Dieter Wedel tritt als Intendant der Bad Hersfelder Festestspiele zurück
"Ich kann den Kampf um meine Reputation nicht gewinnen"
22. Januar 2018. Dieter Wedel wird seine Aufgaben als Intendant der Bad Hersfelder Festspiele nicht weiter wahrnehmen, das teilt die Pressestelle der Bad Hersfelder Festspiele mit. Er habe dem Magistrat der Stadt angeboten, seinen Posten als Intendant der Bad Hersfelder Festspiele niederzulegen. Seine Aufgaben solle vorerst Wedels bisheriger Stellvertreter Joern Hinkel übernehmen.
In der Pressemitteilung heißt es auch, dass sich Wedel derzeit im Krankenhaus befinde und nach den Ereignissen der letzten zwei Wochen gesundheitlich angeschlagen sei. Laut Bild-Zeitung habe Wedel eine Herzattacke erlitten, was seine Sprecherin auf Spiegel online bestätigt. Bekannt wurde auch, dass die Staatsanwaltschaft München gegen den Regisseur wegen einer möglicherweise nicht verjährten Sexualstraftat ermittelt, Ausgangspunkt dafür sei der Bericht im "Zeit"-Magazin.
Anfang Januar hatten drei Frauen in dem Magazin Vorwürfe wegen versuchter Nötigung und sexueller Belästigung in den 90er Jahren erhoben, darunter die ehemaligen Schauspielerinnen Jany Tempel und Patricia Thielemann. Wedel widersprach den Anschuldigungen per eidesstattlicher Erklärung.
Stellungnahme von Dieter Wedel
Der Pressemitteilung ist auch eine Stellungnahme von Dieter Wedel beigefügt, in der er die Vorwürfe weiter abstreitet, mit folgendem Wortlaut:
"Seit mehr als zwei Wochen sehe ich mich einer nicht enden wollenden Flut schwerster, öffentlich in den Medien erhobener Anschuldigen und Vorwürfen ausgesetzt. Der Umfang und die Art und Weise dieser Beschuldigungen haben mich zutiefst verstört und erschüttert. – Und auch die Tatsache, dass es nicht aufhört.
Die Vorwürfe liegen teilweise über 20 Jahre und mehr zurück, für mich wichtige Zeugen, die zu meiner Entlastung beitragen könnten, sind tot. Wer die Verjährung abwartet, dem muss doch klar sein, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit vieles im Ungefähren bleibt und erhebliche Erinnerungslücken nicht auszuschließen sind.
(...)
Das Thema 'Machtmissbrauch' halte ich für überaus relevant und habe begrüßt, dass es in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Ich habe mir aber niemals vorstellen können, dass die Debatte auch irgendwann mich einmal betreffen könnte. Ich verabscheue jede Form von Gewalt, gegen Frauen ebenso wie gegen Männer.
Stets habe ich versucht, die Leistung von Schauspielern zu verbessern, denn es ist meine Überzeugung, dass das auch in ihrem Interesse ist. Viele sind mir dafür dankbar und haben mir das auch jetzt noch bestätigt. Andere habe ich offenbar zu sehr strapaziert oder gar seelisch verletzt, was mir sehr leid tut.
(...)
In diesem Klima der Vorverurteilung, der sogenannten 'Verdachtsberichterstattung', die auf keine erwiesenen Fakten gestützt sein muss, kann ich den Kampf um meine Reputation nicht gewinnen – weder mit juristischen Mitteln noch mit medialen Stellungnahmen. Es gibt belastende Hinweise, die die Glaubwürdigkeit vermeintlicher Zeugen erschüttern. Es haben sich bei mir und meinem Anwalt Menschen gemeldet, die dafür einstehen wollen, um dem Gemisch aus Gerüchten, Unterstellungen, Vermutungen und Anschuldigungen Substanzielles entgegenzusetzen. Doch was bringt es am Ende? Außer vielleicht der Erkenntnis, dass inzwischen auch nach Eintritt der Verjährung allein schon der Verdacht genügt, um jedermann zu jedem beliebigen Zeitpunkt an den medialen Pranger zu stellen.
Der Umfang, die Art und Weise der Darstellung, die Anfeindungen haben für mich in meinem 76sten Lebensjahr ein für meine Gesundheit und natürlich auch für meine Familie erträgliches Maß weit überschritten. Deswegen werde ich mich von jetzt an nicht mehr öffentlich äußern.
Ich bitte darum, dies zu respektieren und künftig von Rückfragen bei mir und in meinem privaten Umfeld abzusehen.
Da ich die Bad Hersfelder Festspiele aus der diffamierenden Diskussion um meine Person heraushalten möchte, möchte ich nun über Bürgermeister Thomas Fehling dem Magistrat vorschlagen, die Aufgaben des Intendanten an meinen bisherigen Stellvertreter Joern Hinkel kommissarisch zu übertragen, bis ein neuer Intendant gefunden ist."
