Dämonen - Sebastian Hartmann wagt sich in Frankfurt doch an Dostojewski
Schwarz auf schwarz
von Wolfgang Behrens
Frankfurt am Main, 30. Januar 2015. Vor einigen Jahren bekannte Sebastian Hartmann im Interview mit dem Berliner Stadtmagazin zitty, "seit zehn Jahren einen riesigen Bogen um Dostojewski" zu machen, und zwar "wegen diesem ganzen Quatsch mit dem Epigonentum. Macht ja keinen Spaß, wenn man immer in Bezug zu Castorf gesetzt wird." Nun allerdings, da Hartmann am Schauspiel Frankfurt anheuerte, um als zweiten Teil der dort entstehenden Dostojewski-Trilogie die "Dämonen" zu inszenieren, hat er den ewigen Unkerichen, die in ihm immer wieder blöde den Castorf-Epigonen zu sehen vermeinen, doch noch Tür und Tor geöffnet – schließlich war die "Dämonen"-Produktion aus dem Jahre 1999 eine epochale Tat, eine der Selbsthäutungen Castorfs, mit denen er sich damals, als erste Abgesänge auf den immerwährenden Volksbühnen-Intendanten angestimmt wurden, noch einmal neu erfand.
Freilich konnte Sebastian Hartmann den Vorwurf des Epigonentums auch kaum nachdrücklicher entkräften als mit seiner eigenen "Dämonen"-Adaption. Castorfs Version ist als Porträt einer selbstverliebt über Anarchie und Nihilismus räsonierenden Dekadenzgesellschaft in Erinnerung, fast heiter dahinplätschernd und ironisch funkelnd in ihrem Spielwitz. Hartmanns Fassung dagegen ist von einem ganz anderen Ernst durchdrungen, die Aufführung präsentiert sich als eine Art expressionistischer Versuch, den ungebärdigen Aufschrei der Gottverlassenen in eine monumentale Bühnenform zu zwingen. Ironische Spielhaltungen sind Hartmanns Sache nicht – oder nur, um vor ihrer Folie eine umso größere existentialistische Wucht zu entwickeln.
Keine Namen mehr
Von Anfang an macht Hartmann jedoch auch eines klar: Orientierung in Dostojewskis Roman will er nicht bieten. Die Chronologie der Ereignisse in "unserer bisher durch nichts ausgezeichneten" Provinzstadt schert ihn einen Dreck, er blendet Figuren ineinander oder verteilt ihren Text auf verschiedene Spieler, er tilgt sogar sämtliche Namen und jegliche Textverweise, die auf eine Situierung im Russland des 19. Jahrhunderts schließen lassen könnten. Es gibt hier keinen Stawrogin, keine Lisa, keinen Pjotr Stepanowitsch, stattdessen gibt es Menschen, die auf die Schwärze des Daseins – die durch die allzeit sichtbaren Scheinwerferbatterien hart und gegenlichtsatt herausgeleuchtet wird – unterschiedlich reagieren.
Und meistens reagieren sie mit einem erschreckenden Fanatismus. Christian Kuchenbuch entwickelt in gelassener Konzentration das irre idealistische Gedankengebäude, das im Buch Kirillow zugehört und die Gottwerdung des Menschen im angstfreien Selbstmord vorsieht. Vincent Glander spuckt wütend anarchistisch-despotische, zutiefst menschenverachtende Positionen aus sich heraus, in denen Passagen des Intriganten Pjotr Stepanowitsch und des zynischen Polit-Theoretikers Schigaljow zusammenfallen. Und Manuel Harder, der – rollenstabil – die ungenannte Hauptfigur des Nikolaj Stawrogin spielt, verwendet seine kühl kontrollierte, aber durch keinerlei Überzeugung gehaltene Energie darauf, bewusst das Böse in sich aufzusuchen.
