Trilogie der schönen Ferienzeit - Ein stumpfer Stachel im Hintern des Regierungsviertels
Der lange Weg in die Pensionszeit
von Elena Philipp
Berlin, 19. Dezember 2009. Regisseur und Intendant Claus Peymann ließ im Interview mit einer Berliner Lokalzeitung am 11. Dezember wissen, warum er Carlo Goldonis 1761 entstandene "Trilogie der schönen Ferienzeit" als Stück zur Krise wählte: "Eine Gesellschaft, die auf Pump lebt, alle sind bankrott, alles kracht zusammen – das kommt mir alles sehr aktuell vor". Wohl gesprochen. Doch zu sehen ist von der Aktualität in den ganzen vier Stunden: nichts.
Ein sommerlich durchsonnter Salon mit pinkfarbenen Wänden und einem imposanten Spiegel. Italienische Oper im Hintergrund, ein befrackter Diener (Martin Schneider), der den Koffer seiner Herrschaft packt. Es geht in die Sommerfrische. Auftritt Leonardo (Lucas Prisor) aus der linken von zwei Türen: nackt. Der junge Herr beliebte zu saunen. Noch rasch einige Liegestützen mit blankem Gemächt, die im Parkett zu Erstickungsanfällen führen, ein paar Dehnübungen, und Leonardo ist bereit. Er will Giacinta (Katharina Susewind) gewinnen, Erz-Rivalin seiner Schwester Victoria (Marina Senckel) und Tochter des vermögenden Filippo (Martin Seifert).
Ökonomie und Emotion
Er liebt sie, und er braucht sie: ihre Mitgift soll ihn vor dem Bankrott bewahren. Die Sommerferien, sie sind so teuer! Prisor wirft seine Hände in die Höhe, läuft hektisch auf und ab, fast meint man, ihn mit den Augen rollen zu sehen. Wer vor den anderen Reisenden gesellschaftlich bestehen möchte, braucht Champagner, Schokolade und Trüffel. Oder das It-Kleid der Saison, in diesem Fall "einMariage", ohne das Victoria sich abzureisen weigert, weil Giacinta auch schon eines hat. Geordert wird jetzt, bezahlt wird später. Der Luxus auf Pump ist eine Investition, Anzahlung für ein lukratives Geschäft: die Heirat. Ökonomie und Emotion sind in Goldonis Komödien-Trilogie aufs Engste verschränkt.
Gier, Selbstüberschätzung, Leichtfertigkeit – Vieles von dem, was der Managerkaste im Zuge der Finanzkrise angelastet wurde, ist in Goldonis Figuren angelegt. Der Schmarotzer Ferdinando (Christopher Nell) etwa bandelt mit Giacintas Tante Sabina an, einer steinreichen, uralten Witwe auf Männerfang. Carmen-Maja Antoni spielt sie mit lockend rotem Mund und wippenden Löckchen. Sie lässt den jungen Gecken in ihrem Dekolleté wühlen und seufzt begeistert den noch jüngeren Tognino (Winfried Goos) an. Ein Lacherfolg. Ferdinando würde sie heiraten – Nell mit schmierigem Bärtchen deutet auf Knien einen Antrag an –, doch die Bedingung ist eine Schenkung der reichen Alten an ihn. Ferdinando hat sich bei den Sommergästen durchgefressen, und er will mehr, mehr, mehr. Sabina ist entrüstet und mit ihr weite Teile des an diesem Abend sympathetischen Publikums im Berliner Ensemble, das jede Umbaupause für einen Zwischenapplaus nutzt.
In die Gesellschaft hineinschlagen
Am Schluss gewinnt Leonardo Giacintas Hand, doch nicht ihr Herz – und nicht die Mitgift, denn Filippo ist so pleite wie sein Schwiegersohn. Die hohen Erwartungen sind enttäuscht, alle haben, was sie wollten, und sind doch unglücklicher als zuvor. Es regnet in den Salon, der Spiegel ist zerbrochen.
Die Gier also, der Neid, der Wettbewerb. Das ist die noch heute gültige Ebene der Trilogie. Die emotionale Mäßigung von Giacinta, einer verblüffend unabhängig gezeichneten Frauenfigur. Die Ehrvorstellungen des 18. Jahrhunderts jedoch, die Probleme von reichen Familien vor 250 Jahren – das kann Peymann nicht mit "aktuell" gemeint haben. Um gesellschaftliche Wirkung zu entfalten, wie er es sich im oben genannten Interview selbst auf die Agenda gesetzt hat – "der große komplexe Griff, dass Theater aus der Mitte der Gesellschaft in diese hineinschlägt" –, bräuchte es eine irgendwie geartete Vorstellung oder Darstellung von Gesellschaft, ein Anliegen, einen Interpretationsansatz. Doch: nichts davon.
Brav wird vom Blatt gespielt, jedes Goldoni-Wort müssen die sechzehn Darsteller mit einer extragroßen, das Gesagte verdoppelnden Geste über die Rampe servieren und mit forcierter Körperaktion auf Boulevardkomik trimmen. Dazu kommt eine Prise Altherren-Schlüpfrigkeit, wenn die Damen ihre Röcke lupfen. Dieser Komödien-Klippklapp wirkt zeit-, ort- und leblos: Weder die Spielweise, noch die Sprache oder die Kulissen verweisen auf irgendeine Realität jenseits ihrer selbst.
Trauerspiel
Auch die Kostüme (Wicke Naujoks), die im ersten Teil pink, in der "schönen Ferienzeit" weiß und bei der Rückkehr schwarz sind, ermöglichen über die Farbigkeit hinaus keinen Interpretationsansatz: Mafiosi-Schick und altertümlicher Morgenrock, Samtkleid und Aerobic-Style, alles ist möglich. Nur ein Hinweis auf acht Prozent Kreditzinsen und die Victoria-Beckham-Frisur von Marina Senckel haben sich als Reminiszenz an eine Welt außerhalb des Theaters in die Spielfassung von Jutta Ferbers und Hermann Beil bzw. die Peymann'sche Umsetzung geschlichen.
