Wie es euch gefällt - Elmar Goerden vergeigt seinen Saisonauftakt mit Shakespeare
Falsches Lachen, falsche Töne
von Andreas Wilink
Bochum, 19. Oktober 2007. Eigentlich müsste man sich eine derart naheliegende Pointe ja verkneifen und dürfte nicht von Bruchlandung oder Absturz sprechen, wo schon metapherngerecht ein in der Mitte auseinander gebrochenes Flugzeug-Wrack auf der Bühne des Bochumer Schauspielhauses (Silvia Merlo, Ulf Stengl) liegt. Der Flieger ging offenbar im Wald von Arden unplanmäßig nieder und hat seine menschliche Fracht ausgesetzt.
Weil aber dieser zugegeben billige Wortbildeffekt so sehr dem Abend selbst entspricht und seine ranschmeißerische Absicht exakt auf den Punkt bringt, sei es getan. Elmar Goerden trudelt mit "Wie es euch gefällt" ins Bodenlose.
Wie ist das möglich?
Dass eine solche Aufführung am Schauspielhaus Bochum möglich ist, wo Zadek, Steckel, Haußmann, um nur diese drei Intendanten-Vorgänger Goerdens zu nennen, Shakespeare geprägt haben, dass überhaupt ein ernstzunehmender Regisseur mit derartig altbackenem und nicht einmal trashigen Klamauk eine Komödie inszeniert und mehrere Jahrzehnte Auseinandersetzung mit dem Dramatiker ignoriert, lässt sich kaum erklären.
Dabei hätte der Kontinent Shakespeare es nötig, an der Ruhr wieder sichtbar zu sein, nachdem er schon in der Hartmann-Ära unentdeckt blieb, während er am Rhein zumindest theatral verzeichnet wird. Goerdens frühe Gefährtin in der studentischen Shakespeare-Company "Countercheck Quarrelsome", Karin Beier, bezeichnet Shakespeare ohnehin als den "Mann ihres Lebens" und wird am Kölner Offenbachplatz als erstes in einigen Wochen "Maß für Maß" herausbringen, bald gefolgt von einer "Hamlet"-Bearbeitung von Laurent Chétouane.
Und Jürgen Gosch, der sich immer wieder und oft mehrmals mit den Dramen Shakespeares beschäftigt, hat seit seinem Düsseldorfer "Macbeth" vor zwei Jahren der Rezeption einen kräftigen Blutschub und dem Düsseldorfer Schauspielhaus europäische Aufmerksamkeit verliehen und dort am selben Tag wie Goerden mit "Was ihr wollt" Premiere gehabt (siehe hier).
Tingelingeling, that's amore
Der Bochumer Shakespeare sieht zunächst, am Hofe Herzog Fredericks, aus, als wäre das Personal für eine Agatha Christie- oder Pater Brown-Adaption kostümiert – in Tweed, Karo, Samt und mit Seidentuch. Countrylook. Witz kriegt das höfische Vorspiel nicht, es sei denn, es fände jemand komisch, dass zwei aus der deutschen in die englische Sprache stolpern und wieder zurück. Falsches Lachen, falsche Töne, falsche Munterkeit.
Disco-Beats hämmern, eine Konfetti-Kanone schießt Goldpapier ins Parkett, kurz vor Finale wird dann Fliegeralarm die Notgelandeten, Exilanten und Liebeskranken zu Boden werfen. Die Musik wechselt konfus von "MASH" zur Wiener Klassik, um sich mit Dean Martin ins Happy End zu ölen: "Tingelingeling, that's amore". Alles aus der Luft gegriffen. Nichts stimmt. Nichts passt zusammen. Aber macht viel Umstände. Die Regie reißt ständig die Seitentüren zum Foyer auf, um die Schauspieler hereinzuholen, was man ebenfalls buchstäblich zu nehmen geneigt ist: Die Aufführung hat keine Mitte. Tobt sich auf Nebenschauplätzen aus.
Dass Celia (Anna Schäfer), des einen Herzogs Tochter und Busenfreundin des verbannten Herzog-Bruders Tochter Rosalind (Claude de Demo), als Behinderte im Rollstuhl sitzt, ist nichts als ein Vehikel, das sich in keine inhaltliche oder psychologische Richtung bewegt. Da sieht man sich dann nochmals verführt, das in den Radspeichen des fahrbaren Untersatzes aufgepinselte Wörtchen "Fun" zum Ziel der drei Stunden zu erklären, die ratternd und scheppernd leer laufen.
