Liberté - Albert Serras Versuch über Libertinage, Rokoko-Lüsternheit und Tugendterror an der Volksbühne Berlin
Das Schaukeln der Sänften
Berlin, 22. Februar 2018. Der Regisseur Albert Serra entführt in Rokokkogefilde. Sänften werden getragen, Weltstar Helmut Berger und Fassbinder-Ex Ingrid Caven sind auch mit von der Partie.
Von Esther Slevogt
Berlin, 22. Februar 2018. Die Preußen sollen missioniert werden und Anne Tismer trägt als Comtesse de Weinsbach das missionarische Anliegen folgendermaßen vor: "Wenn wir den Preußen etwas zu kosten geben, was sie noch nie probiert haben, etwas dessen Geschmack sie hoffnungslos betört, könnten wir sie für unsere Sache gewinnen. Wir können nur versuchen, ihre Sinne zu wecken." Das weckt natürlich allerfreudigste Erwartungen.
Inmitten idealisierter Landschaft
Ebenso wie die ewigen Interviews von Chris Dercon, in denen er uns zurückgebliebenen Berlinern endlich mal Internationalität und echte Kunst verspricht. Leider kommen aber die Liebeskünste der Freund*innen der Libertinage an diesem Abend in der Volksbühne kaum über die Missionarsstellung hinaus. Über lustloses Auf-und-Ab-Gewippe in Sänften und schwül-gespreiztes Geschwafel. Ähnliches muss man leider auch von den Intendantenkünsten des Herrn Dercon sagen.
Dabei gibt der Ort des Geschehens zunächst durchaus Anlass zur Hoffnung: eine Rokokolandschaft im Breitwandformat mit herrlichen Baumsilhouetten, einem kleinen See, Hügeln und üppigstem Grün, wie sie dereinst auch die einschlägigen Meister des Genres Antoine Watteau, Jean Honoré Fragonard oder François Boucher als idealisierte Orte für ihre Fêtes galantes erdachten. Ein paar kunstvoll gestaltete Sänften stehen ebenfalls herum, denen immer wieder von Rosa Tharrats kunstvoll eingekleidetes Personal entsteigt. Der Bühnenbildner ist Sebastian Vogler, der unter anderem auch schon das Set des meisterhaften Films des katalanischen Filmregisseurs Albert Serra über das Sterben des Sonnenkönigs Ludwig XIV. entwarf.
Lustloses Auf-und-Ab-Gewippe
Aber leider kann Albert Serra, der auch der Urheber dieses Abends in der Volksbühne ist, überhaupt nichts mit dem Raum anfangen. Nichts mit den Schauspieler*innen. Und mit dem Theater erst recht nichts. Dauernd werden unbeholfen Sänften mit unbeholfenen Akteur*innen auf die Bühne getragen und wieder fort. Wackere Volksbühnentechniker müssen hier nun die Sänftenträger mimen. Es wird nie richtig hell, man sieht wenig und kann auch nur mit Mühen dem Gewisper der mikroportverstärkten Stimmen folgen.
Deren Texte sind aber so banal, von so spießigen Erotismen durchsetzt, Choderlos de Laclos für Arme sozusagen, dass man bald eh aufhört, sich dafür zu interessieren. Über Einzelheiten möchten wir hier höflich den Mantel des Schweigens breiten. Auch über die Art, wie hier die Schauspieler*innen verbraten werden. Die große Ingrid Caven zum Beispiel, die als spektakulär schwarzgewandte verbannte Maîtresse Ludwigs XV. durchaus eine Sensation hätte sein können. Wenn der Regisseur für mehr Interesse gezeigt hätte, als nur ihren Namen ins Programmheft zu schreiben. Würdelos ist es auch, wie hier der einstige Weltstar Helmut Berger nur noch als Attrappe seiner selbst in einer Sänfte sitzt und am Ende zum Sterben auf die Bühne geschleift wird. Sein Text wurde zuvor als Konserve vom Band eingespielt.
Tugendterror aller Tage
Zwischendurch ahnt man: Der Abend ist als Statement gegen den Tugendterror unserer Tage gedacht. Soll die Behauptung formulieren, dass Rokoko und Ancien Régime, die alsbald von der Revolution weggefegt wurden, das Kreativ- und Innovationspotenzial, mit dem sie der Modernisierung Europas den Weg bereiteten, gerade aus der Libertinage, der sogenannten Verkommenheit schöpften. Was aber eben auch schon von der tugendterroristischen Perspektive aus gedacht ist, die dem ganzen unbedarften wie unreflektierten Abend mit seinen klemmigen Vorstellungen von Dekadenz nämlich in Wahrheit zu Grunde liegt.
Um einer Hommage an die Libertinage zu szenischem Leben und gar einer gewissen Intelligenz zu verhelfen, bräuchte es etwas mehr als Abgeschmacktes von lüsternen Äbtissinen, unbeholfenen erotischen Verschwörungen oder importierten breithüftigen Polynesierinnen zu raunen. Bräuchte es mehr, als Namen wie den des legendären Ökonomen und Revolutionierers der europäischen Handels- und Zahlungsverkehrs John Law zu droppen, der sein kapitalistisches Kreativpotenzial zu nicht unerheblichem Maße aus seiner Spielsucht schöpfte. Bräuchte es überhaupt ein Interesse für das Medium, für den Stoff, für das Publikum, für irgendetwas. Liberté? Lieber Tee.
