Black Flame - Volkstheater Wien
Elon freut sich
31. Dezember 2022. Es wummert, es wummst: Für ihren Bühnen-Essay über das Erdöl als verendete und verwandelte Biomasse feuert die Regisseurin und Autorin Manuela Infante aus allen Theatermittel-Rohren. Neben vielen philosophischen Fragen treten auf: ein Entschuldigungscoach, ein verunfallender Formel-1-Fahrer – und Elon Musk.
Von Theresa Luise Gindlstrasser
31. Dezember 2022. Kurz vor Jahresende feuert das Volkstheater nochmal aus allen Theatermittel-Rohren: "Es wird laut! Es wird grell!", wird am Eingang gewarnt. Und gehen tut's um ein anderes mit vergehender Zeit in Verbindung stehendes Ende, nämlich Erdöl als verendete und verwandelte Biomasse.
Für "Black Flame" versammeln die Autorin und Regisseurin Manuela Infante und der Sounddesigner Diego Noguera Gedanken und Geräusche zum Thema. Geräusche? Der Abend deklariert sich als "soundbasierter Essay" und setzt mit einem Wummern mit so richtig Wumms ein. Wenn dann ein einsamer Scheinwerferkegel die Schauspielerin Anna Rieser, zierlich-menschlich hoch am Baugerüst mit einem Mikrophon hantierend, als Urheberin der monströsen Klänge outet, dann ist das erstmal ziemlich witzig. Da versucht sich ja nur jemand verständlich zu machen.
Dollarzeichen in den Augen
Und zwar wer? Elon Musk. Rieser fläzt breitbeinig auf großen Kanistern und beantwortet bereitwillig, da ist der Krach zur bloßen Verzerrung geworden, die Interviewfragen eines über Schriftprojektionen kommunizierenden "Mediums". Aus Antworten wird bald ein Monolog, und Elon erzählt wie mit Dollarzeichen in den Augen von der Sonne, die ihre Energie sinnlos ins Universum hinaus verschwendet – einfach den Norden Mexikos mit Solarpaneelen bedecken, das ist Stromversorgung für die ganze USA, das ist Zukunft. Georges Batailles philosophische Ökonomie klingt an: Die unproduktive Verausgabung eines Himmelskörpers soll dem kapitalistischen Nützlichkeitsprinzip unterworfen werden, und das wilde Brennen verkommt zu domestizierter Energie. Elon freut sich.
Rieser wird an diesem Abend aber auch noch andere Rollen spielen: einen erschöpften Wissenschaftler, der von der Bohrinsel herab seine Tätigkeit als "fossile Lotterie" beschreibt, einen Entschuldigungscoach, der nicht für Entschuldigung, sondern für Entschuldigung im Rahmen des Nützlichen plädiert, einen verunfallenden Formel-1-Fahrer, dem die geliebte Maschine plötzlich zur Geschwindigkeits- und Explosions-Falle wird. Und (zum Finale in Spiegelverkehrung mit dem Anfang): ein Medium (eine Schauspielerin?), das mit einem über Schriftprojektionen kommunizierenden, toten Autor (des Gesamt-Essays!) über das Potential von Erdöl diskutiert, den Menschen ihr Sein zum Tode zu vermitteln. Währenddessen turnt Rieser über das Gerüst oder wirft mit Knopfdruck auf einen Generator einen Lichter-Wahnsinn an, öffnen und schließen vier Techniker mehrmals den Fußboden über einem Scheinwerfer oder vermengen sich die Tonspuren zum großen Rauschen.
Metaphern-Verausgabung
Was bei all dem und trotz aller Verve Riesers immer wieder abhanden kommt: der Faden. Nicht unbedingt der rote, denn dass es hier im Großen und Ganzen um Ökonomie und Ökologie gehen soll – heißt auch um Ausbeutung, Wachstum, Grenzen und den Tod –, das vermittelt sich ja unbedingt. Aber im Detail erschließt sich vieles nicht oder zumindest nur als eine Metaphern-Verausgabung. Zum Beispiel das Ende: Vom Öl etwas über den Tod lernen, wird da als Parole ausgegeben. Nachdem zuvor das Öl als Zombie und seine Gewinnung als Wiederbelebung charakterisiert und der gesamte Komplex als Metapher einer kapitalistischen Produktivität inthronisiert wurde, fällt es einigermaßen schwer, das Erdöl nun wieder nur als unproduktive tote Masse zu hören.