Holzhütte und Zwiebelturm
Gegenbilder zu diesen Dunkelmännern, deren schwarze Mäntel und Hüte ihre Gesinnung nur zu deutlich anzeigen, bieten etwa Heidi Ecks und Michael Benthin, die als Warwara Stawrogina und Stepan Trofimowitsch der sinnentleerten Welt Contenance und Ästhetizismus entgegenhalten. Hartmann hat ihre Spielweise klar von den Anderen abgesetzt: statt grimmigen Ernstes spielen sie einen ins Boulevardeske und Volkstheaterhafte überdrehten Tschechow.
All diese fruchtlosen und entsetzlichen Haltungen einer Gesellschaft, die an ihrem Nihilismus zugrunde geht, hat Hartmann in monumentale und kahle Bilder gegossen. Dostojewskis Russland ist hier reduziert auf eine Holzhütte und eine Zwiebelturmfassade, die beiden einzigen Bauelemente, die sich in grandioser Raumregie auf der ansonsten bis zur Brandmauer leergeräumten Bühne zu immer neuen Gebäuden zusammensetzen. Einmal wird das Dach der Hütte abgehoben, und unter ihm wird der Tod (nämlich der Stepan Trofimowitschs) zelebriert: Man meint, der Umkehrung und regelrechten Zurücknahme einer Krippendarstellung aus dem Quattrocento beizuwohnen. Dann wieder quillt Rauch aus den Ritzen der Hütte hervor, überhaupt wabern immer wieder Nebelschwaden über die Bühne: in dieser Welt brennt es. Dazu erzeugt der Klangkünstler Sascha Ring (Apparat) mit zwei Musikern pochende, wummernde, drängende, dröhnende Soundscapes, die ihre eigene Weite und Leere produzieren.
Kein Maß
In diesem Setting nun knallen jene Suchenden und Verzweifelten immer wieder in unerhörter körperlicher Intensität aufeinander, verkrallen sich ineinander: am eindringlichsten da, wo Manuel Harders Stawrogin einen Kindesmissbrauch beichtet. Wie Harder und Paula Hans hier gegeneinander anrennen, sich winden, verbeißen und entäußern – das geht wahrlich unter die Haut.
Man könnte, nein, man muss aber auch davon erzählen, dass der Abend trotz allem – wen wundert's bei viereinhalb Stunden? – seine äußerst zähen Momente hat. Nicht zuletzt deswegen, weil Hartmann in den zwischendurch eingestreuten, komisch intendierten Szenen, die die Fallhöhe neu zu justieren helfen, kein Maß kennen will. In wohl bewusster Verletzung jeglicher Humordramaturgie reiten die Spieler dann auf fadesten Gags herum und missachten jedes Timing. Es gehört offenbar zu Hartmanns Theater, dass er auch immer solche Peinlichkeitsgrenzen auslotet.
Aber was soll das Klagen? Gelingt hier Sebastian Hartmann doch etwas durchaus Bedeutendes – indem er sich einem allgemeinen Trend widersetzt: Er nimmt sich nicht einen Roman her, um ihn auf einen theatertauglichen Plot zu verkleinern. Er nimmt ihn sich vielmehr her, um das Theater groß zu denken. Und das ist verdammt viel!
Dämonen
von Fjodor Dostojewski
aus dem Russischen von Swetlana Geier
Bühnenfassung von Sebastian Hartmann und Michael Billenkamp
Regie und Bühne: Sebastian Hartmann, Musik: Apparat (Sascha Ring), Kostüme: Adriana Braga Peretzki, Licht: Johan Delaere, Dramaturgie: Michael Billenkamp.
Mit: Heidi Ecks, Paula Hans, Franziska Junge, Linda Pöppel, Michael Benthin, Isaak Dentler, Vincent Glander, Manuel Harder, Christian Kuchenbuch, Tolga Tekin.