Liberté
von Albert Serra, Übersetzung: Maurici Farré, Kirsten Brandt
Regie: Albert Serra, Bühne: Sebastian Vogler, Kostüme: Rosa Tharrats, Licht: Johannes Zotz, Musik: Marc Verdaguer, Dramaturgie: Guilio Bursi, Alan Twitchell.
Mit: Helmut Berger, Stefano Cassetti, Ingrid Caven, Johanna Dumet, Ann Göbel, Leonie Jenning, Catalin Jugravu, Günther Möbius, Jeanette Spassova, Anne Tismer, Laurean Wagner.
Premiere am 22. Februar 2018
Dauer: 2 Stunden 40 Minuten, keine Pause
www.volksbuehne.berlin.de
"Dieser Abend würde an keiner Bühne im deutschsprachigen Raum – ganz gleich, ob in kleineren oder größeren Städten – den Mindestansprüchen an einen gelungen Theaterabend genügen", sagt André Mumot im Deutschlandfunk Kultur Fazit (22.2.2018). "Man möchte nicht lachen über diesen Abend, nicht hämisch sein, nicht wütend, man möchte ihn gar nicht betrachten, am liebsten nicht über ihn sprechen", so Mumot weiter: "Denn er scheitert nicht in einem anarchischen oder renitenten Sinn, er provoziert nicht, er ist nicht schwierig oder unangenehm, keine Herausforderung und schon gar keine Überforderung. Ihm gelingt keinerlei geistige, emotionale oder sonstige Verdichtung, treibt einem in seinem künstlerischen Unvermögen lediglich die Schamesröte ins Gesicht."
"Die meiste Zeit dieser grandios seltsamen Zweieinhalbstunden-Aufführung über (…) passiert so gut wie nichts. Wie in Serras Filmen herrscht auch auf der Bühne eine Gespensterstimmung, geht es auch hier um die mitunter quälende Erfahrung von Zeit, um die Choreographie der Körper, um die Sezierung von Bewegungs- und Sprechakten", schreibt Wolfgang Höbel auf Spiegel online (23.2.2018). Vielleicht sei Serras Séance "allzu kurzschlüssig in ihrem Vertrauen darauf, dass die Erzähltechniken der Kinoarbeiten sich so leicht ins Medium Theater übertragen lassen", so Höbel. "Aber ganz sicher ist 'Liberté', diese zutiefst merkwürdige, bei aller kapriziösen Geschwätzigkeit immer wieder komische Inszenierung eine Attraktion, die sich anzugucken und über die es sich zu streiten lohnt."
"Es ist zum Heulen: Da ist ein unerschrockener Filmemacher, der sich aufmacht, die Welt durch die Schablonen der Geschichte und diese Schablonen durch ihre pure Materialität hindurch neu zu sehen, indem er sie radikal sinnentschlackt, doch auf der Bühne funktioniert nichts davon", schreibt Doris Meierhenrich in der Berliner Zeitung (24.2.2018). "Serra hat sich nicht nur an seinem Stoff heillos verhoben, sondern auch an der anarchischeren Realität des Theaters."
"Wer ein Fetischist von Sänften ist, erlebt einen großartigen Abend", schreibt Rüdiger Schaper im Tagesspiegel (24.2.2018). "Aber gefährlich ist das hier in keinem Augenblick, nur langweilig. Die Sänften besänftigen jeden Anflug von Furor oder Lust." Manchmal habe man "den Eindruck, hier werde eine Castorf-Inszenierung parodiert, wobei die Akteure Beruhigungsmittel genommen haben müssen". "Liberté" erinnere "an die schlechtesten Castorf-Jahre, die es ja auch an der Volksbühne gab", so Schaper: "Damals regierte der Überdruss, heute ist es bloße Apathie."
"Hier geht Theater in einem künstlichen Feuchtgebiet samt echtem Wasserbecken baden – und ersäuft an seiner verstiegenen Ambition", schreibt Daniele Muscionico in der Neuen Zürcher Zeitung (24.2.2018). "Die Leistung von Serra" sei "von einer unsinnlich kalten, sterilen Intellektualität und Konzeptverliebtheit, dass die Arroganz dahinter erschreckend ist". "Was ist nur los an der Volksbühne, diesem Erbe aus vergangener Zeit, das als Symptom und Krankheit einer verpassten Berliner Kulturpolitik dastehen muss?" Klar sei immerhin eines: "So kann es nicht weitergehen."
Serras Inszenierung setze ihre Mittel mit provokanter Schüchternheit ein, schreibt Dominik Kamalzadeh in Der Standard (24.2.2018). "Vorsicht verträgt sich schlecht mit Lust, heißt es einmal im Stück. Im schummrigen Dahinglimmen des Abends zeugt schon die Rede von der Lust davon, dass keine mehr aufzukommen vermag." Abgesehen von technischen Unebenheiten habe Serra für diese "Abenddämmerung eines fortschrittlichen Zeitalters" allerdings einen stimmig aus der Zeit gefallenen Rahmen gefunden. "Im Theaterraum ist seine Ästhetik des Zurückschraubens eine Irritation."
