Presseschau vom 29. Dezember 2012 – Claus Peymann gibt der Berliner Zeitung/Frankfurter Rundschau eine Audienz
Eine Art Arche Noah
Eine Art Arche Noah
29. Dezember 2012. Im Interview mit Dirk Pilz vom Feuilleton der Berliner Zeitung/Frankfurter Rundschau ist Claus Peymann "stets sehr freundlich", auch wenn er "manchmal mehr ruft als redet".
Sein Traum "ein Korrektiv zu einem Deutschland zu bilden, das sich zur Hegemonialmacht in Europa entwickelt", sei gescheitert, gibt Peymann zu, "entweder an meiner eigenen Unfähigkeit als Regisseur und Theaterleiter oder eben doch am Fehlen einer schlagkräftigen zeitgenössischen Dramatik." Oder sei das Theater als Waffe nicht mehr stark genug? "Müssen wir im Theater vielleicht andere Wege suchen?"
Auf jeden Fall glaube er nach wie vor "an die Unsterblichkeit des Theaters". Die Menschen hätten immer ihre Ängste abgebaut über das Theater. "Es ist wie das Singen ein Teil der menschlichen Natur."
In seinem Berliner Ensemble sehe man noch das ganze Stück, von Schauspielern, die noch sprechen können. "Theater als Feier des Geistes, das tägliche Fest." Die Menschen hätten Sehnsucht nach einer gerechten, heilen Welt, in all der Scheiße heut. Das BE sei in diesem Kontext "eine Art Arche Noah in einer Welt auf schwankendem Boden, in der die Politik so unverhohlen korrupt ist wie zu Shakespeares Zeiten." Es entstünden Ängste und Sehnsüchte, und die alten Stücke könnten den Menschen etwas von ihren Ängsten nehmen, ihnen den Traum von der Veränderbarkeit der Welt vorführen.
Den Bildungsauftrag des Theater beschreibt Peymann als "die Verpflichtung, die großen Stücke der Weltliteratur vorzustellen, das kulturelle Erbe, den Bildungskanon weiterzureichen".
Auch Teil dieses Bildungsauftrags sei es, ein Stück in all seinen Verästelungen zu zeigen. Man unterstelle ja gern, es gebe die Geduld nicht mehr. "Ich trete am Berliner Ensemble den Gegenbeweis an, es ist damit ganz klar auf einem Gegenkurs gegen das Zeitmaß des Fernsehens." Das BE beanspruche mit unseren Aufführungen das Zeitmaß des Theaters selber. "Das gefällt offenbar vielen Menschen."
Dagegen könne auch "die Provinzialität der Berliner Presse" nichts ausrichten. Das kulturfeindliche Klima der Stadt, das sich in einem Journalismus manifestiere, der sich nicht freuen könne, der sich nie überraschen lasse, der alles besser wisse. "Komisch nur: Ihre Leser sind unser Publikum! Die rennen uns die Bude ein, obwohl in Ihrem Blatt seit zehn Jahren behauptet wird: Am Berliner Ensemble ist alles Scheiße." Paradox sei das. "Wir haben immer mehr Besucher und Sie weniger Leser. Seien Sie nicht traurig, das ist einfach typisch Berlin."
Übrigens sei auch der Begriff "Freie Szene" eine journalistische Erfindung. "Wieso sollte ich nicht frei sein? Ich werde doch durch die Subventionen nicht gekauft." Er halte das Berliner Ensemble für extrem frei, während er die Freie Szene oft als spekulativ, also unfrei empfände.
Der allgemeine Niedergang des Theaters, den Peymann in dieser Freien Szene und auch sonst an allen anderen Bühnen außerhalb des BE-Bannkreises beobachtet, liegt für ihn unter anderem daran, dass die festen Ensembles sich aufgelöst hätten. "Eine Handvoll großartiger Schauspielerstars bestimmen die Spielpläne der großen Bühnen." Er, Peymann, vertrete bis heute das Ensembletheater.
Seine Selbstbestätigungen werden immer wieder mal durch ausgestellte Ratlosigkeit unterbrochen, wie zum Beispiel: "Jeder sieht es, die Krise ist da, der Boden wankt. Aber wie kann das Theater eingreifen?"