Provokation à la Peymann bedeutet, dass Ferdinando rülpst und die Zofe Brigida (Ursula Höpfner-Tabori) pikiert schaut. Unglaublich. Das ist der Mann, der vor zehn Jahren seine Intendanz am Berliner Ensemble mit dem Anspruch antrat, der "Stachel im Arsch der Mächtigen" zu sein? Mag ihm diese Aussage wie ein Mühlstein um den Hals hängen, seinen Großmachtanspruch scheint er noch nicht aufgegeben zu haben. "Das Lustspiel über Menschen, die über ihre Möglichkeiten leben – emotional und finanziell", heißt es in der BE-Ankündigung zur Premiere. Und das Trauerspiel über einen Theatermenschen, der seine Fähigkeit zur Selbsteinschätzung verloren zu haben scheint. Vier vergeudete Stunden.
Trilogie der schönen Ferienzeit
von Carlo Goldoni
Inszenierung: Claus Peymann, Bühne: Karl-Ernst Herrmann, Kostüme: Wicke Naujoks.
Mit: Carmen-Maja Antoni, Christina Drechsler, Anna Graenzer, Ursula Höpfner-Tabori, Corinna Kirchhoff, Marina Senckel; Winfried Goos, Boris Jacoby, Manfred Karge, Christopher Nell, Lucas Prisor, Martin Schneider, Martin Seifert, Sabin Tambrea, Georgios Tsivanoglou.
www.berliner-ensemble.de
Mehr zu Claus Peymann: über seine Zukunft am Berliner Ensemble; seine Auseinandersetzung mit Hausbesitzer Rolf Hochhuth; seinen Fernsehauftritt beim Theatertreffen 2009; seine Inszenierung von Frühlings Erwachen im Dezember 2008 im Berliner Ensemble.
Kritikenrundschau
"Peymann zeigt die hochgradig verschuldeten Sommergäste keineswegs als italienisch temperamentvolle Versammlung von Hasardeuren, sondern zumeist als gemütlich-larmoyante Spießer, die sich in getragenem Tempo durch ihre Sehnsüchte, Zukunftspläne und Zahlungsunfähigkeiten schwindeln", schreibt Irene Bazinger in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (22.12.) und schließt ihren Text mit dem Fazit: "Selbst wenn sich in Goldonis Trilogie vorwiegend Luftikusse und Hochstapler in viel zu langen Ferien tummeln, die sie sich gar nicht leisten können - so hausbacken und langweilig wie Peymanns vierstündige Inszenierung sind sie jedenfalls nicht."
Im Tagesspiegel (21.12) wird Andreas Schäfer mit Blick auf Claus Peymanns Goldoni-Inszenierung "Trilogie der schönen Ferienzeit" am Berliner Ensemble von Entsetzen, ja von Abscheu gepackt: "Viereinhalb Stunden sitzt der Zuschauer in einer erlesen ausgestatteten Altherrenfantasie, gewissermaßen in Peymanns persönlicher Peepshow. Dass Peymann immer genüsslicher blutjunge Schauspieler und Schauspielerinnen besetzt, lässt sich schon länger beobachten. Dieser Abend aber wagt sich tief ins Lüstern-Unappetitliche hinein. Dabei müssen keine Genitalien mehr entblößt werden, allein die Körpersprache, mit der die jungen Schauspieler auf die Klamauktube drücken, hat etwas Pornografisches, nicht zu reden von der dauererregten Stimmlage." Nur Carmen-Maja Antoni und Corinna Kirchhof erinnerten mit "bewunderungswürdiger Fassung" daran, "wie ein Theater aussehen könnte, das diesen Namen verdient".
Für Ulrich Seidler von der Berliner Zeitung (21.12.) haben sich in Peymanns Aufführung über weite Strecken "mit großer Zuverlässigkeit die dunkelsten Ahnungen" erfüllt, "die einem die Vorurteilsfreude eingibt bei der Kombination von deutschem Bums- und Ranschmeißtheater mit italienischer Komödie." Neunzig Prozent der Figuren seien "debil und persönlichkeitsgestört – zur Type plattgebügelt. Sie machen gerade das, was Goldoni an der Commedia dell'arte überwinden wollte: Sie zeigen keine komplexen Charaktere, sondern sie karikieren Charaktereigenschaften wie Eifersucht, Geilheit, Eitelkeit, Gier, Übellaunigkeit, Strenge und Dummheit in vielen Varianten." Und das täten sie auch noch "viel zu langsam und viel zu sehr um Deutlichkeit bemüht." Dass es dennoch rührende Momente gebe, liege an Katharina Susewinds Giacinta, bei der "der tragische Zwiespalt zwischen Moral und Gefühl kenntlich" werde, "und zwar gerade vor dem Hintergrund dieser hanebüchenen Inszenierung".
Gegen den Kritikerstrom schwimmt Hans-Dieter Schütt im Neuen Deutschland (21.12.) mit einer freundlich-warmherzigen Sicht auf Peymann an: "Seine Regie greift nicht zu, sie lehnt sich eher zurück und sichert den Raum ab, den sich Schauspieler nehmen mögen für ein Spiel, von Einfällen unbedrängt. Dies Gemächliche, Blanke, Unaufgeregte inmitten des vordergründig Lustigen mag man bieder nennen – Peymann nimmt das Stück, er nimmt es nicht bloß als einen Anlass. Wer mit seinem eigenen Witz-Verständnis in einen nicht gar zu großen Widerspruch gerät zu jener Geradlinigkeit dieses Regisseurs, die in Altersmilde überging – der wird nach vier Stunden als Belohnter gehen. Theater in der Balance von Gaukelspaß und maßbetontem Grimm; noch im satirischen Zugriff: gütiges Erbarmen." Und auch das Ensemble erhält Lob: Peymanns spielende Truppe erweise "sich erneut als Mischung aus Stützen des Hauses, großartigen Gästen und immer wieder jungen Darstellern, die Peymann präzise, glaubwürdig in die Kontur führt."