Und falls diese Textpassage darauf abzielt herauszustellen, dass all die nützliche Produktivität sowieso irgendwann zum totalen Verlust, nämlich zum Kollaps des Planeten führen wird, dass Erdöl gerade in seiner kapitalistischen Produktivität eh der Tod ist, dann fällt es wiederum einigermaßen schwer, ausfindig zu machen, was daraus zu lernen sein könnte. Wird hier das akzelerationistische Argument platziert, dass der Karren gegen die Wand fährt und wir also gegen die Wand fahren sollen? Impliziert nicht der Begriff "Lernen" irgendwie humanistisch Veränderung, und was hat das mit einem, weiß nicht, Angleichen an das Verhalten der Sonne, die sich stur verschwendet, zu tun? Fragen über Fragen. Was ja nicht das aller Schlechteste ist, was sich über einen Theaterabend sagen lässt.
Privileg der happy few
Und über diesen lässt sich außerdem auch genuin Gutes sagen. Zum Beispiel: Mit einer in alle Klänge des Regenbogens verzerrten Stimme intoniert Rieser mit pastoraler Gestik wieder und wieder "Wir sind hier um uns zu entschuldigen", nur um eine Ausnahme nach der anderen zu nennen, die Zerstörung des Planeten als nützlich und notwendig auszugeben. Die hochgelobte menschliche Freiheit entpuppt sich dabei nach und nach als ein Privileg der happy few, das nur durch die Ausbeutung aller anderen zustande kommen kann. Innerhalb von ein paar Minuten vermittelt sich hier der ganze Themenkomplex in szenischer Prägnanz. Da freut sich nicht nur Elon.
Black Flame – a noise essay
von Manuela Infante
Regie: Manuela Infante, Musik/Sounddesign: Diego Noguera, Bühne: Michael Sieberock-Serafimowitsch, Kostüm: Mona Ulrich, Lightdesign: Voxi Bärenklau, Video: Max Hammel, Dramaturgie: Jennifer Weiss, Recherche- und Dramaturgiemitarbeit: Camila Valladares.
Mit: Anna Rieser
Premiere am 30. Dezember 2022
Dauer: 1 Stunde 30 Minuten, keine Pause
www.volkstheater.at
Kritikenrundschau
Kurzum "kluges Theater", hat Thomas Kramar von der Presse (2.1.2023) im Volkstheater gesehen. Für ihn ist der Abend ein "Essay, ein wuchernder, hypertropher, sich sein eigenes Scheitern einverleibender Essay über Arbeit und Wirtschaft, Leben und Tod. Der, wie viele gute Essays, aus dem Spiel mit der Sprache, mit den Wortbedeutungen entsteht."
Ganz anders Michael Wurmitzer im Standard (2.1.2023), der sich über das "zu lose zusammengeschnürte, teilweise ärgerlich wohlmeinende Stück ärgert: "Es sind unheimlich viele leere Textkilometer, die der Abend 'Black Flame' in lediglich rund 70 Minuten macht. Er ist gegen Öl und hat recht. Doch er hält seine Argumente für so erdrückend, dass er sie schludrig vorträgt. Man wird Zeuge mittelmäßig informativer Belehrungen, kritischer Banalitäten und vieler am Nonsens kratzender hohler Phrasen. Die 'flüssige schwarze Flüssigkeit' ist ein Beispiel für die Fahrigkeit, mit der hier proklamiert wird. Der Abend behauptet kluge Sätze, ist aber öde."
Trotz Bewunderung für Infantes Inszenierungsmittel bleibt auch Petra Paterno von der Wiener Zeitung (2.1.2023) reserviert: "Inhaltlich hat sich Infante absichtsvoll von jeglicher Narration entfernt, ungeordnete Gedankengänge sind beabsichtigt, da es um Assoziationen rund um das Thema Öl geht, gewitzte Gedankensplitter sind willkommen rund um die Energiequelle, die hier ob ihrer Entstehungszeit launig als 'Dino Juice' beschrieben wird. Jedoch driftet der Gedankenstrom zunehmend in Richtung Tod und Sterben ab. Der Text lässt sich sogar zu der Behauptung hinreißen, wir könnten vom Öl etwas über das Sterben lernen. Wenn das bloß nicht ein zu großes Vorhaben ist, für einen so schlichten Bühnenessay."
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