Streit ums Urheberrecht - Beobachtungen vom Prozess des Suhrkamp-Verlags gegen das Münchner Residenztheater wegen Frank Castorfs "Baal"-Inszenierung
"Bitte nix mixen!"
von Rupprecht Podszun
München, 18. Februar 2015. Nach gut zweieinhalb Stunden, als diese Verhandlung am Landgericht München I sich langsam der Dauer von Frank Castorfs "Baal"-Inszenierung am Residenztheater (vier Stunden) näherte, drohte das Ganze doch in die Farce abzugleiten. Es war der Zeitpunkt, als der Vorsitzende Richter Andreas Müller dazu überging zu prüfen, ob der Suhrkamp-Verlag überhaupt die Nutzungsrechte an den Brecht-Stücken hat. Der Verlags-Justiziarin steht der Unglaube ins Gesicht geschrieben: Sie war heute gekommen, um dem Residenztheater die "Baal"-Aufführung untersagen zu lassen, weil Frank Castorf in den Brecht-Text reichlich Fremdmaterial gemischt hat. In seiner "Baal"-Inszenierung ist nicht erkennbar, was von Brecht ist, was von Rimbaud und was von so zwielichtigen Autoren wie Carl Schmitt oder Ernst Jünger. Für einen solchen Text-Mix hatte das Residenztheater keine Autorisierung, so schien es.
Wenn der Wachtmeister klingelt
Doch jetzt, um 16.30 Uhr, sieht es eher so aus, als säße an diesem Tag Suhrkamp auf der Anklagebank. Dem Publikum stockt der Atem. Da platzt in die Verhandlung der Buffone. Ein Wachtmeister reißt die Tür zum Sitzungssaal auf, er ist kompakt gebaut, stapft wie selbstverständlich herein und schnarrt mit bayerischer Färbung: "Ist die Frau Sich do?" Sie ist da. Es ist die besagte Suhrkamp-Justiziarin, sie sitzt vorne, nah am Richtertisch, und so stapft der Wachtmeister weiter, wedelt mit einem Telefax. Es ist ein erlösendes Dokument zur Erbfolge Bertolt Brechts, das bei Suhrkamp in beeindruckender Geschwindigkeit aus dem Archiv gefischt und aufs Fax gelegt wurde, und jetzt bringt es der Wachtmeister persönlich in den 6. Stock dieses 50er-Jahre-Baus und legt es der Justiziarin Verena Sich auf den Tisch. Wachtmeister: "Die Wachtmeister-Kasse hat auch oan Sparschwein." Ab. Man möchte diesem Auftritt applaudieren. Danach aber fällt die Handlung ab, und aus einem spannenden Prozess wird quälender Stillstand.
Dabei war es eine starke Eröffnung. Stühle waren eigens herangeschafft worden, damit Helmut Markwort vom "Fokus", Egbert Tholl von der Süddeutschen Zeitung und Resi-Fans Platz finden. Richter Andreas Müller, der Oberspielleiter und Hauptdarsteller dieses Verfahrens, hatte die Sache Suhrkamp Verlag AG gegen Bayerisches Staatsschauspiel, Aktenzeichen 21 O 1686/15, mit einer analytisch beeindruckenden Zusammenfassung des Falles begonnen. Wenn das Residenztheater Brecht spielen will, braucht es dazu eine Lizenz des Verlags, der Brecht vertritt. Im Vertrag, den Suhrkamp und Residenztheater geschlossen haben, ist festgelegt, dass Änderungen des Texts der vorherigen Zustimmung des Verlages bedürfen, es sei denn dass der Verlag seine Zustimmung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht versagen darf. Minutiös schilderte Müller, wie die Residenztheaterdramaturgen, aber auch der Suhrkamp-Verlag sehenden Auges Richtung Katastrophe rasten.
Und nicht uninteressant war es, einmal von einem Gericht erklärt zu bekommen, wie eine solche Castorf-Produktion entsteht. Am 15.9.2014 besucht Sebastian Huber, leitender Dramaturg am Resi, den Regisseur Castorf. Huber erzählt, dass Aleksandar Denić ein Vietnam-Bühnenbild entworfen hat. Castorf ziert sich. Macht er einen Vietnam-Baal? Braucht er dazu Texte von Rimbaud? Huber verlässt Castorf und fährt zur Schaubühne, um dort eine Thomas-Bernhard-Premiere zu sehen.