Angesichts solcher Tatsachen fühle er sich "wie ein anachronistisches Mammut" und antwortet auf die Frage, ob er weitermachen will als BE-Intendant (bis April müsse er entscheiden, ob er bleibe): "Beweggrund, weiterzumachen wäre für mich: Es noch mal allen zu zeigen!" Außerdem: Was sei er denn ohne dieses Theater und die Theaterfamilie? "Will ich Gastregisseur werden? Will ich so werden wie viele der heutigen Regiestars, die – egal, an welchem Theater sie gerade gastieren –, ihre Bedingungen diktieren? Will ich nicht."
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Dirk Pilz: Ist ja nicht wenig, 200 000 Euro.
Claus Peymann: Ein Intendant am Bonner Stadttheater bekommt 350 000 Euro. Das hat mich geärgert! ["Der Neid. Struktur eines idealistischen Lasters", Robert Pfaller, Hinzufügung von mir] Als ich vor 15 Jahren meinen Vertrag in Berlin mit dem Senat ausgehandelt habe, habe ich zu dem "Zigeunerbaron" gesagt, wie hieß er noch? CDU, war früher mal Wahlkampfleiter bei Helmut Kohl. Wie hieß der denn noch...?
Dirk Pilz: Peter Radunski.
Claus Peymann: Genau. Ich habe gesagt, wir müssen nicht verhandeln, ich will 10 000 Mark im Jahr mehr verdienen als der teuerste Berliner Schauspielintendant. Er hat sofort zugestimmt - und Tatsache war: Ich habe 150 000 Mark weniger bekommen als am Burgtheater!
Gegen soviel nackt zur Schau gestellte Hybris hilft nur Gelassenheit. Robert Pfaller zitiert dazu Slavoj Zizek: "Wenn ein Buddhist einem westlichen Hedonisten begegnet, verurteilt er ihn keineswegs, sondern stellt wohlmeinend fest, das Glücksstreben des Hedonisten bewirke genau das Gegenteil dessen, was dieser erreichen möchte."
Ich verstehe Herrn Pilz nicht. Wieso unterbricht er bei einem solchen Satz nicht und fragt nach, welcher Autor denn jetzt von sich behaupte sein Pimmel sei länger als beispielsweise der von Schimmelpfennig. Behauptet dies Herr Rinke? Wer tut sowas?
Und was ist mit der Länge, Breite oder Größe von den vielen Muschis unter den Autorinnen? - Und so einer hängt sich die Pussy Riots aufs Dach.
Er gesteht sich ein, dass er gescheitert ist. Warum wagt Herr Pilz sich nicht, dann einmal nachzufragen, warum er nicht abtritt? Und hört sich stattdessen Beurteilungen über Castorf an?
Ich gesteh, der Anfang des Interviews ist ganz symphatisch. Aber dann folgt das alte Lied. Wie hält Herr Pilz so ein Gespräch aus?
Wegen der weichen Sessel?
groß und klein - mein Schwert ist größer als dein kleines messer!
krieg ist aller dinge vater, aller dinge könig,
die einen macht er zu göttern, die anderen zu menschen,
die einen zu sklaven, die anderen zu freien.
da muss ich jetzt aber auch was beichten: ich bin etwas verwundert. Ich würde gern verstehen, was Sie bemängeln, aber ich verstehe es nicht. Haben Sie das Interview gelesen? Wirklich? Es wurde nicht nachgefragt? Nein? Und sind ein "hm" und ein "na ja" immer wieder eingestreute "hmm"s und "naja"s. Hm.
Zu dem, was Herr Baucks und Sie kritisieren: Herr Peymann sagt ja gleich nach seiner Pimmel-Aussage, dass es sein könnte, dass er sich irrt. Er stellt auch eine Frage, nämlich die: "Ist es das Alter, dass ich zu den heutigen Autoren keine Verbindung mehr finde?" Ganz so simpel, wie Sie sich Ihren Herrn "Papa" Peymann zu basteln scheinen, ist es womöglich nicht. Und ganz so fix lassen sich die Peymann-Vorurteile vielleicht nicht immer bestätigen, oder? Könnte das nicht auch sein?
Ich grüße Sie hochachtungsvoll,
Dirk Pilz
stimmt, es waren nicht nur "Hms" und "naja" - ich hatte an prominenter Stelle das "aha" übersehen.
Zu Ihrer Frage: Ja, ich habe das Interview gelesen, jetzt nach Ihrem Beitrag zu meinem Ärger noch einmal - und ich glaube, Sie haben mich falsch verstanden: Ich ärgere mich nicht über Peymann, sondern über Sie als Jounalist. Mein Peymann-Hass hält sich in Grenzen, ich habe den Mann nie getroffen, er blockiert nur eins der schönsten Theater Berlins.
