Medienschau: Berliner Zeitung – Klaus Dörr gewinnt Prozess gegen die taz
Kein Foto, kein Zeuge
Kein Foto, kein Zeuge
22. August 2022. In der Berliner Zeitung berichtet Birgit Walter über einen Gerichtsprozess, den Klaus Dörr, der ehemalige Intendant der Volksbühne Berlin, gegen die taz gewonnen hat.
Anlass des Prozesses war ein Artikel vom März 2021, in dem die damalige taz-Redakteurin Viktoria Morasch über Vorwürfe schrieb, die mehrere Mitarbeiterinnen gegen Dörr erhoben hätten. Diese lauteten auf "enge, intime, körperliche Nähe und Berührungen, erotisierende Bemerkungen, anzügliche Witze, sexistische Sprüche, stierende Blicke, unverhohlenes Anstarren auf die Brust" oder "unangemessene SMS" sowie "ein vergiftetes Betriebsklima". Zusätzlich zu diesen Vorwürfen, die – wie die taz einräumte – "strafrechtlich nicht relevant sein dürften", hatte der taz-Artikel in seiner ursprünglichen Fassung auch die Behauptung des Upskirtings enthalten, also des Fotografierens unter den Rock, welches tatsächlich einen Straftatbestand darstellt.
Durch Dörrs Anwälte, die juristisch gegen die Veröffentlichung vorgingen, war der Zeitung bereits qua einstweiliger Verfügung "bei Strafandrohung untersagt worden, Klaus Dörr des Upskirtings zu bezichtigen", berichtet Birgit Walter jetzt in der Berliner Zeitung. Im Ergebnis des folgenden Gerichtsprozesses sind der taz die Upskirting-Vorwürfe nun auch qua Gerichtsurteil verboten.
Die Zeitung habe als Beleg "kein Foto, kein Opfer, nicht mal einen Zeugen" präsentiert, "der die Vorwürfe vom Hörensagen bestätigen würde", berichtet die Berliner Zeitung. Vielmehr verweise der taz-Anwalt darauf, "die Behauptung sei nur 'im Passiv' erfolgt“ und "die Autorin habe auch nicht behauptet, dass das Foto von Dörr stammen müsse." Auch "die Kollegin, der das Foto angeblich 'angetan' wurde", so Walter weiter, äußere sich nicht dazu. Sie zähle "nicht zu den sieben Beschwerdeführerinnen der Volksbühne" und antworte "auf Nachfrage der Berliner Zeitung erschrocken, dass sie mit Klaus Dörr und seinem Rückzug überhaupt nichts zu tun habe und keinesfalls namentlich irgendwo auftauchen wolle".
Als Fazit ihres Artikels geht Birgit Walter hart ins Gericht mit den Medien: "Der Volksbühnen-'Skandal' um Dörr fand bundesweit enorme Resonanz", schreibt sie. "Darüber, wie läppisch die Vorwürfe gegen den Intendanten mit den Handküssen in Wahrheit waren, hat nach den Recherchen der Berliner Zeitung allein die FAZ ausführlich berichtet."
Die taz habe gegen das Gerichtsurteil, das ihr die Upskirting-Vorwürfe verbietet, Berufung eingelegt.
(Berliner Zeitung / cwa)
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Darin wird ergänzend zur Berliner Zeitung hinzugefügt:
"Die Frauen zu den Beschwerden ermutigt, so berichtet die „Berliner Zeitung“ jetzt, hätte eine Rädelsführerin von „Staub zu Glitzer“, jenem Kollektiv, das 2017 öffentlichkeitswirksam die Volksbühne besetzte. Klaus Dörr lehnte in der Folge ein künstlerisches Projekt des Kollektivs ab. Daraufhin nahm sich die selbsternannte „linksradikale Feministin“ offenbar den Sturz des Intendanten vor. Auf Instagram gibt sie freimütig Auskunft darüber, wie sie die Frauen zu der Beschwerde gebracht und die Presse mobilisiert hat. Am Ende biss nur die „taz“ an - aber das reichte aus, um ihr Ziel - das Ende der “patriarchalen Tyrannei“ - zu erreichen".
Vielleicht, liebes nachtkritik-Team, wäre es wirklich angezeigt, dass Ihr der Sache auch noch einmal nachgeht, vielleicht sogar Klaus Dörr selber zu Wort kommen lasst. (...)
https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/der-sexist-mit-den-handkuessen-li.211557
Die ungeprüften Denunziationen der taz dagegen wurden hundertfach aufgenommen und endlos kommentiert.