Rechte-Vereinbarungen beim Plausch im Schaubühnen-Foyer?
Was jetzt geschieht, hören die Anwesenden in Saal 601 an diesem Tag viele Male aus verschiedenen Perspektiven. Vor der Schaubühne sitzt nämlich zufällig Frank Kroll, er leitet bei Suhrkamp die Theaterabteilung. Man kennt sich, man duzt sich. Kroll schaut auch den Bernhard. Er ist mit dem Dramatiker Oliver Schmaering da. Huber: "Ich wollte dich ohnehin noch anrufen, wegen Baal." Kroll stellt Schmaering vor, der vertieft sich in sein Smartphone, Huber setzt sich kurz dazu. Huber erzählt von der Vietnam-Idee. Der Name Rimbaud fällt. Frau Brecht-Schall mag Castorf. Vielleicht. Angela Obst wird das Stück am Resi betreuen. Kroll kennt sie noch vom Henschel-Verlag.
Nach fünf Minuten, vielleicht waren es zehn, geht Huber ins Theater. Um 20:02 Uhr schreibt er eine SMS an Frank Castorf, da sitzt Huber schon im Theatersaal, bald geht es los. Huber schreibt: "Lieber Frank, habe gerade Frank Kroll von Suhrkamp an der Schaubühne getroffen. Er muss keine Fassung sehen, will aber von Angela auf dem Laufenden gehalten werden. Die zwei kennen sich noch von Henschel." Hat Huber da etwas überinterpretiert? Frank Kroll versichert an Eides Statt und sagt später auch im Zeugenstand: "Ich räume doch nicht in diesem Umfeld in einem kurzen Gespräch die Rechte an Brecht so einfach ein." An Brecht! Wo doch jeder weiß, dass die Brecht-Tochter Barbara Brecht-Schall eigenwillige Vorstellungen hat. Gab es im Gespräch vor der Schaubühne eine Vereinbarung? Was sagt Oliver Schmaering dazu, er saß doch dabei? Er ist auch jetzt da, wartet geduldig vor dem Gerichtssaal, doch er wird als Zeuge nicht gehört. Er hat an Eides Statt versichert, er habe sich in sein Smartphone vertieft und der Konversation nicht weiter zugehört. Ersteres zumindest ist glaubhaft: Als sich am Ende Saal 601 leert, sitzt Oliver Schmaering immer noch vor dem Saal – in sein Smartphone vertieft.
Zehn Prozent sind besser als zwanzig
Nach dem Zufallstreffen an der Schaubühne trifft man sich am 14.11.2014 bei einer "Peer Gynt"-Premiere in München. Die Resi-Dramaturgen wissen noch nicht, wohin die Reise mit Castorf geht. Der weiß es offenbar auch noch nicht. "Bitte nix mixen", ist die Ansage des Verlags, "die Werkeinheit bewahren". Am 6.1.2015 ruft Angela Obst bei Frank Kroll an und erklärt ihm, dass man derzeit bei den Proben mit Texten von Rimbaud und anderen arbeite. Was man bei der Premiere zehn Tage später tatsächlich verwende, sei noch offen. Als Obst auch Carl Schmitt und Ernst Jünger erwähnt, sagt Kroll offenbar: "Das habe ich jetzt nicht gehört." 20 Prozent im Textbuch sollen von Rimbaud sein. Am nächsten Tag korrigiert Obst, nachdem ihre Hospitantin Zeilen gezählt hat. Es sind nur 10 Prozent. "Das klingt schon erfreulicher", tippt Kroll zurück. Sonstige Fremdtexte: Schweigen.