Aber daß Sie so zahnlos im weichen Sessel sitzen und bei dem entscheidenden Themen nicht nachhaken (Ich nenne nur eines: Daß Peymann stets seinen eigenen Niedergang gleichsetzt mit dem des Theaters generell), das macht das Interview zu einer Farce.
Vielleicht dann doch mal vor dem Gespräch auf eigene Kosten einen Espresso trinken.
super Interview!
Und, Peymann soll verlängern!
Gruß
Und ich denke es handelt sich um ein ganz besonderes Peymann-Interview (schon fast eine eigene Gattung). Dass sich Peymann eingesteht er habe den Kontakt zum aktuellen Geschehen am Theater verloren und nicht nur sein eigenes Schaffen lobt, dass er tatsächlich verunsichert und auch ratlos wirkt, finde ich geradezu sensationell und weit entfernt von seiner üblichen Krawall Rhetorik. Dies muss etwas mit dem Interviewer zu tuen haben!
Also Danke.
Und wissen sie mit welchen Autoren er gescheitert ist? Mit Handke, Strauß und Kroetz. Nicht mit jungen Autoren. Vielleicht nehmen sie das zunächst einmal zur Kenntniss. Bevor wir ins Detail gehen.
Es waren die alten Autoren, die nicht mehr dazu genügten Stachel im Arsch der Mächtigen zu sein.
Und als wer oder was sind Sie gescheitert, Herr "baucks"?
Bin ich hier gerade Thema? Nein.
Im Jahr 2008 setzte die Jury des Deutschen Buchpreises den Titel "Die morawische Nacht." von Handke auf ihre Liste der besten zwanzig deutschsprachigen Titel. Handke bedankte sicht mit einem Brief für diese Nominierung, verzichtete aber zu Gunsten eines jüngeren Autors. Dies wäre eine Haltung, die auch Herrn Peymann sehr gut stehen würde.
Einen "Sommerdialog" nennt der Theaterdichter Peter Handke sein jüngstes Stück. Im Freien spielt es, unter Bäumen in einem Garten, und zugleich doch in seiner eigenen Wirklichkeit. Ein Mann, eine Frau, die sich als Paar offenbar spät gefunden haben im Leben, tauschen wie in einem Ritual, einem Spiel zwischen Distanz und Preisgabe, intime Mitteilungen über Liebe und Begehren. Es entspinnt sich ein Spiel zwischen Bewahrung und Preisgabe. Eine Art erotischer Biografie der Frau entsteht, voller Erinnerungen und unerfüllter Sehnsüchte. Am Ende ist der "Abstand" zwischen Frau und Mann nicht überwunden. Die beiden bleiben zurück, "nackt und allein". "Die schönen Tage in Aranjuez sind nun zu Ende", heißt es in Schillers Don Carlos. Und weiter: "Wir sind vergebens hier gewesen."
Können sie an dieser Ankündigung auch nur irgendwo erkennen, dass es Peymann mit seinem selbst formulierten konzeptionellem Ansatz, "Stachel" sein zu wollen, ernst meint. Er sagt: "Das ist die größte Enttäuschung! Als ich nach Berlin kam, hatte ich gedacht: Die besten Leute müssen in dieser Stadt sein, um ein Korrektiv zu einem Deutschland zu bilden, das sich zur Hegemonialmacht in Europa entwickelt." Erkennen sie an dieser Handke-Ankündigung auch nur im Ansatz, dass es Peymann mit diesem Anspruch ernst meint?
Er stellt die Autoren unter eine konzeptionelle Knute, die seinen Sehnsüchten entspricht, und die er selber nicht einzulösen weiß. Er ist mit seinem eigene konzeptionellem Ansatz überfordert, und diese Überforderung reicht er ungefiltert weiter an eine imaginäre pimmelvergleichende Gruppe junger Autoren. Das ist letztendlich auf eine diffuse Art diskriminierend. Aber er beschädigt nicht nur diese imaginäre Gruppe, er beschädigt auch vorab Aufführungen von Autoren an seinem eigenen Haus.
Denn Handke hat vielleicht gar nicht ein Vergnügen daran, sich zum Popanz der politischen Sehnsüchte von Peymann zu machen. Er hat seine eigenen Themen, so wie jüngere Autoren auch.
