Medienschau: FAZ – Christopher Rüping im Interview

Klassiker-Fasten angesagt

Klassiker-Fasten angesagt

8. Juli 2023. Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung interviewt der Vize-Intendant des Bochumer Schauspielhauses Vasco Boenisch den Regisseur Christopher Rüping, der regelmäßig in Bochum inszeniert.

Rüping bekennt sich (€) zum "postheroischen Theater", das ein Ensembletheater "jenseits der klassischen Heldengeschichten" ist: "Hamlet, Faust, Peer Gynt. Geschichten, in denen ein Mensch, meistens ein Mann, im Zentrum der Welt steht. Egal wie sehr dieser Mann an seiner Umwelt leidet oder verzweifelt – denn sie alle sind natürlich gebrochene Helden –, für mich fühlen sich diese Geschichten im Grunde wie Märchen aus einer anderen Zeit an. Häufig werden diese Figuren dann noch von einem Starschauspieler gespielt, der viel in der Mitte wütet, dampft und schwelgt. Das ist so weit von meiner Lebenswirklichkeit und meinem Kunstverständnis entfernt, dass ich immer das Gefühl habe, es ist museal. Überholt."

Zudem plädiert Rüping für ein "Klassiker-Fasten": "(I)ch fände es interessant, wenn sich alle deutschsprachigen Theater darauf einigen würden, mal für 15 Jahre keine Texte zu inszenieren, die nicht aus unserem Jahrtausend stammen."

(faz.net / chr)

Kommentare  
Medienschau Klassiker-Fasten: Bitte nicht
Bitte nicht!! Viele, die gern ins Theater gehen, zumindest alle, mit denen ich die Vorstellungen wahrnehme und anschließend diskutiere, sind den Klassikern nicht so abgeneigt. Warum haben sich die "Märchen aus einer anderen Zeit" bis heute gehalten? Weil sie grundlegende menschliche Probleme verhandeln. Das Publikum findet in der Regel gegenwartsgemaße Zugänge zu älteren Stoffen. Es wäre ein Jammer, das Publikum um all diese Stücke zu bringen, uns von der sprachlichen Wucht und der politischen, moralischen, psychologischen Herausforderungen der älteren Stücke fernzuhalten. "Antigone" und "Kohlhaas" (Adaptation) sind d i e Stücke der Zeit, die besitzergreifende und in Hass umschlagende Liebe in "Kabale und Liebe" bleibt ein anhaltendes menschliches Desaster, das oft genug im Femizid endet. Es ließen sich unzählige Argumente und wertvolle Beispiele für den Kanon finden.
Dass Regisseure und Regisseurinnen auf diesen Kanon vielleicht keine Lust mehr haben, kann ich mir vorstellen. Aber ich bin Zuschauer und freue mich, Stücke von Shakespeare, Lessinggoetheschiller, Brecht & Co. neu kennenzulernen oder unter veränderten Bedingungen wieder zu erleben.
Diese Bitte um einen gelegentlichen Perspektivenwechsel möchte ich eher als Bedenken gegen eine rein gegenwartsfixierte Stückauswahl verstanden wissen, keinesfalls als Kritik an Herrn Rüping, dessen Arbeit ich gar nicht kenne. Die Theater, die ich überblicken kann, bieten samt und sonders mehr Gegenwart als Vergangenheit an, und das soll auch so sein!
Medienschau Klassiker-Fasten: Gegenwartsrelevanz
Mir geht's anders: Die soundovielte Klassiker-Inszenierung interessiert mich nicht so wie ein GUTES Stück Gegenwartsdramatik. Auf mich wirkt es oft so, dass in Klassikern mühevoll nach Gegenwartsrelevanz gesucht wird, während es Texte aus der Gegenwart für die Gegenwart gibt, die aber aus irgendeinem Grund nicht auf den Spielplänen stehen.
Medienschau Klassikerfasten: Liegt an Regisseuren
Ich sehe es weder wie #1 noch wie #2…
Es liegt nicht an den Klassikern, sondern daran dass es einfach kaum Regisseure gibt, die sich die Mühe machen einen Text zu durchdringen und je komplexer das Thema u d poetischer die Sprache, desto schwieriger wird dieses kaum gemacht me Arbeit getan…
Rüping erzählt da was vom Pferd mit dieser Idee…
Medienschau Klassiker-Fasten: (S)eine Präferenz für alle?
Was ich (zumindest hier in der Zusammenfassung) überhaupt nicht verstehe, warum Rüping seine eigene Theaterpräferenz dem gesamten deutschsprachigen Theater, allen seinen vielen Regisseur*innen, allen Schauspieler*innen und dem gesamten Publikum überstülpen will. Wenn ihn Klassiker nicht interessieren - was ja eine legitime Position ist (aber eben nur eine unter vielen, ebenfalls legitimen anderen Positionen - dann soll er doch einfach 15 Jahre lang keine Klassiker inszenieren und sich keine anschauen. Jedes Theater der Republik hat doch auch Zeitgenössisches im Angebot, die Auswahl ist doch zum Glück groß und die Bandbreite an unterschiedlichen Stoffen, Formaten und Zugriffen ebenfalls zum Glück riesig. Meiner Meinung nach klingt es aber einfach sehr vermessen, zu glauben, dass nur die eigene subjektive Theater-Präferenz und Theater-Meinung "richtig" sind und alle anderen die ebenfalls teilen sollen.
Medienschau Klassiker-Fasten: Journalismus?
Da interviewt ein Vize-Intendant einen Star-Regisseur, der regelmäßig bei ihm inszeniert. So als ob der Universal-Chef Steven Spielberg hinterfragt. Was ist nur aus der FAZ geworden. Und natürlich bleibt Rüpings erstaunlich plumpes Klassiker-Bashing dann auch weitgehend unhinterfragt...
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