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Kritikerumfrage von "Theater heute" 2013
Der FC Bayern unter den Theatern
Berlin, 5. September 2013. Bei der diesjährigen Kritikerumfrage der Fachzeitschrift "Theater heute" räumen die Münchner Kammerspiele so ziemlich alles ab, was es in dieser Befragung von 44 Kritikern abzuräumen gibt. Das von Johan Simons (noch bis 2015) geleitete Haus wurde mit 10 Stimmen zum Theater des Jahres erkoren.
Auch die Schauspielerin des Jahres, Sandra Hüller, kommt aus München und erhielt mit 16 Stimmen die quantitativ höchste Zustimmung für ihre Fashion-Victim-Rolle in Die Straße. Die Stadt. Der Überfall, für die sie beim Berliner Theatertreffen bereits mit dem 3sat-Preis ausgezeichnet worden war. Bei den Männern waren sich die Kritiker nicht so einig, und so reichten 5 Stimmen, um Steven Scharf, ebenfalls von den Kammerspielen, (als Michel in Houllebecqs Plattform) als bester Schauspieler ganz oben aufs Treppchen zu heben. Bei Risto Kübar (Jahrgang 1983), der in Orpheus steigt herab den verführerischen Fremden Val spielt, sind sich die Kritiker uneins, ob er noch in die Nachwuchs- (7 Stimmen) oder schon in die Hauptkategorie (2 Stimmen) gehört – die meisten entscheiden sich für ersteres und küren ihn damit zum Nachwuchsschauspieler des Jahres.
Eine klare Inszenierung des Jahres gibt es nicht. Drei Inszenierungen, allesamt auf dem Theatertreffen vertreten, konnten jeweils 4 Kritiker überzeugen: Karin Henkels Ratten vom Schauspiel Köln, Sebastian Nüblings Orpheus steigt herab (abermals) von den Münchner Kammerspielen und die Hamburger Thalia-Arbeit von Luk Perceval Jeder stirbt für sich allein, deren Bühnenbild von Annette Kurz zum besten des Jahres gekürt wurde (5 Stimmen). Die tollsten Kostüme haben 4 Kritiker in Andreas Kriegenburgs Sklaven (Deutsches Theater Berlin) ausgemacht, sie stammen von Andrea Schraad.
Jeweils 3 Stimmen als beste Nachwuchsschauspielerinnen konnten Anna Drexler (Onkel Wanja, Münchner Kammerspiele), Marie Rosa Tietjen (Glasmenagerie, Schauspiel Köln) und Julia Häusermann (Disabled Theater, Theater Hora) auf sich vereinigen. Susanne Kennedy hat als Nachwuchsregisseurin des Jahres mit ihrem eiskalten Fegefeuer in Ingolstadt 5 "Follower" für sich gewonnen.
Das überzeugendste deutschsprachige Stück ist in diesem Jahr nach Meinung von 9 Kritikern X-Freunde von Felicia Zeller, die beim Mülheimer Dramatikerpreis noch Katja Brunner unterlag. Diese wurde für ihr in Mülheim preisgekröntes Missbrauchsdrama von den beinen zu kurz mit 10 Stimmen (und 2 Stimmen in der Hauptkategorie) zur Nachwuchsautorin des Jahres gewählt.
Geärgert haben sich die Kollegen auch, vor allem über die Neverending-Schauspielhaus-Sanierung in Stuttgart, außerdem über die Absetzung des umstrittenen "Tannhäuser" von Burkhard C. Kosminski in Düsseldorf und die Blackfacing-Ermahnungen von Bühnenwatch.
(Theater heute / ape)
Zum Vergleich: Das hier sagen die 54 Kritiker der "Deutschen Bühne" in ihrer Umfrage.
Hier noch mal die Ergebnisse der "Theater heute"-Kritikerumfragen von 2012, 2011, 2010, 2009 und 2008.
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(Klare Sache, die "Glasmenagerie" mit Marie Rosa Tietjen lief am Schauspiel Köln. Da haben wir etwas vorschnell einen Fehler im "Theater heute"-Text aufgegriffen. Ist korrigiert.
