Medienschau: FAZ – Über das schwierige Verhältnis zwischen Intendanz und Geschäftsführung
Gerangel auf der Chefetage
Gerangel auf der Chefetage
5. Februar 2024. Während Theater-Intendanten vor einer Anstellung inzwischen auf Herz und Nieren geprüft werden, reicht bei der Geschäftsführung oft ein Gespräch, schreibt Sophie Klieeisen in der FAZ und macht sich Gedanken, wie man das schwierige Verhältnis zwischen Intendanz und Geschäftsführung verändern könnte.
Klieeisen beruft sich in ihrem Text in der FAZ auf die jüngsten Auseinandersetzungen am Deutschen Theater Berlin und am Staatstheater Wiesbaden sowie auf historische Fälle wie die Intendanz von Peter Zadek am Deutschen Schauspielhaus Hamburg, die 1989 mit einem Fehlbetrag von fünf Millionen Mark endete, "ohne Entlassung... Laut Inflationsrechner beliefe sich das Hamburger Defizit heute auf 16 Millionen Euro."
"Die Vorgänge in Berlin und Wiesbaden gewähren paradigmatisch Einblick in das tiefenpsychologische Strukturproblem des deutschen Stadttheaters", schreibt Klieeisen. Eingeführt worden sei die Trennung von Geschäft und Kunst ja eigentlich mal, um zwei Dinge zu erreichen: "Der Intendanz die Konzentration auf künstlerische Dinge zu ermöglichen – und deren rechnerische Kontrolle zu garantieren."
Seitdem gehe an Stadt- oder Staatstheaters kaum ein Vertrag ohne doppelte Unterschrift raus. "Die Geschäftsführung ist der Intendanz hierarchierechtlich gleichgestellt. Der Geschäftsführung unterstehen zudem nicht selten wichtige Abteilungen des Theaters, die Technik, die Öffentlichkeitsarbeit oder das Betriebsbüro, zuständig für Vorstellungsansetzung, Abonnementgestaltung und Produktionsplanung."
In Intendanzbewerbungsprozessen würden Personalberater, Psychologen und Assessment-Center eingebunden und kaum Mittel gescheut, um die passende Person gewählt zu haben. "Und Geschäftsführer? Bei deren Neueinstellung genügt oft ein Gespräch – kein Leitfaden, keine Kommission, keine Eignungsprüfung."
"Liegt da ein Hase im Pfeffer?", fragt Klieeisen und schlägt vor: "Man unterwerfe Geschäftsführungen einer ähnlichen Auswahlprozedur wie künstlerisch Verantwortliche und ermögliche der Kunst eine Mitsprache. Selbst Dream-Teams sollen schon gescheitert sein."
(faz.net / sik)
Wir halten Sie auf dem Laufenden
Wir sichten täglich, was in Zeitungen, Onlinemedien, Pressemitteilungen und auf Social Media zum Theater erscheint, wählen aus, recherchieren nach und fassen zusammen. Unterstützen Sie unsere Arbeit mit Ihrem finanziellen Beitrag.
mehr medienschauen
meldungen >
- 05. Oktober 2024 Zürich: Klage gegen Theater Neumarkt wird nicht verfolgt
- 04. Oktober 2024 Interimsintendanz für Volksbühne Berlin gefunden
- 04. Oktober 2024 Internationale Auszeichnung für die Komische Oper Berlin
- 04. Oktober 2024 Kulturschaffende fordern Erhalt von 3sat
- 04. Oktober 2024 Deutscher Filmregisseur in russischer Haft
- 01. Oktober 2024 Bundesverdienstorden für Lutz Seiler
- 01. Oktober 2024 Neuer Schauspieldirektor ab 2025/26 für Neustrelitz
- 30. September 2024 Erste Tanztriennale: Künstlerische Leitung steht fest
neueste kommentare >
-
Neumarkt Zürich Klage Unpassend
-
Kultursender 3sat bedroht Augen öffnend
-
Kultursender 3sat bedroht Link zu Stellungnahme
-
Kultursender 3sat bedroht Beste Informationen
-
Neumarkt Zürich Klage Kommunikation von Besetzung
-
Onkel Werner, Magdeburg Mein Eindruck
-
Glaube, Geld, Krieg..., Berlin Großer Bogen, aber banal
-
Penthesilea, Berlin Mythos im Nebel
-
Neumark Zürich Klage Take it or leave it
-
Neumark Zürich Klage Schutz?
nachtkritikcharts
dertheaterpodcast
nachtkritikvorschau
Die wenigsten intendant*innen verfügen über die Qualifikationen, die dieser Job verlangt. Da werden meist Dramaturg*innen oder Regisseur*innen ohne Management und Führungserfahrungen eingestellt, weil ein Gremium meist mit Intendant*innen, Altintendant*innen oder Poliktiker*innen entscheidet.