Weder die eine noch die andere Generation von Autoren trägt die Schuld an Peymanns Scheitern, sondern sein falsch und zu platt gestellter Anspruch, der von einer enormen konzeptionellen Schwäche herrührt.
sprachiges Autorentheater" erfolgt im Zusammenhang mit dem Befund des Scheiterns: darin erschöpft es sich ja nicht, das Scheitern, daß dort nicht Baucks oder Schlender oder sonstwelcher "Battle"-Autor gezeigt wird, und Herr Peymann spricht das ja auch nicht als Hauptgrund seines Scheiterns an; ich sehe eben schon -wie gesagt wurde- eher eine gewisse Nachdenklichkeit Peymanns, ob da nicht ernsthaft etwas verpaßt wurde. Ich finde es allerdings nicht minder verkürzt bis albern, nun das gesamte jüngere Autorentheater in einem Zuge zu verteufeln, um dann -als jung auch irgendwie fragwürdig- nur die Jelinek gelten zu lassen. Die Schimmelpfennigs, Heckmanns, Hübners, Gieselmanns, Lohers und Walsers etcpp. (siehe beispielsweise die "Stückwerk"-Reihe von "Theater der Zeit") haben mitnichten nur immerzu Reza-Abreviaturen abgeliefert. Was ist, gerade bezogen auf das BE nicht abwegig, mit Thomas Brasch ? Wo ordnet Poster 14 Bukowski (den Macher des "Uraufführungstheaters") ein, oder Tine Rahel Völckers zweiteilige Deutschland-Sache in Weimar ?? Müßte nicht auch die Rede von anderen Formaten sein: Adaption (wir haben viele gute), Recherche, Interaktion, Reenactment usf., und dann die Frage erneut aufgemacht werden: Was macht das BE ? Werden die Stücke dort tatsächlich "stückgerechter" gespielt und besser intoniert, wie es bei Peymann rüberkommt, als anderswo ?? Gerade dort, wo Peymann seine Stärken sieht, sollte doch angesetzt werden meineserachtens. Stimmt das denn ??? Ich sehe zB. gar keinen Grund, notwendig mit Handke, Kroetz, Strauß zu scheitern: kann soetwas nicht auch an den Inszenierungen liegen ??!
Peymann hatte seine Zeit. Und er war/ist ein Künstler seiner, nicht meiner Zeit. Gleichwohl beschäftigte auch ich mich zunächst einmal mit den Aufbruchsjahren des politischen Theaters, u.a. mit Peymanns experimentellen Inszenierungen Ende der 60er des 20. Jahrhunderts, zum Beispiel von Handkes "Publikumsbeschimpfung".
Das Problem sehe ich persönlich darin, dass all diese Theaterdinosaurier inzwischen Salonkommunisten geworden sind, das heisst kaum noch Kontakt zur Basis haben. Ich sehe da folgenden Widerspruch: Wie kann er sich als Anarchist (= frei von Herrschaft) bezeichnen, wenn er sich mittlerweile selbst zum unumschränkten König der Löwen geadelt hat und gleichsam vergöttert werden will?
Und ich würde auch gern noch fragen, inwieweit er seine Arbeiter und Angestellten unter Kontrolle hat. Es war ja an anderer Stelle schonmal die Rede von den leeren bzw. vollen Flaschen auf dem Schnürboden.
Schließlich erinnere ich mich noch gut daran, dass Peymann Volker Löschs "Lulu" wahrlich nicht goutierte. Vielleicht störte er sich - ebenso wie ich, übrigens - auch an dem RTL II-Niveau des Nutten-Chor-Textes (Beispiel: "und dann kommt ein kunde zu mir / der sich outet als ehemaliger stasi-offizier / der wollte einen kaviar-termin / ich hab das halt nicht so gemacht / wir wirs abgesprochen hatten / auf seinem belly mit einer folie / sondern der hat die ganze scheiße / in seine fresse gekriegt / das ist ausgleichende gerechtigkeit"). Dann lieber Musik als Sprache. Pink Floyds "Great Gig In The Sky" oder anderes:
http://www.youtube.com/watch?v=MLHvohd8SJg
Ich komme auf diese drei Autoren, weil ich Uraufführungen von ihnen am BE sah. Ich denke, auch nicht, dass die Autoren gescheiteret sind, sondern das BE damit gescheitert ist durch sie ihren Anspruch "Stachel zu sein" zu erfüllen. Nicht ich schränke den Blick auf deutsche Autoren ein, Herr Peymann schreibt ihnen die alleinige Pflicht zu "der deutschen Hegemonialstellung in Europa Grenzen zu setzen."
Letztendlich täuscht Peymann doch den Interviewer, die Leser und seine Zuschauer, indem er ein Ziel vorgibt und gab, dass er niemals ernsthaft verfolgte. Und Herr Pilz hat die Gelegenheit verpasst diesen Schwindel aufzudecken.