Der "glücklose" Volksbühnen-Intendant Chris Dercon klage ja oft genug, er sei ein Opfer linker Ideologen, denen es an Weltläufigkeit mangle, schreibt Peter Laudenbach in der Süddeutschen Zeitung (24.2.2018). "Jetzt schlägt er zurück: mit französischer Libertinage gegen deutsche Puritaner." Aber leider sei die Libertinage an diesem Abend "eine reichlich freudlose Angelegenheit", so Laudenbach: "Es wird vor allem sehr viel herumgestanden und ziellos auf und ab gegangen. Der hölzerne Text mit seinen rührenden Versuchen, nach Verruchtheit und Tiefsinn zu klingen (...), wird unter strikter Vermeidung von Spannung, Rhythmus und Spielfreude in einem leisen, monotonen Singsang abgesondert."
Eine "pausenlose Quälerei" hat Michael Laages erlebt und gibt im Deutschlandfunk (23.2.2018) zu Protokoll: "Es treffen sich auf einer weiten Lichtung in Morgengrauen und Abenddämmerung eine Menge Leute, deren einziges seriöses Ziel die Verbreitung haltloser Lüste zu sein scheint; aber es passiert praktisch nichts. (…) Der Rest ist Sänfte." Totes Theater sei das. "Wann wird hier endlich die Notbremse gezogen?"
Das vielversprechende Projekt sei "Mist geworden", berichtet Katrin Bettina Müller in der taz (26.2.2018). Der Text wirke "wie ein Aufguss der Vokabeln der Libertinage, als hätte man Sätze von Marquis de Sade zerschnitten, geschüttelt und neu verteilt. Glaubhaft mit den Sprechenden verbunden hat sich das nicht, so gerne man Ingrid Caven, Anne Tismer, Jeanette Spassova das auch abgekauft hätte. Und so brachte das Stück auch nichts von dem Aufbegehren, der zerstörerischen Potenz der Lust zurück, von der die historischen Quellen zeugen, aus denen das Drama schöpfen wollte."
"Der Bühnenbildner Sebastian Vogler hat in der Berliner Volksbühne eine naturalistische, aufwendige Szenerie eingerichtet, die spontan sinnlich erfreut. Aber nicht lange, dann wirkt sie bloß trostlos und banal, denn der katalanische Filmregisseur und Theaternovize Albert Serra weiß nichts mit ihr anzufangen", schreibt Irene Bazinger in der FAZ (27.2.2018). "Besonderes Kennzeichen dieses zweieinhalbstündigen Abends: Es wird viel geredet und nichts gesagt – und noch weniger gespielt."
Die "schrulligste Aufführung dieser Berliner Spielzeit" hat Kevin Hanschke in der Welt (2.3.2018) ausgemacht. "Ein Chaos mit Sänften und Säuseln", dazu "Sätze, von denen man blutige Ohren bekommt", gesprochen von verloren wirkenden Schauspielern. "Vielleicht sollte man schon mal eine Sänfte bestellen für den Intendanten."
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Macht doch endlich bald Schluß mit diesem Verfeuern von Geldern und künstlerischem Potential, denn es ist nicht die Schuld eines scheinbar stumpfen Berliner Publikums, was hier nichts versteht. Was denn auch, wo es nichts zu verstehen gibt. Jeder Techniker an der Volksbühne hat ein größeres Theaterverständnis als die Leitung dieses Hauses. Als nächster Streich folgt Claude Régy, der schon in den 60er Jahren einen Kulturbegriff vertrat, der in seiner Zeit vorgestrig war. Immer munter weiter, volle Kanne gegen die Wand.
Und wenn das hier noch Platz hat, lieber Kaderschmiede nachktritik: den hyperpostmodernen Foster Wallace Autor als (moralische) Kritik an der Postmoderne zu werten, ist sehr süß, aber so bisschen Wikipedia-Style, wenn es sehr, sehr schnell gehen muss, nicht wahr? Ich bin dann wieder mal weg.
Eberhard Spreng auf seiner HP: "So bleibt das unangenehme Gefühl einer die Schauspielerprominenz zugleich ausbeutenden und lustlos zerstörenden Kulturbetriebsspekulation."
«Dieser Abend würde an keiner Bühne im deutschsprachigen Raum den Mindestansprüchen an einen gelungen Theaterabend genügen» http://www.deutschlandfunkkultur.de/volksbuehne-berlin-liberte-ein-abend-zum-schaemen.1013.de.html?dram:article_id=411473 …
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1080535.volksbuehne-im-tollhaus-der-trantueten.html
und rüdiger schaper von seiner reise nach sänftenberg ...
doch "Spannender sind die Gespräche im Foyer ... die Spekulationen zeigen, dass sich jetzt nicht mehr nur die unversöhnlichen Castorfianer um dieses Theater sorgen. Sie verweisen auch auf einen beängstigenden Vertrauensverlust der Intendanz."
https://www.tagesspiegel.de/kultur/liberte-an-der-volksbuehne-die-reise-nach-saenftenberg/20998848.html
Wie soll sich etwas ändern, wenn man alle Kontrollinstanzen im Betrieb strukturell kalt gestellt hat?