Wenigstens das: Eine kostbare Kuriosität
Goerden lässt sich auf nichts ein, findet keine Form, interessiert sich für kein Gefühl. Die Aufführung bleibt ohne Stringenz, nicht mal logisch in der einmal selbst behaupteten Setzung der Situation. Das mittelmäßige bis jämmerliche Ensemble lärmt und chargiert auf entsprechende Weise. Einzig Margit Carstensen als melancholischer Jaques – herb, bitter, mürbe und filigran – wirkt wie eine kostbare Kuriosität. Am Ende wünscht sie den vier Brautpaaren "Viel Spaß" und plädiert vergeblich "für Geist". Der Rezensent schließt sich ihrem Wunsch an.
Wie es euch gefällt
von William Shakespeare
Regie: Elmar Goerden; Bühne: Silvia Merlo, Ulf Stengl; Kostüme: Lydia Kirchleitner. Mit: Maja Beckmann, Margit Carstensen, Claude De Demo, Anna Schäfer, Mark Oliver Bögel, Henning Hartmann, Benno Ifland, Sascha Nathan, Christoph Pütthoff, Bernd Rademacher, Alexander Maria Schmidt, Klaus Weiss.
www.schauspielhausbochum.de
Kritikenrundschau
Anders als Jürgen Gosch mit seiner Düsseldorfer Inszenierung von "Was ihr wollt" (siehe hier), suche Elmar Goerden mit "Wie es euch gefällt" Zuflucht bei "falschen Sicherheiten", bemerkt Andreas Rossmann (FAZ, 23.10.2007). Und was die Schauspieler "an erotischen Verwicklungen und schwebender Schwermut" nicht erspielen können, wird mit "herbeizitierten Schlagern" erledigt: "Das musikalische Potpourri hält das Publikum bei Laune", und die Konfettikanone sorge für "Bombenstimmung". Das "unterforderte Ensemble" lasse Shakespeare hier zum "Anlass für Kleinkunst" schrumpfen.
Werner Streletz (Westdeutsche Allgemeine, 22.10.2007) hat nicht nur Jubel für Elmar Goerdens Inszenierung erlebt, er selbst verließ den Abend "süffig gelabt". Zeugten Goerdens bisherigen Bochumer Inszenierungen nämlich "oft von Behutsamkeit, die die Biederkeit streifen konnten, griff er nun in den Farbtopf greller Effekte und verwandelte das zauberische Treiben im Ardenner Wald mit kräftigen Strichen zur klugen Narretei", der allerdings "etwas weniger Glitzerkonfetti gut getan hätte". Das Publikum fühlte sich "wie erlöst" und applaudierte frenetisch dem "fabelhaften Ensemble". Zudem werde der Zuschauerraum immer wieder ins Spiel miteinbezogen, "dazu Disco-Beat, 'Sympathy for the Devil' der Rolling Stones, ohrgefälliger Chorgesang, Nonsens-Geplapper, Aus-der-Rolle-fallen. (...) Ein gewagter, gelegentlich willkürlicher Stilmix". Dem Ensemble gelinge es aber, den Figuren "greifbare Eigenständigkeit" zu geben, "wenn auch mit unterschiedlicher Tiefenschärfe."
Für Judith von Sternburg (Frankfurter Rundschau, 22.10.2007) ist das "aufregendste Ereignis" die "gewaltige Goldflitterkanonade, die anlässlich des Ringkampfes zwischen dem abgebrühten Profi Charles und dem ganz aus privater Wut kochenden Jung-Orlando über das glänzend gelaunte Publikum im Schauspielhaus Bochum niedergeht". Elmar Goerden lasse Aufwand treiben, mit Flitter und dem Flugzeugwrack. Und das Ensemble? Zeige "Klasse", Christoph Pütthoff und Claude De Demo vor allem. Dennoch sei die Inszenierung "unverbindlich spaßig und die einzelne Szene mal stärker, mal schwächer, mal mehr Comedy, mal mehr doch recht braves Stadttheater". Denn natürlich müsse "von einem solchen Abend am nächsten Nachmittag mehr übrig sein als Goldblättchen, die noch immer aus den Rocktaschen rieseln".