Lesen Sie doch nur etwas weiter; wenn Herr P. auf Frau Merkel eingeht und sie als Feindin disqualifiziert, und verniedlich als "lieb", dann redet dort doch der letzte Macho der Theaterlandschaft, der eine der mächtigsten Frauen Europas zum Mäuschen umdeklarieren möchte. Da sind seine Absichten doch nicht wirklich ernsthaft gemeint. Er redet eben lieber über seine Gage und vergleicht sein Genital mit dem von Hern Castorf, dem er nur eine lange Sekunde zuspricht. Und den Rest sich selbst; wobei ihn selbst sein vermaledeites Scheitern noch glorifizieren soll.
Wie kokett!
Richtig -wie ich vermute-, eine fehlende Sachlichkeit hat in der Tat auf nk immer wieder für Abschreckung gesorgt: es kann allgemein und könnte daher wohl prinzipiell erst recht in diesem offenen Forum, so viel mehr über einzelne Inszenierungen bzw. "Theaterpolitik" ausgetauscht werden als es desmeist der Fall ist.
Allerdings werden Kommentare wie Nr. 15 und 25, ich vermute wieder, Herrn Baucks ziemlich kalt lassen; warum auch mehr aus ihnen machen. Es bringt auch nichts, sich gegenseitig Vokabeln wie "Ahnungslosigkeit" an den Kopf zu werfen; so ist es nun einmal, daß hier desöfteren "Insider" auf Zuschauer treffen und es da ein gewisses Gefälle gibt; ich selbst greife aus Unkenntnis auch immer wieder einmal daneben und je früher ich darüber Aufklärung bekomme, desto besser ist dies eigentlich. Lese ich mich ein wenig ins Thema ein, so stoße ich auf die Tatsache, daß parallel zu Peymanns BE-Beginn Herr Baucks in einem Dreiergespann die Leitung der Kammerspiele übernahm: für drei Monate ! Das schreibe ich wirklich nicht mit Häme, ich wußte das so nicht, aber möglicherweise ist die Frage, woran diese Kammerspielführung scheiterte garnicht so irrelevant dafür, was jetzt als Scheitern Peymanns wiederum diskutiert wird und insgesamt mit dem "Relevanzproblem" des Theaters allgemein zu schaffen hat, auch wenn ich nicht glaube, daß Poster 25 wirklich darauf anspielt. Dennoch, viele haben die Barackenjahre Ostermeiers/von Treskows und das Gespann Baucks/Otteni, die Entwicklung des BE zB. einen Steinwurf davon entfernt verfolgt, da müßte es mit dem Teufel zugehen, wenn es da nichts Sachlicheres zu sagen gäbe ! Im Ungarn-Thread waren "wir" fast so weit, Tellkamp zum Intendanten des BE auszurufen; das war ja witzigerweise ein Otteni-Abend in Potsdam, und Otteni inszeniert(e) in Nürnberg und Karlsruhe, wen ? Handke ! Man ahnt hier doch ein wenig die Komplexität der Zeitenläufte, oder ? Wenn Peymann Handke nicht mehr bekommt, soll er Srbljanovic machen, schrieb ich einmal, und hatte keine Ahnung, daß am Hause Otteni/Baucks zu ebenjener Zeit des Einbaumstückes tatsächlich "Familiengeschichten Belgrad" an den DT Kammerspielen lief. Ich schwärmte hier auf nk gelegentlich von Musils "Schwärmern", Otteni debütierte damit seinerzeit: auch das wußte ich nicht. So eine Recherche gibt zu denken, mir jedenfalls, warum sollte es der einen oder anderen Leserin, dem geneigten Leser so sehr anders gehen, passieren ?
Wenn Otteni jetzt statt "Der Versuch über die Müdigkeit" oder
"Und immernoch Sturm" das Einbaumstück machte, gar am BE, nur so ein Gedankenspiel, gäbe das nicht auch neu darüber zu denken, daß Theater gemacht wird und (!) von manchem über Jahrzehnte ?? Wenn das bei Handke als "Lebensthema" fasziniert, warum nicht auch in Sachen Theater ?!
"Man spürt förmlich, daß ihr Kampf gegen den sündigen Anderen im Grunde ein Kampf gegen ihre eigene Versuchung ist."