-
Das war von Nachtkritik auch eine große Nummer ... für mich seid ihr damit untergegangen.
Unfassbar für mich.
Ein Mensch der einen Großteil seines Lebens dem Theater gewidmet hat wurde über Nacht seiner Existenz beraubt.
Die Süddeutsche, der Spiegel... alle haben damals berichtet und einer Vorverurteilung Tür und Tor geöffnet. Die Berufliche Existenz von Dörr vernichtet..
Und nun?
Mit dem gleichen Publizistischen Aufwand müsste seine Rehabilitierung betrieben werden.
Aber nichts da.
Erbärmlich
https://www.deutschlandfunkkultur.de/rehabilitiert-ex-intendant-gewinnt-prozess-gegen-die-taz-dlf-kultur-99d0ae9c-100.html
https://www.deutschlandfunkkultur.de/rehabilitiert-ex-volksbuehnen-intendant-klaus-doerr-gewinnt-prozess-gegen-die-taz-dlf-kultur-b4501343-100.html
https://blogs.taz.de/hausblog/metoo-an-der-volksbuehne/
Aber weder der Tagesspiegel noch die Berliner Zeitung noch die kommentatoren hier scheinen das zur Kenntnis zu nehmen.
Aus meier Sicht m u s s da die Unschuldsvermutung gelten, wie bei allen anderen auch.
"Irgendwas wird schon stimmen..." reicht da nicxht aus.
Anschwärzen eines Menschen durch einen oder mehrere andere Menschen – und dann muss dieser angeschwärzte Mensch seine Unschuld beweisen, gilt nicht. Sondern:
Es gilt die Unschuldsvermutung für jeden Menschen – bis man ihm seine Schuld möglichst zweifelsfrei nachgewiesen hat. Ansonsten gilt für den Beschuldigten, die Beschuldigte Unschuldsvermutung (in dubio pro reo).
Dass ich in einer Zeit lebe, in der aus dem linken politischen Spektrum Dinge kommen, die mich an Arthur Millers "Hexenjagd" erinnern, schlägt mir sehr schwer auf den Magen.
Wenn sich Me-Too-Fälle häufen, die strukturell so Ablaufen, wie der Beginn des Märchens "Tischchen deck dich, Goldesel und Knüppel aus dem Sack" der Gebrüder Grimm, dann finde ich das bedauernswert und problematisch.
Wenn nur Menschen den Hut nehmen sollen, die sich juristisch nachweislich strafbar gemacht haben, dann wäre auch Frau Schlesinger beim rbb noch im Amt. Diese Diskussion ist vorsintflutlich.
Tja, so ist es wohl. Sybille Berg hat sinngemäß damals getweetet wie fürchterlich es ist dass eine Vorverurteilung in der Presse von Langhoff stattfindet und hat sich solidarisiert.
Zu diesem Zeitpunkt wurde Dörr schon von allen Seiten zerfetzt.
Langhoff wurde verlängert, es hat dann niemand mehr interessiert- als würde man es unter den Teppich kehren wollen. Bei Dörr wäre das undenkbar gewesen.
Dasselbe lässt sich auch auf Karlsruhe anwenden. Spuhler ist zurecht abgesägt worden- wieso sich Anna Bergmann noch hält..? Fraglich.
Man macht sich halt die Welt wie sie einem gefällt, wa?
Seltsame Kriterien.
Systematische Professionalisierung im Theaterbetrieb? Kunstfreiheit! Immerhin darf es kein entschuldbarer Automatismus werden, wenn ein/e beruflich überforderte/r und somit regredierende/r Intendant/in sich an den Mitarbeitenden sexuell bedient. Genauso wenig sollte ersatzweise gebosst und/oder diskriminiert werden dürfen. Beide Extreme sind nicht zuletzt die Folge einer (schlechten) Normalität im Theaterbetrieb: nämlich nicht umfassend evaluierter Qualifikation für deren höchste Führungsposition bei bzw. nach Einstellung durch den Arbeitgebenden. So wird jeder an die Öffentlichkeit gelangte Fall sexualisierter Gewalt mangels Alternative zu dem Indikator eines unzulänglichen Auswahlsystems schlechthin. Liebe Auswählende bei Besetzungen von Intendanzen: schaut genau hin, stellt Fragen und nehmt entsprechende Vereinbarungen in die Verträge auf. Dann wird es später bei der „Kündigung“/“Rücktritt“ einer Fehlbesetzung nicht so teuer! Auch Vorgeschichten notorischer Fälle nicht zu ignorieren, könnte helfen – dank gut recherchierter Presseartikel etwa.