Presseschau vom 12. November 2014 – Till Briegleb von der Süddeutschen Zeitung kritisiert den deutschen Theaterpreis "Der Faust"
Undurchsichtig und verquast
Undurchsichtig und verquast
12. November 2014. Die Festveranstaltung zur Faust-Preisverleihung in seiner Heimatstadt Hamburg nutzt Till Briegleb von der Süddeutschen Zeitung (10.11.2014), um den Preismachern in die Feierlichkeitssuppe zu spucken: "Warum gibt es keinerlei nachvollziehbares Reglement, nach dem die wenigen Nominierungen zustande kommen? Warum unterscheiden sich die Dreier-Auswahlen pro Kategorie, die irgendwie durch Vorschläge der deutschen Theater, durch Geheimratjurys beim Bühnenverein und Mitgliederabstimmung zustande kommen sollen, so krass von allen anderen transparenten Hitparaden? Und warum riechen die Nominierungen auch dieses Jahr wieder so intensiv nach Proporz, dass der selbstgegebene Titel 'Deutscher Theaterpreis' dringend umbenannt gehört in 'Deutscher Friedenspreis für Branchenharmonie'?"
Der Präsident des Bühnenvereins Klaus Zehelein kriegt für die Rede zu Verleihung des "Preis des Präsidenten" an das von der Schließung bedrohte Leipziger Institut für Theaterwissenschaften sein Fett weg: "Für diese politische Symbolhandlung" habe Zehelein "eine so komplett verquaste Rede" gehalten, "dass er jedem im Saal nur den Eindruck vermitteln konnte, man schaffe am besten die kompletten Geisteswissenschaften ab, wenn sie zu solchen Auftritten führen." Einzig Moderator Ulrich Matthes habe durch "coole, humorvolle Lässigkeit" die vielen Zweifel an dieser Veranstaltung vergessen lassen.
(chr)
Wie es 2013 bei der Faust-Preisverleihung im Berliner Schillertheater zuging, beschrieb Christian Rakow.
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Schade war, daß am Ende die Ansprache von Fr. Müller-Sommer abgekürzt wurde, da hätte ich wirklich gerne weiter zugehört.
Weshalb unterscheiden sich die Nominierungen so stark von andern Hitparaden? Ganz einfach weil die meisten (nicht alle!) Großkritiker kein Auge auf die Breite des deutschen Theaters mehr werfen sondern ausschließlich in den Großstädten die Großmeister besprechen.
Die Zeiten als ein kleines Theater wie Baden-Baden mit einem jungen Regisseur namens Jean-Pierre Ponelle oder Ulm mit einem jungen Regisseur namens Peter Zadek zum Theatertreffen eingeladen wurden, sind leider vorbei. Darum ist die breitere Betrachtungsweise des Faust hilfreich und notwendig.
Dem Lob für Matthes kann man nur zustimmen!
Die kleineren Häuser, so munkelt man untereinander, werden (wenn überhaupt) dann nur nominiert, weil sie auch einfach mal dran sind. Damit es nicht so wirkt, als würde man das Augenmerk nur auf die Großen legen.
Meiner Meinung nach sollte in die Jury-Entscheidung auch folgendes Kriterium fließen: Unter welchen Bedingungen müssen Schauspieler, Regisseure und Bühnenbildner an kleineren Häusern oft arbeiten – und was ist aus diesen Voraussetzungen entstanden.
Und, um gerecht zu urteilen, sollten alle Jury- und Akademie-Mitglieder sich wirklich alle nominierten Inszenierungen ansehen. Wenn das nicht zu schaffen ist, muss das System grundlegend geändert werden!
Entscheidend ist die Nominierung und das wird in den Theatern auch so gesehen. Dass am Ende eher die Prominenz den Preis kriegt, mag daran liegen, dass etliche Akademiemitglieder nicht vom Fach sind (s.o.), andererseits wird eben dadurch vermieden, dass das Theater sich selbst feiert, wie der Vorwurf der Süddeutschen lautet.
Kleinere Häuser brauchen keinen "Schlechte Bedingungen"-Bonus. Gerade das würde die Nominierung desavouieren.Wer die Szene kennt weiss, was sie leisten können, wenn sie sich nicht voller Selbstmitleid mit ihrem Provinzdasein begnügen.
der Wortwahl "besonders bemerkenswert" schließe ich mich gerne an – von "Beste" war in meinem Post auch nie die Rede. Nichts anderes meinte ich mit meinem Hinweis auf kleinere Häuser: Es ist oft besonders bemerkenswert, was dort geleistet wird. Einen Bonus braucht niemand.
Und die Szene zu kennen, genügt meiner Meinung nicht, um einen Preis zu vergeben. Wie ich schon sagte: Jeder sollte sich jedes vorgeschlagene Stück ansehen, um wirklich urteilen zu können.
Viele Grüße, auch dabei gewesen – übrigens kein Theatermacher, nur Theatergänger und diverse Male Faust-Preis-Besucher. Also mit objektivem Blick auf die ganze Sache.
Es geht mir um die Jury, die den Sieger kürt. Hier sollte es nicht mehr nach Freundschaft, hören oder lesen gehen. Und da werde ich den Verdacht nicht los, dass man z.B. lieber nach Berlin fährt und ins DT geht, statt nach Pusemuckel zur Pusemuckeler Bühne.
Ein Buchpreis wird ja (hoffentlich!) auch nicht nach dem Motto vergeben "Ich hab gehört, da soll einer ein tolles Buch geschrieben haben, ich kannte aber den Autoren nicht und hatte keine Zeit, mich damit zu beschäftigen, darum habe ich jetzt mal nur das von Grass gelesen". (Ich gebe zu, Bücher kann man im Bett, auf dem Sofa, im Bus, im Zug lesen und muss dafür nicht extra reisen – ein Buch zu lesen kostet hingegen aber wieder mehr Zeit als ein Theaterstück anzusehen.)