges Unuverständnis und Nicht-Verstehen-Wollen seitens vieler Sachbearbeiter*innen oder Kundenbetreuer*innen usw. bis eine Ausnahme.
Es ist ein Riesenproblem, dass andere Mitarbeiter*innen über gestellte Anträge entscheiden, als diejenigen, denen man versucht hat seine Situation zu erklären. Unterlagen gingen verloren, ich musste alles nachprüfen und allem hinterherrennen, aber wenn ich mal eine Frist um 12 Stunden verpasst hatte, wurde mir sofort der Anspruch gestrichen und ich musste von vorn anfangen. Man hat nichts gegen das Amt in der Hand, aber das Amt hat einen in der Hand, diktiert alle Bedingungen, erzeugt Stress, Minderwertigkeitsgefühle, eine drohende Kulisse und verweigert einem vernünftige Kommunikationsabläufe. Hartz IV muss der absolute HORROR sein und gehört abgeschafft, denn bereits ALG I und das System darum ist entwürdigend. Ich habe nach Auslaufen meines Anspruchs (auf Anraten der einen verständig-netten Mitarbeiterin) nicht damit weitergemacht, der Arbeitsagentur Meldung über Arbeit, Arbeitssuche etc. zu machen, was wohl ein Nachteil für die Rente sein kann, weil so riesige Löcher im Lebenslauf sind - er ist versicherungstechnisch ein einziges Loch - wo kein Amt ablesen kann, was man gemacht hat, weil ich mit dieser Insitution nichts mehr zu tun haben möchte. Sie raubt die Energie und macht es mir tatsächlich weniger möglich gut zu arbeiten.
danke für den engagierten Brief !
Kurzum ist mir in all den Jahren meines Theaterschaffens aufgefallen, dass Solidarität und Engagement, im Ensemble, im Verband, in der Gewerkschaft als nicht cool angesehen wird. Das Einzelkämpfertum, die Ellbogen, das Schweigen und leider auch das Klagen ist groß.
> Wenn eine gemeinsame Stimme geschaffen werden soll, die sich für uns einsetzen kann, die immer mehr bewirken kann > dann vereinigt Euch, tretet in die Verbände, in die Gewerkschaft ein und kämpft gemeinsam für Euch!
Dann können den überforderten Menschen der Arbeitsagenturen auch die richtigen Begrifflichkeiten und Paragrafen vorgelegt werden, keine Prozesse müssen alleine geführt werden, Verträge können auch gegen gelesen werden, etc > ihr habt jemanden, der Euch den Rücken stärkt - im beruflichen Anliegen wie auch in der Politik !
Einzelstimmen werden meist nicht gehört, abgetan ...
So wünsche ich uns allen eine bessere Zukunft !
Liebe Grüße Petra Maria
Das Amt ist so strukturiert, dass es Stress bei den "Kunden" erzeugen MUSS. Der Mitarbeiterwechsel bei den Fall"managern" ist angelegt und kein Zufall. Die MitarbeiterInnen, selbst oft nur befristet angestellt und in letzter Möglichkeit, noch einmal eine bezahlte Erwerbsarbeit bekommen zu haben, leiden ebenfalls unter diesem System, die Burnout-Rate unter ihnen ist extrem hoch.
Das alles lässt sich mit politischem Willen ändern, aber es geht nicht von heute auf morgen und auch nicht, wenn man hofft, dass es Menschen tun, die Leute gut finden, die das mal gegen jedes gute mehrheitliche Argument eingeführt haben.