(sik)
Update 29. Januar 2018. Wie die Bad Hersfelder Festspiele bekannt gaben, wurde die für Juli 2018 geplante Eröffnungs-Inszenierung von Dieter Wedels "Karlos-Komplott" abgesagt, nachdem in der aktuellen "Zeit" weitere Frauen schwere Vorwürfe gegen den ehemaligen Intendanten der Bad Hersfelder Festspiele erhoben hatten.
Zwei "sehr gewichtige" Gründe für die Absage nannte der kommissarische Intendant Joern Hinkel bei einer Pressekonferenz: "Das Stück galt als der 'neue Wedel', das ist die Marke. Ein Wedel-Stück ohne Wedel ist in der kurzen Zeit einfach nicht organisatorisch umsetzbar. Und: Das Stück hätte nach all den Ereignissen der letzten Wochen wohl kaum die Chance einer objektiven und rein künstlerischen Betrachtung." Dadurch wäre das Stück "bereits vor der Aufführung beschädigt" worden, und das sei "dem Werk nicht angemessen", so Hinkel laut Pressemitteilung. Das "Karlos-Komplott" hatte Dieter Wedel nach Friedrich Schiller verfasst und sollte es auch selbst inszenieren.
Aufgeführt wird statt dessen Ibsens "Peer Gynt", – "ein Stück über Selbstüberschätzung und mangelnde Verantwortung", so die Bad Hersfelder Festpiele. Ein*e Regisseur*in wurde noch nicht benannt.
(Bad Hersfelder Festspiele / eph)
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Sie waren doch auch mal Intendant. Gab es da ähnliche Vorfälle wie hier beschreiben ?
Sie haben doch bestimmt auch soetwas erlebt und mussten als Theaterleiter reagieren. Oder gab es das damals nicht ?
Ich wundere mich nur ob der Vehemenz mit der Sie Herrn Wedel verteigen . Falls das nicht in Ihrem Sinne ist, tut es mir leid , aber es wirkt so.
Viele Grüße aus dem Pott !
Martin
#5: Meine Erfahrung ist, dass jemand, der einem anderen einmal "ins Gesicht" schlägt, dies auch ohne Hemmungen ein zweites Mal tut, wenn er nicht postwendend bereits beim ersten Mal die Konsequenzen seines Handelns zu spüren bekommen hat. Und zwar so zu spüren, dass er sie auch als Konsequenz auf genau dieses Handeln wahrnehmen kann. Sexuelle Nötigung ist kein Schlagen ins Gesicht und das Abstreiten der sexuellen Nötigung kann deshalb auch kein erneutes Schlagen ins Gesicht sein. Es ist Behauptung einer getroffenen Falschaussage. Und dann steht die Behauptung einer sexuellen Nötigung gegen die Behauptung einer Falschaussage. Beides zielt im MINDESTEN auf Rufschädigung ab. Ob es auf m e h r als Rufschädigung, nämlich auf Strafe abzielt, können entsprechende Ermittlungen erweisen.
Die Ermittlungen können zur Klageerhebung führen.
Klageerhebung kann zu Urteilen führen.
Das ist ein normaler Vorgang.
Um den in einem Rechtsstaat JEDER wissen kann unabhängig vom Geschlecht und spätestens ab dem 14. Lebensjahr.
Wenn eine Rufschädigung jemanden mit großer Verspätung im Verhältnis zum Anlass der rufschädigenden Behauptung erreicht, kann das mitunter genauso überraschend und daher gesundheitsschädigend für ihn sein wie eine sexuelle Nötigung, die jemanden überraschend in einem explizit beruflichen Abhängigkeits-Kontext erreicht hat.
Das betrifft den Vorgang der Nötigung und der Rufschädigung. Ob die Sache wahr ist oder nicht: In jedem Fall ist davon auszugehen, dass nicht nur verspätete Beschuldigungen jemanden ins Krankenhaus und in Kammerflimmern o.ä. bringen können. Überraschend erfolgte sexuelle Nötigungen im beruflichen Bereich, mit denen man auf guten Leumund eines andern vertrauend, nicht rechnen konnte, können das auch. Wenn späte Beschuldigungen jemanden ereilen, der eine lange Karriere trotz früherer eventuell erfolgter Nötigungen hinter sich hat und auf ein langes Leben in einigem Wohlstand zurückblicken kann, ist diese Erkrankung schlimm aber u.U. nicht schlimmer, als wenn sie jemanden ereilt, der nach sexueller Nötigung oder sogar einer Vergewaltigung keine guten Chancen hatte, diese glaubhaft darzustellen als -im beruflichen Bereich- No-Name gegen einen in der öffentlichkeit sehr bekannten anderen Menschen.
Weil der früh genötigte Mensch durch den selben lebensbedrohlichen Vorfall möglicherweise über längere Zeit nicht mehr in die Lage kam, seine anderen Chancen adäquat wahrzunehmen. Und so eine Karriere, die seiner Begabung angemessen gewesen wäre, im schlimmsten Fall ausfiel. Mit den entsprechenden Konsequenzen für seinen eigenen Wohlstand und möglicherweise den seiner Kinder und Eltern...