Auch wenn die Intendanz viele künstlerischen Entscheidungen trifft ist es dennoch ein Job, der Arbeitnehmer managed, über Marketingfragen entscheidet und auch Personalentscheidungen trifft, daher sollte man auch dort eine entsprechende Weiterbildung (die es auch mittlerweile gibt) verpflichtend sein.
Wie Frau Klieeisen richtig darlegt, ist die Besetzung von Geschäftsführer:innen weitaus problematischer. Hier werden leider allzu oft "Betonköpfe" aus irgendeinem städtischen Amt oder der Verwaltung eines anderes Hauses auf Posten gesetzt, in denen sie ohne jegliches Fingerspitzengefühl für künstlerische Prozesse große Macht über ebendiese ausüben. Aber vielleicht gehen unsere persönlichen Erfahrungen da einfach auseinander.
Sowohl die Vermutung, dass man sich gutes Management einfach "draufschaffen" kann (während die künstlerische Handschrift aus dem brennenden Dornbusch gewährt wird?) als auch die "Betonkopf-Versetzungstheorie", sind bestenfalls längst überholt und völlig an der heutigen Realität vorbei.
Da reicht es erfolgreiche Regisseur*in gewesen zu sein,Chefdramaturg*in, oder eine Professur im Theaterbereich zu haben, (keinesfalls zu unterschätzende Positionen). Ich empfinde es als überheblich und arrogant sich zu bewerben,ohne Zusatzskills und Weiterbildungen vorweisen zu können, die dieser Beruf verlangt. Das ist respektlos dem Beruf gegenüber und auch allen anderen Mitarbeiter*innen, die für ihre Position die nötige Qualifikation nachweisen mussten.
Zum Beispiel ist das zwanghafte Kündigen des ‚alten Ensembles‘ aus ‚künstlerischen Gründen‘, sehr unwirtschaftlich und kommt im gesamten Betrieb auch sehr schlecht an. These:Spricht das nicht eher für ein fehlendes Vertrauen in die eigene Fähigkeit die Mitarbeitenden von einem neuen Konzept zu überzeugen und zu motivieren ? Das Haus somit zu transformieren in Richtung der eigenen Handschrift?
Oder ist es die Angst mit der vergangenen Intendanz verglichen zu werden ? (Ebenfalls eine eher hinderliche Eigenschaft, um gut zu führen)
That being said: Meine Erfahrungen aus zwei Jahrzehnten an verschiedenen Häusern, in denen ich einige Intendant:innen und Geschäftsführer:innen bzw Verwaltungsdirektor:innen kennengelernt habe (hinzu kommen natürlich Erlebnisse befreundeter Kolleg: innen) wecken in mir den Wunsch, dass die künstlerische Verantwortung in den Händen genuiner Künstler:innen liegt. Und die Verantwortlichen für alles Administrative im weitesten Sinne sollten (egal wie ihr Titel), in einer perfekten Welt, ebenfalls einen Sinn für künstlerische Prozesse haben und nicht nur ihre eigene Profilierung im Sinn haben. Sie sollten keine Verhinderer sondern Ermöglicher sein. Und das galt, Betonkopf hin oder her, in meiner Laufbahn bislang leider für eine absolute Minderheit.
Wie gesagt, vielleicht sind meine Erfahrungen nicht repräsentativ, aber ich konnte die These, dass Intendanzen künftig nur von Managern bekleidet werden sollten, nicht unwidersprochen stehenlassen.
Dass es ein Zusammen zwischen Geschäftsführung und Intendanz geben muss ist essenziell. Da stimme ich ihnen zu, schließlich bilden die Posten zusammen eine Leitungsebene.