Eines aber geht sofort bei allen, die sich in Ihrer Situation befinden: Bereiten Sie bitte noch ein weiteres Papier vor, wenn Sie einen Amtstermin haben: Schreiben sie in Reihenfolge alles auf, was Sie an Papieren abgegeben haben und lassen Sie sich das vom Bearbeiter, bei dem sie das abgegeben haben - und sei es die Pforte - gegenzeichnen. Ich habe das einmal gemacht, da musste ich Wohngeld beantragen, weil trotz eigentlich guter Wohnsituation für mich und meine Familie eindfach nichts mehr ging. Die Mitarbeiterin hat Tränen gelacht, weil ihr das so noch nie untergekommen war, dass sie auf einer Liste einem "Kunden" bestätigen musste, dass sie Formular soundso auf vollständige Ausfüllung geprüft und erhalten habe amum soundsoviel Uhr. Und sie hat gesagt, auf die ordentlichen Warte stapel, nach Monaten geordnet, hinter sich auf dem Boden liegend weisend, wenn das jeder so machen würde, würden sie viel mehr Zeit brauchen. Ja, hab ich gesagt. Dann sagen sie das mal schön ihren Vorgesetzten, in der nächsten Beratung, dass das demnächst JEDER so machen wird. Weil diese Art Empfangsbestätigung Blatt für Blatt mit Formular-Nr. eine Rechtsabsicherung ist, die einem von Amts-Seite zusteht. Und dass SIE verantwortlich seien, wenn hier was zeitverzögernd für die Bearbeitung verloren ginge, was oft passiert - oder zumindest behauptet wird, wie ich von vielen Menschen wisse. - Sie hatten damals einen Bearbeitungsnachhang von ganzen 7 Monaten, weil sie so oft krank war, Burnout halt. Ging dann aber doch ganz schön schnell. War auch so schnell nötig. Ich hab es damals allen gesagt, bei denen es vielleicht noch nötiger war und gebe es hiermit noch mehr Leuten weiter, so die Redaktion es für wichtig hält...
Verträge werden genauso geschlossen. Mit all diesen Eventualitäten. Die Unsicherheit die davon ausgeht ist nahezu grotesk. Wir dürfen unsere Berufe nur noch sehr eingeschränkt ausüben und stehen manchmal von einem auf den anderen Tag vor der Tür ohne irgendwelche Ansprüche.
https://www.arbeitsagentur.de/datei/hinweis-alv_ba013509.pdf
Auch hier: sowas von auf den Punkt und ganz fein ausgedrückt.
Im Oktober letzten Jahres folgende Absage eines mittleren Stadttheaters bekommen:
"Sehr geehrter Herr X,
vielen Dank für Ihre Bewerbung und Ihr Interessse an unserem Haus.
Da wir gerade erst unser Herrenensemble "aufgestockt" haben und voraussichtlich niemand nicht verlängert, haben wir leider gar keine Vakanzen. Im Zuge der Folgen der Pandemie werden wir auch kommende Spielzeit darauf achten, ohne Gäste auszukommen.
Es tut mir leid, Ihnen keine Hoffnungen machen zu können.
Mit freundlichen Grüßen und den besten Wünschen"
Zumindest ist das mal entwaffnende Ehrlichkeit.
Hier im Süden könnte ich vielleicht ganz gut beim Winterdienst anfangen. Im Schneepflug kann man dann auch prima die Kinder mitnehmen. Die haben sicher Spass und bewundern mich endlich mal!
Ja natürlich ...auch bei Musikern durchaus üblich..wird oft mit GbR umgangen
Ich muss gestehen: dieser Text hat was! Billie Jean - ein Doppelwesen. Der Träumer und der Zyniker. Ich mag den Beitrag. Und er beschreibt gut die Situation vieler Kolleginnen und Kollegen (von mir), die Ende der 1990er Jahre von den Theatern ausgespuckt wurden und danach - tja - lahm gelegt wurden...
„Für alle reicht es nicht“, hieß mal eine Plakatserie am Berliner Ensemble vor der Peymann-Zeit.
Julischka Eichel ich habe deinen Beitrag auf Facebook geteilt und wünsche der Kunstbranche, wissende Staatsdiener. Dir alles Gute!