Ronny von Wangenheim (Ruhr Nachrichten, 22.10.2007) meint, "eine merkwürdige Komödie" gesehen zu haben, "in der sich Tiefsinn mit absolutem Nonsens paart". Goerden, der das Stück einen "Flickenteppich" genannt habe, akzeptiere beides, "scheut nicht den Kalauer, die Effekte, schafft aber auch eindringliche Momente". Dabei präsentiere er vor allem "ein temperamentvolles Ensemble, das auch aus den kleinen Rollen große Auftritte macht".
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Nicht gut, nicht schlecht trifft es meiner Meinung nach auf den Punkt. Ein 100% unterhaltsamer Abend, der aber leider wegen mancher Regieeinfälle eher an eine Schultheater-AG erinnert!
Natürlich habe ich diese Premiere gesehen und sie in meiner naiven Unbedarftheit bis zur letzten Minute genossen, habe Tränen gelacht, mich von dramatischen Momenten anrühren lassen, fand die Schauspieler großartig, die Regieeinfälle gemäß dem Stücktitel witzig, überraschend, anspringend-lebendig, teilweise aberwitzig & herrlich überdreht und trotzdem das gesamte Stück geführt und zusammengehalten. Wollte es eigentlich im Freundeskreis unbedingt weiterempfehlen und bin daher um so dankbarer, das Sie mir doch noch rechtzeitig die Augen geöffnet haben. Als »normaler« Theatergänger mit diesbezüglicher intellektueller Unterbelichtung, die ich ja nun unverschuldet mit 99,9998 % der bundesdeutschen Bevölkerung teile, brauche ich Führung (gerne auch von wie oben stehend aufgeführten Experten, die zwar nicht vor Ort waren, aber trotzdem ihrer Kulturverantwortung gerecht werden müssen - bitte unbedingt mehr davon).
Sehr dankbar nehme ich auch zur Kenntnis, das es nach dem Regie-Theater (habe ich mal irgendwo bei Bild aufgeschnappt) nun anscheinend einen neue Art von Theater geben soll - das Kritiker-Theater für die besseren 0,002 Prozent der Zuschauer, die wirklich wissen, um was es beim Theater geht.
Vielleicht wäre das ja eine Idee? - Nach eigentlicher Premiere und Abo-Premiere auch eine A-Inzenierung für Fachleute und eine B-Premiere für uns, den Pöbbel.
Dann müßte ich jetzt nicht so ein schlechtes Gewissen haben, das ich mich köstlich unterhalten und lebendig bewegt gefühlt habe.
Sehen Sie es mir bitte nach (wie auch meine sicher zahlreichen Rechtschreibefehler - ich weis es halt nicht besser).
Ihr Michael G.
Irgendwo hier war auch eine negative Kritik über "Der Alptraum vom Glück". Jetzt werde ich mir das Stück erst recht ansehen.
Für ein Publikum, das Shakespeare ernst nehmen will, ist Goerdens Inszenierung ein Reinfall. Wer sich Unterhaltungstheater ansehen will, ist hier genau richtig. Wie in einer Einführung vom Chefdramaturgen gesagt wurde, ist dies ein Shakespeare fürs Publikum. Schade, dass das Bochumer Publikum sich mit so etwas identifizieren kann. Denn selbst Komödien von Shakespeare sind nicht für diese Art Klamauk geeignet.
Aber dass gerade die Befürworter solche Schwierigkeiten haben, andere Meinung zu ertragen gibt mir schon zu denken... allerdings ganz sicher nicht darüber, ob ich in meiner Ignoranz eine großartige Inszenierung verkannt habe.
Wir sehen uns im Schauspielhaus.
Dr. Joshua Grünberg
Es wird endlich einmal Zeit, daß man zumindest zur Kenntnis nimmt, was Elmar Goerden in Bochum leistet. Das Ensemble ist doch wohl der Hammer! Es wird aber immer so getan, als wäre das dem Intendanten Goerden so in den Schoß gefallen! Der hat Sie aber geholt und gefordert: Maier, Kogge, Boysen, de Demo, Schönfeld und wie sie alle heissen! Und solche Schauspieler wie Alexander M. Schmidt (Touchstone in "Wie es euch gefällt") oder die tolle Maja Beckmann, die haben doch bei Hartmann nur Wurzn gespielt.
Wo also hat der Herr Wilink (who?) seine Augen? Eine Gosch-Inszenierung, die kann man sich übrigens kaufen, Regisseure wie Lisa Nielebock muß man entdecken. Dafür Goerden Respekt.
