Die kleinen Füchse - Nina Hoss gibt ihr Debüt an der Berliner Schaubühne bei Thomas Ostermeier in einem Unternehmerfamiliendrama von Lillian Hellman
Fast schon Hermeline
von Christian Rakow
Berlin, 18. Januar 2014. Wenn Herbert Grönemeyer im Theatersaal Platz nimmt, weiß man, dass Nina Hoss auf der Bühne steht. Das war bislang am Deutschen Theater der Fall und ist jetzt so an der Schaubühne. Intendant Thomas Ostermeier hat die Staraktrice des DT (und des deutschen Films) unlängst an sein Haus gelotst. Ein veritabler Coup. Jetzt bringen sie mit Lillian Hellmans "Die kleinen Füchse" ihre erste gemeinsame Arbeit am Lehniner Platz heraus. Und weil der Promifaktor zum Debüt auch sonst auffallend hoch war (selbst Bürgermeister Klaus Wowereit gab sich die Ehre), fühlte man sich für Momente an Glamour-Premieren erinnert, wie sie einige hundert Meter den Boulevard runter im Theater am Kurfürstendamm die Regel sind. Die Assoziation sollte auch im Folgenden nicht vollends trügen.
"Die kleinen Füchse" aus dem Jahr 1939 ist fraglos ein Paradestück für Ostermeier. Hellmann, US-Kommunistin und Verfolgte der McCarthy-Ära, bietet darin die Innenansicht einer Südstaatenfamilie, die den Absprung ins Industriezeitalter probiert. Ihre Baumwollplantage wollen die Hubbards um eine Baumwollfabrik erweitern. Ein Investor aus dem Norden hat schon angebissen. Jetzt müssen die drei Geschwister Ben, Oscar und Regina (mit ihrem Mann Horace) nur noch die Eigenanteile aufbringen und ihre erwarteten Profite untereinander gerecht aufteilen, damit der Deal in trockene Tücher kommt. Und genau darüber wird sich der Familienclan bitterlich zerstreiten.
Raubtierkapitalismus auf Wadenbeißerhöhe
Wo der liberale Gründeroptimismus längst zur mäßig prickelnden Champagner-Phrase zerronnen ist ("Jeder Mensch hat die Pflicht, an sich selbst zu denken"), wo einzig noch das Scheckbuch die Seele klingen lässt und Moralstandards so stabil sind wie Aktienpakete beim Börsencrash, da kann sich Ostermeiers Theater wunderbar entfalten. Der Regisseur hat schon oft sein Händchen bewiesen für Krisenszenarien in den heimischen vier Wänden, für den Zerfall bürgerlicher Tugenden, für die Psychologie des Verlusts und – worauf es bei Hellman vor allem ankommt – für jene, die groß aufspielen wollen, aber doch bloß Spielball sind. Also zeigt er den Raubtierkapitalismus auf Wadenbeißerhöhe, "kleine Füchse" eben, fast schon Hermeline.
Mit Schweiß auf der Stirn umgarnen die Unternehmer Hubbard ihren Investor Marshall (Andreas Schröders): Mark Waschke als Ben, der immerhin die Fassade des Machers aufrecht zu halten versteht, und David Ruland als sein etwas stumpfer Bruder Oscar, der wenig Worte macht (weil er genug mit Speichellecken beschäftigt ist), dafür seiner Frau Birdie und Sohn Leo gern mal eine langt, weil sie irgendwie peinlich sind. Ursina Lardi als Paradiesvogel mit gebrochenen Schwingen "Birdie" und Moritz Gottwald als Luftikus Leo zaubern wundervoll tragikomische Momente aus ihren Rollen als unnötige Anhängsel hervor.