Altersweisheit sieht anders aus. Beten Sie, Herr Peymann. Oder besser: Klären Sie auf, was Sie eigentlich stört(e). Alexander Kluge schreibt dazu in seinem "fünften Buch": "Du sollst Achtung haben vor der Wildheit, dem Eigensinn, der Genauigkeit deiner Empfindungen."
es waren 13 Monate. Aber davon, wenn es Thema ist.
baucks
Lieber Herr Baucks,
gleich ein Beispiel für besagtes Danebenliegen ! Danke für die Korrektur. Gut, also wenn es Thema ist ! Aber, sind Sie sich wirklich so sicher, daß es so unsinnig ist, wo doch von Scheitern bei Peymann selbst die Rede ist (es ist und bleibt für ihn ungewöhnlich, damit wird er freilich nicht sogleich die reine Bescheidenheit, ein hölzernes Eisen wäre es gemäß Nachsatz obendrein, zur Schau (!) stellen) auf die Situation einzugehen, in der sich das BE -zum Teil nach Kürzestintendanzen- befand, bevor bzw. als Herr Peymann dieses übernahm ? Eigentlich liest sich das erste Kapitel von Herrn Kobergs Peymann-Buch diesbezüglich, es hebt mit dem Antritt am BE an, recht spannend. Peymann wollte im November der ersten Spielzeit beginnen, doch daraus wurde baubedingt nichts, Peymann inszenierte derweil den "neuen Mythos BE" via Berliner Presselandschaft, landete mit dem Ruf Taboris nach Berlin geradezu einen Coup, vermutlich werden viele ältere ZuschauerInnen Herrn Peymann allein dafür ewig verbunden sich fühlen, auch der Altersunterschied der dann ersten am BE Peymanns Neuinszenierenden von 55 Jahren läßt aufhorchen. "Angie" Merkel ist nun wahrlich auch nicht erst Peymanns Erfindung, sondern eher eine Taktik der Berater Frau Merkels, welcher Peymann, er gibt das doch irgendwie zu, für ihn in seiner Selbstwahrnehmung offenbar aufgesessen ist. Ich halte auch nichts davon, Theatermacher darauf zu verengen, ein solcher Stachel sein zu müssen, aber irgendwie ist Peymann zumindestens in Wien ein solcher gewesen, und ich halte C.P. für hoffärtig genug, tatsächlich für Berlin eine vergleichbare Wirkung im Sinn gehabt zu haben, und nun müßte meineserachtens zB. über spezifische "Berliner" bzw. "Wiener" Verhältnisse gesprochen werden vor der Folie einer allgemeinen Theaterentwicklung, um sich dem Komplex "Das Scheitern Peymanns" zu nähern. Und zB. Sie waren nun einmal ein unmittelbarer Nachbar Peymanns und können gewiß mehr zur damaligen Situation beitragen, so Sie wollen, so ging in etwa mein Gedankengang; freilich gab es noch einige Nachbarn mehr, ua. Flohbären, Stefans etcpp. ...
Ach so, das vergaß ich noch: Herr Peymann hat sich hier ja nicht nach einer "Kudamm-Lolita" (vermutlich würde Ihnen eine solche Ihr Zitat gerne zurücküberweisen) umgesehen, sondern es handelte sich immerhin um Frau Merkel. Also, wenn das schon Askese ist ...
(Bild-Zeitungsleser würden gewiß dann noch den Satz beenden wollen, in etwa, daß sie dann nicht so oft sich in Griechenland zeigen sollte, damit ihre Betrachter ihre Askese schon darin erschöpfen, Sie anzusehen usw.), aber, Inga, Sie wollten wohl nur darauf hinaus, daß C.P. nicht der letzte Macho der deutschen Theaterlandschaft ist, sondern es mindestens noch H. aus der Requisite gibt; ich weiß nichts über H., aber Sie dürften hier richtig liegen, C.P. ist gewiß nicht der letzte Macho der deutschen Theaterlandschaft..
Vor Peymann gab es ja dieses fünfköpfige Leitungsteam, bestehend aus Peter Zadek, Heiner Müller, Peter Palitzsch, Matthias Langhoff und Fritz Marquard. Was da - bis heute? - an Widerstand gegenüber der skeptischen Presse und innerhäuslichen Querelen abging, ließ die fünf Herren damals - und auch Peymann heute? - scheitern:
"Aber auch innerhalb des Hauses wurden keine Anstrengungen unternommen, ein gutes Betriebsklima herzustellen. Es wurden zwar Betriebsversammlungen abgehalten, aber man schickte den Verwaltungsdirektor Peter Sauerbaum vor, um die Entscheidungen der Intendanz zu verkünden. Es bildete sich eine hausinterne Opposition, die die Presse [die BILD-Medien?!] mit Skandalmeldungen aus dem BE versorgte. Die Zeichen standen nicht gut. Ich versuchte, die Leitung zu einem anderen Gebaren gegenüber der Öffentlichkeit zu bewegen. Vergeblich."