Am 15.1.2015 ist "Baal"-Premiere. Kroll fährt hin. Er hört viel Brecht, aber auch vieles anderes. Richter Müller macht unmissverständlich klar, dass er in diesem Hin und Her keine Zustimmung von Suhrkamp erkennen kann, und bei derart erheblichen Eingriffen in den Text konnte von Suhrkamp wohl auch nicht nach Treu und Glauben eine Zustimmung erwartet werden. "Das ist eine teure Inszenierung!", jammert Resi-Rechtsanwalt Jörg Thomas. Doch auf die Idee, bei einer solchen Investition die Rechtslage sorgfältig abzuklären, ist im Residenztheater wohl niemand gekommen. Bei Suhrkamp zog freilich auch niemand die Notbremse, aber Suhrkamp war auch nicht am Zug.
So stellt der Richter die Auffassung seiner Kammer dar, und dann kommt die plötzliche Wendung, eine Art Peripetie. Müller bittet Suhrkamp inständig um Zustimmung zu einem Vergleich: "Baal" noch einige Male bis Ende März am Resi, dann beim Theatertreffen in Berlin im Mai, jeweils in der Castorfschen Mix-Fassung, Kosten des Rechtsstreits trägt das Resi. Rechtsanwalt Ronald Schmidt, der für Suhrkamp auftritt, er ist hager, wirkt intellektuell und sehr beschlagen im Urheberrecht, schaut nachdenklich über den Rand seiner Brille: "Bei einer solchen Einigung hätten wir den Antrag ja gar nicht stellen brauchen."
Suhrkamp scheut den Vergleich
Die Situation ist paradox: Der Richter hat klar gemacht, dass ein Urteil zu Suhrkamps Gunsten ausgehen würde, aber er will dieses Urteil nicht. Also rät er Suhrkamp zum Vergleich, obwohl Suhrkamp nichts zu verlieren hat. Diese Strategie geht nicht auf. Und jetzt wird es ungemütlich. Denn aus der sympathischen Bitte des Richters um eine kunstfreundliche Geste des Verlags wird ein unangenehm deutliches Drängen. Als Suhrkamp sich – trotz Rückfragen bei der Geschäftsleitung in Berlin – nicht zu Zugeständnissen durchringen kann, zieht der Richter andere Saiten auf. Er beginnt mit der einigermaßen absurden Prüfung der Rechte des Suhrkamp-Verlags. Suhrkamp kämpft. Vorgelegt wird ein Vertrag mit den Brecht-Erben. Da setzt sogar Resi-Verwaltungschef Holger von Berg einmal die Lesebrille auf, um zu schauen, wer da 1963 unterschrieben hat. Helene Weigel und Siegfried Unseld etwa? Stehen auf den Schultern von Riesen.
Der traurige Teil des Dramas ist schnell erzählt, auch wenn er sich so langatmig gestaltete wie die Apocalypse Now-Sequenz in Castorfs "Baal": Sebastian Huber, Frank Kroll und Angela Obst werden als Zeugen vernommen. Die drei Zeugen erzählen ihre Versionen der Geschichte, die sich kaum widersprechen, aber um die ein Gewese gemacht wird, als läge darin noch der Schlüssel zu diesem verkorksten Verfahren. Zeugenvernehmungen bei Gericht können brutal sein. Es lacht keiner im Saal. Es ist auch gar nicht komisch, wie das abläuft, sondern nur quälend: Jeder Satz wird protokolliert, man ringt um Formulierungen. Heute ist der Tag der Juristen, Richter Müller und seine schweigsamen Beisitzer, die Anwälte, sie machen den Ton dieses Stücks. Das fällt ihnen umso leichter als die beiden Großmächte des Streits fehlen: Barbara Brecht-Schall und Frank Castorf sind nicht im Saal. "Stellvertreterkrieg" hätte man das zu Vietnam-Zeiten genannt.
