Medienschau: Süddeutsche Zeitung – Über das Versagen der Leitungskollektive im Kulturbetrieb
Kollektiv und Desaster
Kollektiv und Desaster
11. Juli 2022. In der Süddeutschen Zeitung muss das Kollektiv Ruangrupa dazu herhalten, die Leitungskollektive im Kulturbetrieb ziemlich laut und deutlich in Frage zu stellen.
Peter Laudenbach, Kai Matthiesen und Judith Muster schreiben: "Alle sind für alles verantwortlich, aber keiner so richtig. Das übersieht unter anderem, dass die Organisation einer Großausstellung etwas anderes ist (und andere Strukturen erfordert), als eine Gruppe von Freunden, die zusammen abhängen."
Ruangrupa betreibe das Aufweichen formaler Zuständigkeiten mit antiautoritärem Anspruch und ideologisch überhöht. "Das Ergebnis ist ein bemerkenswerter Fall von Organisationsversagen. Interessant ist dieser Fall über Kassel hinaus, schon weil das Misstrauen gegenüber klaren Hierarchien und formal geregelten Entscheidungsbefugnissen im Kulturbetrieb gerade sehr en vogue ist." Ruangrupas Ideologie des Kontrollverzichts dürfte in vielen Kulturinstitutionen auf diffuse Sympathie stoßen. In der Praxis bedeutet das, dass Entscheidungen vom Gelingen der Interaktion oder schlicht vom Zufall abhängen.
"Um Machtasymmetrien zu korrigieren, werden derzeit allerorten, besonders gerne in hoch subventionierten Theaterhäusern, Leitungskollektive ausgerufen und gefordert." An der Berliner Volksbühne sei die angeblich kollektive Intendanz nicht mehr als eine Phrase. "Die beiden Schauspieler, die das Haus informal mitleiten, sind nicht etwa vom Ensemble gewählt, es sind alte Freunde des Intendanten: Das ausgerufene Kollektiv geht nahtlos ins Theaterfeudalsystem über, in dem die Nähe zum Mächtigen über Privilegien entscheidet."
In der Kritik von Machtstrukturen in Kulturinstitutionen verbindet sich die mehr oder weniger deutlich artikulierte Vermutung, formale Regelungen seien irgendwie entfremdet, autoritär oder unkünstlerisch, so die Autor:innen, "dabei bietet gerade nicht Informalität, sondern ganz altmodische Formalität in Gestalt von Betriebsräten, Arbeitsschutzvorschriften, Rollenbeschreibungen, Verantwortlichkeiten und Regeln den wirkungsvollsten Schutz vor Machtmissbrauch."
(www.sueddeutsche.de / sik)
Wir halten Sie auf dem Laufenden
Wir sichten täglich, was in Zeitungen, Onlinemedien, Pressemitteilungen und auf Social Media zum Theater erscheint, wählen aus, recherchieren nach und fassen zusammen. Unterstützen Sie unsere Arbeit mit Ihrem finanziellen Beitrag.
mehr medienschauen
- Leitungskollektive: Direktorium in Regensburg
- #1
- Klaus Kusenberg
meldungen >
- 25. April 2024 Staatsoperette Dresden: Matthias Reichwald wird Leitender Regisseur
- 24. April 2024 Deutscher Tanzpreis 2024 für Sasha Waltz
- 24. April 2024 O.E.-Hasse-Preis 2024 an Antonia Siems
- 23. April 2024 Darmstadt: Neuer Leiter für Schauspielsparte
- 22. April 2024 Weimar: Intendanz-Trio leitet ab 2025 das Nationaltheater
- 22. April 2024 Jens Harzer wechselt 2025 nach Berlin
- 21. April 2024 Grabbe-Förderpreis an Henriette Seier
- 17. April 2024 Autor und Regisseur René Pollesch in Berlin beigesetzt
neueste kommentare >
-
My Little Antarctica, Berlin Grüße und Glückwunsch
-
Harzer nach Berlin Zunichte gemacht
-
Akins Traum, Köln Autor und sein Stoff
-
Leserkritik P*rn, Berlin
-
Staatsoperette Dresden Frage
-
My Little Antarctica, Berlin Gelungen
-
Essay Berliner Theaterlandschaft Vielen Dank!
-
Essay Berliner Theaterlandschaft Die raren absoluten Ausnahmen
-
Neue Leitung Darmstadt Lange Zusammenarbeit
-
Essay Berliner Theaterlandschaft Zwei andere Akzente
nachtkritikcharts
dertheaterpodcast
nachtkritikvorschau