Die Räuber - Im Residenztheater flasht Ulrich Rasche das Münchner Publikum mit einem Mensch-Maschine-Schiller-Amalgam
Der kommende Laufstand
von Sabine Leucht
München, 23. September 2016. Als "aufsehenerregend" war sie vom Haus bereits angekündigt, die Eröffnungsinszenierung des Münchner Residenztheaters, vor deren antizipierter Größe der Intendant nobel auf den zweiten Spielzeittag und die kleinere Bühne auswich. Vor seine eigene Auseinandersetzung mit Sartres "Die schmutzigen Hände" hat Martin Kušej also Schillers "Räuber" in der Regie von Ulrich Rasche gesetzt. Und vieles deutet darauf hin, dass ihm damit ein Coup gelungen ist wie vor drei Jahren mit Gotscheffs Zement, ja geradezu ein Coup de Force, denn nicht nur das Bühnenbild, an dem eine vermutlich erlesene Mannschaft von Technikern ein Jahr lang gearbeitet hat, sondern auch der Aufmarsch von zwei Dutzend skandierenden, singenden, musizierenden und marschierenden Menschen ist gigantisch.
Laufbänder
Rasche hat den ungleichen Brüdern Moor für ihre Familienzerlegungs- und Mordbrenner-Arbeit zwei riesige Laufbänder auf die Bühne gestellt. Und so langsam und unaufhaltsam, wie sich Franzens Selbstermächtigungsmaschinerie und die aus Verzweiflung und Idealismus erwachsene Selbstzerstörung des Räuberhauptmanns Karl bei Schiller zum finalen Desaster hin in Gang setzen, bewegen sich auch die Bänder, auf denen intime Begegnungen wie die kolossalsten Räuberaufmärsche gleichermaßen vonstatten gehen.
Tscheplanowa-Glanz
Hier nur ein Rädchen im Getriebe zu sein mag Bibiana Beglau missfallen haben, die sich wegen "künstlerischer Differenzen" vorzeitig aus der Produktion verabschiedete. Sie hätte den Franz spielen sollen, den missgestalteten jüngeren Sohn des alten Moor. Nun spielt ihn Valéry Tscheplanowa – und nichts als eine linkische Krümmung im schmalen Mädchenleib weist darauf hin, dass da einer/eine aufgrund körperlicher Defekte zum ungeliebten Kind geworden sein könnte. Auch die betreffenden Textstellen sind in Rasches Version gestrichen. Offenbar sollte dieser Beweggrund für den Vater- und Brudermord wegfallen und der Ausbruch einer Frau aus den Fängen einer durch und durch patriarchalen Gesellschaft der Figur mehr Sympathie verschaffen. Doch auch wenn Tscheplanowa mit einem zaghaft ausgestreckten Arm mehr Verletzlichkeit ausdrücken kann als andere mit einer kompletten Nervenzusammenbruchs-Pantomime und "Morast" bei ihr wie eine Liebkosung klingt, so ganz erschließt sich diese Besetzungsstrategie nicht. Denn sie spielt zwar glänzend – aber eben auch weiterhin den intrigierenden und mordenden Franz.
Zartheit in der Überwältigung
Mehr gibt es aber auch nicht zu bemäkeln an einem Abend, dessen Überwältigungsästhetik man freilich mögen muss. Der hypnotisch wirkt durch Ari Benjamin Meyers minimalistische Kompositionen, die zunächst nur in Gestalt einiger Trommelschläge und einer zirpenden Geige auf die Bühne tropfen, um sich dann unaufhörlich zu verdichten und mit Sing- und rhythmischen Sprechstimmen anzureichern. Und die scheinbare Gleichförmigkeit der Bewegungen – kleine, langsame Schritte auf sich drehenden, gegeneinander verschiebenden und auf- und niederfahrenden Bändern – schärft die Aufmerksamkeit für emotionale und Bewegungs-Details ganz so, wie man in der nach dem Regen erblühenden Wüste die zartesten Farben feiert. Mag sein, dass Rasche-Kenner müde abwinken ob des alles in allem voraussehbaren Verfahrens: Chöre fast wie bei Schleef, eine Bühnenmaschinerie, die die Menschen in ihr Getriebe einspannt, Mut zum Pathos und ein Stoff, der die Spannung zwischen Individuum und Gruppe betont.