Vorgelesen und genehmigt
Als die Anwälte zum letzten Mal ihre Schlachten geschlagen haben, notiert Richter Müller für das Protokoll: "Die Parteien tauschen die Argumente erneut erschöpfend aus." Befreite Heiterkeit. Doch was nun? Der Tag hat Suhrkamp demütig gemacht. Frau Sich teilt mit, man sei bereit, sich zu einigen. Einmal noch, bis Ende März, dieser "Baal" in München. Einmal dann beim Theatertreffen. Das Residenztheater gibt eine Unterlassungserklärung ab, dass es zu weiteren Aufführungen nicht komme. Suhrkamp steht es frei, vor den beiden Aufführungen eine kurze Erklärung verlesen zu lassen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt das Theater. Der Richter, der das Verfahren betreut hat, Kuttenkeuler heißt er, sieht die Vertreter des Residenztheaters durchdringend an. Sie müssen jetzt zustimmen. Sie sträuben sich. Noch einmal blickt Kuttenkeuler sehr streng. Unterbrechung. Dann: Zustimmung.
Die Schreibkraft der Zivilkammer liest den Vergleich, das Ergebnis der sechseinhalbstündigen Sitzung, mit starker, schöner Stimme vor. Es ist fast ein magischer Moment, so als würde der reitende Bote aus der "Dreigroschenoper" erscheinen. Gerettet, gerettet, möchte man rufen, aber Richter Müller sagt nur: "Vorgelesen und genehmigt", und er schließt die Sitzung. Kein Applaus.
Das Urheberrecht scheitert an der Postmoderne
Was bleibt?
Erstens: eine passable Entscheidung. Mehr war für die Freiheit der Kunst nicht rauszuholen. Sicher, für das Regietheater wäre es schöner, es hätte diesen Vergleich nie gegeben. Doch andererseits: Wer will schon, dass seine Texte mit Texten eines Nazi-Juristen wie Carl Schmitt gemischt werden, ohne dass deutlich wird, was von wem ist? Da hatte die zur bösen Erbin stilisierte Barbara Brecht-Schall einen Punkt. Pervers ist nicht, dass sie sich entscheidet, ihr Recht durchzusetzen. So sind Menschen, sie treffen manchmal Entscheidungen, mit denen man nicht glücklich ist. Pervers ist, dass dieses Recht den Erben der Urheber bis zu siebzig Jahre nach deren Tod zusteht. Das ist in der Kunstwelt eine halbe Ewigkeit, und diese halbe Ewigkeit dauert im Fall Brecht noch bis 2026. Dass die Schutzdauer des Urheberrechts so lang läuft, kommt nicht nur einzelnen Erben, sondern vor allem der US-Kulturindustrie entgegen. Die Walt Disney Company etwa lobbyiert intensiv, um möglichst nie die Mickey-Mouse-Rechte zu verlieren.
Zweitens: Mit einem wie Castorf könnten Urheberrechtler kurzen Prozess machen. Es ist das große Verdienst von Richter Müller und seinen Beisitzern, dass sie sich die Zeit nahmen, um mit Sachverstand die Wildheit des Theaterbetriebs mit der Formenstrenge der Juristen zu versöhnen. Das Urheberrechtsgesetz aber, dieses fünfzig Jahre alte Opus, ist geschaffen für eine prä-digitale Welt, für die Welt vor der Postmoderne. Nur mit Ächzen kann es auf Streaming, auf Mashups, auf Software angewendet werden – und auf Regisseure, die erst bei der Premiere sagen können, wie das Stück sich gestalten wird.
Drittens: Wie ein verbitterter Nachbarschaftsstreit wirkte der Prozess über weite Strecken. Frank Kroll und Sebastian Huber sollten dringend einen Kaffee trinken gehen, vielleicht vor der Schaubühne, Oliver Schmaering darf mit und sich ins Smartphone vertiefen. Und dann liest man zusammen Bertolt Brechts "Sonett zur Neuausgabe des Francois Villon". Das schrieb der Meister, als ihm Urheberrechtsverstöße vorgeworfen wurden mit der ihm eigenen Lässigkeit: "Nehm jeder sich heraus, was er grad braucht! / Ich selber hab mir was herausgenommen...". Ach, Brecht. Ach, Recht.