Peymann, schreibt Till Briegleb in der Süddeutschen Zeitung (23.12.), demonstriere "seine Form von Altherrentheater". Goldonis "Trilogie der schönen Ferienzeit" sei eine Satire gewesen "auf die Theokratie der Falschheit seiner Epoche"; doch sei dem Stück "nicht dadurch geholfen", dass man es "im falschen Ton und rosa Ambiente eines pseudobarocken Plüschkragentheaters" aufführe. Peymann unterhalte leider "ein geradezu pornographisches Verhältnis zum Humor". Alles müsse "ausagiert und in Großaufnahme gefühlt sein, alle Erregungen kommen sofort zur Sache", der Zuschauer müsse "umstandslos" kapieren, worum es geht. Der Regisseur habe "seinen Darstellern jedes Vertrauen in die Intelligenz ihrer Figuren ausgetrieben", und "Fünfziger-Jahre-Heimatfilme" seien "frauenbewegt" gegen "die Art, wie Peymann Rollenklischees reproduziert". "Hysterische Zickenkriege", alte Frauen, "deren Notgeilheit sie zum Feind des Denkens macht", oder "kaugummikauende Lolitas" bevölkerten einen "Patriarchen-Kosmos". Eine "trampelnde, laute, durchsichtige und keine einzige Sekunde komische Arbeit", die weniger von der "bankrotten Moral einer Konsumgesellschaft" als vom "Bankrott eines Regisseurs" erzähle.
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1.Teil: Tür auf, Tür zu, fahren, nicht fahren, dann doch fahren. Pause.
2.Teil: Ringelpietz mit Anfassen, der Quatsch wird immer Quätscher bis er Quietscht. Leider keine Türen mehr, aber Liegestühle. Anmerkung: die Liegestuhlnummer muss unbedingt ausgebaut werden. Wieder Pause.
3.Teil: musste leider ausfallen. Spürten deutlich den Stachel Peymanns im Hintern und mussten gehen.
Fazit: Angst, Ratlosigkeit und ein übler Geruch machen sich breit. Fahren im Sommer lieber nicht mehr in den Urlaub, sonst inszeniert der Peymann hinter unserem Rücken wieder was Schlimmes am BE. Müssen unbedingt noch rauskriegen, worauf die Kirchhoff die ganze Zeit drauf war. Das geben wir dann der Opposition. Danke für den Tipp Claus.
Fazit: Die angedachte Zeitverschiebung: gewollt und nicht gekonnt.
Unübertroffen die statuarische Langeweile.
Laientheater wäre geprahlt.
Meine Erregung war so groß, dass der Stuhl unter mir zusammenbrach. Fluchtartig verließ ich nach der eilends herbeigewünschten Pause das Theater.
Schade, Peymann!
Es hieß ja dann doch wohl "Reißzahn im Arsch der Mächtigen". Und das wäre ja mal was gewesen. Nicht aus einer "1.Mai-Laune" heraus, sondern in der Tat, weil es mehr als nötig erschien und jetzt unerträglich schmerzt, daß es diesen Reißzahn nirgends gibt bzw. die Künstler/ Menschen mit den Reißzähnen überstimmt, ausgebotet, überzuckert usw. werden. Ansonsten gebe ich Ihnen absolut Recht: Die subventionierte Langeweile, die Herr Peymann seit Jahr und Tag produziert und produzieren läßt (Man erinnere sich noch einmal sehr unfreundlich an diesen "Tartuffe" ganz am Anfang von Peymanns Berliner Zeit), ist unerträglich. Obwohl ich mich schwer tue: Es ist wahrscheinlich wie mit dem Nicht-Wählen-Gehen. Das Einzige, das man versuchen kann, ist diese Intendanten-"Ära" möglichst schnell mit Nicht-Mehr-Hingehen zu beenden. Es berührt mich peinlich, als Berliner, so ein (en) Berliner Theater (-macher) mit verantworten zu müssen.
(Liebe(r) aller hallo, die Redaktion greift bei persönlichen Beleidigungen und unüberprüfbaren Tatsachenbehauptungen ein. Genaueres zu dieser häufig auftauchenden Frage findet sich im Redaktionsblog unter:
nachtkritik.de/index.php?option=com_content&task=view&id=3409
Die Redaktion)
Es ist immer ein wenig merkwürdig, wenn hier Kommentare einen so großen Raum für sich beanspruchen, die andere wiederum herausfordern, die dann wieder ... - bis zum jüngsten Jerusalem-, Kommentare, die mit der jeweiligen Inszenierung nur noch mäßig bis garnicht zu schaffen haben. Ich habe die Inszenierung auch noch nicht gesehen, aber eine Bemerkung kann ich mir dann doch nicht verkneifen: Keiner will ans BE
(siehe "22") ??
Wenn das so ist: Transferieren "wir" doch, sollte Herr Peymann irgendwann keine Lust mehr haben, eine gewisse "Pattsituation"
in der Gesellschaft zu bebildern, das Geld am besten nach Köln, Wuppertal oder Rostock: Da will "man" noch Theater machen !! ; und daß man in Berlin Erfahrungen mit "Verteilung der Erbmasse" (profitierten nicht andere Bühnen von der Schließung des Schiller-Theaters ???) gemacht hat ..., könnte
das sogar dabei hilfreich sein ??
Nein: So langsam muß dieser ganze "Wer-wird-neuer-Trainer"-
Unsinn raus aus den Köpfen und den Herzen, dann werden auf den Internetseiten von nachtkritik de. gegen alle Üblichkeiten in sonstigen Chats die ersten Klarnamen in einem wohltuenden 1:1
über Theater und Inszenierungen, mitunter auch über Strukturdebatten und Strukturentwicklungsplanung sprechen ...
und weniger über das Wesen der "Chatniks" und ob sie die Schlimmsten waren oder die Stalinisten oder sonstwer ... . Wenn die Menschen hier so "gulagfern" gelebt haben, dann ist das erstaunlich; es bringt aber nichts, die Unpassenheit von derlei Vergleichen zum Zwecke ihrer Elimination zu konstatieren: Diese Vergleiche weisen auf tieferliegendere Probleme "unseres" gesellschaftlichen Selbstverständnisses bezüglich der Geschichte hin: Wo "Geschichte als bloße Konstruktion" beinahe mit "Fiktion" zusammenfällt, und das geschieht recht häufig, wo die "Welthaltigkeit" der Geschichte
aus dem Blick gerät, wo die verkürzte reduktionistische Sprache allerlei Coleurs den "Common Sense" wegradiert, da kommt es bei derlei "Vergleichen" immer zu großer moralischer Entrüstung und hiernach ...: zu nichts !!