Die Katastrophe: ein Theaterexerzitium
Für den Rasche-Neuling aber ist der Abend ein Ereignis. Wie geisterhaft die Räuber wirken, deren Stimmen beim Angriff auf den Pulverturm von überall her zu kommen scheinen, auch wenn sie mit hellen, vierfach gesicherten Beckengurten auf schwarzer Kleidung wie Galeerensklaven an den sich wieder und wieder neu aufbäumenden Laufband-Rampen festgezurrt sind. Wie man Schillers reiche Sätze buchstäblich mitdenken kann. Und wie frisch sie wirken in einer Zeit, wo die Selbstoptimierung nach Maßgabe der egoistischen Vernunft über allem steht und selbst die linke Freiheitsrhetorik sich gerne mit Gewalttoleranz und Menschenverachtung paart.
Rasche und sein Dramaturg Sebastian Huber haben die Räuber-Chöre mit einzelnen Sätzen aus den Schriften des Unsichtbaren Komitees angereichert, das 2010 zur Rebellion gegen den Menschen selbst aufrief ("Die Katastrophe ist nicht das, was erst kommt, sondern das, was da ist.") Diese "Räuber" zeigen den Sog und das Grauen von Gemeinschaften, sind Exerzitium wie Exorzismus, elektrisierend, kirremachend und reinigend. Kurz: Groß!
Die Räuber
von Friedrich Schiller
Regie und Bühne: Ulrich Rasche, Komposition: Ari Benjamin Meyers, Kostüme: Heidi Hackl, Chorleitung: Alexander Weise, Choreinstudierung: Toni Jessen, Mitarbeit Bühne: Sabine Mäder, Licht: Gerrit Jurda, Dramaturgie: Sebastian Huber.
Mit: Götz Schulte, Valery Tscheplanowa, Franz Pätzold, Nora Buzalka, Thomas Lettow, Max Koch, Leonard Hohm, Marcel Heuperman / Alexander Weise, László Branko Breiding, William Bartley Cooper, René Dumont, Toni Jessen, Moritz Borrmann, Yasin Boynuince, Kjell Brutscheidt, Emery Escher, Max Krause, Bekim latifi, Cyril Manusch, Sandro Schmalzl (Tenor), Martin Burgmair (Bassbariton), Gustavo Castillo (Bassbariton), Mariana Beleaeva (Violine), Jenny Scherling (Viola), Heiko Jung (E-Bass), Fabian Löbhard (Percussion).
Dauer: 3 Stunden 50 Minuten, eine Pause
www.residenztheater.de
"Rasches 'Räuber'-Unternehmung ist tatsächlich eine Schau. Sie ragt so steil und gesamtkunstwerklich kühn aus dem Normalspielbetrieb heraus, dass man erst mal staunen und sich dann dazu verhalten muss. Love it or hate it", schreibt Christine Dössel in der Süddeutschen Zeitung (26.9.2016). Und die Rezensentin liebte den Abend tendenziell eher, sah "titanisches Beeindruckungs- und Überwältigungstheater, wuchtvoll, humorfrei, gewaltig gestählt". Natürlich müsse man von dem Bühnenungetüm erzählen. Aber der Abend begnüge sich nicht mit technoiden Muckis, sondern zelebriere feierlich Sprache. "Ausgestellt wirkt so manches in diesem Frontaltheater. Und, auch das muss gesagt werden, es schrammt mitunter durchaus die Grenze zum Kitsch, vor allem gesangsmusikalisch. Und doch: ein Ereignis, dieser Abend!"
"Ohne dabei konkret zu werden, verweisen diese 'Räuber' (...) auch auf unsere unmittelbare Gegenwart, in der sich nicht unerhebliche Strömungen wieder in dumpfer Polemik und Gewalt gefallen", meint Sven Ricklefs vom Deutschlandfunk (25.9.2016). "Und so ist diese Schillerinszenierung durchaus ambivalent in ihrer Wirkung und zugleich; großartiges Theater, das diesen Saisonauftakt am Münchner Residenztheater tatsächlich zu einem Ereignis macht."
Parick Bahners ist in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (26.9.2016) viel weniger begeistert: Rasche siedle "Die Räuber" auf schiefer Ebene an, in endloser Bewegung. "Wie im Fitnessstudio müssen die Schauspieler gegen die Laufrichtung des Bandes marschieren." Es werde gebrüllt. "Aber was das Ohr des Zuschauers erreicht, kommt aus dem Apparat. (...) Dieses Hinhören, diese natürliche Herstellung von Gemeinschaft unter Fremden, wird ausgeschaltet." Das Räderlaufwerk stehe vermutlich für die konstitutionelle Unfähigkeit der Deutschen zur Revolution. "In jedem Fall für Fatalismus. Die Personen sehen einander nicht an, gehen aneinander vorbei. Ist das nicht furchtbar? (Ja. Weil man es nach dreißig Sekunden verstanden hat.)"