Prof. Dr. Rupprecht Podszun ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Immaterialgüter- und Wirtschaftsrecht an der Universität Bayreuth und Affiliated Research Fellow am Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb. Seine Fachgebiete sind Kartellrecht, Recht des unlauteren Wettbewerbs, Urheberrecht, Markenrecht, Verfahrensrecht, Allgemeines Zivil- und Wirtschaftsrecht. Er ist zudem Direktor der Forschungsstelle für Wirtschafts- und Medienrecht an der Universität Bayreuth und Mitglied im Leitungsgremium des dortigen DFG-Graduiertenkollegs "Geistiges Eigentum und Gemeinfreiheit"Prof. Dr. Rupprecht Podszun ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Immaterialgüter- und Wirtschaftsrecht an der Universität Bayreuth und Affiliated Research Fellow am Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb. Seine Fachgebiete sind Kartellrecht, Recht des unlauteren Wettbewerbs, Urheberrecht, Markenrecht, Verfahrensrecht, Allgemeines Zivil- und Wirtschaftsrecht. Er ist zudem Direktor der Forschungsstelle für Wirtschafts- und Medienrecht an der Universität Bayreuth und Mitglied im Leitungsgremium des dortigen DFG-Graduiertenkollegs "Geistiges Eigentum und Gemeinfreiheit"
Dieser Text von Rupprecht Podszun wurde im Oktober 2015 mit dem Michael-Althen-Preis für Kritik ausgezeichnet.
Alles zum Urheberrechtsstreit um Castorfs "Baal"-Inszenierung.
Im Mai 2015 schrieb Rupprecht Podszun einen größeren Aufsatz zum Urheberrecht im Theater für nachtkritik.de: Die Schutzspirale – Nach Baal: Dürfen Regisseure remixen? Urheberrecht und Regietheater sind Kinder derselben Zeit, aber sie können nicht miteinander – eine kleine Theatergeschichte der jüngeren Urheberrechtsdebatte.
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(Werter Christoph,
tatsächlich hat der Text an der Disney-Stelle den Sachverhalt in einer unterkomplexen Weise verkürzt. Deshalb hat der Autor die entsprechende Passage geändert.
MfG, Georg Kasch / Redaktion)
Die aktuelle Rechtslage hinkt dem aktuellen Kunstbegriff einfach sehr weit hinterher. Da geht es nicht um guteböse Autoren oder guteböse Regiesseurstextfledderer. Und die verantwortlichen Vermittler aka Dramaturgen an den Häusern müssen sich in rechtliche Gebiete begeben, von denen sie naturgemäß keine Ahnung (und auch nicht die Ausbildung) haben, während Theaterverlage per Telefon auch meistens andere Dinge in den Hörer nuscheln, als schriftlich fixiert werden darf.
Und dann kommt es zu absurden, unlustigen und teuren Possen, die weder den Theatern noch den Autoren noch sonst irgendwem zugute kommen.
Dafür kann man getrost darauf vertrauen, dass Disney an der Verlängerung in alle Ewigkeit arbeitet. Die Zahl 120 stand schon im Raum.
Und in dem Moment wo angegeben wird, dass die Vorlage in welcher Form auch immer "frei" angewendet wird, also klar ist, dass der ursprüngliche Autor am Endergebnis eventuell nicht "schuld" ist, soll der Autor die Klappe halten, und sich freuen gespielt zu werden. Wie sein Stück angeblich "richtig" ging, kann er ja dann am nächsten Tag auf nachtkritik.de kommentieren, oder meinetwegen auch in Villonsche Verse giessen.
Im übrigen bin ich, das dürfen Sie meinem Namen gerne entnehmen, selbst Autor. Ich habe großen Respekt vor dem, was Autoren erschaffen, aber wenn ein Autor nicht ertragen kann, dass andere sich das Material zu eigen machen, und wenn er nicht neugierig ist, was passiert, wenn andere darauf ihre künstlerische Phantasie loslassen, und wenn er nicht damit Leben kann, dass buchstabengetreue wie buchstabenuntreue Aufführungen genauso hervorragend oder genauso miserabel ausffallen können, und gelegentlich zwangsläufig auch ausfallen, sollte er sich dringend ein anderes Hobby suchen.
Was dazu führte, dass meine Erben mehr als doppelt solange meine Tantiemen weiterkassierten, als ich auf Erden wandeln durfte...