Gibt genügend Intendanten, die sich für das BE erwärmen könnten, glauben Sie mir, gibt da "Pilger" und "Priester" (oder
mit Weininger "Sucher" und "Priester") und allerlei "Grautonkontinuumsmönche" dazwischen.
Kurz gesagt: Heute sind Stein und Peymann fast ein Abbild der Menschen, die sie in den Siebzigern so heftig bekämpften. Seltsamerweise gesellt sich ein Mephisto-Darsteller zu ihnen. Brandauer. Sicherlich kein Zufall. Nun: Peymann kann man aussitzen, wenn man will. Dass er sich selber aussitzen will, ist die eigentliche Kuriosität.
Nebenbei gesagt: die Inszenierung des Regisseurs von Hoermann in Karlsruhe halte ich für wesentlich besser als die damals am Deutschen Theater unter Stemann, obwohl der an einem renommierteren Platz hockt.
In der Verfilmung von Faust 1 - eine Vermischung von Theater- und Filmelementen - ist Gründgens überragend, daneben sind alle anderen nur Statisten, inklusive Quadflieg, der mit aufgerissenen, von scheinbarem Siegesglanz überzogenen Augen wie ein römischer Feldherr agiert.
Übrigens hat mir Brandauer in der Mephisto-Verfilmung gefallen.
Eigentlich gehe ich selten in Peymanns Talentschuppen. Immerhin ist ein guter Gutsverwalter, der - verständlich für das Alter - das Konventionelle präferiert.
Bester 123, allmählich kenne ich mich bei Ihrem Geschmack nicht mehr aus, da Ihre Ansichten divergieren. Hoffentlich gefällt Ihnen nicht die eingespielte Heino-Musik bei "Arturo Ui".
"Wer sein Land nie verlassen hat, ist voller Vorurteile."
Carlo Goldoni
Also doch mal in ein anderes Theater gehen, oder?
Genau, allen ein frohes Fest, die Weihnachten nach Westroms
Kalender feiern: "Oströmer" im "Exil" feiern dann meistens zweimal, auch so eine Eigenart.
Das mit dem BE sehe ich eigentlich ähnlich entspannt, wie ich es bei "monika" zu finden vermeine. Die Theater suchen alle nach ihrem ebenso wertvollen wie bescheidenen Beitrag in
Sachen "Die Selbstverhältnisse von Subjektivität und Moralität"
(Dieter Sturma). Die Personen sind in ihrer Lebenswelt des- meist geradezu umstellt von allerlei "reduktionistischen Mogelpackungen", deren Entstehung aber keine Sache einfacher
Ja-Nein-Gut-Böse-Raster ist. Diese Mogelpackungen sind auch in den diversen Threads immer wieder aufs Neue auszumachen; es gibt da Leute mit einem Interpretationsraster, auf die eigenartigerweise die Stücke passen sollen: klingt komisch, ist aber leider so ... . Das BE wurde ja auch oft polemisch, ja sogar offen feindselig mit "Theatermuseum" konnotiert.
Gibt es irgendeine "Kunstsparte", in der "man" so bedenkenlos auf seine eigene Geschichte "kotzt" wie das Theaterwesen ?
Solange aber noch so "gekotzt" wird, muß auch Peymann ganz sicher nicht abtreten; und wenn nicht mehr "gekotzt" wird, wird er sich vermutlich auch wieder einem anderen Theater zuwenden.
Es ist geradezu wohltuend, einmal positiv von vergangenen Aufführungen zu hören (siehe Faust I von Gründgens), es wäre noch viel wohltuender, wenn im öffentlich rechtlichen Fernsehen viel mehr von dem zu sehen wäre, was in den verschiedenen Threads immer wieder eine Rolle spielt: Schleef, Müller, Zadek, Peymann ..., Grüber, Neuenfels ... : das wird dann immer zitiert: Und, wer es nicht gesehen hat, würde gern ins "Theatermuseum" gehen können: wird aber von der "Avantgarde" die Nase gerümpft: "Fernsehen ist Fernsehen, Theater Theater, bist halt zu spät dran ... ." Ja, Brandauer ist im "Mephisto"
von Istvan Szabo wirklich großartig, nicht minder aber z.B.der Göring-Darsteller und der Darsteller des Leiters der Reichskulturkammer, der jetzt am DT ist und dessen Name mir blöderweise gerade nicht einfällt (... "Hat das nicht ein Pferd
gesagt ?" "Das kann nur ein Pferd gesagt haben !!"), ach ja: Christian Grashoff !!
In einem anderen Thread -dem Wuppertal-Thread- ist meineserachtens völlig zurecht die Rede von der Beförderung einer "Heckenschützenmentalität" in anonymen Chats:
"Ich verzeihe dem Schauspieler alle Fehler des Menschen, dem Menschen keinen des Schauspielers."
Vielleicht hatte Peymann kürzlich einen erfrischenden, romantischen Traum: da er sich im BE unterbeschäftigt fühlt und expandieren möchte, übernimmt er in Personalunion die Filiale Ballhaus Ost. Natürlich nimmt er Hermann Beil mit, der bislang alle Stationen Peymanns mitgemacht hat. Er beginnt mit einer gestrafften Spar-Variante von Goldoni. Dann werden sukzessive Gelder von der Zentrale abgezweigt.
@ Amin. Und so komme ich zu Ihnen, lieber Amin. An Ihnen kann man sehr gut die peymannschen Wirkungen ablesen. Er arbeitet nach dem Ausschließlichkeitsprinzip und hemmt die Reflektionsfähigkeit seiner Zuschauer. So auch in dem hiesigen Interview. Am Ende bleibt nur er. Es ist einfach unwahr, die Bochumer Zeit war nicht das Maß aller Dinge. Wie gesagt, es gab da immer noch die alte Schaubühne und vieles mehr. Er führt sich immer auf, wie der Herr aller Reusen, ist es aber nicht. Es geht auch nicht mehr um seine jetzige Arbeit, sondern lediglich um seine historische Einordnung. Und da bleibt zu bemerken, dass er tatsächlich Schwierigkeiten mit der „Demokratie“ hat, in dem Sinne andere neben sich anzuerkennen. Entspannen Sie sich Herr Amin, denn es ist tatsächlich Weihnachten. Feiern Sie fröhlich mit Ihren Kindern, falls Sie welche haben und emanzipieren Sie sich endlich von Ihrem Helden P. Er hat es nicht verdient. Sein Abgang ist überfällig. Ich für meinen Teil mache mir lediglich Sorgen über sein ungeheuerliches Maß an Indoktrination. Am Ende glaubt er tatsächlich noch, dies sei eine Werbekampagne für ihn.