Ein Abend der Frauen
Aus dem Gehege der Mittelmäßigkeit, das diese Hubbards umfängt, vermag einzig Regina herauszulugen. Ihre Ehe mit dem herzkranken Horace ist seit Jahren erkaltet, der attraktiven Frau steht der Sinn nach Ausbruch, und das Geld der Brüder soll ihn ihr ermöglichen. Mit großer Sympathie schaut Ostermeier auf diese Protagonistin und besetzt sie also mit Nina Hoss, der Virtuosin der illegitimen Kampfführung. Mit nüchternem Pragmatismus und einigem Improvisationsgeschick spielt sie den Gatten und die Brüder gegeneinander aus. Selbstgewiss, aber nicht immer selbstsicher. Wenn eine Lüge Not tut, schaut Hoss zur Seite, überlegt kurz, wie bei der Anprobe eines Kleides vor der großen Gala. Und siehe, sogleich sitzt ihre Volte.
Es ist überhaupt ein Abend der Frauen. Ostermeier zeichnet die Männer betont blass, schrumpft selbst den im Stück durchaus altersweise auftrumpfenden Horace mit seiner Herzkrankheit (maximal entschleunigt: Thomas Bading) zum laschen Bauernopfer. Glänzen dürfen die Frauen: Regina als Strategin, deren Tochter (Iris Becher) als emotionale Gegenspielerin praktisch weginszeniert worden ist (was Regina einen ganzen Tick strahlender macht); und Ursina Lardi als traurige, trunkene Aristokratentochter Birdie, eine entrückte Fantastin, die sich einzig beim Klavierspiel am schwarzen Steinway-Piano oder bei gläserweise Erdbeerbowle noch ein wenig ausleben kann.
Aber ganz will dieses Kammerspiel mit Gründerzeitflair doch nicht überzeugen. Ein Schleier des Historischen liegt auf dem Abend, weniger auf dem Stück als auf der Inszenierung, muss man sagen. Ostermeier lässt aufspielen, als wolle er das Hollywoodkino der Grace Kelly wiederaufleben lassen. Da helfen auch die behutsamen Aktualisierungen im Text nicht weiter (die Handlung wurde nach Deutschland verlegt; statt um eine Baumwollspinnerei geht es um die Umsiedelung einer einheimischen Produktion ins Ausland). Alles ist edel modern dekoriert (Jan Pappelbaum durfte sich wieder in Ledermobiliar ausleben und eine riesig aufragende Treppe in den Raum wuchten). Aber man spielt gediegen, gebremst, ohne – um im Bild zu bleiben – den letzten Biss. Und eben das erinnert denn doch eher an die Kudamm-Nachbarschaft: ein solides Stück, well made, prominent besetzt, sauber auf die Bretter gestellt. Nichts tut weh, weder im Guten noch im Schlechten.
Die kleinen Füchse
von Lillian Hellman
Deutsch von Bernd Samland
Fassung von Thomas Ostermeier und Florian Borchmeyer
Regie: Thomas Ostermeier, Bühne: Jan Pappelbaum, Kostüme: Dagmar Fabisch, Musik: Malte Beckenbach, Dramaturgie: Florian Borchmeyer, Licht: Urs Schönebaum.
Mit: Ursina Lardi, David Ruland, Moritz Gottwald, Nina Hoss, Andreas Schröders, Mark Waschke, Iris Becher, Thomas Bading, Jenny König.
Dauer: 2 Stunden 10 Minuten, keine Pause
www.schaubuehne.de
Auf der Seite des Deutschlandfunks (20.1.2014) schreibt Eberhard Spreng, Ostermeier habe seine Inszenierung "passgerecht um den Schauspielstar [Nina Hoss] herumgelegt". Zwischen der "triumphalen Nutzlosigkeit der Birdie" und der "triumphierenden Wirksamkeit" der Regina habe Ostermeier "seine Untersuchung von Frauenbildern im Raubtierkapitalismus" angesiedelt. Ursina Lardi verkörpere Birdie wie einen "gefledderten skurrilen Paradiesvogel". Nina Hoss spiele eine "erstaunlich proaktive, offensive Macherin". Damit gelinge Ostermeier nach Nora und Hedda Gabler die "dritte große Studie einer modernen Frau". Diese Frau sei "ein Monster, aber man folgt ihrem Tun nicht ohne Sympathie, denn die Welt ist pervers, in der sie sich behauptet".