Dauer: 4 Stunden, 30 Minuten, eine Pause
www.schauspielfrankfurt.de
"Hartmann trampelt auf den Nerven der Zuschauer herum, indem er seine Schauspieler schreien und derwischen lässt, und seine Szenen so frei zusammenwürfelt, dass man kurz davor ist, die Geduld zu verlieren", sagt Natascha Pflaumbaum auf Deutschlandradio Kultur (30.1.2015). Aber nach der Pause füge sich alles "genial zusammen". Das Fantastische dieser Arbeit sei – und das erkenne man erst, nachdem man die fast fünf Stunden erlebt habe – die Gesamtkomposition. "Das Fantastische ist, dass Hartman jedem Schauspieler dieser Produktion eine Bravourszene auf den Leib inszeniert", so Pflaumbaum. "Jeder Schauspieler, jede Schauspielerin hat mindestens eine Szene in dieser Produktion, in der sie so an- und aufregt, dass man amüsiert, angeekelt, vergnügt oder genervt ihrem Spiel folgt." Hartmann schaffe tatsächlich ein Mehr, etwas Neues: "Er zeigt, dass Theater immer noch echt affizieren kann, er zeigt, wie Theater aus dem wirklichen Leben kommen kann, er zeigt, dass Romane auf eine Bühne passen, und er zeigt, wie man alte Stoffe, Themen aktuell macht, ohne zu aktualisieren: indem man dem Zuschauer ein Gefühl implantiert, das er nicht abweisen kann. Es sei denn, er geht zu früh."
Hartmann setze sich und sein Ensemble den Dostojewski-Seelenqualen aus "und rotzt schlussendlich auf die Bühne, was die Literatur mit ihnen gemacht hat", meint Alexander Kohlmann auf Deutschlandfunk (1.2.2015). Deshalb erschienen Hartmann-Abende oft so unfertig, es gehe nicht um "jemandem etwas erzählen", sondern um "ein gemeinsames Reflektieren, das mit der Aufführung nicht endet". "Im Gegenteil: Mit der Premiere nimmt das Publikum an der endlosen Probenarbeit teil." Einziges Problem dieser Methode sei, "dass dieser Regisseur kein Ende findet". "Vielleicht kann man einen Hartmann-Abend überhaupt nur als einen Probenbesuch und Arbeitsstand rezipieren", so Kohlmann – "mit vielen fantastischen Ansätzen, vielleicht zu fantastisch, um sie endgültig zu einem großen Ganzen zusammenzuführen."
Hartmann spalte Dostojewskis Roman "in albtraumhafte Szenen, in denen nicht weniger als das Menschsein auf dem Spiel steht", schreibt Shirin Sojitrawalla in der Allgemeinen Zeitung der Rhein Main Presse (2.2.2015). Den Roman müsse man nicht kennen, um dem Abend zu folgen, "man kann sich auch ganz auf die filmreif entworfenen Bilder und das klar wuchtige Spiel der herausragenden Darsteller verlassen." Hartmann schaffe es auf ebenso kühne wie überwältigende Weise, die Frankfurter Riesenbühne in ihrer vollen Größe auszunutzen. "Seine in krasses Schwarz-Weiß getauchten Bilder brennen sich in den Kopf, Nebelschwaden ziehen bei ihm durchs gleißende Licht, mal dreht sich die Bühne, mal hebt sie sich empor." Dabei strahle und nerve der "maximalistische Abend" mit provokanten Albernheiten, wahnsinnigen Schauwerten und "Dialogen, die wie Zweikämpfe ablaufen". Der Hinweis auf die Überlänge des Abends kommt der Rezensentin selbst vor diesem Hintergrund "irgendwie kleinlich" vor.
"An diesem Abend stimmt etwas", schreibt Judith von Sternburg in der Frankfurter Rundschau (2.2.2015). Alles in ihm diene ausschließlich dem Entwickeln einer jeweiligen Theatersituation. Gewissermaßen sage Hartmann: "Romane sollt ihr daheim lesen." Zugleich brauche er die Wucht des Dostojewski-Stoffes, den Brocken hinter den Witzen, "um nicht einfach banal zu werden". Vor allem aber brauche er diese Schauspielerinnen und Schauspieler. "Die Banalität lauert nicht nur, sie ist integraler Bestandteil der Inszenierung", beschreibt von Sternburg. Einerseits werde hier schon so getan, als wäre auch alles wurscht, als könnte es so oder so oder anders oder lustiger sein. Andererseits werde diese Wurschtigkeit mit großer Liebe zum Theaterspiel dargeboten. "Hier kommt einmal zusammen mit dem Regietheater nicht das Ausstattungstheater um die Ecke gehuscht, sondern das reinste, großartigste Schauspielertheater."