Frohes Fest und guten Appetit !!
Es ist nicht die Rede von "Schreibtischtätern", die sich im Akt der Internet-Thread-Teilnahme jeweils aktualisieren, muß ich Ihnen das wirklich auseinandersetzen ??
Ich will (in der Praeteritio tue ich das dann natürlich schon) da garnicht mit "Winnenden-Erinnerungen" aufwarten, ein Blick auf "Leipzig-Threads" und ein Blick auf die "Bochum-Threads" reichen, um einen Entwicklungsspielraum für den Umgang miteinander anzudeuten, auf den wir "uns" wahrscheinlich sogar verständigen könnten, denn ich sprach von meiner Wunschvorstellung (1:1, Klarnamen ...) und mitnichten von notwendigen oder hinreichenden Bedingungen: Ich bitte, dies zu bedenken !!
Auch Herr von Treskow sprach lediglich von einer "Beförderung einer Heckenschützenmentalität", daran lehnte ich mich an, weil ich Sie, 123, einfach nicht verstehe, diese "Beförderung" so mirnichtdirnichts zu "kassieren", um dann beinahe so an den Mann heranzutreten, als müsse er bei nachtkritik de. eine Art "Präsenzpflicht" für sein -von der Schließung bedrohtes !- Theater erfüllen. Ich weiß andererseits auch nicht, warum Herr von Treskow soviel Wert darauf zu legen scheint, an dieser Stelle den Klarnamen des "Theaterenttäuschten" zu erfahren, schließlich ist ja tatsächlich das "Presseszenarium" zu befürchten, daß, wenn Herr Khoun, Herr Baumbauer, Herr Peymann oder Herr Oberender etc. sich an dieser Stelle , nennen wir es "flämisch", geäußert hätten, der Aufschrei feige und zynisch geheißen hätte: "Großintendant X entsolidarisiert sich mit Neuintendant von Wuppertal !!" Frohes Fest
Armer, schlafloser 123.
Nachdem Sie sichtlich Feiertage und Nachtruhe in theatrale Grundsatzüberlegungen stecken, könnten Sie vielleicht auch darüber nachdenken und schreiben, warum gerade in Berlin erfahrene Spitzenkräfte zu scheitern scheinen.
Ob es jetzt - wie Sie schreiben - Khuon und Peymann sind, einstens Breth, ich glaube auch Neuenfels und Sasse mit Nikolaus/Klaus Bachler an seiner Seite, Viererbanden am Schillertheater, fünfer Direktorien am BE, Wuttke und sogar Peter Stein. Ins Weite gejagt oder zumindest frustriert freiwillig jenes gesucht haben! Erfahrene, arrivierte Kräfte scheint man in Berlin nicht zu mögen.
Sichtlich herrscht - meine ich da vollkommen ungebrieft und unvoreingenommen - in Berlin ein gewisses Misstrauen gegen künstlerische Autoritäten. Eine revolutionäre Ablehnung vielleicht? Liegt's am Publikum? Liegt's an der Politik? Liegt's an den vorherrschenden Strukturen? Oder? Oder? Wird zu viel verunsichert, zu wenig geliebt? Ich weiß es nicht. In Wien herrscht eher ein Hang zur Traditionspflege, zur Liebe und Verbundenheit mit den Theatern.
Ich kann Ihnen natürlich keine "wirkliche Antwort" geben. Dazu ist mir Berlin viel zu fremd. Nach so manchen Kritiken und Postings scheint mir Zuneigung, Identifikation, ein sich einlassen wollen auf Theaterarbeit, ein Vertrauen in Künstler, in Institutionen eher unüblich zu sein. Theater dienen, scheint mir, als Reibebaum, als Buhmänner für fehlgelaufene gesellschaftliche Entwicklungen, als Stellvertreterkrieg in der Umverteilungsdebatte verbunden mit Bashing, Misstrauen etc. und sind daher eher negativ besetzt. In Wien hingegen ist ihr Image eher positiv besetzt.
@ 123: Warum sollte ein Intendant über die aktuelle Spielzeit hinaus eine Perspektive aufzeigen? Wie ist das gemeint? Im Sinne einer gesellschaftlichen Vision? War das nicht mal? Zudem ist ein Intendant kein Politiker, welcher die Folgen seines Handelns / Wirtschaftens mit antizipierendem Bezug auf die nachfolgenden Generationen mitbedenken müsste. Und schließlich, das Theater ist ein Gegenwartsmedium, es vollzieht sich im Hier und Jetzt des Augenblicks seiner Wahr-Nehmung und kann auf seine eigene Gewordenheit und Zukunft immer nur verweisen. Die Zeiten der Wahrsagerin auf dem mittelalterlichen Jahrmarkt sind vorbei.
Berliner Ensemble: wir spielen auch an Weihnachten (das "BO" offensichtlich nicht)
Theater ist natürlich da sämtliche Zwänge, Widersrpüche und Insolvenzen einer Gesellschaft aufzuzeigen. Soweit sind wir gleicher Meinung.
Dann trennen sich unsere Wege.
Ich glaube, dass dem Theater die Spielräume gegeben werden sollen anhand von Texten diese Defizite aufzuzeigen. Auch in skurrilen Variationen, diffusen Überblendungen etc. Aber auch texttreu und bekannten Theaterformen verbunden.
D a r ü b e r sollte natürlich auch die Möglichkeit einer Diskussion, Identifikation oder Ablehnung möglich sein. (Dieser kleine Freiraum war ja meines Wissens nach gerade der große Reiz des DDR-Theaters.)