"Rasche zeigt eine Welt, die unaufhaltsam in Bewegung geraten ist, in eine Massenbewegung", schreibt K. Erik Franzen von der Frankfurter Rundschau (26.9.2016). "Geradezu weggerissen von der Wucht dieses Perpetuum Mobile eines kollektiven, extrem uniformierten Entwicklungsrausches werden nicht nur die Zuschauer, sondern schließlich auch 'Die Räuber'." Offengelegt werde die Ordnung der Gewalt. Rasches gewagtes Spiel mit totalitärer Ästhetik ende "zum Glück immerhin nicht-heroisch".
"Es ist kein berührender Abend, sondern ein bombastisches, fast vierstündiges Ereignis, das auch dem Zuschauer viel an Ausdauer abverlangt", schreibt Michael Stadler von der Abendzeitung München (27.9.2016). Rasche bombardiere mit visuellen-akustischen Eindrücken, dass keine Luft zum Durchatmen bleibe. "Schrecklicher Kitsch, könnte man urteilen. Oder es beeindruckend finden, wie hier ein Abend geschaffen wurde, der einen überrollt und im Kopf noch weiter und weiter läuft."
Förderbänder, auf denen nicht Kohle, sondern kriegerische Menschen transportiert werden, "eine Art archaische, ans Theater der alten Griechen anknüpfende Jahrmarktsensation, die man in Rasches Aufführung bestaunen kann", schreibt Wolfgang Höbel auf Wolfgang Höbel auf Spiegel online (24.9.2016). Schillers Helden seien hier schon optisch Spielfiguren in einer großen Maschinerie, "der Mensch in der Revolte bei Rasche ein Winzling im großen Fließband- und Räderwerk." "Für die Schauspieler ist das nicht unbedingt eine Einladung zu exakter oder gar psychologischer Detailarbeit. Und doch schaut man ihnen die allermeiste Zeit mit großer Faszination zu." Vielleicht sei der größte Trumpf die Musik des Komponisten Ari Benjamin Meyers, "die vollkommen gleichberechtigt mit dem gesprochenen und im Chor gebellten Wort ist". Fazit: "'Das Recht wohnt beim Überwältiger', sagt bei Schiller der Schurke Franz. An diesem Theaterabend gilt es für den Regisseur."
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Die Spielzeit 2016/2017 beginnt am Residenztheater mit einem Knaller. Derartig wuchtig sah ich den Klassiker noch nie inszeniert. Der Zuschauer wird von Anfang an hineingesogen in ein akustisches und visuelles Raumerlebnis. (TIPP: die beste Sicht ergibt sich vom Balkon oder Rang) So wie sich die Schauspieler unablässig auf vier Laufbändern fortbewegen, bestimmt der Rhythmus - ein Herzschlag - das Voranschreiten der Geschichte. Unaufhaltsam und unvermeidbar wirkt die Entwicklung der Figuren und deren Lebensverläufe. Die Laufbänder sind riesige Maschinen, in ihrer Neigung und Höhe variierbar. Von der Seite betrachtet Panzer mit Menschen bestückt. Maschinen, die ihre Laufrichtung allen aufzwingen. Bilder aus dem Jahrhundertfilm "Metropolis" von Fritz Lang blitzen da bei mir auf.
Die Gewalt und Kraft einer Gruppe wird körperlich spürbar durch Bewegung, Chor und Rhythmus. Ich merkte wie ich mich in meinem Sessel angstvoll zusammenkrümmte. Eine älter Dame sagte halblaut "Das ist Folter". Der Schrecken ist präsent, findet kein Ende. Auch wenn Ulrich Rasche keine direkten politischen Bezüge herstellen will, ich dachte an die Menschen in Aleppo. Wie müssen die sich fühlen. Sie können nicht sagen "jetzt reicht es ja mal wieder mit dem Marschieren und der Gewalt" - (oder vielleicht doch?!). Die Räuberbande entwickelt eine unglaubliche Energie. Zuerst durchaus reizvoll - welcher Jugendliche wollte nicht zu einer Gang gehören - doch immer mehr bedrohlich, machtvoll, unheilvoll in ihrer Zügellosigkeit und Gesetzlosigkeit. Die Faszination von Massenaufmärschen und deren Gruppendynamik wird spürbar, auch wenn die Räuber nicht im Stechschritt der SS daherkommen sondern als Individuen erkennbar bleiben in ihrer eigenen Gangart, auch mal als Trio im Gleichschritt.