(Ulrich Roloff-Momin, zuletzt: kultur)
Und noch etwas würde mich persönlich sehr interessieren. Was genau meint Peymann eigentlich mit folgendem Satz?: "Dann ging eine gemeinsame Inszenierung von Manfred Karge und Matthias Langhoff - ein schöner Traum - schief." Warum dieses ein "schöner Traum"? Und was genau sollte da nochmal inszeniert werden? Das letzte Abendmahl? Oh, Gott.
Nein, nicht als "Kudamm-Lolita", als Asketin, welche die Sünden der Schminkstraße brandmarkt, analog zu "Ihrem" Hans (Sie werden ihn ja irgendwie begleitet haben, um das festzustellen, was Sie schrieben).
Ihre Frage verwirrt mich ein wenig, denn schließlich posteten Sie seinerzeit im Karge/Langhoff-Thread vom 24.9.2012, der mit "Nicht realisierbar" betitelt war (und ist). Es ging um ein Kafka-Projekt namens "Sperrzone Kafka" (nach "Die Strafkolonie"); es wäre die erste gemeinsame Arbeit beider Regisseure seit über 30 Jahren gewesen. Herr Baucks schrieb seinerzeit aufatmend, daß uns damit eine weitere Sentimentalität erspart worden sei ; vielleicht, liebe Inga, erinnern Sie sich jetzt. lg aus Hamburg
Und noch etwas, ich habe diesen Requisiteur Hans nie irgendwohin begleitet. Ich wurde nur einmal über einen ehemaligen Studienfreund in ein Gespräch mit ihm verwickelt, als er gerade ein langes Bühnenfleischermesser für "Der Hund, die Nacht und das Messer" (Mayenburg/Andrews) an einem Cafétisch vor der Schaubühne präparierte.
@ Rosa L.: Was genau war an meiner Frage jetzt zynisch? Ihr Zitateverbot entspricht übrigens nicht gerade der "guten alten" Rosa Luxemburg, welcher es immer auch um die Freiheit der Anderdenkenden ging.
Schreibe nächste Woche Klausur über Much ado about nothing und keinen Schimmer von dem Stueck, kann mir hier einer weiter helfen?
1) Das Paar Beatrice und Benedikt transportiert das Komische der Liebe. Das heisst, gerade in der streitbaren Auseinandersetzung und damit der wechselseitigen Anerkennung des Eigensinns beider Partner steckt die Liebe.
2) Das Paar Hero und Claudio transportiert das Tragische der Liebe. Aufgrund von Intrige und Verrat durch den "Frauenverschleisser" Don Juan wird Hero als "Nutte" verleumdet, was sie leiden lässt und Claudios Misstrauen schürt. Am Ende wird die Intrige aufgedeckt und das Liebespaar vereint.
3) Am Wichtigsten sind folglich vielleicht sogar die Gerichtsdiener Holzapfel und Schlehwein aus dem sogenannten "einfachen Volk", denn sie decken die Wahrheit auf. Ohne große, hohe und hehre Worte. Dazu könntest du zum Beispiel den Artikel zum Thema "Schöffen" in der "Berliner Zeitung" lesen. Hier der Link:
http://www.berliner-zeitung.de/berlin/ehrenamtlicher-richter-mein-leben-als-schoeffe,10809148,21390906.html
...
Pannen-Projekt Flughafen BER: Von Klaus Wowereit kann Berlin keine Impulse mehr erwarten - weiter lesen auf FOCUS Online: http://www.focus.de/politik/deutschland/pannen-projekt-flughafen-ber-von-klaus-wowereit-kann-berlin-keine-impulse-mehr-erwarten_aid_893381.html"
Hoffentlich fällt dann auch bald der Schutz und die Aufsicht für Herrn Peymann.
ins Bett,
und manch eine findet das auch noch nett!
danke, Herr Zarthäuser für die Komplexität der Zeitläufe. Es ist eben nicht alles so einfach, wie es die Kampf-Schreiber in den Kommentarspalten so darstellen. Daß Otteni einmal "Die Schwärmer" inszeniert hat, war mir auch entgangen, aber was er mit der "Müdigkeit/der Müdigkeitsgesellschaft" in Karlsruhe vorhat, liest sich, zuimndest in der Ankündigung, nicht so, als könnte das in Peymanns verschlafenem Theater durch die Altherrenzensur gehen. Nämlich spannend!