Wenn irgendwer noch nach dem Tod des Autors den Regisseuren verbieten will, frei mit den Vorlagen umzugehen. Wie oft muss man es denn noch erklären: viele brecht Texte würde es heute nicht geben,
Wenn dieser zu seiner Zeit jedes Mal mit Unterlassungsklagen zu tun gehabt hätte. wie läuft das bei Disney: irgendwelche Brüder Grimm Geschichten nehmen, die diese wiederum aus dem Volksmund entliehen haben, und dann das Ergebnis als geistiges Eigentum deklarieren. Das ist Diebstahl an kulturellen Gemeingut, aber egal. Jeder, der das Urheberrecht
In seiner jetzigen Form verteidigt, arbeitet gegen die Kunst, gegen das theater, für den Stillstand.
Sie nutzen ja offensichtlich das Internet.
Haben Sie sich schon mal überlegt, ob diese Technik überhaupt existieren würde, wenn nicht nur jegliche dahinterstehende geistige Urheberschaft bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers geschützt wäre, sondern jegliche Nutzung derselben stets der potenziellen Zensur des Rechteinhabers unterläge?
Nein, sie würde nicht existieren. Der Erfinder des Transistors könnte Ihnen jeden einzelnen Nutzungsvorgang jederzeit verbieten. Und auch in Ihrem Gerät nutzen Sie die Erfindung "Transistor" milliardenfach, und das auch noch milliardenmal pro Sekunde. Sie müssten ja jedes Mal die Werkeinheit garantieren. Viel Vergnügen dabei!
Was nichts anderes heißt, als dass der Geist eines Werkes von Brecht *miss*achtet wird, wenn man sich ihm ohne eine solche Haltung nähert.
Eigentlich sollten die Brecht-Erben nämlich alles verbieten, was nicht ein wenig mit dem einhergeht, was Sie "Diebstahl" "Raub" und "Leichenfledderei" nennen. Und ja eigentlich künstlerische Phantasie zu nennen wäre.
einen Mörder ermorden ist auch Mord, sowie einen Dieb ausrauben auch Diebstahl ist. Dies nur am Rande.
Das Stück eines deutschen Emigranten, der mit einer berühmten Jüdin verheiratet war, durch Texte eines Nationalsozialisten und ausgewiesenen Antisemiten zu entstellen, wie Carl Schmitt einer war, ist zwar kein Verbrechen, aber wahrscheinlich geschmacklos und sehr fragwürdig.
Ich nehme mal an, dass Castorf irgendeine Verbindung zwischen der Staatstheorie von Schmitt und seiner Inszenierungskonzeption sah. Dass es da einen Zusammenhang zwischen der Idee der Regie, der Außenseiter Baal werde unter den Bedingungen des Krieges zum bestialischen Normalfall und Schmitt geben soll. Nur dies wird hier nicht diskutiert und auch nicht in den Kritiken problematisiert.
Wahrscheinlich, weil dieser Zusammenhang nicht hinreichend durch die Inszenierung kenntlich wird, wenn es, wie ich annehme, so ein einziges beliebiges Durcheinander ist, wie bei dem "Kaputt" Abend.
Genaueres erlebt man dann im Mai in Berlin. Aber erwarten tue ich mir nicht viel.
Ich erwarte eben so einen Murx wie ihre Transistor-Theorie.
Vielleicht hätten ein paar Fremdtexte der Sache damals ganz gut getan. (Hätten ja nicht unbedingt aus dem 'Spiegel' sein müssen.)