"Nina Hoss beim hintersinnigen Zitieren und gleichzeitigen Aushebeln des vermeintlich weiblichen Verhaltensrüstzeugs zuzusehen, gehört zu den bisherigen schauspielerischen Höhepunkten der Saison", schreibt Christine Wahl im Tagesspiegel (20.1.2014). Ansonsten aber herrsche in diesem Unternehmerhaus "pseudoliberale Zeitgenossenschaft"; in Ostermeiers Inszenierung verdichte sich zunehmend der "Hollywoodkinoeindruck". Mit seinem Männerbild empfehle sich der Regisseur als "Unterstützer jedweder Pro-Quote-Bewegung", denn die Brüder könnten Hoss' Regina nicht einmal "ansatzweise das Wasser reichen" und selbst dem Ehemann fehlten die "Macherqualitäten". Fazit: Ostermeiers "Abend lässt sich durchaus hollywoodesk weggucken. Nur auf den viel zitierten Raubtierkapitalismus bezogen, bleiben die 'Kleinen Füchse' halt wirklich ziemlich handzahm."
Die Schaubühne erhalte mit dieser Inszenierung einen neuerlichen "Kassenerfolg", prognostiziert Dirk Pilz in der Berliner Zeitung (20.1.2014), denn sie sei "fernsehspannend, tatorttauglich" und ein "Fest des Virtuosentums". Doch bleiben für den Kritiker entscheidende Fragen offen, denn die Inszenierung "lässt die böskapitalismukritischen Töne und Kontexte Hellmans weg und fügt der Vorlage den zeit-, wenn nicht geschichtslosen Charme der Seelenwühlerei hinzu". Distanzlos vermittle sie die "Mär", dass "(f)rei ist, wer reich ist", und zeige Frauen, die sich noch in ihrer Rebellion als "Abhängige, wenn nicht Untergeordnete" der Männerhierarchien erwiesen. Und: "So wie Ostermeier die Story behandelt, die Gier und Leidenschaften zeichnet, wird uns eine verzopfte Seelen- und Beziehungslandschaft geboten, in der die Psychologie gleichermaßen wie die Ökonomie in den Stand der Naturgesetzlichkeit, also Unveränderlichkeit erhoben ist."
Hellmans Stück biete "eine der vernichtendsten Darstellungen von Ehe und Familie, die je auf dem Theater zu sehen war", schreibt Matthias Heine in der Welt (20.1.2014). Und Ostermeier tue gut dran, "es als realistisches psychologisches Theater ohne aufdringliche Interpretationszutaten zu inszenieren". Er hätte allerdings "die letzten Rudimente seines manchmal etwas aufdringlichen Handwerks auch noch weggelassen" können, so Heine. "Auf die sinnfrei kreiselnde Drehbühne hätte man genauso verzichten können wie auf die Popsongs, die als längliche Pausenfüller die Akte gliedern". Größter Pluspunkt in den Augen des Kritikers: Hier sei Raum für die Schauspieler geschaffen worden, in dem diese "Hellmans Boshaftigkeiten zum Funkeln bringen können".
Auch Barbara Behrendt von der taz (20.1.2014) hat "einen großen Schauspielerabend" erlebt. Nina Hoss balanciere die Protagonistin Regina "zwischen konventioneller Liebenswürdigkeit, egoistischer Kälte und unbeherrschten Ausbrüchen mit Triumphposen und Verliererzorn." Auch die übrigen Akteure spielten "großartig". Das "geschwätzige Stück" sei "angenehm entschlackt" worden, allerdings bleiben für die Kritikern Einwände gegen das Stück bestehen: "Ostermeiers Thema, die Erforschung, wie sich kapitalistisches Denken aufs Zwischenmenschliche auswirkt, lässt sich bei Ibsen besser darstellen als mit den "Kleinen Füchsen". Hellmans Figuren wirken vom ersten Moment an durchökonomisiert und kaum von erkennbaren psychologischen Motiven geleitet. Sie bleiben flach, sodass Ostermeier mit ihnen nicht so weit kommen kann wie mit Ibsens ambivalenter Figurenzeichnung."