In der Rhein-Main-Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (2.2.2015) schreibt Florian Balke: "Frank (sic!) Hartmanns Frankfurter Version aber fehlt fast alles Regiefeuer, das den Abend zu einem ebenso zwingenden Ganzen hätte zusammenschmieden können wie die Romanvorlage es ist." Lediglich das Groteske gelinge Hartmann. "Die Flucht in die Freiheit der Flapsigkeit ist bezeichnend für einen jener Abende, an denen Romane für das Theater gefleddert werden und eine Niere sowie der Dickdarm sich auf der Bühne wiederfinden, während die andere Niere und der Dünndarm in der Buchleiche auf dem Schreibtisch des Regisseurs verbleiben."
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@2:Es tut mir leid Sie enttäuschen zu müssen: Es war bloßer Rumms OHNE Inhalt, denn die zähen Momente, von denen Sie sprechen, kommen immer und ständig dann vor, wenn der Rumms drumherum nicht mehr da ist und die Spieler etwas verhandeln "müssten", ohne die Kraft von Nebel, Schlaglicht und geiler Mukke...
Der Abend setzt Nebel und Licht dermaßen gut in Szene, dass es dementsprechen auffällt, wenn es um Theater und Spiel geht und dies eben nicht vorhanden ist - schadé!
Aber liebe Lilith, vielleicht sollte auch ehe unser Eins sich acht Jahre einsperren und auf bessere Zeiten warten, denn die neuen youngsters in der Theaterszene sind (...) genug, sich von diesen Mitteln beeindrucken zu lassen und machen es ja selbst gern nach, mit noch weniger inhaltlicher Auseinandersetzung als ihrer Vorbilder... Naja, zum Glück bin ich Prolet!
Bitte mehr davon!
wer sich drauf einlassen wollte, dem ging das nah. hartmann ist einer der interessantesten regisseure dieses landes. und relevante, kontroverse kunst spaltet häufig.
Ich habe weder Suchende noch Kunst geshen. Der Regiesseur, hat und das ist mit das ärgerlichste, versucht mir etwas zu beantworten, für das es keine allumfassende Antwort gibt und das nenn ich eher uniteressant. Besonders, wenn es so schlau um die Ecke kommen möchte... Mich hat das meiste einfach nur kalt gelassen und ab und an war ich kurz davor ein zu schlafen - eine Ansammlung von Belanglosem. Ich lass mich nur ungern von nem dahergekommenen uninteressanten Künstler verarschen - und ich glaube, das tun so Leute immer gern mit dem Publikum. Ich nenn das Verlogenheit.
Vor zwei Jahren reichte das für die Berliner Theatertreffenjury aus. Und für den Nachtkritiker heute eben auch noch. Welchen coolen Kritiker interessiert, ob Theater an den Zuschauern vorbei geht oder nicht? Naja, bald muss Herr Hartmann ja GottseiDank nicht mehr nach Berlin eingeladen werden, kann dann ja bei Herrn Reese am BE inszenieren. Schmeißt schon mal die weiße BE-Gesichtsschminke weg, kauft Nebelmaschinen...
Mich würde wirklich sehr interessieren, wie Sie zwischen einem wahren Künstler und einem "dahergekommenen uninteressanten Künstler" unterscheiden. Welche Kriterien haben Sie dafür? Und woran erkennen Sie, dass Sie "verarscht" worden sind? Sah Ihnen die Inszenierung von Sebastian Hartmann tatsächlich so aus, als hätte er sich wochenlang ausschließlich damit beschäftigt, die besten Wege zu finden, sein Publikum zu verarschen? Ich gestehe, dass ich diese Unterstellung, Künstler wollten irgendjemanden verarschen, immer recht abwegig finde. Schon psychologisch wäre mir das nur schwer nachvollziehbar: Welchen Lustgewinn zöge der Künstler daraus, wenn er arbeitete, arbeitete und noch einmal arbeitete und am Premierenabend dann den Zuschauern die Zunge herausstreckte und riefe: "Ätsch, verarscht!"?