Das ausgezeichnete Ensemble am Resi tut seines dazu. (Sollte der brillante Andrew Scott jemals daran denken seine Rolle als Professsor Moriarty in der BBC-Serie Sherlock aufzugeben, ich wüsste einen würdigen Nachfolger - Thomas Lettow. Sein Spiegelberg lässt einen kalte Schauer über den Rücken laufen.)
Franz und Karl - beide lösen sich als aufgeklärte Menschen von gesellschaftlichen Konventionen und moralischen Gesetzen - versuchen die absolute Freiheit - und werden zu Bestien. Für jeden Kuss könnte ich dir eine Mordtat erzählen, sagt Karl zu Amalia und verweigert eine happy ending.
Nicht zufällig blenden Scheinwerfer in den Zuschauerraum just in dem Moment, in dem der Chor fragt "Wo versteckt sich die Bestie?" Einige Zuschauer versuchen sich instinktiv mit ihren Armen vor den Augen zu schützen und wirken wie ertappte Übeltäter.
Aus dem Programmheft: Johann Wolfgang Goethe in einem Gespräch mit Johann Peter Eckermann: "Wäre ich Gott gewesen," sagte er (der Fürst) "im Begriff die Welt zu erschaffen, und ich hätte in dem Augenblick vorausgesehen, dass Schillers ,Räuber`darin geschrieben werden, ich hätte die Welt nicht erschaffen."
Großartig!
Wie schon bei Büchner in Frankfurt bestimmt ein leerlaufendes Bild inhaltsschwer wie leer das Exerzitium. Mit Schleef hat die Chorarbeit nichts zu tun, da fehlt nur schon der Humor. Alles 1:1 im Kitsch und darüber dann noch einen kräftigen Guss noch kitschiger Musik... bezeichnend dass die Kritik inhaltlich auch nichts erhellen kann, außer dass die weibliche Besetzung nicht funktioniert... ein paar Stücke gibt's noch für Walze...
Das hat schon ne Kraft – wird der Zweifler aufgemuntert.
Herr Rasche, als nächstes eine große Kugel vielleicht. In und auf ihr vielleicht einen FAUST. Aber bitte keine halben Sachen! Eins und Zwei! Hamburger Schauspielhaus – die können das bestimmt - mittel-technisch. Aber ob die es wollen? Ich hoffe nicht. Die Volksbühne ist doch bald frei für so symbolträchtige Großereignisse.
http://www.merkur.de/kultur/sportfreunde-schiller-6782962.html
http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.premiere-im-residenztheater-schillers-raeuber-inszeniert-von-ulrich-rasche-wie-ein-rammstein-konzert.94cbe4ba-d538-4dab-955d-3ce2feada98b.html
Für die nächste Inszenierung schlage ich dem Bühnenbildner Rasche übrigens riesige Tretrollenräder vor, wie sie en miniature in Hamsterkäfigen verwendet werden. Geeignete Texte: vorzugsweise alle Klassiker, z.B. "Don Carlos", weil besonders personenreich.
Fazit: "überwältigt","beeindruckt", aber leer im Kopf, und doch: großes Theater, das ist nicht unbedingt ein Widerspruch.
Aber vielleicht ist das ja auch das Schicksal, das Verhängnis des Theaters, das Verhängnis des Schauspielers, das heißt, was da passiert ist eine Vervielfachung, ist nur eine Doppelung eines chronischen Irrtums. Das heißt in diesem Fall: jemand spielt unter der Anleitung eines Regisseurs eine Figur, die schon von einer Schauspielerin ins Leben gerufen wurde, in einem Film, die wiederum schon, im Sinne einer Simulation, eine Figur spielt, die wiederum eine fiktive Simulation eines Regisseurs ist, nämlich in dem Fall unseres Münchner Schwulen, also Fassbinder, der sich da eine Frauenfigur einredet, , die Verkünstlichung einer Frauenfigur, zugeschnitten auf seinen Deutschhass-, Frauenhassrahmen, und die verfilmt. Das heißt, das ist die Verdrei-, Vervielfachung einer Simulation. Wo soll den da die Revolution des Fleisches, wo soll den da die Revolution des Theaters stattfinden. Also veralteter und reaktionärer geht’s doch gar nicht mehr.