Gruß aus Köln, wo wir übrigens schon stolpern über die vorab ausgelegten roten Teppiche von Wilink und Co. Da kann ich dem Dr. J.Grünberg nur zustimmen: Wilink macht Politik, mit Kritik hat das jedenfalls nichts zu tuen. Am Mittwoch also auf in die Kammerspiele zum "Alptraum vom Glück", die hier übrigens auch schlecht besprochen wurde. Mittlerweile ein guter Grund reinzugehen, wie ja schon "Annette" trefflich bemerkt hat.
Jörg Inderfurth
es ist schön, dass die Debatte mit den letzten Beiträgen etwas sachlicher wird. Lächerliche Sekundanten und Zwischenrufer wie die die oben stehenden hat Andreas Wilink (als Autor von Theater Heute und Mitglied der Theatertreffen-Jury) gewiss ebenso wenig nötig wie meine Verteidigung. Auch ich wäre gespannt zu hören, was der Kritiker selbst sagt.
Zum Gosch-Vergleich gebe ich zu bedenken: Auch Bruno Ganz („Die Schändung“) dürfte nicht umsonst nach Bochum gekommen sein. Und, Dr. Grünberg, was Essen mit einem geringeren Etat, aber einem innovativen Regisseur wie David Bösch zustande bringt, ist aller Ehren wert und sollte hier nicht als bloß theaterpolitisches Lob abgekanzelt werden.
Noch eine aufrichtige Frage: Weiß jemand, etwa die Redaktion, wie es um die Auslastungszahlen bestellt ist? Wieso wird man neuerdings in Bochum bei so vielen Inszenierungen (z.B. bei „Die kahle Sängerin“ schon Anfang dieses Jahres) gebeten, vom Rang ins Parkett zu wechseln, damit die Schauspieler unten nicht vor leeren Stühlen spielen müssen?
die von Ihnen gewünschten Informationen kann ich Ihnen umstandslos liefern. Ich bin allerdings kein Mitglied der Redaktion, sondern nur ein langjähriger Abonnent des Schauspielhauses seit Peymanns Zeiten und regelmäßiger Teilnehmer an den Sitzungen des Kulturausschusses der Stadt Bochum. Das Schauspielhaus verzeichnete in der zweiten Spielzeit unter seinem neuen Intendanten einen Zuschaueranstieg von ca. 20.000 Zuschauern und liegt bei einer Platzauslastung von knapp 70%. Die Zahlen sind besser als unter Hartmann zur selben Zeit. "Die kahle Sängerin" war übrigens tatsächlich auch bei mir mäßig besucht; es ist nichtsdestotrotz eine hervorragende Inszenierung von Jan Bosse.
Freundliche Grüße,
F. Küpper, Bochum
Endstation Sehnsucht, Gott des Gemetzels, Floh im Ohr, Penthesilea, Idealer Gatte, Die Boten, Clavigo, Eines langen Tages Reise in die Nacht, Au Schau, Die Ziege, jetzt: Wie es euch gefällt, Genannt Gospodin, Katze auf dem heißen Blechdach, Gespenster. Hallo???!!!!
John Wayne und der Sex in den Wolken
Gut, ich verstehe ich rede so ein Art kodiertes Japanisch. I'm back guys. I eat my sushi, bald wird
der Thunfischfang reduziert sein. Attac! or to be thats the question?
Vermutlich wirke ich etwas aggressive, aufdringlich und unseriös.
Man wirft mir den Internetanarchist (Troll) vor.
Bin halt kein Schirrmacher, so eine FAZ Feuilleton Gott. Anzug, Krawatte,
Flanell, Dienstwagen. Ich fahre auf dem Fahrrad rum wie Fritz Teufel(Kommune 1).
Selbstzerstörung oder Unterwerfung: etabliert sein, oder Underground. Du
gehorchst den Stimmen der Einflüsterer, dem gesellschaftlichen Druck,
oder du gehst deinen eigen Weg, achte darauf, dass du nicht
selbstzerstörerisch wirst. Falls du selbstzerstöerisch wirst, hinterlasse
einen Abschiedsbrief. Dann hast du alles getan, was du tun konntest.
Ich ziehe mir Maxim Gorki Sommergäste in der Inszenierung (DVD) von Peter Stein rein und
frage mich, wenn explodiert alles. Ich flippe danach durch alle Kanäle,
Stimmen, Bilder bedrängen mich. Verwässert das Internet nicht? Ist
Internetjournalismus zu seicht? Fragen über Fragen. Kommt der Internetjournalismus
gegen den so vernünftigen FAZ Feuilltonismus an? Was bewirkt so ein Forum hier?
