Medienschau: FAZ, Spiegel, Welt u.a. – Kritiker-Bashing-Theater in Wiesbaden?
Lokale Lächerlichkeiten?
Lokale Lächerlichkeiten?
20. November 2023. Das Hessische Staatstheater Wiesbaden plant einen Abend mit dem Titel "LATTE – Korrespondenz mit einem Redakteur", in dem es um die Berichterstattung von und die Korrespondenz mit Volker Milch gehen soll, einem Redakteur des Wiesbadener Kuriers.
Der Ankündigung auf der Theater-Homepage zufolge lädt das Theater den Journalisten ein, auf der Bühne "einige der Artikel und Mails selbst zu lesen". Der Abend wird offenbar von Staatstheaterintendant Uwe Eric Laufenberg persönlich verantwortet und steht im Zusammenhang mit dem Ende seiner Intendanz Mitte nächsten Jahres.
Darüber berichten mehrere Medien. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (15.11.2023) bezeichnet Eva-Maria Magel das Vorhaben als "Populismus mit billigsten Mitteln, mit dem bombastischen Anspruch, 'ein Sittenbild unserer heutigen Zeit' zu malen". Das sei keine "weitere der lokalen Lächerlichkeiten ..., die das Theater verlässlich begleiten, seit Laufenberg dort 2014 Intendant geworden ist", sondern "die Anschuldigung, die Presse betreibe 'Missbrauch von Freiheit', und eine öffentliche Lesung aus der Korrespondenz ... bedienen sich Methoden, die man aus den düstersten Zeiten kennt". Kürzlich habe der Wiesbadener Kurier berichtet, dass der Intendant die Kosten seiner juristischen Auseinandersetzungen aus dem Budget des Staatstheaters beglichen habe, obwohl das Kunstministerium als Dienstherr ihm dies untersagt hatte. "Die Retourkutsche des Intendanten soll nun also ein Abend auf Kosten des Hauses sein", schließt Magel, die dem Kunstministerium einen "kompletten Neustart des Hauses" nahe legt.
Im Spiegel (17.11.2023) schreibt Arno Frank: "Es wirkt wie ein Akt der Grenzverletzung in der Tradition der 'Hundekot-Attacke', bei der in Hannover der Ballettchef Marco Goecke eine Kritikerin mit Fäkalien beschmierte." Dabei mache Laufenberg für seine eigenen Zwecke Gebrauch vom großen Apparat eines mit Steuergeldern finanzierten Staatstheaters. "Respekt vor der 'Pressefreiheit und Kunstfreiheit', deren Verteidigung der Intendant sich auf die Fahne geschrieben hat, lässt sich am versuchten Vorführen eines Journalisten aber nur mit sehr gutem Willen erkennen."
Deutlicher wird Manuel Brug in der Welt (20.11.2023): Laufenberg, der als Regionalligaintendant auch überregional bestens "durch abstruse Verbalinjurien gegen die Presse, Hahnenkämpfe mit seinem Verwaltungsdirektor, Orchesterdirektor, Chefdirigenten, Schauspielchef, Chefdramaturgen, den politischen Verantwortlichen wie Geldgebern" unterhalten habe, möchte mit dem "Latte"-Abend gegen Volker Milch vorgehen. "Alles im Namen der Kunstfreiheit, versteht sich. Kleinkariertheit, dein Name sei Laufenberg."
Im Hessischen Rundfunk (17.11.2023) mutmaßt Milch über die Gründe für den geplanten Abend: "Wir haben es hier mit einer gekränkten Künstlerseele zu tun, weil Herr Laufenberg von mir und ja auch anderen Journalisten sehr viel Kritik abbekommt", wird Milch zitiert. "Ich berichte zuweilen mit einer gewissen Schärfe und Ironie, ja. Aber der Mann hat ja auch Qualitäten und auch darüber habe ich berichtet."
Der Wiesbadener Kurier, also das Blatt, bei dem Milch arbeitet, zitiert (20.11.2023) eine gemeinsame Stellungnahme des hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst (HMWK) und der Landeshauptstadt Wiesbaden: "Der Text der Ankündigung legt die Vermutung nahe, dass kritische Berichterstattung öffentlich in Misskredit gebracht werden soll. Art und Weise der Ankündigung lassen ein fragwürdiges Verständnis des Verhältnisses von Kunst- und Pressefreiheit befürchten."
Auch der hessische Landesverband des Deutschen Journalistenverbands äußert sich kritisch. "Zitieren aus veröffentlichten Artikeln, ist unserer Meinung nach mit dem Urheberrecht vereinbar", wird der Vorsitzende Knud Zilian zitiert. "Das Vorlesen der E-Mails könnte jedoch ein Verstoß gegen Persönlichkeitsrechte oder gar gegen das Briefgeheimnis sein." Insbesondere ein "Rachefeldzug gegen einen Journalisten, der kritisch berichtet hat", sei nicht zu akzeptieren. "Da hilft es auch nicht, fadenscheinig die Kunstfreiheit gegen die Pressefreiheit auszuspielen."
(geka)
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Herr Laufenberg ist ja ein Multitalent, der nicht nur Intendant ist, sondern ebenfalls Regisseur (auch am eigenen Haus), Schauspieler (auf am eigenen Haus) und Essayist (auch am eigenen Haus). Er hat - wie auch immer ihm das gelungen ist - freundlicherweise die Gelegenheit erhalten, im Haus-eigenen Magazin seine vielleicht ein bisschen quer zur damals vorherrschenden Meinung stehenden Ansichten zu Corona-Maßnahmen und Mainstream-Media ausführlich zu erläutern. Und ist ja auch sowieso ein Reißnagel, etc. Das hat diese ganzen Mächte, die sowieso schon die Meinung der etwas naiven Masse kontrollieren, ganz schön ins Schwitzen gebracht, da läßt sich einer nicht so einfach mundtot machen, egal was die Regierenden und die schreibende Klasse unter den Teppich kehren wollen. Das ist unbequem, und jetzt schlägt Mainstream-Media halt zurück, das ist doch offensichtlich!!!
Dabei war das Ganze doch als konstruktiver Meinungsaustausch konzipiert, Rede und Gegenrede, in feinster demokratischer Tradition, in aller Fairness. Hier soll ja nicht eine Einzelperson angegriffen werden, nein, hier geht es ums Prinzip, dies ist ein wichtiger, wichtiger Streit, es wird ein Sittenbild gezeichnet. Und man darf andererseits nicht vergessen, es handelt sich ja bei LATTE nicht um das Werk einer Einzelperson, Theater ist ja ein Teamsport! Nein ein ganzes Theater steht hier an der Seite seines zu Unrecht lächerlich gemachten Intendanten, die Gewerke, das künstlerische Team, die gesamte Leitungsrunde! Und Herr Laages und Herr Rothschild. Da ist ein Irrtum zwar nicht unmöglich, aber doch sehr, sehr unwahrscheinlich, oder? Denn es gilt ja nach wie vor: nur weil man paranoid ist heißt es nicht, dass man nicht doch verfolgt wird!