Und dann noch das: "Nach fünf theatralischen Veranstaltungen kann man sagen, dass die beiden [Otteni und Baucks] damit beschäftigt sind, leise, aber sehr nachdrücklich Harakiri zu begehen. Unverzagt setzen sie Reinfall auf Reinfall. (…) Sie lassen wöchentlich Artikel aus dem "Spiegel" theatralisieren. Die dröge Realisierung war dann nur für die Ideenhaber selbst lustig. Während die Zuschauer etwas fassungslos der Kalauerei beiwohnten, standen Otteni/Baucks am Rand und lachten sich kringelig, nach dem Motto: Was guckt ihr so ernst, uns gefällts! Dramatisch an der Veranstaltung war höchstens der gähnend weite Schlund, der sich da zwischen Außen- und Selbstwahrnehmung aufzutun schien. (…) Überhaupt herrscht an den neuen Kammerspielen der eitle, ungebrochene Geist einer Schauspielklasse des zweiten Studienjahres. Man hat nicht nur ein Theater wollen, sondern beherrscht jetzt auch schon ein paar theatralische Mittel. Dass Kunst erst beginnt, wenn man sich durch die Eitelkeit zu etwas Anderem, Distanziertem, Nicht-Ichigem hindurchgearbeitet hat, so weit ist man im zweiten Studienjahr noch nicht. Am Sonnabend brachte der Autor Martin Baucks in eigener Regie die Uraufführung eines Stückes heraus, das den stimulierenden Titel "Hasenfratz" trägt. (…) Man weiß es nicht, das Stück taumelt in einer künstlichen Stümmelsprache blind um das Thema herum wie das Kind beim Topfschlagen um das Ziel. Man würde gerne heiß oder kalt rufen, wenn man nur ahnte, wo hier eigentlich was vergraben liegen soll. (…) Da der Autor in die Figuren keine Lebendigkeit hineingehaucht hat, kann er als Regisseur auch keine herausholen."
Was für ein großer Satz (scheinbar hat sich nicht viel verändert in dieser nicht-distanzfähigen Selbstwahrnehmung): "Dass Kunst erst beginnt, wenn man sich durch die Eitelkeit zu etwas Anderem, Distanziertem, Nicht-Ichigem hindurchgearbeitet hat, so weit ist man im zweiten Studienjahr noch nicht."
Vielleicht schadet ja doch der Außen-Blick eines Regisseurs auf den Text eines Autors nicht - vielleicht ja sogar zum eigenen Vorteil des Autors?
Mal abgesehen davon, daß die meisten hommes/femmes de lettres meiner Erfahrung nach keine donne/uomini di teatro sind und schon deshalb der Medienwechsel hier meist besser auch mit einem Personalwechsel einhergeht, ist Theater doch außerdem viel interessanter, wenn sich A nicht verdoppelt, sondern B zu A verhält. Wenn mir eine Inszenierung nur erzählen möchte, was angeblich schon im Text steht, kann ich doch gleich nur den Text lesen!
Alfred Kerr hat über Brecht auch immer so freundlich geschrieben, dass man es heute noch gerne lesen mag.
Der verstorbene Thomas Langhoff hat mir eines mit auf den Weg gegeben nach der Uraufführung von "Hasenfratz": Sie müssen stärker polarisieren!
Ich glaube, dass kann ich mittlerweile heute ganz gut.
Danach boten mir Dieter Sturm und die Chefdramaturgin eine Inszenierung von "Jubiläum" von Tabori an, in einer recht ansehlichen Besetzung. Das es dazu nicht kam, ist eine andere Geschichte, die 15zehn Jahre her ist.
Entschuldigen sie, wenn das heute nicht mehr mein Thema ist, bei soviel Zukunft.
sie haben sich eben nicht allen ernstes selbst auf eine stufe mit brecht gestellt?!
Nö!
Aus vielen Beiträgen spricht doch eine sehr verquaste und verlogene Haltung zum Verhältnis von Kunst und Geld. Der Künstler, besonders der Autor (denn Regisseure und alle anderen an einer Inszenierung und Aufführung Mitwirkenden bekommen Honorare etc..), muss arm sein, nur dann ist er moralisch integer? Man kann dagegen sein, dass Geld unser Tauschmittel ist und die Welt regiert. Aber warum gerade bei den Autoren anfangen das zu ändern? Wieviele haben ohnehin ihr Leben in bescheidensten wirtschaftlichen Verhältnissen verbracht und wurden erst nach ihrem Tod geschätzt? In solchen Fällen profitieren wenigstens die Kinder oder sonstige Nachkommen von dessen Arbeit, so wie jemand ein schönes Familienhaus erbt, was er übrigens nicht nach 70, 100 oder 200 Jahren herschenken muss, sondern seinerseits wieder weitervererben kann. Unterschiede zwischen geistigem und anderem Eigentum gibt es also sowieso.
