Massive Urheberrechtsverletzung

1. Oktober 2013. Dea Loher untersagt dem Theater Bremen die Aufführung ihres Stückes "Unschuld" in der Inszenierung von Hausregisseur Alexander Riemenschneider. Das berichtet Spiegel Online (30.9.2013). Lohers Verlag (Verlag der Autoren) habe in Reaktion auf die Premiere am vergangenen Samstag in einer Pressemitteilung "massive Urheberrechts- und Vertragsverletzungen" und das "mangelnde Bewusstsein für dramaturgische Verantwortung" kritisiert.

Anlass für die Auseinandersetzung sei die Streichung der Figur Ella, einer "alternden Philosophin", die den "theoretischen Background für die Episoden des Stücks" liefere, die sich mit Fragen nach der Steuerbarkeit des Schicksals auseinandersetzten. Durch die Streichung dieser Figur sei sowohl "die tragende Struktur" als auch der "Sinnzusammenhang des Stücks nicht mehr gegeben", zitiert der Spiegel die Autorin Dea Loher.

Die für heute Abend angesetzte zweite Aufführung von "Unschuld" am Theater Bremen fällt aus. "Wir arbeiten an einer Lösung mit dem Verlag", teilt Intendant Michael Börgerding über seinen Pressesprecher Frank Schümann gegenüber nachtkritik.de mit. Das Theater hofft, Ende Oktober weitere Aufführungen der Inszenierung zeigen zu können.

(Spiegel online / chr)

 

 

 

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Dea Loher verbietet Unschuld: Respekt!
Gut gemacht Dea! Respekt!
Loher verbietet "Unschuld": Respekt für die Regie
Gut gemacht Alex! Respekt!
Loher verbietet "Unschuld": Frage nach Prioritäten
Wow, daß ein Regisseur sich ihrer Präambel widersetzt, war Dea Loher keinen Kommentar wert. Jetzt greift ein anderer Regisseur künstlerisch ein - und peng! gibt's ein Verbot. Interessante Prioritäten ...
Loher verbietet "Unschuld": Streichungen haben dem Stück gut getan
Wenn Dea Loher so reagiert, ist das ihr gutes Recht. Allerdings sollte hier auch nicht unerwähnt bleiben, dass Riemenschneiders Fassung durch die Streichungen wesentlich spannender und zugänglicher geworden ist. Lohers riesige Monologblöcke, die hiervon betroffen waren, taten dem Stück ohnehin nicht gut. Sie bestanden lediglich in ostentativ zur Schau getragener philosophischer Beredsamkeit, die jede Inszenierung in puncto Dynamik völlig ausbremsen muss. Das Premierenpublikum in Bremen kann sich glücklich schätzen, dass ihnen dies nicht angetan wurde. Die Kasseler Inszenierung krankte noch hieran.
Loher verbietet "Unschuld": dankbar
Es gibt einen Aufführungsvertrag. Da steht sinngemäß drin: "Änderungen am Text bedürfen der Einwilligung des Autors". Das ist eine Vereinbarung, die Theater gern igonieren. Im Hinterkopf die Überlegung: "Wir haben die Macht, der Autor hat Angst, braucht das Geld, darf im Betrieb nicht als kompliziert gelten etc." Und ganz pragmatische Überlegungen - streichen wir eine Rolle, sparen wir einen Schauspieler - werden als übergeordnete künstlerische Weisheit verkauft. Wenn Dea Loher - als eine der wenigen mit einer gewissen Marktmacht im Betrieb - sich das nicht gefallen lässt, sollten ihre alle Autoren dankbar sein. Ich bin's.
Loher verbietet "Unschuld": überflüssig
Man hätte sich in Bremen natürlich im Vorfeld mit Dea Loher treffen sollen und sich nicht zurückziehen auf ein pseudoschlaues "mal gucken was sie zu den Streichungen sagt". Ich habe die Inszenierung nicht gesehen, aber die in Münster und die Rolle der Ella war - zumindest dort - überflüssig wie ein Kropf.
Loher verbietet "Unschuld": worauf es ankommt
5. macht, macht, macht - darauf kommt es an, ob im betrieb oder im geist
Loher verbietet "Unschuld": Haltung zu Texten
Die Frage ist doch nicht, ob die Figur der Ella überflüssig ist (kann gut sein), sondern warum das Bremer Theater, das sich mit dem neuen Team bis jetzt nicht wirklich durch Inszenierungen von Gegenwartsdramatik hervorgetan hat, erst nach Verbot der Spielfassung durch Loher an einer "Lösung mit dem Verlag" arbeitet. Warum ist das nicht während der Probenzeit geschehen? Glaubt man in Bremen, dass man zu besseren Inszenierungsergebnissen kommt, wenn die Dramaturgie nicht mit Autoren spricht? Warum setzt sich ein doch recht großes Inszenierungsteam wochenlang mit einem Stück auseinander, ohne auf die Idee zu kommen, der Autorin die Spielfassung zu schicken? Das ist nicht nur als platte Machtausübung zu erklären, scheint mir, sondern als grundlegende Haltung zu Dramatik und Arbeit mit Texten.
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