Presseschau vom 26. Juli 2011 – Alex Rühle besucht für die Süddeutsche Zeitung die öffentliche Probe von "Faust" 1 und 2 bei den Salzburger Festspielen
Geradezu tripartiger Erschöpfungszustand
Geradezu tripartiger Erschöpfungszustand
27. Juli 2011. Textgenuschel werde durch die Headsets geschickt. "Ein verzweifeltes Hinterherhören, Herumrätseln, akustischen Dechiffrieren" versuchte Alex Rühle, als er für die Süddeutsche Zeitung die verregnete öffentliche Probe von Stemanns "Faust" besuchte. "Text, Text, Text" scheine das Leitmotiv von Stemann und seinen Schauspielern zu sein. Und auch im Probengespräch hinterher "geht es auffällig oft um die schiere Masse, die es zu bewältigen gilt".
Sebastian Rudolph sprach da von der "Fülle des Materials" und "diesem ganzen riesigen Haufen Sprache, der da in einem drin ist", Patrycia Ziolkowska von "geradezu tripartigen Erschöpfungszuständen", Nicolas Stemann selbst vom "total Ausufernden" und der "Überforderung durch diesen Text". In der ersten Stunde der Doppelinszenierung werde Sebastian Rudolph ganz allein auf der Bühne stehen und als Gott, Faust, Wagner, Mephisto in diesem sprachlichen Riesengebirge herumsteigen. Dann sollen Hochmair und Ziolkowska dazukommen, ohne aber in feste Rollen zu schlüpfen.
Wenn man eine Viertelstunde Probeneinblick richtig deute, so Rühle, werden Gefühle immer nur angespielt werden, "was ja nur konsequent ist, wenn Gretchen nicht mal weiß, wer nun eigentlich wer ist von den beiden Männern".
"Die Neugier, zu sehen, was passiert, wenn man den Text von aller herkömmlichen Figurenpsychologie befreit; die Hoffnung, ihn dadurch erst richtig zum Strahlen zu bringen; die Lust, den ollen Faust aus seiner verstaubten Studierhöhle herauszuzerren ans Licht unserer Zeit und als manisch-depressiven Allmachtsphantasten zu zeigen - all das klingt aufregend und festspielkompatibel, wenn auch sehr anstrengend."
Mehr vorab zu Nicolas Stemanns "Faust": In der "Frankfurter Rundschau" vom 14. Juli sprach er mit Peter Michalzik darüber, wie er sich den "Faust" denkt.
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Und sonst? Stimmt. Genau daran hab ich auch sofort gedacht. An Thalheimers bzw. Ingo Hülsmanns ausgedehnten Faust-Monolog vor dem Eisernen Vorhang. Bis der Deep Purple-Song "Child in time" erklingt und, sich langsam steigernd, in diese vergeistigte Wortsuada hereinbricht. Über diesen Song wird Mephistopheles (Sven Lehmann), Fausts an ihn angeschmiegte zweite, körperlich-triebhafte Hälfte, auf den Plan gerufen. (Luft-)Gitarren, Baby!
Warum jetzt Patrycia Ziolkowska schon beim Sprechen des Textes auf den Trip kommt, das werden wir wohl erst noch erfahren. Jeder Regisseur macht aus dem Text etwas anderes. Das ist ja gerade das Spannende daran, diese Vielfalt an Lesarten.