Vielen Dank für den Hinweis!
Anne Peter / Redaktion)
In der Summe mittelt sich der Geschmack der deutschen Kritik offenbar zu einem lauwarmen Süppchen aus Gemüseresten. Wenn es aber darum geht, an festgefügten Selbstbildern zu rütteln, wie es Bühnenwatch gemacht hat, dann empfindet man das als Ärgernis. Ehrlich gesagt: Da muss man ja den Kritikerstand fast verachten lernen. Ich will mal die Nachtkritik halbwegs ausnehmen, weil hier über Bühnenwatch doch recht ernsthaft diskutiert wurde.
traurige ratlosigkeit überkommt mich ob dieses stillstands/
ein stehendes gewässer/
konservatives, fast schon reaktionäres scheint sich durchzusetzten/
ohne risiko/
kein scheitern ist gefragt/
kein fragen überhaupt/
leer/
spiegel des deutschen stadttheaters!! / ??
das funktional ausdifferenzierte Subsystem Theater kann durch Kritik allenfalls irritiert werden. Temporär.
das Problem des Stadttheaters ist vielmehr das kochen im eigenen Saft und das sich selbst reflektierende und besitzstandswahrende Gehabe derer, die im Boot sitzen.
Es ist wirklich ein Trauerspiel. Jetzt, wo das Centraltheater Geschichte ist, wirft man ihm schnell noch ein paar Lorbeeren hinterher. Wem nützen die jetzt noch? Und warum gerade jetzt, am Ende einer respektablen, aber sicher nicht der besten Spielzeit des CT? Zu der Zeit, als das Haus von einer peinlich-beschissenen Leipziger Kulturpolitik und einer an Borniertheit nicht mehr zu überbietenden Lokalzeitung niedergemacht wurde, zu dieser Zeit hätte es so ein überregionales Feedback gebraucht. Damit die Schimmelreiter in Rathaus und Redaktion mal den Spiegel vorgehalten bekommen hätten. Zu der Zeit allerdings waren offenbar alle froh, ein Haus gefunden zu haben, an dem man seinen Kulturfrust abladen konnte. Erinnert sei auch an Sewan Latschinians von atemberaubender Unkenntnis geprägte Abrechnung in der Sachsenbeilage der ZEIT oder an die nachtkritik von Herrn Schmidt, der eine Premiere in der Skala vorzeitig verließ, sie trotzdem in Gänze verriss und gleich noch die Schließung der Spielstätte guthieß. Und die LVZ? Der ist es am heutigen Tag noch nicht einmal eine (!) Zeile wert, dass das CT von vier Theaterkritikern als "bestes Haus" benannt wurde. Noch Fragen??? Frei nach dem Motto: Es darf nicht sein, was uns nicht passt. Zu groß ist allseits die Vorfreude auf das neue alte Schauspiel Leipzig, das der Spielzeitvorschau zufolge neben dem üblichen Singsang "Wir machen Theater für die Stadt und in der Stadt" zum Theaterkanon zurückkehren wird. In der Stadt wird es vorab schon dafür überschwänglich gefeiert, dass es das Dschungelbuch im Leipziger Zoo aufführt, von der Kulturpolitik, von der LVZ - UND von der BILD Leipzig! Herrn Lübbe und den seinen an dieser Stelle nichts Schlechtes. Aber sie sollten sich bei aller Rückkehr zum Abonnententheater gewiss sein, dass viele das CT nicht so einfach abhaken werden, wie es die Leipziger Schimmelreiter gerne tun.
www.kultiversum.de/Theaterheute/Kritikerumfrage-2013.html
Kann nur zustimmen den Blick mehr in die Provinz zu lenken.
Da wird manchmal noch ernsthaft versucht Theater für den Ort zu machen und nicht für die Kritiker.
Also auf in den Kampf, die Bahncard 100 gezückt, schlimmer als in den Grosstädten ist es auch nicht.
Lieber Thomas Wieck,
Kritiker-Ranking durch Schauspielregisseure - prima Methode, um Kritiker zu bestechen. Ich schreib dann nur noch lieb über, sagen wir, Kimmig, damit er mich liebt.