Sie hingegen, scheint mir, stellen Theater und deren Leiter, deren Inszenierungen als "Watschenmann" stellvertretend für alle Leerläufe, Fehlstellungen, Ungerechtigkeiten einer Gesellschaft auf, um auf diese gefahrlos "hinzudreschen". Diese sind allerdings auch nur Teil einer Gesellschaft, die sie nicht machtvoll (wie Banken oder Politiker etwa) verändern sondern nur aufzeigen können. Sie sehen nur das Finanzdebakel des Theaters nicht die erarbeitete Reflexion darüber, Sie sehen die soziale Kälte in einer Theaterlandschaft nicht die theatrale Auseinandersetzung darüber.
Sie entziehen dem Theater Vertrauen und Liebe und lassen es meiner Meinung nach "im Regen stehen"
Vor ungefähr 40 Jahren hat Peymann mit seiner Inszenierung von Handkes "Publikumsbeschimpfung" in Frankfurt befragt, was "der Mensch" eigentlich sei. Heute dagegen frage ich mich, ob Peymann sich dieses Paradoxes möglicherweise bereits enthoben fühlt, indem er sich als "Übermensch" im Sinne eines Raskolnikows aus Dostojewskijs "Verbrechen und Strafe" stilisiert. Ich empfinde eine solche Entwicklung mit Bedauern, wenn Intendanten und/oder Regisseure der älteren Generation sich dem Wandel des Theaters im gesellschaftlichen Kontext überhaupt nicht mehr öffnen wollen, sondern nur noch auf alles "draufhauen", was anders denkt und inszeniert als sie selbst. Früher hat man mal gesagt, Alte und Junge könnten nur "voneinander lernen". Heute sehe ich da größtenteils wechselseitige Verachtung und egozentrische Selbst-VerHERRlichung. Stattdessen die Fähigkeit zur Gelassenheit und zum Loslassen, das wäre doch was. Schließlich hatte Jesus auch 12 Apostel neben sich - kleiner metaphorischer Verweis.
Wenn Sie Peymann nicht mögen, gehen Sie doch einfach in ein anderes Theater, in Berlin habe Sie ja eine immense Auswahl. Im BE habe ich mir nur etwa ein Dutzend Stücke angesehen – das ist nicht viel im Vergleich zu meinem Theater-Konsum in der Vergangenheit. Gut war Peymann bei der Vorstellung seiner von Hans-Dieter Schütt geschriebenen Biographie, einer Veranstaltung, bei der natürlich auch Hermann Beil mit im Gepäck war. Anscheinend startete Peymann im Frühling ein Art Präsentationstournee für Theaterinteressierte, wo er auch in südliche Provinzen vordrang, um sie im Stil eines entmilitarisierten Blitzkriegs zu erobern.
Peymann gegenüber empfinde ich eine emotionale Neutralität, aber wenn Sie, 123, solch eine Aversion gegen ihn verspüren, was machen Sie dann, wenn er nicht mehr da ist? Dann müssen Sie sich eine neue Person für Ihren von Zorn erfüllten geistigen Widerstand aussuchen.
Ein Ratschlag: Da Sie plötzlich auf den Geschmack des Flirtens gekommen sind, versuchen Sie es doch einmal mit Peymann.
Ein paar Worte noch zu Peymann...
Er ist hart im Nehmen, noch härter im Geben. Da er der Vergreisung entgegensteuert und ihm deshalb die Innovationspotentiale fehlen, hat er sich aus Überlebensgründen zu einem Administrator großen Stils entwickelt. Er erinnert mich an einen Gutsverwalter aus den Tschechow-Stücken. Wahrscheinlich hat er seinen Energieüberschuss in Wien verpulvert. Seine inszenatorischen Restressourcen werden gelegentlich in den Sand gesetzt. Deshalb hat er sich mit seinem kognitivem Vermögen zu einem Repräsentanten entwickelt. Und hochrangige Politiker besuchen seine Stücke.
Nachdem in meinem wienerischen Sprachgebrauch das Wort "verpulvert" stark negativ besetzt ist, nämlich im Sinne "unnütz vergeudet", muss ich Ihnen ganz heftig widersprechen. Peymanns Arbeit in Wien hat starke Umbrüche gebracht sowohl die Publikumsschichten betreffend als auch die Inhalte und die Form der Inszenierungen betreffend. Die dem "hochheiligen" ehemaligen k.k. Hofburgtheater anhaftenden Reste der eitlen Etikette, des Formalismus, der Attitüde wurden zugunsten von Spielfreude, Gesellschaftsbezug, Energie und einer Gemeinsamkeit mit dem Publikum aufgegeben und dieser Umbruch hat sich auch gegen die Neo-Etikette und die "Wir sind so schrecklich modern"-Attitüde des K.Bachler resistent gezeigt.
Ebenso entsetzlich finde ich, dass Sie 72-jährigen generell Vergreisung, Stillstand, leere Administration unterstellen. Aus den Inszenierungen, die ich am BE gesehen habe, konnte ich das nicht herauslesen. Das macht sozial/gesellschaftspolitisch starke Angst!!!!
Ich respektiere die Lebensleistung von Herrn Peymann.
Meine harte Wortwahl ist der von Peymann wohl angemessen, denn er hat der Presse gegenüber ähnlich scharfe Ausdrücke zu Protokoll gegeben.
Natürlich gibt es viele Menschen im Pensionärsalter, die unvermutet hochkarätige Kunstwerke zustandebringen, egal ob ätherisch, von einem metaphysischen Glanz überstrahlt oder derb-bodenständig. Und das ist wunderschön. Haben Sie jemals in der Volksbühne den in einem hohen Alter stehen Joachim Tomaschewsky gesehen?
Trotzdem viele Grüße nach Wien.
Es heißt natürlich: den in einem hohen Alter stehenden...
Bei Internet-Texten bemühe ich mich leider nicht so wie z.B. bei einer Zeitung. Im Blog schreibe ich die Texte relativ schnell runter und das ist schade.
Der Redaktion wünsche ich einen guten Start ins neue Jahr.
(Das kommt daher, dass die Fotoleiste eine Plattform der Theaterfotografen Thomas Aurin und Arno Declair ist, und u.a. das BE andere Hausfotografen hat. die Red.)