Jetzt greift der Strukturwandel an der Volksbühne erst so richtig negativ. Jetzt, wo es überhaupt keinen Theaterorganismus mehr gibt. Sondern nur noch Programm. Schlechtes Programm.
Nach einer solch misslungenen Serie, an einem solchen Tiefpunkt in der Kritik angekommen, wie mit dieser Premiere, würde sich jedes Haus gemeinsam hinsetzen und beraten wollen, wie es weiter gehen kann. Und ob überhaupt?!
Aber wer kann sich denn nun dort beraten? Nur die beiden Verursacher der Misere können sich wiederum gemeinsam hinsetzen und zu zweit darüber beraten, falls sie überhaupt einen Beratungsbedarf erkennen, was man bezweifeln darf, darüber beraten, was wohl ihre Fehler waren. Doch die Verursacher des Problems können nicht zugleich die Lösung für die Krise sein. Und es gibt keine weitere Instanz mehr am Haus, die sich noch dazu melden könnte, außer über siebzig weit verstreute Gäste.
So sieht das am Ende aus, wenn man ein Haus komplett geschliffen hat. Gruselig. Einfach nur gruselig.
Wann ist eigentlich der Punkt erreicht, an dem man von sich ausgeht, auch ohne, dass man die Kritik angenommen hat, einfach nur, weil man erkennt, dass man zu einer zu großen Last geworden ist für eine ganze Stadt und man perspektivisch keine Chance mehr hat sein Image noch mal zu ändern? Die Freiheit einfach zu gehen bleibt einem ja bis zum Schluss, bevor sie einem auch noch genommen wird.
Mäßigung täte hier wirklich gut.
"The next real literary “rebels” in this country might well emerge as some weird bunch of anti-rebels, born oglers who dare somehow to back away from ironic watching, who have the childish gall actually to endorse and instantiate single-entendre principles....The new rebels might be artists willing to risk the yawn, the rolled eyes, the cool smile, the nudged ribs, the parody of gifted ironists, the “Oh how banal”, accusations of sentimentality, melodrama." Seine Kritik und sein neues Projekt waren ausdrücklich moralisch gemeint: "In dark times, the definition of good art would seem to be art that locates elements of what's human and magical that still live and glow despite the times' darkness. Really good fiction must find a way both to depict this world and to illuminate the possibilities for being alive and human in it.”
Das hat eine jahrelange Debatte in der Literaturszene ausgelöst, aber auch in Film/Schauspiel (Dogma, Lars von Trier et alt.). Die Bewegung nannte man "New sincerity". https://en.wikipedia.org/wiki/New_Sincerity. Vielleicht sollten Sie sich unterm Strich mal nach einer Kaderschmiede umsehen, die Sie schubst ihr Besserwissen ein bissl gegenzuchecken, bevors Sies ausspucken. Andererseits brauchen Sies auch nicht, Sie schreiben hier ja nur zu Ihrem Vergnügen- und das ist irgendwie auch ganz süß.
hier noch eine weitere stimme zum jüngsten volksbühnendesaster.
Nö, ganz einfach. Wir haben eine freie Presse. Und die Damen und Herren üben ihren Beruf aus. Dazu gehört ein Pluralismus, der aushalten wird, dass Spiegel Online "Liberté" mag und der Deutschlandfunk halt nicht. C'est la vie. Live with it.
Zu meinen, dass ein Kritiker "mehr recht" hätte als andere, das halte ich für autoritär.
Sie hatten in Sachen Volksbühne berichtet. Sehr gut, wie ich fand. Die Lage scheint ernst zu sein. Das schreibt Frau Slevogt. Auch andere. Machen Sie weiter. Mut und investigatives Engagement sind gefragt. Decken Sie auf, wie das mit T. Renner, M. Müller, K. Lederer & Co. gekommen ist. Das muss nachtkritik.de machen!
(Liebe*r J.A., die Kritik von Wolfgang Höbel ist in unserer Kritikenrundschau zusammengefasst und verlinkt. Mit freundlichem Gruß, sd/Redaktion)
Ich finde bezeichnend, dass so unterschiedliche Kritiker/innen (siehe Kritikenrundschau) zu weitgehend ähnlichen Beobachtungen zu "Liberté" kommen und hier manche Kommentator/inn/en (#5, #10, #17) "Hass", "Totalitarismus" und "Autoritarismus" am Werke sehen. Wenn die Kritiken zusprechender sind (z. B. "Women in Trouble", Guardian, etc.), ist alles paletti. Wenn die Kritiken den Daumen überwiegend senken, ist der militärisch-kulturredaktionelle Komplex am Werke. Verschwörungstheorie ick hör dia trappsn.
Eine Aufführung findet immer in einem gesellschaftlichen Kontext statt, den man sich genauso erspielen und erhalten muss, wie den Stoff den man erarbeitet. Alles andere sind Überlegungen zu einem Theater ohne Publikum, einem Theater, von dem man annimmt, es müsse „an sich“, sozusagen als „Essenz“ des Theaters immer und überall funktionieren, gleich an welchem Ort und vor welchen Menschen. Doch so ein Theater kann es eben gar nicht geben. Und die neue Leitung hat bisher den Kontext in dem sich dieses Haus befindet ganz empfindlich außer Acht gelassen. Schlimmer noch: Man spielt gegen diesen Zusammenhang, diesen Kontext an, feindet ihn geradezu an und hofft ihm obsiegen zu können.