In der Süddeutschen Zeitung (21.1.2014) schreibt Peter Laudenbach: "Für den Versuch, diese zu Unrecht in Vergessenheit geratene Autorin für das Theater neu zu entdecken, muss man Ostermeier dankbar sein. Noch schöner wäre es, wenn seine Inszenierung nicht so überdeutlich und die Figuren weniger klischeehaft wären." Man ahne schon, dass hier die moralische Verkommenheit wohne, denn je teurer das Interieur, desto skrupelloser seine Bewohner, "das ist die kleine Ostermeier-Schule der Kapitalismuskritik mit Mitteln der Inneneinrichtung". "Wer auf Kosten der Unterschicht Geld scheffelt, schlägt in Ostermeiers Theaterwelt auch seine Frau und hintergeht seine Geschwister."
In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (21.1.2014) schreibt Irene Bazinger, dass sich Ostermeier sämtliche inszenatorischen Mätzchen verkneife und nur auf das Stück schaue. Die Aufführung vibriere geradezu "vor psychischer Anspannung und extrem verdichteter Energie". "Ostermeier zaubert weder feministische noch kapitalismuskritische Lösungen aus dem Hut, sondern lässt die Aufführung gekonnt in der Schwebe enden." Die Wiederentdeckung des Stücks sowie die Inszenierung seien zu preisen.
Die schöne Frau "ist üblicherweise die Trophäe, das Pfand, die Geisel, der Köder oder der Katalysator auf einem von Männern überrannten Spielfeld. Ostermeier und Nina Hoss spielen dieses Spiel eine Weile mit, aber dann zeigen sie, wie die ganze Truppe vom Blitz getroffen wird – nur sie bleibt stehen", schreibt Peter Kümmel in seiner Doppelrezension in der Zeit (30.1.2014), die auch Isabelle Hupperts Auftritt in Marivauxs "Die falschen Vertraulichkeiten" am Pariser Théatre de l'Odeon behandelt. "Wie viel Gift Hoss in einen Blick, einen Zischlaut, eine Bühnensekunde legen kann, ist immer wieder sehenswert." Die Frau, die sie spielt, brauche für ihr Wohlbefinden eines nicht: das Gefühl, sie werde geliebt oder auch nur gemocht. Sie hat sich von allem sozialen Zierrat befreit.
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Mir ging es gestern Abend eher umgekehrt. Mich hat das Interesse am Stück phasenweise immer wieder verlassen, weil ich das Gefühl hatte, die Figuren nun zu kennen, aber die SchauspielerInnen holten mich immer wieder rein, weil sie mit einem Wort, einer Pause, einem Satz, wieder eine neue Nuance des Genralthemas Verworfenheit, eine neue Falte im Seelenantlitz entdeckten. Dass Hoss und Lardi in der unvorstellbaren Präzision und Konzentration jeder Sekunde großartig waren, ist gar keine Frage. Aber fast noch mehr habe ich Jenny König in der Nichtpartie des Dienstmädchens bewundert. Was die alles mit stummem Spiel erzählt hat ist schon ein Stück für sich : Le récit de la servante Zerline. Oder um an der Schaubühne zu bleiben: Franz Xaver Kroetzens "Wunschkonzert" mit der unvergessenen Anne Tismer. Insofern verstehe ich nicht, warum ständig vom Star Nina Hoss geschrieben wird. Die meisten der Darsteller waren Stars.
War es ein Abend der Frauen? Die Frauen haben halt mehr über Bande gespielt, die Männer sind eher direkt aufs Ziel losgestürmt, wobei die Blicke, Modulationen, Pausen Badings auch nicht von Pappe waren. Ich finde nicht, dass man sie ins zweite Glied stellen sollte, nur weil sie anders waren. Waschke war mir einen Hauch zu eitel, aber mon Dieu: Andere werden das anders sehen und ich werde nicht widersprechen.
Raubtierkapitalismus auf Wadenbeißerhöhe? Nee, kann ich nicht nachvollziehen. Das sind Skorpione, die da umeinander schleichen und darauf lauern, sich gegenseitig den Gnadenstoß zu versetzen.