In der Pause fragte eine Dame hinter mir ihren mutmaßlichen Gatten tatsächlich auch, was das Ganze denn mit Dostojewksi zu tun habe. Schüchtern wie ich in diesem Augenblick war, habe ich meine Antwort darauf nicht ihr, sondern meiner Begleitung gegeben: "Es hatte zumindest insofern mit Dostojewski zu tun, als so gut wie jedes Wort aus Dostojewskis 'Dämonen' stammte."
Und noch eine Nachfrage: Angenommen, es hätte nur wenig mit Dostojewski zu tun, obwohl Dostojewski draufsteht, könnte es dann keine relevante Kunst mehr sein?
@Wolfgang B.: Ich gebe zu: mein Beitrag war etwas polemisch getippt... Dennoch, was ich meine ist folgendes: es gibt diejenigen, die es nicht nötig haben mir ständig unter der Nase zu halten, dass es sich hier um ein künstlerische Auseinandersetzung handelt und ich ich als Zuschauer bleibe mündig und entscheide selbst, was mir mein Blick verrät und es gibt andere (Hartmann), die haben es nötig... Ich glaube ein Künstler hat es eben nicht nötig, weil es ihm um die tatsächliche Interaktion mit den Menschen die zugucken geht geht... Hartmann im Übrigen mit Castorf zu vergleichen ist es wie, den Visionär mit dem Mitläufer zu vergleichen...
Das erste Mal, dass ich ein Theater nach der Pause verlassen habe.
bravo! das kann ich so nur unterstreichen! das stück gewinnt bei mir sogar noch mit etwas abstand. ich werde es mir auf jedenfall nochmal angucken!
und was soll hier bei den komentaren wieder der unselige castorf vergleich? ich bin castorf fan, aber diese dämonen waren 100% hartmann, grandios wie er da einen ganz eigenen, für mich neuen ansatz gefunden hat,
@11 Bei der gestrigen Aufführung war der Saal nach der Pause nicht deutlich leerer. Von zwei Dritteln Leerstand keine Spur!
Mit den DÄMONEN hat Hartmann in meinen Augen einmal mehr bewiesen, dass er das Regie-Handwerk versteht. Ich habe begeisterte Kritiken gelesen und (Achtung, "Leipziger Block"!) am Sonntag in viele begeisterte Frankfurter Gesichter geguckt!
Die von Ihnen beschriebenen "begeisterten Gesichter" am Sonntag könnten daran liegen, dass gestern dort entgegen Ihrer Darstellung nicht Hartmanns schwergängige und inhaltsleere Dostojewski-Auslöschung, sondern Kay Voges' - tatsächlich grandiose - Inszenierung "Endstation Sehnsucht" zu sehen war. Wenn Sie schon Produktionen loben, die Sie offenbar nicht gesehen haben und sich dafür als vermeintlichen Augenzeugen ins Feld führen, blicken Sie demnächst sorgfältiger auf den Spielplan. Ist dann nicht ganz so auffällig.
Was denn für eine Verbitterung? Ich wollte nur darauf hinweisen, daß es sich hier um die Kommentare zu einer Inszenierung in Frankfurt handelt und nicht um die Möglichkeit, mal wieder eine Tirade gegen die Leipziger Zeit von Sebastian Hartmann loszulassen.
23:40 Uhr Vorstellungsende.
Danach lang (sehr lang) anhaltender Beifall.
Im Anschluss pinkeln (überfüllte Toiletten).
Dann Garderobe abholen (Menschenmassen an der Garderobe).
Bis wir schließlich draußen waren, zeigte die Uhr schon nach Mitternacht. Und das ist dann wohl doch schon Sonntag, oder?