Aber diese Niederwerfung wird es nicht geben, denn das Ende der Ära Castorf wurde historisch erzwungen von Menschen, die sich wiederum außerhalb der Zusammenhänge dieses Hauses bewegten und die keinen Sinn für den Geist der Volksbühne hatten, obschon sie Gegenteiliges für sich beanspruchten. Sie meinten erkannt zu haben, dass es eine Erneuerung geben müsse, wählten dann aber eine Nachfolge, die auf breite Ablehnung stieß und diese künstlerisch nicht verwerten konnte.
Die neue Leitung versucht immer wieder die Kritik an ihr, als eine Art Verschwörung gegen sie hinzustellen. Alles würde nur schlecht geredet, sei aber an sich gut, sehr gut sogar, eben das „freieste“ Theater in Berlin überhaupt. Es liegt an uns, an den Zuschauern und Kritikern, dass wir dies nicht erkennen können und wollen.
Das Haus ist geschlagen mit schlechten Zuschauern, einem schlechten Volk und auf der Suche nach einem Neuen. So kann man frontale Ablehnung natürlich auch verarbeiten. Wir gehen nicht mit unserem Publikum um, denn es ist schlechter Umgang. Wir suchen uns einfach langfristig ein Neues. Das scheint die Haltung von Dercon und Piekenbrock zu sein. Oder, um es einmal mit Fassbinder zusagen: Warum klatscht ihr Arschlöcher nicht.
Die Arschlöcher, das sind wir, die wir mit einem anderen, historisch gewachsenen Kontext das Haus betreten und in unser eigenes Revier eindringen, wie Fremde und von Gastgebern empfangen werden, die uns nicht mögen, die uns ablehnen. Sie setzen uns bewusst etwas vor, von dem sie wissen, dass wir es ablehnen werden, ja, sie kalkulieren unseren Widerwillen mit ein und wollen ihn zum eigentlichen Thema machen, statt der Kunst die sie produzieren lassen. Es ist keine Ermutigung, sondern eine Belehrung die uns dort ereilt, eine Lektion, und wir wollen sie partout nicht über uns ergehen lassen. So stellt sich das Bild wohl von der neuen Leitung aus dar.
Wenn alles abgelehnt wird, egal was wir auch machen, dann haben wir es nicht mehr mit einem differenziertem Kunstverständnis zu tun, sondern mit irrationaler Ablehnung. Dieser Eindruck soll erweckt werden. Und er ist falsch. Denn er missachtet vorsätzlich, geradezu kindisch den Kontext, in dem allein wirkliche Theaterkunst entstehen mag. Keiner kann gegen sein Publikum anspielen. Es wird ihn verhöhnen, denn niemand darf in der Kunst gezwungen werden etwas zu sehen, dass ihm vollkommen widerspricht und missbehagt, dass ihn geradezu ausschließt, und das Ganze auch noch vorsätzlich.
Das muss die Leitung verstehen. Diese Lektion muss sie begreifen. Man kann nicht den Kontext eines Hauses und seiner Zuschauer komplett annullieren und dadurch zerstören und willkürlich durch seinen eigenen Geschmack aggressiv ersetzen. Niemand kann gezwungen werden Speisen zu sich zu nehmen, die er ablehnt. Piekenbrock und Dercon haben ihre Zuschauer permanent auf´s Töpfchen gesetzt. Und das muss ein Ende haben. Ablehnung ist hart, wird aber zusammenhanglos nie mehr in Liebe umschlagen. Und die Seile zum Publikum wurden eben einseitig von der Leitung her gekappt. Dafür haben sie selbst die Konsequenzen zu tragen und nicht ihre Zuschauer.
martin baucks mag so vieles richtig aufzaehlen, und es tut weh (und es mueste mehr weh tun meine ich, aber das schafft dercon eben nicht), aber dieser nach-castorfsche-konformismus und die idee von theater ist so leitkultur, ihre kritiker bewegen sich alle im selben jargon und reden die selbe sprache usw. die beste therapie waere demnach sich das stueck ein zweites mal anzutun. und vlt ebnet das den weg zu einer neuen kritik, weil die jetzige ist am ende.
Ich muss Sie leider enttäuschen. Ich bin nicht irreparabel wütend, ich habe lediglich den Plot des Abends (so weit man von einem solchen überhaupt reden kann) ironisch mit den Kommunikationsattitüden von Chris Dercon kurzgeschlossen. Haben Sie schon einmal ein Dercon-Interview gelesen oder gehört?
Ich hasse auch nicht, schon gar nicht Chris Dercon und erst recht nicht das Theater. Im Gegenteil. Wenn ich nicht vor jedem Theaterabend die Hoffnung hätte, etwas zu erleben, das mein Leben wenn nicht verändert, so so doch nachhaltig zu beeinflussen in der Lage ist, müsste ich meinen Beruf aufgeben.