Auf solchem Niveau spielt ja und hätte Frau Beglau durchaus auch in diesem Stück mitspielen können und auch bestens gepasst. Und Valéry Tscheplanowa besetzt die Rolle ja abweichend sehr gut.
PS Und nichts gegen Fassbinder. Er ist ein Hochbegabter, ein fast kriminell Begabter gewesen im Sinne der Aufdeckung unserer kleinen, provinziellen Schrebergartenschandtaten, Nachkriegsschandtaten, wenn es klein, brutal geworden, von einer üblen goetheanischen Sprache arrogant gewordenen Volkes, aber das ist provinziell, weil es nie über einer deutschen Metapher hinaus ging. Es ist völlig sinnlos einer chilenischen Bevölkerung eine Petra von Kant vorstellen zu wollen. Das macht überhaupt keinen Sinn. Das macht nur in Deutschland Sinn. Und das ist die Einschränkung der Geisteskraft, meines Erachtens. Deswegen ist für mich de facto Herr Fassbinder kein Genie. Fellini ist ein Genie. Und in diesem Sinne können bei Preisverleihungen noch so große Dankesreden geschwungen werden, fragwürdig bleibt, ob man flüchtenden Menschen in derart Stücke sperren lassen sollte.
Die Wahrheit ist natürlich, das solche Leute an ihrem Gesicht verzweifeln, an Ihrer Attitüde, sie können, banal gesagt, das meine ich mit dem Angeben, das müssen sie immer wieder angeben. Wer bist du? Also geben Sie bitte an, wer Sie sind. Da gibt es keine andere Chance mehr. Für diesen Artikel musst du genau diese Beglau sein. Und es gibt kein anderes Gesicht mehr für Bibiana Beglau. Diese Verwirrung, das ist für mich keine Haltung, sondern das ist Angeberei. Die durchzieht uns alle momentan. Oder sehr viele. Und auch auf primitiveren Niveau...
- Es ist ja das Jugendstück von Schiller, weshalb der Text dankenswerter ummodeliert und durch grünlinkes Zeug ergänzt wurde.
- Das ganze wird wie gewohnt permanent durch eine schmissige Musik untermalt, die Höhepunkte anzeigt.
- Erfreulicherweise Genderdumpf in Form einer "Hosenrolle", weil man daraus viel lernen kann über Rollen usw.
- Die an sich einzige Frauenrolle entblößt sich gegen Mitte des Stückes.
- Die Schauspieler müssen nicht agieren, sondern nur deklamieren, mitunter schreien, aber nicht laufen.
So vermisst man das Fehlen von Videoinstallionen nicht und ist zutiefst bewegt und kann ohne Bedauern in der Pause gehen, um sich beim Weihnachtmarkt zu erholen. Also eine dieser Art von Inszenierungen, der wir, wie der Merkelei in 10 Jahren nicht mehr nachtrauern werden.
„Bemerkenswert“ im Sinn eines Unikats in der Theaterlandschaft, einer unverwechselbaren Handschrift sind auf jeden Fall „Die Räuber“ von Ulrich Rasche, mit denen das Münchner Residenztheater im September 2016 in die aktuelle Spielzeit startete.
Die Räuberbande marschiert und stampft über die meterlangen Laufbänder, die wie eine Dampfwalze im Zentrum der Bühne des Residenztheaters stehen.
Mit Gurten mehrfach gesichert legen die Schauspieler an diesem Abend mehrere Kilometer im Gleichschritt zurück: mal in chorisch gesprochenen Massenszenen, mal in kammerspielartigen Duellen der Hauptfiguren. Dieses „titanische Beeindruckungs- und Überwältigungstheater“ (Süddeutsche Zeitung) ist von einem Klangteppich aus Paukenschlägen und Zirpgeräuschen unterlegt, der so wirkt, als wären „Die Einstürzenden Neubauten“ mit drei Jahrzehnten Verspätung auch in München angekommen, wie ein Zuschauer spöttelte.
Ein kraftstrotzender, kraftraubender Parforce-Marsch durch einen Klassiker aus der „Sturm und Drang“-Epoche, der aus den üblichen Inszenierungsansätzen heraussticht.