Sehr geehrter Herr Behrens, Sie müssen lesen! Ich hatte in meinem Beitrag # 11 die "relevante, kontroverse Kunst" in Anführungszeichen gesetzt, weil mir das profunde Wissen fehlt, sie von irrelevanter und weniger kontroverser Kunst abzugrenzen, wie uns # 8 dankenswerterweise in seinem tiefgründigen und von außerordentlicher Sachkenntnis geprägten Beitrag teilhaben läßt.
Im übrigen ist es kennzeichnend, wenn Sie "schüchtern" die Texttreue hervorheben. Kann man ja wohl offensichtlich nicht immer erwarten, oder? Zur Texttreue seien allerdings zwei Aber erlaubt: erstens sollte darauf hingewiesen werden, daß die Texthappen ohne jeden Zusammenhang geboten werden, so wie wenn man bei einer CD-Wiedergabe auf "zufällig" drückt. Mal was vom Anfang des Buches, dann eine kleine Vergewaltigung, dann die Kirillof-Selbstmordnummer ... Und zweitens kann man aus Ihrem Hinweis auf die Texttreue schließen, daß Sie einen der privilegierten Plätze in den Reihen 1 - 10 hatten, denn weiter hinten war kaum noch was zu verstehen, was auch nicht verwundert, denn wenn ein Schauspieler laut schreiend vier Stunden im Kreis herumläuft - ja, das geht auf die Stimme. Ja, und dann schreien alle oft auch noch gleichzeitig und durcheinander.
In der Molekularküche gilt es als große Kunst, aus 10 kg Kartoffeln einen kleinen Tropfen Essenz herzustellen. Wenn der nach dem ganzen Zertrümmern und Umarbeiten allerdings nach nichts schmeckt, dann sind wir schnell bei des nackten Kaisers neuen Kleidern. Es bleibt mithin die Frage: neues, relevantes zu Dostojewski?
Die Szenenfolge war doch nur scheinbar zufällig. Dahinter steckt doch Methode, wohingegen beim CD-Player (wie retro ist das denn eigentlich?) womöglich wirklich der Zufall über den nächsten Track bestimmt.
Nur weil Sie den Zusammenhang der "Texthappen" nicht erkannt haben, heißt es ja noch lange nicht, dass es auch keinen gibt.
Ich für meinen Teil bin wegen Sebastian Hartmanns Inszenierung zum ersten Mal nach Frankfurt gereist - und werde wiederkommen!
"Angenommen, es hätte nur wenig mit Dostojewski zu tun, obwohl Dostojewski draufsteht, könnte es dann keine relevante Kunst mehr sein?"
Anders ausgedrückt: Soll ein Regisseur lediglich einen Text bebildern und die Handlung möglichst 1:1 auf die Bühne bringen oder gesteht man ihm zu, ein neues, eigenes Kunstwerk zu schaffen?
was treiben sich hier nur für unqualifizierte kommentierer rum?
man hätte ja die dämonen vorher lesen oder wiederlesen können, dann hätte man erkannt, dass ein großteil der texte aus der übersetzung von svetlana geier stammen.und selbst wenn es nicht so wäre... noch viel mehr reingemixt worden wäre... ja und? texte beeinflussen andere texte, stehen offen in der welt...
hartmann setzt sich mit dostojewski und dessen großer welten- und gottessuche auseinander.
und das erwarte ich von theater. und werde nie die zuschauer verstehen, die dann überfordert absolute werkbebilderung und vertonung erwarten, ja keine experimente, ja keine eigenen impulse. hauptsache ich muss mich nicht mit etwas konfrontieren, mich nicht an etwas reiben, mich nicht bestimmten fragen stellen... aber wie gesagt, relevante kunst hat schon immer polarisiert und man ist schon fast geneigt sich zu freuen, dass es immer wieder die selben reflexe sind, die teile der bürgerschaft befallen. hartmann haut rein!
Total lustig, dass sich hier einige Nasen als Leo Tolstoi bezeichnen, gerne auch als Maxim Gorki. Da bekomme ich gleich Lust, griechisch orthodox den nächstbesten Besen zu reiten.