So einfach ist es leider nicht. Erst einmal gibt es in diesen kurzfristigen Beschäftigungen (sei es angestellt oder auch selbstständig) neben der KSK Verdienstgrenzen (nachzulesen auf der KSK Seite)und zweitens ist es als reiner Schauspieler:in sehr schwierig, in den Hauptbereichen auf Rechnung zu arbeiten. Das muss sich ändern. Wir brauchen ein Wahlrecht und gehören als Freiberufler:in in die KSK, und zwar komplett.
auf den Punkt gebracht. Ich höre immer wieder die mal genau eine solche Beschreibung in Gesprächen mit ein paar von Deinen Kollegen. Kannst Du das nicht weiter streuen. Parteibüros, Presse u.s.w.. Leider sieht es ja nicht so aus, als bestünde ein ernsthaftes Interesse, dieses Problem zu lösen. Beeindruckt hat mich der menschliche, warme Ton des Textes, der es erst recht notwendig macht, gehört zu werden.
Und dann ist mir auf einmal deutlich geworden, das aus Lessings erschreckendem Satz: "Die Kust geht nach Brot.", der noch viel furchtbarere Satz: "Die Kust darf nicht nach Brot gehen." geworden ist. Dir und allen, dass es doch noch Rettung gibt.
Freilich bin ich selbst kein Schauspieler, sondern mit einer anderen Tätigkeit in der KSK versichert, insofern weiß ich nicht, wie das für Schauspieler*innen in der KSK aussieht und mich würde sehr interessieren, ob das von Ihnen beschriebene Mischmodell denn de facto von Ihnen praktiziert wird oder ob Sie Leute kennen, bei denen es so funktioniert (auch bei höheren Nebeneinkünften)?
Applaus für Ihren Auftritt und ich bin beeindruckt, wie höflich und gefasst Sie hier darstellen, was zum Himmel schreit und stinkt! Was Sie anhand Ihrer Erfahrungen beschreiben (ich kenne diese demütigenden und würdelosen Kämpfe gegen Bürokratiemühlen auch aus anderer Perspektive) sind für mich auch die Ergebnisse einer vollkommenen Entkoppelung der Vorstellbarkeit von der Vielfalt an Lebensentwürfen, wovon unsere Gesetzgeber keine Vorstellung und keinen Bezug haben. Wir werden von PolitikerInnen „vertreten“, die uns eher treten als helfen. Je weiter unten man/frau sich gerade befindet - umso weniger Hilfe bzw. Verständnis oder individuelle Lösungen gibt es. Ich bin insgesamt erschüttert, wie wenig Menschen sich quer durch unsere Gesellschaft Gehör verschaffen, sich - mindestens da wo sie betroffen sind - solidarisieren, sich (gerne ja auch kreativ) helfen, auflehnen gegen Zustände und Schikanen, die seit nunmehr 1 Jahr immer absurder werden und jeglichem gesunden Menschenverstand entbehren und uns eigentlich sehr viel deutlicher, sichtbarer, hörbarer, lesbarer widerstreben müssten. Jedoch werden die Zustände der gesamten Schräglage zur Zeit so offensichtlich, dass es tatsächlich wie ein absurdes Theaterstück anmutet. Die Beiträge hier sind für mein Empfinden teilweise derart passend für genau dieses denken und verhalten, die vieles der Schräglage mittragen (sich weiterhin an den unnützen Paragraphen abarbeiten, vergleichen wer was verdient, dankbar sein und demütig dass wir hier leben dürfen nach dem Motto: schlimmer geht immer), welches uns in solche Situationen bringt. In diesem inzwischen so kaputten Geld-und Macht-System sind ja außerhalb der bürgerlichen Schubladen keine anderen Lebensmodelle vorstellbar bzw. legal lebbar, möglich, oder einzuordnen. Wir, bzw. in dem Fall Sie, werden in Schach und auf Trab gehalten indem das Gefecht mit solch einer absurden Szenerie (wie Sie beschreiben) die ganze Kraft und Energie kostet. Umso mehr steht für mich der Spruch als hohes Gebot unserer Zeit: „Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt!“ Gemeinsam geht es immer leichter und das hoffen auf Hilfe einer Ministerin ist so unwahrscheinlich wie ein 6er im Lotto. Dennoch müssen wir es auch da versuchen. Schauen wir uns um und stellen wir uns bitte die Frage, wie können wir uns gegenseitig unterstützen und helfen und dazu beitragen dass sich die Zustände endlich ändern.
