Medienschau: Berliner Zeitung / NZZ – Milo Rau will Mumie heimschicken
Sie haben genug Mumien
Sie haben genug Mumien
18. November 2022. Der Theatermacher Milo Rau will seine 30.000 Schweizer Franken Preisgeld aus dem Großen Kulturpreis der Stadt St. Gallen für die Rücküberführung der Mumie der vor 2600 Jahren gestorbenen Priesterin Schepenese in den Hatschepsut-Tempel von Luxor investieren. Aktuell liegt die Mumie noch in einem Glassarg in der St. Gallener Stiftsbibliothek aufgebahrt.
Für die Berliner Zeitung kommentiert Ulrich Seidler diese neueste, im Geiste der Aktionskunst von Christoph Schlinensief ablaufende "Inszenierung" von Milo Rau und konzentriert sich vor allem auf das Bilderverbot, das in Raus Aktion mitschwingt: "Indem man die junge Priesterin anblickt und sie mit den Blicken zum Objekt macht, versteht man auch ohne Provenienzforschung die spirituelle Grenzverletzung sofort. Und Milo Rau ist wieder mal der Gute. Und wir fühlen uns schlecht, weil wir Schepeneses Bild gegoogelt haben."
Kritischer sieht Nadine A. Brügger in der Neuen Zürcher Zeitung die Aktion und hat dafür Erkundigungen beim Leiter der St. Gallener Stiftsbibliothek Cornel Dora eingeholt: "In Ägypten bestehe gar kein Interesse an der Mumie, ist Dora überzeugt. Dort habe man bereits genug Mumien und Sarkophage – und man trage ihnen oft nicht so viel Sorge, wie dies in St. Gallen geschehe. (…) Wichtig sei den alten Ägyptern zudem gewesen, ihre Toten an einem Ort ruhen zu lassen, an dem sie mit Respekt behandelt würden und an dem es für sie einen Sinnzusammenhang gebe. Dieser finde sich in St. Gallen, wo die Mumie einen wunderschönen Grabraum habe."
(berlinerz-zeitung.de / nzz.ch / chr)
Update, 3. Dezember 2022. In Weiterführung der Aktion von Milo Rau haben jetzt mehr als 200 Ägypterinnen und Ägypter aus Wissenschaft, Tourismus und Kultur in einem Offenen Brief die Rückgabe der Mumie von Schepenese samt Sarkophag gefordert: "Wir sind dabei, die notwendigen Unterlagen für das ägyptische Aussenministerium vorzubereiten, um den offiziellen Antrag auf Restitution zu stellen", schreiben sie, wie die Neue Zürcher Zeitung berichtet.
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