The Shipment - Die Koreanerin Young Jean Lee kalauert politisch Unkorrektes
Eines jeden Suche nach der Goldküste
von Charles Linsmayer
Zürich, 26. August 2009. Vor zwei Jahren erhielt die aus Korea stammende Amerikanerin Young Jean Lee für "Songs of the Dragons Flying to Heaven" den Förderpreis des Theater Spektakels. Eine Tanz- und Kabarett-Produktion, die einem deshalb in Erinnerung geblieben ist, weil sich die Theatermacherin in einer einleitenden Videosequenz die längste Zeit brutal ins Gesicht schlagen lässt, und weil das vorgegebene Thema, der alltägliche Rassismus im modernen Amerika, hauptsächlich anhand von ihrerseits wieder rassistischen Behauptungen wie "die meisten Asien-Amerikaner sind ziemlich hirngeschädigt, weil sie von asiatischen Eltern wie Affen aufgezogen werden", abgehandelt wurde und weil die koreanische Agitprop-Folklore nach und nach den Beziehungsproblemen eines heftig diskutierenden weißen Paars weichen musste.
Das gleiche Muster
"The Shipment", der neue Abend von Young Jean Lees, der im Oktober 2008 an der Ohio State University uraufgeführt wurde und dieses Jahr beim Theater Spektakel zu sehen ist, nimmt in vielem die Präsentations- und Darstellungsweise von "Songs of the Dragons Flying to Heaven" wieder auf. Zwar stehen jetzt nicht die schlecht integrierten eingewanderten Koreaner, sondern die Afroamerikaner im Mittelpunkt, aber die vom Ensemble, fünf Männer und eine Frau, umgesetzte Textvorlage arbeitet genauso damit, dass politisch Unkorrektes artikuliert wird und so das Publikum offenbar zum Nachdenken über eigene latente oder offene Vorurteile gebracht werden soll.
Nach ein paar einleitenden Tanzsequenzen kommt man unter dem Gelächter des gutgelaunten Publikums zur Sache: "Zürich, verdammte Scheißstadt, wo ist die Goldküste? Weiße sind nicht böse, aber dumm, und wenn der Mann sein Kackgesicht macht, weiß die Frau, was er denkt. Babys sind Scheiße, und Zürich ist voll von Niggern, ihr nennt sie einfach Tamilen..." Und wieder, wie beim letzten Mal, geht man, wenn genug gekalauert und gezotet worden ist – vieles ist in Sachen Geschmack ziemlich weit unter der Gürtellinie – zu einem ganz anderen Genre über.
Gäste einer Geburtstagsparty
Die Show wird abgelöst durch eine Art Theaterstück, in dem wir Gäste einer afroamerikanischen Geburtstagsparty sind. Hier wird nun nach Kräften chargiert und werden alle denkbaren Gags und Einfälle aus der Komödienkiste herausgefischt. Ein Mann spielt den bösen, unnahbaren Typ, der sich allen Freundlichkeiten widersetzt, ein anderer tritt buchstäblich in jedes erdenkliche Fettnäpfchen, die Frau fühlt sich beschämt und desavouiert, und schließlich artet die Diskussion in eine Schlägerei aus, während der Gastgeber, der 30 geworden ist, verkündet, er habe sich und alle Anwesenden vergiftet. Schließlich aber beruhigt man sich wieder, und das Palaver geht weiter, immer hart an der Grenze des Konflikts, bis plötzlich das Licht ausschaltet und das Publikum zu klatschen beginnt.
Komische Wortgefechte wie in gewissen amerikanischen Filmkomödien, viele altgediente Kalauer, ein paar lustige Witze und einige Momente belustigender Situationskomik machen diesen zweiten Teil der Inszenierung halbwegs zum Vergnügen, vermögen aber den Eindruck des Zufälligen, nicht Zuendegedachten nicht zu verwischen, den schon die Aufführung aus dem Jahr 2007 hinterließ. Jedenfalls fragt man sich wie damals mit Bedauern und einer gewissen Verärgerung, ob es denn nicht möglich ist, ein brennend aktuelles Thema wie das der Rassendiskriminierung auf die Bühne zu bringen, ohne dass am Ende genau das produziert wird, was zu bekämpfen man vorgab.
The Shipment
Text und Regie: Young Jean Lee.
Mit: Jordan Barbour, Mikeah Ernest Jennings, Prentice Onayemi, Douglas Scott Streater, Amelia Workman.
www.theaterspektakel.ch
Außerdem gab es beim diesjährigen Zürcher Theater Spektakel Vielfalt von Jakop Ahlbom, Will You Ever Be Happy Again? von Sanja Mitrovic und Tercer Cuerpo vom argentinischen Theater Timbre 4.
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