Gebe Dir vollkommen recht. Die Anbiederung, die allenthalben passiert ist genauso dumm, wie das Schielen nach überregionalem Applaus.
Leipzig jedenfalls hatte eine eigene Handschrift, und das ist wahrlich nicht nur diejenige des Hausherren gewesen. Gerade "Schuld und Sühne" , von Martin Laberenz gewissermaßen zum Skala-Abschied gesetzt, war in der nämlichen Spielzeit ein absolutes Highlight für mich, und bei meinen wiederholten Besuchen in Leipzig (zu drei der Hartmann-Spielzeiten) bin ich wahrlich immer wieder ins Gespräch gekommen: mit Leipzigerinnen , mit Leipzigern. Es ist absurd, zu behaupten, da hätte es nichts für Leipzig gegeben. Lese ich obige Kommentare so quer, schwankt die Einschätzung zur TheaterHeute-Liste so in etwa zwischen "Totengräber der kleinen Bühnen" und "PR-Aktion für TH". Ich will mir den Verweis auf Senftenberg hier sparen; ich selbst bin (zum wiederholten Male schreibe ich das)
kein großer Rankinglistenfreund, was mich nicht hindert, einmal herauszustreichen, wenn mir Nominierungen erwähnenswert erscheinen. Herr Wieck befragt den Status der KritikerInnen bzw. andere Poster konstatieren deren großstädtisch-lokale Bindung. Diese Einwände finde ich nicht fehl am Platze, dennoch muß ich sagen, daß gerade die vier Kritiker, die für Leipzig votierten, mir eigentlich als ziemlich "reisefreudig" erinnerlich sind und nicht unbedingt als solche, die auf PR-Tricks der Hartmannbühne fürs Großfeuilleton letztlich empfänglich wären ! Gerade Brieglebs Voting hat mich sehr gefreut.
Interessant, was sie da schreiben. Sie scheinen da allerdings einen inneren Widerspruch nicht ganz bis zum Ende ausgetragen zu haben. Wenn ich es recht erinnere, dann wurde Hartmann gerade damit beauftragt, das Leipziger Theater aus dem Provinzmief und dem Mief der abgehalfterten Volks(?)zeitungs-Rezension herauszuholen. Wenn sie stattdessen lieber Provinztheater wünschen, dass sie unterhält, nicht aufstachelt, dass sie einlullt, nicht vor den Kopf stößt, ich könnte mir vorstellen, dass sie dann tatsächlich bald bekommen, was sie brauchen. Heizdeckchen nicht vergessen! Im Theater brennt kein Feuer mehr!
siehe Kommentar 19.
Ja. Wir alle sind Leipziger. Oder Konstanzer. Oder Tübinger. Natürlich.
Aber Stadttheater heisst Stadttheater, weil es Stadttheater heisst.
Was auch nicht ganz so dumm ist.
Zuerst das Volk, dann der Ruhm.
Nicht umgekehrt.
Mehr habe ich nicht gemeint. Hat überhaupt nichts mit Anbiederung zu tun. Hab nur auf auf den Artikel reagiert und unterstützt, dass es in der Provinz wundervolle Perlen gibt. Natürlich auch Schrott.
Aber den gibt es ja überall.
Stadttheater hat eine Verantwortung.
Abholen und Konfrontieren.
Aber da muss man die Stadt erstmals ernst nehmen.
Hier und Jetzt.
Anbiederung ist langweilig und nur den Künstler mimen auch.
Wogegen das Theater der Kunst sowieso immer hinterherhinkt, was die Sprache, die Mittel, das Denken betrifft.
Was nicht schlimm ist, es hat andere Vorzüge.
Aber wenn man das auf die Fahne hängt...
... und die dann noch woanders hinweht....
Also auf in die Provinz.