Einige haben wohl gehofft, dass er nach seinem Abgang aus Leipzig in der Versenkung verschwindet. Aber Hartmann bringt ein Stück nach dem anderen raus. Dass sein weiter großer Erfolg Neider auf den Plan ruft, muss man wohl hinnehmen.
Ja. Und ich frage mich auch, warum Hartmann jetzt nicht allein dastehen kann, sondern nach dem Centraltheater-Kontext jetzt nur im Zusammenhang mit der "Ära Reese" gedacht werden kann.
Für mich als Berliner ist schade, dass seine beiden, wenn auch auf hohem Niveau, schlechtesten Arbeiten in Berlin stattfanden (Der Löwe im Winter) oder aktuell gezeigt werden (Woyzeck); das DT scheint ihn nicht unbedingt zu beflügeln.
Nun bin ich wahnsinnig gespannt auf "Dämonen", die Kommentare und Kritiken lassen auf eine ähnlich tolle Inszenierung hoffen wie zuletzt sein legendäres und völlig zu Recht zum Theatertreffen eingeladenes Krieg und Frieden- Spektakel. Schade dass dieses Jahr "Staub" nicht geladen wurde, ich hätte es gern in Berlin an der Volksbühne erlebt. Wenn das angeblich einzige Kriterium der Jury "bemerkenswert" gegriffen hätte, stünde es nun unter den 10 ausgewählten Stücken.
Herr Behrens (ohne d bitte) ist nach Frankfurt gefahren, weil er zufälligerweise im vergangenen Jahr die "Bösen Geister" gelesen hat und weil er dort jemanden kennt, der von der Person Sebastian Hartmanns unterschieden ist.
Und könnten Sie bitte konkret machen, wo in den Zusammenfassungen "gebogen" wurde? Die FAZ-Rezension liest sich auch in der Kurzfassung noch recht negativ, und der Tenor der anderen Kritiken erscheint mir persönlich doch halbwegs richtig eingefangen zu sein.
"Kleine Stadt"? Leipzig (ca. 530.000 Einwohner) und Frankfurt (ca. 700.000) spielen in einer Liga. Und "überwältigendes überregionales Interesse"? Mit Verlaub: Wo leben Sie? Und wo sind denn die Rezensionen von ZEIT und FREITAG, FAS, Süddeutscher Zeitung, WELT, NZZ? Selbst die FAZ hat die Inszenierung nur in der Rhein-Main-Zeitung besprochen, nicht im Mantel-Feuilleton.
Musste selten so ein Gemisch aus Überheblichkeit und Groupie-Tum zur Kenntnis nehmen, wie es aus jeder Zeile Ihres Kommentar sickert.
ein Ratschlag: Anstatt sich auf die Kommentare bei Nachtkritik und die Feuilletons der Zeitungen zu stürzen - gehen Sie doch mal ins Schauspiel Frankfurt und genießen Sie das Stück. Dann haben Sie vielleicht auch etwas Wertvolles zum Diskurs beizutragen. Aber beeilen Sie sich, wie ich gerade gesehen habe, gibt es für die nächste Vorstellung der "Dämonen" kaum noch Karten!
Abstimmung mit Füßen: Ich habe die vierte und zehnte Vorstellung gesehen, beide mäßig besucht (knapp zwei Drittel). Trotz vorgenommener Kürzung läuft an Christi Himmelfahrt die Letzte (Nr. 13). Das Motto der jetzigen Spielzeit ÜBERLEBEN hat damit auch diese Inszenierung kalt erwischt. Was in Frankfurt am Main keine Kasse macht, fliegt raus.
Vermisst habe ich übrigens das allseits beliebte Publikumsgespräch - ein mögliches Instrument der Kundenbindung!
Und - last but not least - Stichwort interne Kommunikation: wenn das Verkaufspersonal den Gast explizit auf die Überlänge hinweist, dann frage ich mich ernsthaft, ob man den Besucher gewinnen oder vertreiben möchte ?!?