Presseschau vom 12. November 2016 – Spiegel online zur Debatte um Matthias Lilienthals Münchner Kammerspiele
Sehnsucht nach alten Zeiten?
Sehnsucht nach alten Zeiten?
12. November 2016. Auf Spiegel online positioniert Anke Dürr sich in der Debatte um die vermeintliche Krise der Münchner Kammerspiele zu Beginn der zweiten Spielzeit der Intendanz Matthias Lilienthal pro Lilienthal.
Lilienthal setze auf Regisseure und Teams aus der freien Szene, auf Performance-Künstler, auf aktuelle Inhalte und Diskussionen, "und er hat das genau so angekündigt."
Gewöhnlich und normal
Spielerabgänge wie der von Brigitte Hobmeier seien bedauerlich, "aber durchaus gewöhnlich in der Theaterwelt", so Dürr: "Sie stürzen dieses Theater nicht in eine Krise." Lilienthal habe eine eher holprige erste Saison abgeliefert, das sei normal für einen Neustart – "auch für das Hamburger Schauspielhaus und das Berliner Gorki Theater, um nur mal zwei erfolgreiche Beispiele für Neustarts aus der jüngeren Zeit zu nennen, lief die erste Saison nicht optimal." Und Lilienthal sei gut in die zweite Saison gestartet.
"Es ist gut möglich, dass sich in der Sehnsucht mancher Berichterstatter nach dem Theater, wie es früher war, in der Solidarität mit altgedienten Ensembledarstellern, insgeheim die Sehnsucht nach alten Zeiten in ihrem eigenen Job widerspiegelt", erklärt sich Anke Dürr dann die "Krisendebatte".
(sd)
– Interview mit Matthias Lilienthal vom 12. November 2016 – Münchner Kammerspiele in der Krise?
– Presseschau vom 11. November 2016 – die Süddeutsche Zeitung widmet sich ganzseitig der vermuteten Krise an Matthias Lilienthals Münchner Kammerspielen
– Presseschau vom 8. November 2016 – die Münchner Abendzeitung interviewt Matthias Lilienthal
– Presseschau vom 3. November 2016 – die Süddeutsche Zeitung berichtet, dass die Schauspielerin Brigitte Hobmeier ihren Vertrag mit den Münchner Kammerspielen kündigt
– Meldung vom 31. Oktober 2016 – Münchner Kammerspiele sagen "Unterwerfung" ab
– Podcast vom 27. April 2016 – die turbulente erste Spielzeit Matthias Lilienthals an den Münchner Kammerspielen
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Zurecht wird seit Jahren in der Theaterlandschaft nach politischer Haltung, gesellschaftlicher Relevanz und nach einem Ensemble nicht nur aus biodeutschen Schauspielern gerufen. Die Kammerspiele gehen hier voran, mutig ohne Netz und doppelten Boden (während sich andere Häuser nur wenige solcher "Experimente" erlauben können oder wollen), und ja, sie stolpern ab und zu. Aber bei jeder Gelegenheit nachzutreten, statt sich seriös mit Formen und Inhalten zu beschäftigen, ist schon peinlich für die wichtigste deutsche Tageszeitung. Vermutlich landen Theatertexte nur noch auf Seite 1 des Feuilletons, wenn sie "Krise" und "Skandal" schreien. Damit aber tun sie weder sich selbst noch dem Theater einen Gefallen.
Auch nicht dem konventionellen Theater, das nun so vermisst wird, mit Handlung, Dramatik und guter Sprach- und Sprechkunst. Als gäbe es das gegenüber am Residenztheater und Volkstheater nicht genug. Als sei es schlimm, wenn eines dieser drei Häuser mal was wagt. Und ja, auch das Farsi und Arabisch im "Fall Mersault" ist Sprach- und Sprechkunst!
Sich so auf die drei (rot)blonden Damen zu kaprizieren, die nun das Ensemble verlassen (sollen sie doch ans Resi gehen), das Kammerspieltheater immer nur als "blutleer" und "unsinnlich" und "sprachfeindlich" zu bezeichnen, ist ein Armutszeugnis:
Es ist, als würde jemand "Der Fall Meursault – Eine Gegendarstellung" von Kamel Daoud lesen und schimpfen, dass "Der Fremde" von Camus doch sprachlich so viel besser war. Vielleicht war er das? Aber es wird eben auch höchste Zeit für die andere Seite, für Daoud!
Camus wird an den Theatern weiter rauf und runter gespielt werden, schön deutsch und dramatisch, keine Sorge. Ich bin dankbar, dass mir die Kammerspiele vermehrt die Perspektive von Daoud zeigen. Die SZ sollte sich damit inhaltlich und politisch auseinandersetzen, statt à la AfD nur nostalgisch und gleichsam fremden-feindlich Camus hinterherzutrauern. Wir brauchen keine Rufe nach der "guten alten Zeit", wir brauchen (auch riskante und holpernde) Gegendarstellungen!
"nostalgisch und fremdenfeindlich á la AfD" lautet die Beleidigung gegenüber der SZ und Christine Dössel. Was für ein Niveau! Sollte ich mich damit noch auseinandersetzen oder es einfach als unverschämte Entgleisung abtun? Für mich sind das verbale Ausscheidungen, die bewusst anonym und damit feige aus geschützten Büschen gekotzt werden, einfach widerlich und politisch mehr als problematisch. Auf solche Kommentar-"Kacke" könnte nachtkritik gut verzichten.