Vergewaltigung ist jedoch ein GEWALT-Delikt in Tateinheit mit Nötigung und Rufschädigung. Wie das Wort "Ver-Gewaltigung" nahelegt, wird hier nicht nur ein Geschlechtsakt unter Gewaltanwendung erzwungen. Darüber hinaus wird dem Opfer angedroht, als mit der Gewaltanwendung bei diesen Geschlechtsakt einverstanden dargestellt zu werden, falls es die Vergewaltigung zur Anzeige bringt. Es wird zum Schweigen also genötigt. Nötigung zum Schweigen über Gewaltanwendung ist jedoch Rufschädigung. Weil es vom Opfer quasi verlangt, mit einer aktiven Selbsttötung einverstanden zu sein dadurch, dass es seinen vitalen Selbsterhaltungstrieb als Wesensmerkmal des Menschen in seinem individuellen Fall leugnet. Ein Mensch aber, der genötigt wird, sich als Mensch zu verleugnen, ist der schlimmsten Rufschädigung ausgesetzt, die es geben kann.
Wo ist da der Bezug zu Wedel, nun, ich denke Wedel war lange Zeit so etwas wie das Rolemodel des erfolgreichen deutschen TV Produzenten/Regiesseur. Deswegen ist es interessant diesen Essay erneut hervorzukramen und zu goutieren.
Wedel muss man jetzt hinter sich lassen. Und sich auf die politische Frage konzentrieren.
Die haben auch ohne Enthüllungsskandal keine Chance, dass ihre- nach Schiller -geschriebenen Stücke objektiv und rein künstlerisch betrachtet werden, wenn sie sie nicht gerade selbst inszenieren- Zumindest für meine eigene Arbeit würde ich das behaupten, obwohl ich mein ganzes Leben lang schon von allen möglichen Seiten höre "naDubistmirjaneMarke!" -
da Sie nach Ihrem Kommentar #9 nach zu urteilen NICHT in Hersfeld verweilen, lade ich Sie mal zu einer Diskussionsrunde in die stadteigenen Facebook-Foren oder zu vergleichbaren Gesprächsrunden ein. Hier werden Sie sehen, dass die Hersfelder geradezu vernarrt hinter ihrem Ex-Intendanten steht. Berechtigte Kritik, die wir aus mehrfacher Mitwirkung bei seinen Produktionen an der Qualität, der Gestaltung und dem Führungsstil seiner Arbeit äußern möchten, wird in derselben heftigen Art und Weise niedergeschlagen, in welcher hier auch die sich nun mit Vorwürfen zu Wedels mutmaßlichen Übergriffen äußernden Opfer angegriffen werden. (Hier fühlt man sich an die von manchen Opfern geschilderte Nutzlosigkeit seiner Zeit geäußerter Beschwerden, die zuletzt durch die Medien gingen, erinnert.) Zudem hat sich unser Bürgermeister vor kurzem noch in geradezu selbstloser Manier ohne jeden Zweifel hinter Dieter Wedel gestellt und seinen Standpunkt bis heute nicht öffentlich verändert.
In diesem Zusammenhang davon zu sprechen, dass "Bad Hersfeld ihn [D. Wedel] hat fallen lassen", grenzt an eine Beleidigung der ortsansässigen Kritiker, die - wie bereits geschildert - einer Helden verehrenden und die Kritiker mit aller Macht mundtot machen wollenden Einwohnerschaft gegenüber stehen. Kaum irgendwo scheint der Rückhalt von Herrn Wedel noch so umfassend und unkritisch stattzufinden wie hier.
Andererseits ist die judikative für Opfer offenbar nur selten ein akzeptabler Zufluchtsort.
Im Fall Wedel ist die Wahrscheinlichkeit, dass er sich das zuschulden hat kommen lassen, was ihm vorgeworfen wird, extrem hoch. Und da möchte man dann von Herrn Hinkel schon gern hören, dass er in 20 Jahren Zusammenarbeit rein gar nichts mitbekommen hat. Bemerkenswert ist in jedem Fall, dass er Wedel bisher nicht verteidigt hat. Erstaunlich. Also hat er alles gewusst? Falls ja: muss er weg.stattdessen genießt das System wedelnden Schutz einer Provinzstadt. Die sollten im Sommer gogols Revisor oder Horvath spielen.
Herr Hinkel ist mir übrigens egal. Nicht egal aber sind mir die selbstreinigungskräfte einer Gesellschaft. Man kann Täter nicht einfach durch Mitwisser und Komplizen ersetzen. Das ist dann nur noch Boulevard. Und politisch unappetitlich.
Alle haben es gewusst, keiner hat was gesagt..Bad Hersfeld oder andere Wedel -Produktionen...die vor ein paar Tagen erhobenen Vorwürfe der Schauspielerin bei- ich glaube, der Schattenmann- sind schwarz auf weiß beim Saarländischen Rundfunk seit Jahren in den Akten (sie konnte nicht mehr weiterdrehen, es wurde eine andere Schauspielerin engagiert) und und es ist nichts, gar nichts passiert (the Show must go on?!) und jetzt sagt der Sender, ja, man müsse das jetzt intensiv aufklären, auch die eigene Verhaltensweise damals..Viel zu spät...abartig das Ganze