@ #8 und #7
Ich finde im Theaterbetrieb oder Diskussionen über diesen gibt es immer schnell ein entweder oder.
Warum schließt sich Theorie (die bestimmt nicht schaden kann in diesem Beruf) praktische Erfahrungen oder gar künstlerische Handschrift/ Haltung aus ?
Warum sollte das denn nicht alles vorhanden sein für diesen wichtigen, das Theater prägenden Job ?
Es schließt sich doch nicht aus, dass z.B ein*e Dramaturg*in oder Regisseur*in, bevor er/sie sich für eine Intendanz bewirbt weiterbildet und bei einer bestehenden Intendanz ‚mitläuft’ oder ein Praktikum macht, für einen Beruf, der eben zusätzliche Skills erfordert, trotzdem wird diese Person nicht ihre künstlerische Haltung verlieren.
Und dann könnte man aus diesem Pool die Persönlichkeit mit der künstlerischer Haltung auswählen, die für das zu besetzende Theater und Stadt einen künstlerischen Mehrwert bedeutet.
Die Theater- und Orchesterlandschaft in Deutschland ist groß. Es gibt rund 140 öffentlich getragene Theater. Und viele Privattheater. Da wird gut gearbeitet. Und die Leitungen funktionieren ebenso gut. Deppen und Deppinnen gibt es natürlich auch. Wie in jedem anderen Unternehmen. #7 Intendantin fragt: "Ein Strukturproblem - warum? Weil es ein paar Problemfälle gegeben hat?" - und antwortet gleich selbst: "Am Ende kommt es immer auf die konkreten Menschen an." So ist es! Überhaupt: Das LTT hat eine sehr gute Verwaltungsdirektorin.
Es wundert mich also nicht, dass Sie in ihrem Essay die Position der Intendanten einnehmen, aber ich kann Ihnen versichern, dass Intendanten bei weitem nicht auf Herz und Nieren überprüft werden. Ich habe in den letzten 3 Jahren 50 Auswahlverfahren für neue Intendanzen genauer untersucht und festgestellt, dass es nicht einmal klare Kriterienkataloge für Intendanten gibt. Dort muss noch eine ganze Menge passieren, ehe das einem idealtypischen Verfahren entspricht. Oder, was genau meinen Sie mit auf Herz und Nieren prüfen? Ich habe lediglich festgestellt, dass man einen guten Draht zum Bühnenverein haben muss und zur Kulturpolitik der jeweiligen Stadt/ des Bundeslandes. Wenn sich dann ein Vorgänger/ Interimsintendant etc. stark macht für einen neuen Intendanten, dann macht das schon mal Eindruck bei der ja im großen und ganzen hilflosen Kulturpolitik, die sich ganz auf das Plazet des Bühnenvereins verlässt. Kein Intendant in Deutschland wurde bislang jemals auf sein psychologischen Fähigkeiten geprüft. Leider ist hier kein Platz, das weiter auszuführen.
Bei den Geschäftsführer*innen habe ich jetzt einige Auswahlverfahren begleitet und kann ihnen sagen, dass diese mehrstufig sind und auf Herz und Nieren geprüft werden - wie es in Wiesbaden war, weiss ich allerdings nicht. Aber es gibt nicht genug Geschäftsführer*innen, weil sie so schlecht bezahlt werden, schwenken die besten von ihnen ab und suchen sich neue Herausforderungen. In vielen Theatern verdient die Geschäftsführer*in, die immer mit einem Bein im Gefängnis steht, weil sie die Finanz- und Personalverantwortung trägt und jeden Fehler des Intendanten ausgleichen muss, die Hälfte des Intendanten, obwohl sie die Verantwortung für das Theater ebenso trägt wie der Intendant. Daran muss man arbeiten. Die Geschäftsführer*innen in der Schweiz werden auf Herz und Nieren geprüft, vor allem in Zürich. Das sollten wir auch für alle GF und Intendanten in Deutschland übertragen. Aber das ist kein neues Lied, darüber schrieb ich bereits in "Macht und Struktur im Theater", Sie erinnern sich bestimmt, und führe es noch einmal in meinem nächsten Buch aus. Darin gibt es übrigens eine Reihe ganz spannender Fallbeispiele!