Warum wird in den John Wayne Filmen kein Sex gezeigt und im Theater? Ist das Theater
nicht "primtiv" genug und pornografisch?
Ich attackier Gott, gelassen, verwegen. Ich schnipple die Zigarette weg, ein Bettler
kriecht über den Boden und hebt die Kippe auf, er zieht daran, er hustet. Ich
klopfe ihm auf die Schulter. Ich frage ihn nach der Uhrzeit, er sagt, ob ich mich
verirrt hätte.
Für ein armes Theater braucht man keine Kulisse. Keine Theorie, es steht
ein Kleidungsständer auf der nackten Bühne, das Spiel beginnt, jeder
Schauspieler sucht sich sein Kostüm selber aus.
Die Baader Group hat mich angemailt, wenn ich erscheine ( der neue Guru). Sie
suchen Verbündete zum Mitspielen, oder machen wir weiter mit Jungschartheater,
oder lassen es explodieren?
Unentschieden,ob ich in Thearapie gehen soll. Oder den Angriff starte.
Sorry suche nur meine Spielwiese und Sandkasten wie viel Kreative und
Kulturschaffende. Wann bezahlt mich Nachtkritik für meine Kolumne.
Uli Wahl
Wegen der Bescheidenheit nur ein kurzer Monlog!
CD Tipp: Working Man's Cafe Ray Davies (Kinks)
Buchtipp: Der leere Raum, Peter Brook
auch ich habe den besprochenen Abend gesehen (leider nicht die Premiere). In einigen Punkten kann ich Ihre Kritik nachvollziehen. Aber stutzig werde ich doch, wenn Sie Vergleiche zu den großen Vorgängern ziehen, die in Bochum die Auseinandersetzung mit Shakespeare geprägt haben: Auf der einen Seite kritisieren Sie die "ranschmeißerische Absicht", den "Fun" und "Viel Spaß" als offensichtlich einziges Ziel der Inszenierung, auf der anderen Seite ziehen Sie Regisseure wie Peter Zadek und Leander Haußmann als vorbildlich im Umgang mit Shakespeare heran. Ich finde, auch (und meiner Meinung nach: gerade!) große Shakespeare-Abende müssen nicht automatisch scharf vom Volkstümlichen abgegrenzt sein. Für seine Volkstheater-Obsession war Zadek verrufen (Die Zuschauer saßen z.B. beim Wildgruber-Hamlet auch mitten im Geschehen, es gab Suppe und verbilligte Karten beim VfL fürs Publikum...). Und dass das von Ihnen zitierte "Viel Spaß" dem berühmt-berüchtigten Grußwort von Leander Haußmann entspricht und Sie offenbar sein damals vielgescholtenes "Spaßtheater" als vorbildlich darstellen, macht mich nachdenklich. Heißt das: Früher war alles besser? Wenn ja, fände ich das fatal im Hinblick auf die Geisteshaltung der Avantgarde des deutschen Feuilleton.
Der Goerden hat halt eine teilweise kindische Komödie (teilweise kindisch) inszeniert. Das mag bei ihm manchmal altbacken daherkommen (da gibt's Schlimmeres), bestimmt hat der Abend so manche Schwäche, sicher gibt es unter den Theatermachern auch manche, denen es besser gelingt, Klamauk als etwas Sinnvolles zu verkaufen und vielleicht können andere Klamauk einfach besser.
Trotzdem: Wenn offensichtlich Klamauk angesagt ist, verstehe ich nicht, wie Sie auf Kategorien wie Logik, Stimmigkeit und Form bestehen können. Sie schreiben, Goerden ließe sich auf nichts ein und ich muss Ihnen das Gleiche in Bezug auf den ganzen Abend ebenso attestieren. Einen solchen Abend nicht mit den Augen eines Kindes sehen zu können, muss erschütternd sein. Schade, dass Ihnen das nicht vergönnt ist. Sie verpassen viel (nicht nur Spaß)!
Mit freundlichen Grüßen, Ihr
Karl A.