Was sie einfordern, ist kein künstlerisch-kreatives Theater. Was Sie einfordern, als wäre das selbstverständlich wie sonst was, ist Dienstleistungstheater. Ich will doch kein Regisseur, der seine Handschrift verwischt, nur damit der Leser irgendeines Reclamheftchens lesen kann. Wer spricht denn von Ruhm? Am Theater?!!! Ich weiss nicht, woher die komische Denke kommt, dass man ein Anrecht auf Allgemeinverständlichkeit hat, nur weil man mit seinem Steuergroschen dem Theater ach so sehr unter die Arme greift. Und was überhaupt Provinz ist, da kann man bei so manchem Großstadthaus in Berlin oder Hamburg sowieso lustig drüber streiten.
Mit Stadt meine ich nicht die Politik. Eine Stadt besteht aus mehr Menschen. Die meine ich.
Die Menschen ernst nehmen, meine ich, OHNE Anbiederung, mit Lust und Kreativität fordern, JA, abholen und weiterführen, aber nicht (und das meine ich eigentlich) in erster Linie für das Feuilleton inszenieren, oder für den nächsten Karriereschritt.
Der kommt automatisch, wenn man die Stadt ernst nimmt.
Und JA! Mehr Geld in die freie Szene.
Mehr Geld in die vielen Initiativen, die eigentlich der Kern jeder Stadtkultur ist.
Ja.
Und JA!
Mehr Kunst!
Und Ja!
Konsequenz.
Nun gibt es seit langem wieder mal in der Stadt spürbare Freude aufs Schauspiel in Leipzig. Welch Segen! Wen interessieren denn da noch 4 von 44 Kritikerstimmleinchen. Ist doch lächerlich!
Wissen Sie, es gab Jahre, da ist man mit 4 Stimmen "Theater des Jahres" geworden, und, ob man das nun gut findet oder nicht, mit derlei Stimmen wird halt auch Politik gemacht. "Was sind schon 4 oder 5 Kritikerstimmchen?" Nun gut, sagen Sie es dann auch den Theatern, ich kenne das vom DT BERLIN und vom THALIA HAMBURG, die dann großspurig damit werben (das fand ich auch immer ein wenig albern und ganz im Sinne des Fußballvergleiches in diesem Jahr), wenn man mal wieder mit 3, 4 oder 5 Stimmchen "gewonnen" hat !??! So läuft der Betrieb (leider) nicht!, nur meineserachtens?
Verstehen Sie desweiteren nicht, daß es zumindestens mir nicht so sehr um den Nachfolger Enrico Lübbe ging, sondern um das, was in Leipzig kulturpolitisch und feuilletonistisch so vor sich ging gegenüber dem Centraltheater (etwas, was landespolitisch sehr wohl auch andere Städte, nicht zuletzt auch Chemnitz betraf) und zunächst ganz einfach um die Bekundung, daß sich noch 4 Kritiker (hinter denen schon Publikumsstimmen zu vermuten sind, auch wenn die Umfrage aus den von anderen Postern genannten Gründen kaum repräsentativ genannt werden dürfte), "erinnern", trotzdem das "Große Abspiel" nun schon 3 Monate her ist und das CT "Geschichte" ?? Sie werden lachen, ich hoffe sehr, daß es Enrico Lübbe besser ergehen wird als Sebastian Hartmann und er seinen Weg für das Schauspiel Leipzig findet (ich schließe nicht aus, daß soetwas möglich ist, wie immer man zu seinen bisherigen Statements steht), zumal ich selbst gerne wieder einmal nach Leipzig käme, ua. um dort wieder Theater zu sehen. Was der Kulturpolitik Leipzigs zu denken geben soll, ist, daß es nicht nur um diese gottverdammte Auslastungs- und Quotenkacke gehen darf, die immer mehr den Betrieb lähmt mit Schließungsdrohungen landauf, landab. Seien Sie sich ja nicht zu sicher, daß die Politik nicht auch Lübbe ganz schnell fallen läßt wie eine heiße Kartoffel, sobald er ein Profil entwickelt (meinethalben für die Stadt) und die Superquoten dann doch ausbleiben sollten. Was Hartmann betraf, könnte ihn ebenso betreffen ! Was das mit Besserwisserei und Mißgunst zu schaffen hat ? Keine Ahnung.. Gruß aus Kiel