Das Ende: Grandios. Wie Elisabeth am Ende von "Maria Stuart" - die Siegerin hat gewonnen, aber es ist kein "Volk" mehr da, ihren Sieg zu bewundern. Die Virgin Queen versteinert. Ein Pyrrhussieg.
"Alles ist edel modern dekoriert (Jan Pappelbaum durfte sich wieder in Ledermobiliar ausleben". Das sehe ich anders: Diese Szenographie war eine Kreuzung aus Rudolf Noeltes tiefengestaffelten Räumen mit ihrem Lichtspiel und einer der Luminokinetischen Skulpturen von Laszlo Moholy Nagy. Die Schatten, die wandernden Scheinweferkegel, die Reflexionen der Tischplatte am Plafond, das Spiel der Treppenschatten auf dem Boden, das magische Leuchten der Wasserkanne in der Nacht… All das war Teil einer einzigartigen Bühnenerzählung ohne Worte, die von einer Schönheit, einem Luxus erzählt, der sich so verhärtet hat und zum Selbstzweck geworden ist, dass alles Menschliche diese Perfektion nur stört und infolgedessen ausgelöscht werden muss. Die simple Kapitalismuskritiker hat hier wirklich eine magische Dämonie bekommen. Auf einmal übernehmen "die Dinge" die Regie und arbeiten an der Austreibung des Menschen - wie in einem Science Fiction-Film. Dieses Bühnenbild, das nach nix aussah, war schon seinerseits ein abendfüllendes Kunstwerk.
Aber ich find das jetzt nicht so problematisch: Warum dürfen Frauen nicht auch Führungspositionen haben? Ich würde von einer Frau mit faschistoiden Zügen nicht gleich generell den Wunsch der Autoren ableiten, dass Frauen Führerfiguren sein sollen. Ich finde, dass Regina sich nicht anders verhält als ihre Brüder oder ihr Mann. Die Brüder sind bloß blöder.
Und im übrigen: Leni Riefenstahl, Frau Mao, Frau Ceaucescu, Frau Honecker, Hilde Benjamin, Lynndie England, Ulrike Meinhof, die ganzen KZ-Wächterinnen unterschiedlichster Nationalität etc. waren ja auch alle nicht netter. Das diskreditiert aber doch die Frauen nicht. (Ich weiss: mit meiner Namensliste ziehe ich gerade wieder einen Riesen-Shitstorm auf mich, aber ich liebe nunmal keine menschenverachtende Gewalt - egal, ob die Leute an langen oder kurzen Hebeln sitzen, gute oder schlechte Absichten haben, eine behütete oder miserable Kindheit hatten).
Ich glaube, mal wegen der Stars, mal wegen der Kunst und manchmal wegen beidem.
Im Falle der Füchse, glaube ich, dass die Subtilität des Spiels, des Lichts, der Regie ein eher mittleres Stück auf eine unglaubliche Höhe gehoben hat (wenn man sich die Bio der Autorin zwischen Aufklärung und Pose durchliest, wird alles noch viel schillernder). Bei Kriegenburgs "Judith" am DT zum Beispiel, war das Stück unendlich viel aufregender, als die "Stars". Und bei Zadeks 2. Hamlet (1999) oder Rosmersholm z.B. waren Stück und Spiel auf der gleicher schwindelerregender Höhe.
ich verwende den Nick "Guttenberg", weil ich den Ideenklau für das Treibmittel der kapitalistischen Arbeitsteilung in der Kulturindustrie halte: Die Einen erarbeiten Ideen, die Anderen vermarkten sie. Und wir tun jetzt mal alle so, als seien die Einen und die Anderen identisch.
Zu "Aufklärung und Pose": Nach der Lektüre des englischen Wiki-Artikels über Lillian Hellmann finde ich sie eine ziemlich schillernde Person: Eine Lügnerin, die mit Wahrheit handelt; eine hochintelligente Frau, die (in manchen Fragen) unheimlich dumm war. Und das Ganze in einem Amerika, das sich in ihrer Biographie wie ein Gefängnis ausnimmt. Solche Paradoxien setzen in mir den Wunsch frei, dem auf den Grund zu gehen.