Alles Gute von Herzen für Sie und: never give up!
Daher muss ich sagen: bei aller Richtigkeit undso, muss doch dieses Schreiben eigentlich nicht an die Politik sondern an die „mächtigen“ Leute aus der eigenen Reihe gerichtet werden...
welcher Politiker oder Politikerin mit ansatzweise gutem diplomatischem Geschick soll das ernst nehmen können?
https://zav.arbeitsagentur.de/
und was sagt der Dt.Bühnenverein dazu ?
(Und es stimmt, ich dachte die Gastschauspieler würden auch unterstützt)
Was sagt der BFFS dazu?
https://www.bffs.de/category/buehne/
Alles Gute!
Besonders hervorzuheben: #60
- ja, die aktuelle Mehrfach-Finanzierung der Häuser durch Subventionen plus Kurzarbeitsgeld (plus Einsparungen, plus Spendenakquise usw.) ist ein schreiender Skandal und betrifft fast alle Theater im Lande. Die verdienen sich gerade dumm & dämlich durch NICHT-spielen. Aber offenbar können Feuilleton-Schöngeister keinen Taschenrechner bedienen; oder sie möchten kein 'Nestbeschmutzer' sein - Kultur ist halt das persönliche Genußmittel, und Geld HAT man... wer's tatsächlich bezahlt ist egal, und wer aus dem Betrieb (oder aus der Gesellschaft) hinten runterfällt ebenfalls. Zynismus pur.
Dito # 33: Umgang mit Jobcentern bzw. Arbeitsagenturen
Hervorragende Tips, kenne ich aus eigener Erfahrung. NIEMALS Unterlagen, Anträge usw. per Post schicken oder in den Hausbriefkasten des Amtes werfen ! Die verschwinden mirakulöserweise häufig im Nirgendwo. Also IMMER persönlich hingehen (egal wie lästig, demütigend und zeitraubend das ist!), IMMER eine vorbereitete, detaillierte Quittung mitbringen, diese IMMER gegenzeichnen lassen. Das schützt zwar nicht vor Verlusten aber es beweist, was pünktlich eingereicht wurde und erspart daher Sanktionen wegen "nicht-Mitarbeit".
Daß man mit zusammen dieser Quittung stets eigene Kopien aller eingereichten Schriftstücke und Schreiben aufbewahrt versteht sich von selbst.
Bei wichtigen Gesprächen auch mal Begleitung/Zeugen mitnehmen (etliche HartzIV-Hilfs-Initiativen bieten sowas qualifiziert an).
Sobald etwas zu dumm wird, zu eskalieren droht - ruhig und höflich darauf bestehen, sofort nächsthöhere*n Vorgesetzte*n zu sprechen. Nach meiner Erfahrung sind die oft zugänglicher und klüger als Mitarbeiter im direkten Kundenkontakt. Ad infinitum wiederholen bis man auf den-/diejenige trifft, die was kapiert. Notfalls jedesmal wieder.
Grundsätzlich kann es auch nicht schaden, anwaltlichen Fachbeistand einzuholen - Gewerkschaften (ver.di) bieten ihren Mitgliedern kostenlosen Rechtsschutz in Arbeitsrechts- und Sozialrechtsfragen.
Alternativ: Guten Sozial-Fachanwalt suchen; auch hier helfen HartzIV-Intitativen gerne weiter. Dessen Erstberatung von Amts wegen finanzieren lassen, d.h. Prozeßkostenhilfe ('Armenrecht') beantragen (bitte googlen). Das restliche Fall-Honorar zahlen dann die Ämter, die ihre Prozesse wegen Untätigkeit und Dämlichkeit am laufenden Meter verlieren.