Freundliche Grüsse
Esther Slevogt
schon wieder dieses argument der fehlenden aesthetischen setzung. dass der raum sich total auflaedt und die zuschauer reagieren und quasi teil des stueckes/abends werden ist doch eine setzung. ich glaube sehr wohl dass sich serra dem bewusst ist, ansonsten haette man doch einfach die lautstaerke angehoben - microports waren im einsatz. meine erfahrungen in der vb sind derzeit sehr erschuetternd, ein publikum mit null geduld und schmalen erwartungshorizont - erinnert mich an die launigen menschen im charterflug letztens die meinten ihr gepaeck muesste auch wirklich genau ueber ihnen verstaut werden.
ps. ja ich kenne interviews mit dercon und er macht immerhin keine oeden witze ueber 'veganer' wie manch anderer grosser theatermacher. gaehn.
Warum nicht?
Warum sollten herausragende Künstler wie Serra und Weerasethakul dem Theater fernbleiben?
Weil Theater anders funktioniert.
Da geht es nämlich nicht um künstlerische Handschrift, um zeitgenössische Ideen. Da ist es mittlerweile unvorstellbar, dass ein Intendant sich mit einem Regisseur hinsetzt und die Arbeit vor Publikum analysiert (so in der Volksbühne heute geschehen) - weil da nichts zum analysieren ist? Keine neuen Ideen? Weil die stromlinienförmigsten gefördert werden? Mit möglichst handwerklich perfekten Inszenierungen, deren spannendster Aspekt die Wette ist, an welchem Zeitpunkt die Natriumdampflampe angeht?
So funktioniert Theater?
Dann Liberté!
Der Fisch stinkt vom Kopf. Michael Müller hat Tim Renner gewähren lassen. Klaus Lederer unternimmt nichts. Piekenbrock wurde von Dercon als Programmdirektorin eingesetzt. Vielleicht sollte Frau Grütters sich mal überlegen Druck auf den Berliner Senat auszuüben.
Das ist doch totaler Marktopportunismus, hier einen Starregisseur des Kinos für viel Geld so ein Spektakel veranstalten zu lassen. Das ist doch gar nicht der Punkt, zu fragen: Warum soll Serra dem Theater fernbleiben? Niemand soll dem Theater fernbleiben, das als Medien-, Diskurs- und Ästhetik-Akkumulator ja unerreicht unter den Künsten ist. Aber dann müssen sich diese Künstler aus den Nachbarsparten auch auf die spezifische Logik und Funktionsweisen des Theaters einlassen. Sonst bleibt es hohl. Ohne Aura. Einfaches Startum ist doch öde und bringt nix! Wer kommt als nächstes? Ronaldo?
Ginge es um Namen, hätte man vielleicht Lars von Trier engagiert.
Was das "Scheitern" der Inszenierung anbelangt, halte ich dieses "Genuschel und Sänftentragen" immer noch für interessanter als eigentlich alles, was ich in den letzten 2-3 Jahren an deutschen Stadttheatern gesehen habe - gerade weil sich jemand mal nicht um Sichtlinien, ausgeleuchtete Gesichter, effekthaschendes Schauspiel etc schert.
Ich wünsche mir an Stadttheatern mehr Mut zu künstlerischen Positionen, die einem Artist Talk auch standhalten - und weniger Augenmerk auf Inszenierungen, die "funktionieren" dank perfekten Lichtwechseln, Auf- und Abgängen, Gags, was auch immer. Mehr Tauchen statt Olympia-Kraul.
"Sichtlinien, ausgeleuchtete Gesichter, effekthascherisches Schauspiel", "perfekte Lichtwechsel, Auf- und Abgänge", das gibt es doch höchstens in der Provinz. In der Oper. Oder im Revuetheater. Unbeholfenes Sänftentragen und Genuschel muss Ihnen dann ja tatsächlich wie eine künstlerische Offenbarung erscheinen (anderern, ästhetisch Erfahreneren freilich nur als Offenbarungseid) ... Was für einem "Artist Talk" kann denn "Liberté" standhalten, außer der kuratorischen Behauptung von etwas, dass dann aber leider gar nicht stattgefunden hat? Das ist doch (mit Verlaub) leeres Gerede.
Ein gar nicht mal uninteressanter Stoff, bekannte Schauspieler - was man da nicht alles hätte draus machen können? Die Bühne ist ja auch noch ganz nett, aber spätestens durch das absurde und kontextlose Herumschleppen der Sänften geht jede Atmosphäre kaputt. Und dann sind die Techniker/ Statisten nicht mal beim Schlussapplaus dabei, obwohl sie für mich die einzigen sind, die ihn nach diesen zähen zweieinhalb Stunden wirklich verdient haben. Zumal die Geschichtsausdrücke der Spieler_innen bei ebendiesem Bände sprachen...
Wenn ein kolonialistisches und sexistisches Kostümfest mit leblos aufgesagtem Text und abgerundet mit etwas kontextlosen und inhaltsleerem Softporno die neue Avantgarde sein soll, dann gute Nacht! Da kann dann auch die dunkle Bühne - die ja nun auch nichts gänzlich neues ist - nicht mehr viel retten. Zumal das Spiel von Ingrid Caven und Anne Tismer eben doch ziemlich auf Effekthascherei aus ist: Als letztere Anfing zu schreien, als sie doch eigentlich etwas betonen wollte, wurde ich das Gefühl nicht los einem schlechten Sophie Rois-Immitat aufgesessen zu sein.
Auch Apnoe-Tauchen geht nur, wenn man sein Handwerk beherrscht. Ansonsten ertrinkt man.