Aber das ist alles Wikipedia-Weisheit. Ich habe leider keine Zeit zu prüfen, was wirklich daran ist. Da bleibt nur der Verdacht, dass das eine spannende Geschichte sein könnte, die unsere "idées reçues" über den Haufen werfen könnten.
"I wasn't as shocked by McCarthy as by all the people who took no stand at all....I don't remember one large figure coming to anybody's aid. It's funny. Bitter funny. Black funny. […] I suppose I've come out frightened, thoroughly frightened of liberals. Most radicals of the time were comic but the liberals were frightening." (Lillian Hellmann)
Und doch ist Die kleinen Füchse kein ganz großer Ostermeier-Abend geworden. Zu routiniert spult er zuweilen sein Programm herunter, lässt er die Drehbühne sinnlos kreisen, drapiert er das Ensemble immer wieder zu nur schönen Hollywood-Tableaus. Natürlich ist das präzisestes Handwerk: die virtuosen Beschleunigungen und Verlangsamungen, die elaborierte Lichtregie, die geschmackvolle Musikuntermalung. Vielleicht wollte er seinem Filmstar Nina Hoss ein passendes Ambiente schaffen, aber der Hochglanz, in den er sein Monopoly packt, ist dann doch ein wenig glatt geraten, die Kälte nur unterkühlt, die theatralen Mittel sichtbar, ohne dass sie thematisiert werden sollen. Und so lässt der Abend den Zuschauer weitgehend kalt, statt Frösteln gibt es anerkennendes Nicken, statt existenzieller Einsichten wohlige Bewunderung. Der Zuschauer bleibt zurückgelehnt in seinem Sessel, die Stuhlkanten werden kaum beansprucht.
Komplette Kritik: http://stagescreen.wordpress.com/2014/01/23/hochglanz-monopoly/
Beachgirl: Seltsamer Anspruch, Kapitalismuskritik wie eine Regie-Hausaufgabe einzufordern über die man feststellt, dass sie vernachlässigt wurde. Wieso müssen sich Regisseure und -innen zusätzlich zur Konzentration auf Darstellung von Machtkämpfen zwischen Frauen und zwischen Männern sowie zwischen Männern und Frauen, wenn es ums Geld geht, auch noch der Kapitalismuskritik befleißigen? Die doch das Publikum auch selber kann? Bei der Informiertheit heutzutage! - Unabhängig davon, dass hier jemand den Tanz um das goldene Kalb vermeintlich gewonnen hat, sollte man vielleicht eher darüber nachdenken, ob es überhaupt relevant ist, dass hier eine Frau diesen Kampf – vermeintlich, siehe Guttenberg – gewonnen hat. Und zwar gegen Männer, die sich, Beachgirl, erlauben können, Schwäche zu zeigen. Weil sie ihre historisch geschlechtsspezifisch gewordene ökonomische Stärke als Selbstverständlichkeit verinnerlicht haben. Oder ob es eventuell relevanter ist, zu sehen und zu erkennen, dass im K a m p f um Geld und Macht es überhaupt keinen Sieger geben kann. Sondern nur Verlierer. Komplett. Der Kampf ums Geld unterscheidet sich essentiell vom Monopoly-Spiel. Das Spiel hat einen Rahmen, der Kampf ums Geld nicht. Verehrter Sascha Krieger, wenn ich da hinginge, sähe ich nun ein Monopoly-Spiel oder die subtile Darstellung eines Machtkampfes? Das Psychogramma macht mir Pein, sozusagen, wenn Sie der Ansicht sind, es wäre nur ein Monopoly-Spiel… Nicht das Geld zerstört die Seelen, sondern der Kampf um die Macht, über seine Verteilung zu entscheiden. Und dieser Kampf wird zwischen Frauen ebenso gekämpft wie zwischen Männern. Und eben auch zwischen Frauen und Männern. Durchaus auf Augenhöhe. Auch wenn die Frauen das besonders ungerne hören oder sehen wollen, weil ihre Kleider dann irgendwie knittrig wirken. Ihre Mittel