Ich weiß, ich weiß - die Lawine an deprimierenden Formularen, Fotokopien und Fristen wird dadurch ständig größer, aber nur so kann man auch relativ mittellos etwas bewegen. Und Bewegung ist allemal besser als Opfer-Depression. Auf jeden Fall trainiert man Effizienz im Umgang mit Widerständen, oder sogar eine ingrimmige das-wolln-wir-doch-mal-sehen-Heiterkeit...
A propos Opfer:
Ich bin vom Fach und kenne die Probleme, die Julischka Eichel in ihrem Brief beschreibt und die in den vielen Kommentaren ergänzt werden. Und ich bin genauso wütend wie alle hier über die Strukturen in dieser Branche.
ABER:
Im Laufe des letzten Jahres fielen mir immer wieder auch unangenehme Stimmen auf. Da wurde -teils weinerlich, teils arrogant- die eigene, von "den" Politikern bestätigte 'Systemrelevanz der Kultur' beschworen und eingeklagt. Ehrlich ?! Das klang manchmal so wie:
"Meine Mutti hat mir immer gesagt, daß ich was ganz Besonderes bin - und jetzt komme ich in die echte Welt und das ist gar nicht so. Buhuuu!"
Und dieser Sound wurde gerne auch mal gekoppelt mit: Waaas ?! HartzIV beantragen ?! Wie gräßlich, das machen wir nicht mit, das ist unter UNSEREM Niveau; und außerdem kann man davon ja nicht mal anständig leben.
Ich frage mich dann immer, wie tief diese Menschen schlafen - haben sie nichts mitgekriegt von den jahrzehntelangen Protesten gegen HartzIV, von den unzähligen Berichten über dieses Elend ? Habt ihr, haben wir ernsthaft geglaubt, daß ausgerechnet wir außerhalb der sozialen und gesetzlichen Wirklichkeiten stehen ?! Kommt bitte endlich raus aus der Blase, reiht Euch endlich ein zum gemeinsamen Kampf gegen diese Zustände. Oder ist das ebenfalls unter Niveau ?! Dann bitte nicht wundern über den Haß auf "die Eliten", denn genau das sind wir, wenn wir uns so verhalten. Nicht die Extrawurst fordern, sondern das bessere gleiche Recht für ALLE.
Ebenfalls an die Adresse der ganz persönlich vom System Beleidigten:
Rund 20% (!) aller Beschäftigungen in diesem Land sind mittlerweile schon auf die eine oder andere Weise prekär - unterbezahlt, unsichere Verträge oder beides. Auch die haben in Corona-Zeiten alles verloren. Darunter viele 450,-€-Jobber - in Handel, Gastronomie, Hotellerie und übrigens gern auch an Bühnen - die KEIN Kurzarbeitsgeld und auch kein ALG I erhalten. Die stürzen genauso lotrecht in ALG II/HartzIV ab wie wir. Die interessieren offenbar (auch) niemanden in 'der Öffentlichkeit'; man jammert z.B. lieber lang & breit über die Zumutungen eines Home-Office o.ä.
Und zuguterletzt:
Ja, wir müssen uns organisieren. Das ist nun mal der Weg, auf dem es mit langem Atem funktioniert; wie seit mindestens 150 Jahren erprobt & bewiesen. Und da wäre es schlau, das Rad nicht in jeder Generation nochmal neu erfinden zu wollen; das kostet viel Kraft und Zeit und spielt dadurch denen in die Hände, die keinerlei Interesse an einer funktionierenden Gegenmacht haben.
Die notwendigen Organisation(en) gibt's nämlich schon, sie heißen GEWERKSCHAFTEN. In unserem Fall: ver.di. Oder alternativ/nicht-gewerkschaftlich das Ensemble-Netzwerk.
Bitte also nicht nur kluge Analysen schreiben, sondern sich neugierig, tatkräftig & laut engagieren. Es gibt VIEL zu tun & zu verändern.
Wir sehn uns !