Komplette Kritik: https://daskulturblog.com/2017/01/03/die-raeuber-ulrich-rasche-inszeniert-schiller-am-residenzheater-auf-gewaltigen-laufbaendern/
Eine gemeinsame Sprache braucht es, sagt das Komittee, um Änderung zu schaffen, eine Sprache, die uns abhanden gekommen sein. Der Abend zeigt ihre Entstehung, ihre Verbreitung, die Unentrinnbarkeit ihrer totalitären Kraft. Es ist eine der Worte, eine des Körpers, eine. des Klangs. Sie vermischen sich in komplexen, polyphonen chorischen Ausbrüchen einer Gemeinschaft, der sich das Individuelle entgegenzustellen sucht – in seiner negativen Ausprägung bei Franz, in seinem naiven Optimismus bei Amalia und Karl. Nur ganz selten bricht es sich Bahn. Etwa, wenn der alte Mohr (Götz Schulte) ob des vermeintlichen Todes Karls kaum merklich stolpert. Oder wenn Franz den Kopf in Amalias (Nora Buzalka) Hände legt oder sich beide verknäueln in einer Mischung aus Nähe und Abstoßung, Liebe und Hass, Leben und Vernichtung. Oder wenn Karl und Amalia versuchen zusammenzufinden, sogar einmal für Sekunden das ewige Marschieren vergessen, sich verweigern, nur um gleich wieder einzufallen in den alles bezwingenden Schritt.
Nein, der hypnotischen Wirkung, den dieser Rhythmus aus Gehen, chorischem Skandieren, minimalistischem Silbengesang und perkussiver Begleitung entwickelt, können sie sich ebenso wenig entziehen wie das Publikum. Das begreift: Auch wir stecken da drin, stehen auf diesem Laufband, marschieren mit. Allein, in Gemeinschaft? Egal, auf der Stelle treten auch wir. Und doch: Ist in diesen winzigen, kaum sichtbaren Momenten des Innehaltens, des Sich-Verweigerns, des Alternativen Denkenwollens, nicht die Hoffnung, der Spalt, der eine Tür sein kann, den die Aufstandsrhetorik von Karl und dem „Komitee“ bestenfalls vorgaukeln? Vielleicht, doch bleibt der Zuschauer allein mit diesem womöglich imaginierten Silberstreif. Wenn das goldene Licht der Sonne aufscheint, bringt es keine Hoffnung, sondern malt Schatten auf die Bühne, die Geister der Opfer – vergangene und zukünftige – dieser Machtmaschinerie von Individualitäzt und Kollektiv. Allein im Licht Franz, hier eine Frau, die sich an die Spritze schlägt, die das Spiel aufnimmt und mitspielt, die triumphiert und scheitert. Auch dies ein (kleiner) Aspekt im komplexen Geflecht dieser zivilisatorischen Bestandsaufnahme, ein Rädchen in dieser Maschine, die Menschheit heißt. Am Ende bricht der Kreislauf einfach ab. Mittendrin. Und läuft doch unerbittlich weiter. Bis wir irgendwann stehenbleiben. Vielleicht.
Komplette Rezension: https://stagescreen.wordpress.com/2017/04/23/maschine-menschheit/
In letzter Zeit hat man vermehrt den Eindruck, dass so mancher Protagonist der vermeintlichen Theater "avant-garde" bei der Wirkungsmechanik eines André Heller oder gar bei der Riefenstahl seine Inspirationen holt.Dann noch der Chor.Von unten hoch schauen sollen die Zuschauer. Und staunen mit offenem Mund.
Ist aber leider nur eine eitle bedeutungsschwangere Sinfonie.
Unerträglich für mich.
Hörbuch hätte genügt, es gibt immer das Gleiche zu sehen.
Und es wird schön verständlich geschrieen. Schauspielroboter.
Wenn Sie Theater am Bildschirm sehen, trifft oft der Satz von Magritte zu: "Ceci n’est pas une pipe".
Valery Tscheplanowa hinterlässt allerdings eine Lücke, die schwer zu füllen ist. Eine Tscheplanowa in Bestform wie bei ihren Verzweiflungsschreien zum Auftakt von Rasches "Persern" fehlt hier als menschlicher Gegenpol zum perfekt abgespulten Maschinen- und Laufbänder-Überwältigungstheater.
Schillers sehr drastische Schilderung einer Vergewaltigung im Nonnenkloster durch die Räuberbande sorgte diesmal für einen empörten "Wer will das hören?!"-Zwischenruf.