sind nur andere, nicht schwächere. Ein Umstand, aus dem große Geister Komödien zu machen wussten… Der inhumanen Entsolidarisierung zwischen Männern und Frauen geht die inhumane Entsolidarisierung innerhalb des eigenen Geschlechts immer voraus. Diese erzeugt den Kampf um die Macht. Und der Kampf um die Macht verhindert jenen gemeinsamen, freundschaftlichen Kassensturz, der den sozialen Bedarf registriert und gerecht befriedigt - So tief können die Sessel gar nicht sein wie unser Bedürfnis, vor der sich ausbreitenden Kälte in ihnen möglichst in Gänze zu verschwinden… Noch so ein Sieg und wir sind verloren…
Motti, the Mull and MxB-San
Und könnten Sie folgenden Satz bitte nochmal erläutern?: "Und zwar gegen Männer, die sich, Beachgirl, erlauben können, Schwäche zu zeigen. Weil sie ihre historisch geschlechtsspezifisch gewordene ökonomische Stärke als Selbstverständlichkeit verinnerlicht haben". Merkwürdige Begründung. Männer können also erst dann Schwäche zeigen, weil bzw. wenn sie ihre ökonomische Stärke als selbstverständlich verinnerlicht haben? Hä?! Sollte es nicht eher darum gehen, dass es komplett grotesk ist, um Geld und Macht zu kämpfen? Sollte es bei diesen Kämpfen nicht vor allem um die Fähigkeiten der Menschen als soziales Kapital gehen und nicht um das ökonomische Kapital? Sollte es nicht um Solidarität, anstatt um die Macht und/oder den Sieg gehen? Mir würde es immer nur um solche Themen gehen. Aber vielleicht denke ich auch zu "lieb" und wäre damit folglich das "Opfer" solcher Leni Riefenstahl-Frauen (und -Männer). Keine Ahnung. (...)
Zwischen Sein und Sein zeigen besteht ein Unterschied. Sonders in der Schauspielkunst. Sie wird ausgeübt, um u.a. diese Wahrheit zu zeigen… Jetzt dürfen Sie Hä?! sagen, ohne dass es mich unangenehm berührt...
und deshalb als Diskussion hier nicht fortsetzbar.
Das Gerüst des Plots kommt den Zuschauern aus zahlreichen Romanen, Theaterstücken und Filmen bekannt vor: der Patriarch (Thomas Bading als Horace Giddens) ist schwer krank, die reizende Verwandtschaft kreist wie die Geier ums Erbe, das sie an einen Investor verscherbeln möchte. Jeder versucht den anderen übers Ohr zu hauen oder für seinen Vorteil zu instrumentalisieren. Es gibt neben dem sterbenden alten Mann nur noch zwei Figuren, die halbwegs als Sympathieträger taugen würden, wenn sie sich aus ihrer Opferrolle emanzipieren könnten: erstens Birdie Hubbard (glänzend gespielt von Ursina Lardi), die in diese Schlangengrube eingeheiratet hat und ihren Frust seit 22 Jahren im Alkohol zu ertränken versucht, während die anderen Familienmitglieder mit der Nikotinsucht zu kämpfen haben. Zweitens die Enkelin Alexandra (Iris Becher), die ihren schlaksig-verschlagenen Cousin Leo (überzeugend: Moritz Gottwald) heiraten soll und auch sonst wie auf dem Schachbrett hin- und hergeschoben wird, bis sie sich endlich mit Grausen von dieser Sippschaft abwendet.
Trotz der Schwächen der Handlung und manch absehbarer Entwicklungen sieht man dem Schauspiel gern zu. Neben den Genannten überzeugten vor allem Nina Hoss (nach ihrem Wechsel vom Deutschen Theater Berlin seit 2014 neu im Schaubühnen-Ensemble als Regina, die Raffinierteste und Gefühlskälteste in dieser intriganten Familie und Mark Waschke als ihr Bruder Ben. Langanhaltender Schlussapplaus für diese schrecklich nette Familie in Thomas Ostermeiers Inszenierung.
http://e-politik.de/kulturblog/archives/756-756.html