Auch ist meiner Meinung nach generell darüber zu streiten, ob eine Theaterinszenierung tatsächlich in den hehren Begriff Kunstwerk einzuordnen ist oder nicht doch handwerklicher, intellektueller und kommunikationstechnischer zu sehen ist als z.B. ein Gemälde oder Lyrik. Und da würde Erfahrung von Vorteil sein.
"CLAUS PEYMANN: Ich möchte nur einen abschließenden Satz sagen: Ich weiß gar nicht, wer Herr Lehmann-Brauns ist. Ich dachte, Sie wären das. - (Heiterkeit) - [MICHAEL BRAUN (CDU): Herr Castorf! Das macht überhaupt nichts!] - Ich habe auch nie neben ihm gestanden - jedenfalls nicht bei Bewusstsein [...]. Ich muss das leider so betreiben, denn ich komme gleich zu meinem eigentlichen Problem. - [Uwe Lehmann-Brauns betritt den Raum.] Herr Lehmann-Brauns! Sie haben eine Sternstunde versäumt. - [Heiterkeit]"
Fazit: Was bleibt? Leere Worthülsen, BILDblasen, selbstHERRliches Geschwätz, kurz: Macht-Kunst.
auch bestätigt, dass C.P. ein guter Regisseur ist, - der Handke immer so kongenial zu inszenieren versteht, indem er diese von Groll und Zweifel hochgetürmten Sprachmassive in erholsam zu durchschreitende Landschaften verwandelt - so wie ich es ihm angekündigt
hatte - schau nur recht gut hin, sagte ich zu Rüdiger… Wir schauen uns auch gerne die Vorstellungen im BE an (Die Dreigroschenöper - zB köstlich und kunstvoll) und sind im Großen und Ganzen sehr zufrieden. Für uns ist immer auch Material zur geistigen Anregung dabei: Aturo Ui, großartig, einfach großartig, unbedingt eben auch für junge Menschen zu empfehlen, die sich gar keinen Begriff machen, wie scharf Brecht zeichnen konnte und aufklären! Das Bedrohliche in seiner Lächerlichkeit und Gefährlichkeit irrwitzeln zu lassen, bravourös! Man kann nicht viel mehr vom Theater erwarten, als es das BE unter der beständigen Leitung eines DurchundDurchIntendanten wie C.P. zu leisten vermag. Bildung, Unterhaltung, Aufklärung, Sprache, heiterer Spott und Politik. starke Kultur eben, eine Säule der Freiheit und des SPIELS!
Ich frage mich nur: Was wären Peymanns kraftvolle Auftritte, sein majestätisches Pathos ohne seinen Assistenten Beil? Der darf gelegentlich gewisse Bewusstseinslücken stopfen. Zu diesem Behuf ist er angetreten, schwungvoll, vital, manchmal etwas kriselnd.
Ich habe viel tiefliegendere Etiketten und Attitüden gemeint als penible Personenkenntnis und Namenssprotokollierungen. Dass darauf mit "Castorf?" gekontert wird, finde ich eigentlich witzig und hinlänglich ausreichend. Dass diese Petitesse den Weg in die Presse findet, finde ich dann schon wieder eine Kunstaktion für sich, ein Dramolett! Aber einen eindimensionalen Wiederholungszwang würde ich trotz dieser hervorgehobenen Präsentation nicht ablesen.
Sollte ich mit meiner Anmerkung irgendwelche Gefühle der Berliner Presse oder der Berliner Leser verletzen, nehmen Sie es mir nicht übel, es gibt sicher lokale Unterschiede.
Leider muss man Herrn Peymann diese Intention wohl absprechen, was dann letztendlich nur noch furchtbar langweilig ist. Und damit eine große Enttäuschung. Schade.
"Glauben wir nicht, daß man zur Macht nein sagt, indem man zum Sex ja sagt; man folgt damit vielmehr dem Lauf des allgemeinen Sexualitätsdispositivs. Man muß sich von der Instanz des Sexes frei machen, will man die Mechanismen der Sexualität taktisch umkehren, um die Körper, die Lüste, die Wissen in ihrer Vielfältigkeit und Widerstandsfähigkeit gegen Zugriffe der Macht auszuspielen. Gegen das Sexualitätsdispositiv kann der Stützpunkt des Gegenangriffs nicht das Sex-Begehren sein, sondern die Körper und die Lüste." (Foucault)
Kurz: Nicht nur zuschauen, auch mal wieder Selbermachen.
@ Susanne Peschina: Psychotherapeuten? Wie kommen Sie jetzt bloß darauf? Lars von Trier ("Antichrist") hat dazu ja bereits in der TdZ vom Oktober 2009, Heft Nr. 10 gesagt: "Ich bin mit diesem Berufsstand, wie gesagt, vertraut, seit ich sechs Jahre alt war. Was der Mann an seiner Frau im Film ausprobiert, heißt Kognitive Therapie. Kenne ich. Meine Beziehung zum Berufsstand der Therapeuten ist sarkastisch. Ich gehe einmal die Woche hin, die arme Frau gibt ihr Bestes und kann mir doch nicht helfen." Komisch, oder?
an die Folkloreband "Ougenweide" mit Minne Graw als Sängerin.
Ich fahre heute gen Süden, um dort in Ruhe Flaubert zu lesen und ins Theater zu gehen. Wer tauchte damals dort auf? Peymann und Beil, die über ihr Leben Bericht erstatteten...
ad: Der Berufsstand der Therapeuten ist sarkastisch ....eine Anektode von G. Tabori:
....als 9-Jähriger kommt G.Tabori von der Schule nach Hause und sein Vater fragt:
"Was hast du heute in der Schule gelernt?"
"Ich habe", antwortet G.Tabori "gelernt, dass alle Rumänen schwul sind!"
Da hat ihm der Vater kommentarlos und erklärungslos eine runtergehauen und der 9-Jährige hat trotzdem verstanden ...weshalb!
Und hat sich das ein Leben gemerkt, das mit den Verallgemeinerungen!
Ausserdem, wer braucht heute schon Goldoni? Der "Diener zweier Herren" war schon schlecht genug.
Das mit dem Psychotherapeuten haben Sie auch nicht verstanden! Macht aber auch nichts. ich wünsche weiterhin viel Spaß bei der Lektüre Ihrer Zeitung.