" ... dass der raum sich total auflaedt und die zuschauer reagieren und quasi teil des stueckes/abends werden ist doch eine setzung. ich glaube sehr wohl dass sich serra dem bewusst ist, ansonsten haette man doch einfach die lautstaerke angehoben ..."
mit ihrer meinung sind sie nicht allein und bekommen mediale verstärkung
"Albert Serra ist mit seinem Bühneneinstand ein wahrer Triumph gelungen. Bösartig schafft er es von vorne bis hinten mit den Erwartungen an ihn, Dercons Volksbühne und an ein Theaterstück im allgemeinen zu spielen. Hauptakteur ist dabei das Publikum, das dem ausgeliefert ist und im Saal gegeißelt wird. Genial an Serras allumfassender Verarsche ist die Undurchsichtigkeit des Vorhabens zu jedem Zeitpunkt. Sein letzter Film über Louis XIV, Helmut Bergers größte Rolle als Ludwig II, die gewöhnliche Ekligkeit des Kulturbetriebs und die typische Pseudointellektualität historisierender Topoi am Theater – es könnte so schmerzlich ernstgemeint sein. Doch an diesem Premierenabend am Donnerstag wurde man Teil einer brillanten sozialen Installation, die allerdings, das wurde richtig erkannt, nur ein einziges Mal funktioniert, und natürlich am besten vor Presse- und Kulturpublikum. Die Kritiker werden den Zuschauern jetzt den Zauber nehmen. Das heißt, insofern man die Illusion denn überhaupt verstanden hat. Ansonsten ist und bleibt es ganz simpel ein hundsmiserables Stück. "
https://www.jungewelt.de/artikel/327961.wenn-die-s%C3%83%E2%82%ACnften-kommen.html
I'm out... Dann ist es also auch Dercons genialer Plan, das große Haus nur so wenig zu bespielen, weil er damit ja auch die Erwartung, dass dort Theater gemacht wird unterläuft? Hilfe...
http://www.deutschlandfunk.de/volksbuehne-intendanz-dercon-ist-der-beeindruckendste.691.de.html?dram%3Aarticle_id=411789
http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2018/02/28/droht_das_ende_des_ensemble_theaters_drk_20180228_0738_e338f1b0.mp3
https://www.tagesspiegel.de/kultur/diskussion-im-brecht-haus-chris-dercons-plaene-bleiben-im-nebel/21014930.html
Fragt sich nur, warum ihm das erst bei der Premiere auffällt. Schaut da keiner aus dem Haus (Frau Pieckenbrock???) vorher auch nur eine Sekunde drauf, bevor ein Film-Regisseur seine erste Theaterarbeit in Deutschland präsentiert? Da lässt man Künstler ins offene Messer laufen.
Nein, für ein besonderes Haus gelten besondere Maßstäbe.
@45: Ich glaube, Sie verwechseln da was. Unabhängigkeit ist keine theatrale Qualität an sich, sondern kann Voraussetzung von Qualität auf der Bühne sein.
Dercons größte Unabhängigkeit ist sein diskursfreies Beharren an seinem Vertrag, den Tim Renner ihm gegen alle öffentlichen Einwände zugeschanzt hat. Strukturelle Selbstkritik seit 2015: Fehlanzeige! Drei Jahre "Das steh ich durch!" und "Ich will frei sein" statt "Wie können Stadt, Bevölkerung und Dercon einen Ausweg finden".
Weder hat Dercon künstlerisch etwas vorzuweisen, noch kann er das Publikum anziehen. Die "Horizontale Dramaturgie", die er meint, für seinen Spielplan ausmachen zu können, besteht wohl eher in Ödnis und in der Tatsache, dass alles zu klein für das große Haus geraten ist.
Warum hält er an seinem Vertrag fest? Warum bringen ihn Kritik und Misserfolg nicht dazu, selbst die Zügel in die Hand zu nehmen, seinen Rechtsanwalt und dann Klaus Lederer anzurufen und ein Ausstiegsszenario zu besprechen? Warum lässt er es zu, dass erst die Politik, der Kulturausschuss, ihm öffentlich sagen müssen, dass er versagt hat?
"wenn er genau das beabsichtigt?"
Könnten Sie das etwas spezifizieren, was das sein soll?
Bereits dem Film war anzumerken, dass das Konzept einer Legende im Dämmerlicht eigentlich einer anderen Kunstform entstammte und nur mit Mühe für die Leinwand adaptiert werden konnte. Ursprünglich sollte der sterbende Sonnenkönig als performative Installation 15 Tage lang im Centre Pompidou zu erleben sein.
Dass Serras Konzept, mit Kinolegenden im Dämmerlicht bei minimalistischer Handlung eine starke Atmosphäre zu erzeugen, bei der Adaption fürs Theater nicht aufgeht, lag maßgeblich an einigen bewussten Entscheidungen: Neben den beiden Kinostars treten mit Anne Tismer (Ensemble-Mitglied der Volksbühne) und Jeanette Spassova, die während der Castorf-Ära festes Ensemble-Mitglied des Hauses war, zwei gestandene Theater-Schauspielerinnen und Laien aus verschiedenen europäischen Ländern. Dieser bunte Mix aus Stilen und Sprachen könnte interessant sein, gibt hier aber nur ein Sammelsurium. Die von Serra laut Programmzettel angestrebte Polyphonie der Muttersprachen, die ständig übertitelt werden müssen, wird fürs Publikum noch mehr zur Herausforderung, da Serra seine Spielerinnen und Spieler oft nur flüstern lässt. Was im Film wunderbar aufgehen kann, wird im Theater unfreiwillig komisch, wenn Zuschauer - wie bei der heutigen Vorstellung - die Dialoge auf der Bühne durch laute Proteste und Nachfragen bei den Sitznachbarn übertönen.