(Überraschend auch, daß Handke dafür die Erlaubnis gibt. Aber vielleicht hat er Ottenis Immer Noch Sturm gesehen, das wurde ja sehr gelobt.)
Vielleicht haben sich auch Handke -und Otteni- einfach auch weiterentwickelt, während "martin baucks" eher im eigenen Saft zu schmoren scheint. Von einem Engagement am BE mit Handkes "Einbaum" wäre Otteni dennoch abzuraten. Er könnte dort nur - böses S-Wort - "scheitern".
Und ich war der Dramaturg der Schwärmer und schmore keinesfalls im eigenen Saft. Haben sie solche Bemerkungen wirklich nötig?
Ja, die Sache in Karlsruhe klingt spannend, ist nur leider nicht gerade bei mir um die Ecke. Die Handkeschen "Versuche" gingen bei mir einher mit den ersten eigenständigen Fern(er)reisen, und diese wiederum einher mit der Öffnung der Warschauer-Pakt-Staaten auf breiter Front. Sie können sich vorstellen, wie nun die Koinzidenz
eines 4. Versuches mit so einer Sache wie in Karlsruhe auf mich wirkt. Vielleicht gibt es eher ne Chance für "Der Versuch über den stillen Ort" am BE als für eine Neuauflage des Einbaumstückes. Jedenfalls scheint es sich mit Handke und Otteni so zu verhalten wie Sie es schreiben..
Herr Baucks, Sie waren vielleicht der Dramaturg der Schwärmer, ja, Sie waren mal ganz wichtig, aber es geht doch hier um etwas Anderes, etwas Inhaltliches: Braucht jemand wie Handke nicht gerade junge, innovative Regisseure, wie Otteni, oder damals F.Heller in Wien, damit er nicht als alter Schnarchsack verkannt wird? Oder muß er es sich bei Peymann am Kamin gemütlich einrichten? Wenn er die Erlaubnis für einen Versuch über den "Versuch" für Karlsruhe gibt, scheint er doch noch ganz offen für Experimente zu sein.
Zudem wurde Herr Tiedeman 1969 geboren und Herr Otteni 1966. Somit ist der Regisseur am BE drei Jahre jünger als der in Karlsruhe. Jung sind sie beide nicht mehr.
Es geht darum, ob man einen Zugang zu einem Stoff hat und welche Qualität dieser Zugang hat. Wenn einem dabei eine Prämisse vorgegeben wird, die so diffus daher kommt, wie jene "Stachelprämisse" kann das für alle Beteiligten schädlich sein.
Also so diffus erscheint mir die "Stachelprämisse" gar nicht. Ein Stachel (und aben wohl alle schon, wenn man Stachel gegenständlich nimmt, erlebt ) erzeugt eine Inflammation, eine Reizung, einen Schmerz. Und diese Inflammation - die ich jetzt äußerst frei als "in Flamme versetzen" verwende, setzt mannigfache Energien frei: in der Zustimmung, in der Ablehnung, in der Presse, in der Diskussion. Wien hat 13 Jahre erregt über Theater gesprochen, heute ist das tatsächliche Interesse - nicht unbedingt die Verkaufszahlen- stark gesunken. Und bei Ihnen, lieber Martin Baucks, dürfte ja die Inflammation besonders stark wirken.
da wirkt wohl weniger der Stachel, sondern eher die Lust an einer Wachheit, die Herr Peymann einem in Berlin durch sein Gerede zu entreißen droht. Berlin ist nicht Wien.
Ansonsten haben sie Recht und viele Grüße aus der Hauptstadt.
Das wünscht man sich in den nachtkritik-Diskussionen auch oft: Daß einige der Herren die Klammer ihrer Identität lockern mögen, damit ein "und" möglich wird und nicht immer nur ein "aber".
Werdet müder, Jungs!
wen immer sie auch mit Jungs meinen, so sehr haben sie doch Recht, wenn ich lese, dass Herr P. die Gleichförmigkeit der Spielpläne beklagt, um nun das "fast vergessene" Stück "Kabale und Liebe." zur Premiere zu bringen, dann wünsche ich dem alten Herrn schon einen gesunden Schlaf "und" etwas produktive Müdigkeit, die ihn auf neue Ideen bringen könnte.