Nahezu alle Staaten haben sich diesbezüglich so entschieden und nicht nur das geistige Eigentum und seine Verwertung geschützt, sondern dem Urheber, wie jedem anderen, der in seinem Leben durch Arbeit Werte schafft, auch ermöglicht, seine Nachkommen daran teilhaben zu lassen. Das ist mitnichten ein Gegenpol zur Kunstfreiheit! Die Kunstfreiheit schützt das eigene Schaffen, sie garantiert nicht die Freiheit mit Werken anderer zu machen was man will! Wer kreativ Texte mischen will, soll das tun, er kann eigene schreiben - wenn er kann - dann steht ihm sowohl die Kunstfreiheit als auch ein eigenes Urheberrecht zur Seite. Er kann freie Texte nehmen oder er kann sich mit von ihm gewünschten Autoren einigen. Vor allem aber sollte er mit offenen Karten spielen.
Der Respekt der Künstler untereinander, also hier zwischen dem Theaterregisseur und dem Autor, sollte gebieten wie mit dem Werk des jeweils anderen umzugehen ist. Die Autoren, die museale Aufführungen ihrer Texte wünschen, sei es selbst als Lebende, sei es durch die den Nachlass verwaltenden Erben, sind ohnehin in der absoluten Minderheit! Will ich gerade sie aufführen, muss ich mich damit auseinandersetzen. Entweder so kreativ wie Nicolas Stemann es in dem Radiointerview beschreibt, oder eben so wie Castorf, indem ich mache was ich will, und damit die jetzt eingetretene Rechtsfolge „riskiere“. Riskieren in Anführung, denn Castorf wird sich kaum Regressansprüchen des Theaters ausgesetzt sehen, und am Ende wird ja die teure Inszenierung, die zumindest so wie sie ist, nicht mehr gezeigt werden darf, aus Steuergeldern bezahlt…
Unbenommen hat im konkreten Fall der Verlag eine zumindest moralische Mitschuld, in dem er die Dinge wissentlich laufen ließ, sonst hätte er auch keine Veranlassung gehabt, sich auf den gefundenen Kompromiss, besonders hinsichtlich der Aufführung in Berlin beim Theatertreffen, einzulassen.
Stemann hat in demselben Interview bedauernd erwähnt, der Regisseur habe ja auch kein Urheberrecht an seiner Inszenierung. Das könnte bedeuten, dass ihm ein solches willkommen wäre. Tatsächlich wird es in der Rechtsliteratur auch zunehmend so gesehen, dass die Inszenierung ein eigenes Werk und damit urheberrechtsfähig ist. (einen Überblick über den diesbezüglichen Meinungstand und die Rechtsprechung hierzu, siehe Kurz/Kehrl/Nix Praxishandbuch Theater und Veranstaltungsrecht, C.H. Beck Verlag 2015) Billig erschiene mir allerdings, ausdrücklich ohne das Herrn Stemann unterstellen zu wollen, gern eigene Rechte zu genießen und gleichzeitig die Rechte anderer Kreativer zu negieren oder zu beschneiden!
Urheberrecht und dessen Verwertung ist eine abstrakte Materie und hat es verdient, dass man gründlich nachdenkt, bevor man reflexartig reagiert. Sollte Disney alte Märchen bearbeiten, und an dieser Bearbeitung Urheberrechte erwerben, (- ob etwas urheberechtsfähig ist oder nicht, entscheidet ja nicht Disney! -) ist das kein Diebstahl an irgendetwas, denn die Märchen bleiben frei für jedermann, jeder andere darf das nach wie vor ebenfalls tun. Sollte Brecht selbst nie verklagt worden sein, war es den von ihm benutzten Autoren entweder recht oder egal. Die Freiheit solche Dinge einfach geschehen zu lassen gibt es ja auch. Wo kein Kläger da kein Richter.
http://woerterarsch.blogspot.de/2015/09/zitate-plagiate-urheberrecht-und.html