Maria Magda - Theater Münster
Es hat sich ausgepimmelt!
14. Mai 2022. Ein Katholisches Mädchen-Internat from hell: mit bitchy Klosterschülerinnen, hexenhaften Nonnen und schönen Grüßen an Donna Haraway und Virginia Woolf. Svenja Viola Bungartens schriller Feminismus-Schocker "Maria Magda" kommt in Münster in der Regie von Theresa Thomasberger zur Uraufführung.
Von Gerhard Preußer
14. Mai 2022. "Wir setzen auf Ihren klaren, ungetrübten Blick", tönt es anfangs vom Zuschauerbalkon zu uns herab. Aber klar sieht man erst einmal nicht. Besser, man sieht leicht schielend, etwas weitsichtig auf dieses feministische Mischwerk aus sanftem Horror, schockierender Kirchenkritik und fröhlichem Patriarchenbashing. Dann werden zumindest die groben Umrisse klar. Links ein Bett, rechts ein Bett, darauf und daneben viel bunt verstreuter Mädchenkram. Wir sind in einem katholischen Mädcheninternat für Schläferinnen, Schlafkranke, die zu viel träumen. Und da geschehen ungeheure Dinge.
Gräuelmärchen aus dem katholischen Internat
Svenja Viola Bungartens "Maria Magda" erhielt im letzten Jahr den Autor:innen-Preis des Heidelberger Stückemarkts, wurde gleich darauf vom Theater Münster in der Regie von Theresa Thomasberger produziert, konnte aber wegen der Theaterschließung nur einmal gestreamt werden. Erst ein Jahr später konnte die Uraufführung, die nun eigentlich eine Wiederaufnahme ist, stattfinden.
Geht es um drei oder vier junge Frauen? Maria (Marlene Goksch), die Neue im Internat, Magda (Lea Ostrovskiy), ihre Zimmernachbarin, die sich rühmt, eine Schlampe zu sein, und Hildi (Rose Lohmann), die sich gerne Hekabe nennt. Aber da müsste noch Miriam sein, die vorher in Marias Bett geschlafen hat. Sie ist verschwunden, scheint es. Doch wie?
Da erzählen Magda und Hildi eine seltsam verdrehte Geschichte: Das Internat sei ein Kloster, das von fromm gewordenen Hexenkindern gegründet worden sei, die Jagd gemacht haben auf "unmenschliche Männer", das heißt auf die Hexenverfolger wie Heinrich Kramer Institoris, den Autor des Hexenhammers. Der spuke nun im Haus und habe einen Vertrag mit Gott, dass er ihm jeweils vier Jungfrauen liefere, die Gottvater vergewaltigen könne zur Produktion von Gottessöhnen. Sind da Nonnen Hexen oder Hexen Nonnen oder Hexer:innen?
Widrigkeiten in der Stadt der Wiedertäufer
Wo Miriam nun ist, tot oder lebendig, bleibt unklar, dafür mischt sich eine "Ma Donna Ha" (Ulrike Knobloch) ein, eine Art Schamanin mit Geweih, und rät der verdutzten Maria mit schön verdrehten Sätzen der feministischen Theorie über das Patriarchat als Voraussetzung der ursprünglichen Kapitalakkumulation, unbedingt zu widerstehen.
Wem widerstehen? Das wird später einigermaßen klar. Gott meldet sich persönlich (als Stimme aus dem Off) bei Maria an mit "du kleine Bitch" und will sie vergewaltigen. Aber so einfach geht das nun nicht mehr. Maria widersteht, tauscht mit Magda die Rolle. Die Oberschwester (Regine Andratschke) bietet ihre eingefroren Eizellen als Spende an, aber Maria wird irgendwie trotzdem schwanger. Und treibt in einer kurzen, blutigen Szene das Gotteskind auf offener Bühne ab. Das ist im katholischen Münster, wo die Käfige der ketzerischen Wiedertäufer seit 500 Jahren hoch oben im Turm der Lamberti-Kirche drohend über der Stadt hängen, schon ein Wagnis.
Immer wieder wird nachgewiesen, dass das Christentum nur ein Legitimationsvehikel für die Männerherrschaft war. Obwohl doch am Anfang und am Ende der Jesus-Geschichte jeweils eine Frau stand: Maria als die Gebärerin und Maria Magdalena als Zeugin der Auferstehung, während die Jünger nur irgendwo "rumgepimmelt" haben. "Wie kann diese Geschichte zur größten und langanhaltendsten Unterdrückung aller nicht-männlichen und nicht hetero-sexuell lebenden Personen geführt haben, ganz zu schweigen von nicht-christlichen und nicht-weißen Personen?" Für das Stück ist bewiesen: Sie hat dazu geführt.
Alle Wetter, so ein Splatter!
Diese Religionskritik ist eingebettet und umrahmt von klassischen Horror-Elementen. Kopf, Brüste und Augen der heiligen Märtyrerinnen Barbara, Agathe und Lucia schweben vom Bühnenhimmel herab und sprechen mit Maria. Hildi wird plötzlich blind und kann dann doch wieder sehen, unerklärliche Ohnmachten lähmen die Figuren, Hildi rennt mit dem Beil über die Bühne.
Die Inszenierung nutzt mit aufgedrehter Ironie die Splatter-Effekte als Auflockerung der Theoriesalven. Bei all den dekorativen Visionen, dem fließenden Menstruationskunstblut und dem "Dies-irae"-Gewummere der Musik kann man sich ein Lächeln nicht verkneifen. Zum Schluss kommt die Danksagung im Chor: Die drei mutigen Mädels danken ihren Müttern von Donna Haraway bis Virginia Woolf. Nun sieht man wieder klar: Famoser Feminismus-Furor vom Feinsten.
Maria Magda
von Svenja Viola Bungarten
Inszenierung: Theresa Thomasberger; Bühne & Kostüme: Mirjam Schaal; Video: Louis Caspar Schmitt; Komposition / Musik: Oskar Mayböck; Dramaturgie: Astrid Reibstein / Barbara Bily.
Mit: Regine Andratschke, Marlene Goksch, Ulrike Knobloch, Rose Lohmann, Lea Ostrovskiy.
Premiere: 13. Mai 2022
Dauer: 1 Stunde 30 min, keine Pause
www.theater-muenster.com
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