Mit freundlichen Grüßen
Angela
Dies war mein Beitrag zur "Basisdemokratie"... ;-)
"bruchlandung-metapher für die Aufführung", irgendwie schon
das publikum bestand zu 90 % aus bild- und werbeblattlesern (so wie einer der dickbräsigen rezensenten oben), der sitzplatzfaktor: 95 %; die stimmung war entsprechend (kirmesmässig) und es wäre doch tatsächlich fast zu standing ovations gekommen......
Im Übrigen schiebt der Regisseur seine Schauspieler wie Kulissen hin und her. Kein Timing, kein Witz, allein Versatzstücke noch und nöcher. Selbst für seine Musikeinsprengsel nimmt er sich keine Zeit. Alles ist nur dazu da, um das hohle Gerippe dieses Abends mit etwas Lametta zu behängen. "Kleinkunst" fürwahr.
Wenn man der Nachtkritik trotzdem nicht zustimmen mag, dann nur, weil Herr Wilink mit Margit Carstensen eine Akteurin lobt, deren theatralische Schauspielkunst gute 30 Jahre hinter den aktuellen Entwicklungen zurückbleibt, die bei jedem schwingenden Vers mit ihren Händen bedeutungsvoll herumfuchtelt und deren erster Impuls, wenn es mal staatstragend zu werden verspricht, weil allseits beliebtes Bildungsgut verteilt werden darf ("All the world's a stage"), lautet: Ran an die Rampe, tönen!
Und noch ein Wort zum Popularitätsverdacht. Die Lacher halten sich doch auch beim Bochumer Publikum (@Schaer, wie gründet sich der Verdacht, es seien größtenteils "Bild"-Leser?) durchaus in Grenzen; ich schätze ein Lacher pro 10 Minuten (dann allerdings bei wirklichen Höhepunkten ;-): "Wir werden nichts verzehren, bis sie wiederkehren."
als Ruhrgebietler, den es vor kurzem ins Schwäbische verschlagen hat, der aber häufiger Gast am Schauspielhaus war, kann ich Ihnen Folgendes sagen: Die Bochumer mögen es schon leicht, das Hartmann-Theater war ja alles andere als anspruchsvoll. Man wollte nur Haußmann in Bochum nicht haben, weil weder die lokalen und überregionalen Medien, noch die Lokalpolitiker und Teile der Bochumer Bevölkerung (aber keineswegs alle!) einen ostdeutschen Intendanten akzeptierten. Deshalb war es von Anfang an geplant, Haußmann abzuschießen, worüber in Bochum auch offen gesprochen wurde. Entsprechend wurde Hartmann natürlich künstlich geputscht, mittlerweile hat sich ja in Zürich gezeigt, dass er so fähig nicht ist. Deshalb auch das auffällige Schweigen im Bezug auf Ihre Fragen.
Gruß Rüdiger
Ich war mal Student und bin jetzt wohl eher dem bürgerlichen Publikum zuzurechnen. Als Theatergänger seit Peymann kann ich die diversen Intendanten sicher recht gut einordnen. Klar will ich mich nicht nur stundenlang in Reflexion über einen Theaterabend üben. Es darf auch mal amüsant sein. Auch mal richtig derb ("Helge Schneider"), aber es soll schon noch den Intellekt ansprechen
Ich war am Samstag in der Inszenierung und nachher doch enttäuscht. Zwar habe ich ziemlich ansprechende Schauspieler erlebt, war aber irritiert, wie sprunghaft und wenig schlüssig die Inszenierung war. Wenn Goerden für psychologische Feinheiten und Texttreue steht, dann soll man ihm zurufen "Schuster bleib bei deinen Leisten". Ihn aber derart zu vernichten, wie es Herr Wilink getan hat, schießt weit über das Ziel hinaus.
PS: Leander Haußmann war ein junger Wilder, der nach einer langen und sehr strengen Intendanz (Steckel) den Laden "aufmischen" sollte. Das kann man ihm verübeln, muss abewr auch sehen dass Gotscheff und Kruse beachtliche Inszenierungen abgeliefert haben. Warum Matthias Hartmann hier als Schaumschläger abgemeiert will ist mir völlig unklar. Der Mann kann ein Haus "auf Vordermann bringen", dem breiten Publikum gefallen, aber wer in den Inszenierung der Stücke von Neil LaBute war, hat nachdenkliches und anspruchsvolles Gegenwartstheater gesehen. Und war er auch kann ist: schlüssig inszenieren. Wem das zu süffig ist, kann ja zu Castorf gehen und der stetigen Zertrümmerung beiwohnen.