Als Fazit dieses Experiments bleibt: Das Theater für andere Künste und vor allem Grenzgänger aus dem cineastischen Bereich zu öffnen, kann zu so bereichernden Erlebnissen wie „Fever Room“ von Apichatpong Weerasethakul führen, der die Volksbühne mit seiner Licht-Raum-Installation glänzend bespielte. Solche Experimente können aber auch so schiefgehen wie dieser Abend von Albert Serra.
Komplette Kritik: https://daskulturblog.com/2018/03/04/liberte-albert-serra-gastiert-mit-kinolegenden-im-daemmerlicht-der-volksbuehne/
05.01.2018 - N. Stemann
"DRadio: Herr Stemann, jetzt mal kleine Spekulation am Schluss: Stellen Sie sich vor, [...] Sie hätten das Angebot gehabt, die Leitung der Berliner Volksbühne zu übernehmen nach Castorf. Hätten Sie es angenommen?
Stemann: Nein, nein. Ich muss auch sagen, es gab sogar auch konkrete Gespräche dazu, also ich bin das auch gefragt worden. [...] ich hab gesagt, auf gar keinen Fall übernehme ich die Leitung der Berliner Volksbühne nach Frank Castorf."
http://www.deutschlandfunkkultur.de/woran-arbeiten-sie-gerade-herr-stemann-das-ende-eines.1008.de.html?dram:article_id=407594
24.04.2015 - M. Lilienthal
"Lilienthal wiederum ist mehrmals die Volksbühne angeboten worden. Er lehnte ab [...]"
https://www.tagesspiegel.de/kultur/nachfolger-von-frank-castorf-es-tobt-ein-richtungsstreit-dercon-wird-die-visuellen-kuenste-forcieren/11686894-2.html
(...)
Eine sterbende Welt, die längst tot ist und so wohl nie lebte. Denn dies ist nur ein Traum, ein Albtraum für manchen Zuschauer auch, knapp zweieinhalb Stunden Stillstand und Geistertanz in Zeitlupe. Serra verlebendigt die Geschichte eben nicht, bei ihm ist und bleibt sie tot. Er malt ein Bild von ihr, unserem heutigen Blick auf sie, bei der alles Perspektive ist und nichts Realität. Da fällt auch so manchen aus dem Blickfeld: etwa die wirtschaftlich politische Ebene, die Serra einzieht. Wenn aus der sexuellen Freiheitsbewegung ein Geschäftsmodell wird, das vor Sklaverei und Menschenhandel nicht zurückschreckt, soll uns das etwas über die ambivalente Beziehung von Kapitalismus und Freiheit sagen, die einander bedingen und zugleich stets bekämpfen muss, und verpufft in einer einzigen hochgezogenen Augenbraue Cavens. Die im Übrigen ihr Talent in den Dienst der Sache stellt, sich zurücknimmt und doch stets exakt den richtigen Ton trifft, was im Übrigen auch für den würdevoll Sterbenden Helmut Bergers gilt – es sind gerade die Alten, die selbst längst Vergangenen, die in dieser verschwundenen Welt zuhause sind. Einzig Tismer fühlt sich spürbar unwohl in diesem darstellerischen Konzept und durchbricht die alles erfüllende Stille immer mal wieder mit einem etwas zu schrillen, zu individuellen Ton.
Was bleibt ist ein Landschaftsgemälde von faszinierender Seltsamkeit. Das Wasser plätschert, die Vögel singen, der Abend gleicht einer Beschwörung. Keiner Heraufbeschwörung einer vergangenen Zeit, nur eine ihres Schatten, ihres Bildes, unserer Idee von ihr. Die am Ende, da stirbt der Duc im göttlichen Licht, ins Absurde gleitet. Ingrid Caven singt, schäg, fremd, sakral, Licht flutet die künstliche Erde von der das Zuschauerauge fast erwartet, dass sie wie eine Halluzination plötzlich verschwunden ist. Der ohnehin leere Saal ist noch leerer geworden, ermüdet Wackere harren aus, der Applaus braucht lange, um aufzuwachen. wie auch das Publikum erwacht aus einer langen Meditation, einer Traumreise ins Gespensterland, das fremd bleibt, bleiben will und doch den, der in der Lage und willens ist, sich ihr hinzugeben, nicht unberührt zurücklässt. Ob der traurig Verlorenen, denen wir da begegnet sind und die wir oder Bilder von uns dereinst auch sein mögen. Die die Welt verändern wollten und nicht von der Stelle kamen. Weil die Welt sie nicht brauchte sich zu verändern? Vielleicht. Doch das ist eine Frage für ein anderes Metier.
Komplette Rezension: https://stagescreen.wordpress.com/2018/03/23/sanfte-ruh/