In Bezug auf Goldoni könnte man nun fragen, ob C.P. seine eigene Position eigentlich mitreflektiert, wenn er den Hedonismus und das Leben auf Pump kritisiert. Lebt C.P. nicht mittlerweile ebenso dekadent wie diejenigen, welche er zu kritisieren beabsichtigt? Ich wünsche weiterhin viel Spaß mit Ihrem Goldoni.
Es ging nicht um blinde Flecken, die bei der Bearbeitung eines Textes nicht erkannt werden können.
Es ging mir darum Sie darauf hinzuweisen, dass jeder Mensch seine eigene Erlebniswelt mitreflektiert, wenn er etwas liest, sieht, bearbeitet etc., was Sie in Ihrem Beitrag 110 ja in Zusammenhang mit C.Peymann in Frage gestellt haben. Dies sei als Sensation zu sehen, weil - wie Sie ja zwischenzeitlich auch erkannt haben - dies einfach menschlich ist, meinte ich darauf hin. Nur Therapeuten bemühen sich berufsmäßig dies auszuschalten, damit Sie dem zu Therapierenden nicht ihre eigenen Verklemmungen, Erlebnisse, etc. "unterjubeln". So war das gemeint!
Anders als bei Therapeuten ist bei Regisseuren, Schauspielern, Kunstschaffenden gerade dieses "Unterjubeln" der eigenen Erlebniswelt, der eigenen Sichtweise, Ängste, Obsessionen, Freuden etc. das Interessante. Sonst müssten ja alle "Hamlets" auf den Bühnen gleich agieren.
Ich hoffe es war jetzt klar genug, und weiterhin gutes Amusement!
In seinem Bedürfnis nach Souveränität schwankt ein Künstler demnach immer zwischen Ohnmachts- und Allmachtsgefühlen. Problematisch wird es für mich erst dann, wenn die Grenze zwischen Realität und Kunst verwischt wird, wenn also zum Beispiel Lars von Trier auch im realen Leben Frauen so quälen und manipulieren würde wie die Frauenfiguren in seinen Filmen. Das meinte ich mit "die eigene Position mitreflektieren".
Dazwischen sitzen Schulklassen, die von ihren Lehrern zur geistigen Entlastung wegexpediert werden, (Frau Peschina, falls Sie sich an dem Fremdwort sto§en: das stammt von Hugo von Hoffmansthal aus "Der Schwieirige").
Ländern riskieren Journalisten ihr Leben um zu Ihrer Meinung zu stehen, hier wo es gefahrlos möglich wäre, gibt es dann "Flöhbärchen" und "Rosenmilben" benutzt um Intrige und Bösartigkeiten zu befördern. Manchmal auch versuchte Werbung.
@126: Siehe oben. Selbst unter Toleranz Ihrer sichtlichen Lars von Trier-Fixation, Sie erscheinen mir lächerlich.
"Alle großen Irrtümer benützen ein Pseudonym" (Herrmann Kant)
da ist ja doch noch einer mit diskussionswürdigen Vorschlägen. Allerdings ist Lilienthal nicht der Mann für ein funktionierendes Programmtheater. Jeden Abend einen ausgewogenen Spielplan anzubieten, dazu gehört der Mut zu Kompromissen nicht nur zur ständigen Auseinandersetzung. Ans BE gehören Leute die beides können integrieren und provozieren. Leider zur Zeit spärlich gesät. Michael Thalheimer wäre da eine gute Alternative, den hat man aber leider aus Berlin vertrieben. Bitte neue Vorschläge.
Und was den Namen anbelangt: ich habe selber mal für eine seriöse Zeitung geschrieben, mit meinem richtigen Namen. Hier im Blog sind mir zu viele Spaßvögel unterwegs, deshalb dient ein "Nickname" zum reinen Selbstschutz.
Dass im BE mitunter Kohorten bildungsbürgerlicher Lustgreise auftauchen, die als geschlossene Phalanx auftreten, ist reine Beobachtung.
Privat habe ich nichts gegen Peymann. Ich würde ihm sogar eine Gesamtausgabe von Flaubert schenken, in gepresstes Schweinsleder eingebunden. i
Ich habe Peymann oft live erlebt, beim Austeilen, Verteidigen auch beim Promoten. Was ich immer dabei erlebt habe, war Offenheit, persönlicher Einsatz und Mut. Er hat sich auch nicht gescheut, die Hand zu beißen, die ihn gefüttert hat. Wovon Vranitzky, Scholten, Hawlicek etc. ein Lied zu singen wissen.
Zu den Pseudonymen: Manchmal würde der eigene Name aber eine andere Art von Selbstschutz geben. Dass man vielleicht eine korrektere Wortwahl, eine ehrlichere Auseinandersetzung anstrebt. Würden sie tatsächlich in einer seriösen Zeitung von Kohorten bildungsbürgerlicher Lustgreise berichten? Würde die Beschreibung der Publikumsschicht dort nicht von einer Dominanz der bildungsorientierten Älteren berichten und niemand verletzen und beleidigen? Und vor allem weniger sinnlose Zitate, Bonmots etc. in den Foren produzieren.
Den Zusammenhang mit dem in Schweinsleder gebundenen Flaubert habe ich nicht verstanden. Sollte es nicht ein Bonmot sein und Sie es sich leisten können, schenken Sie doch! Es gibt eindeutig viele Menschen die weniger ein Geschenk verdienen als es Peymann tut.
Vielleicht bekommt er einmal eine Exklusivausgabe von "Salammbo" von mir überreicht. Darin wird ein bisschen das Judith-Thema aus der Bibel variiert. In Stuttgart spielt da unter Nüblings Anleitung eine tolle Schauspielerin, die ihren eigenen Text dazugeschrieben hat...
Da ich so gar nichts mit dem Flaubert-Geschenk anfangen konnte, habe ich mir etwas "erklären" lassen, was hoffentlich doch nicht stimmt:
Wenn man Flaubert nur phonetisch nimmt, klingt es ziemlich stark nach Flohbär. Wenn man das Schweinsleder optisch bei Latex einreiht, kommt man zur BärIN, die das Fürchten lehrt und das liest man sonst nur in Kontaktanzeigen.
Wenn der Flaubert in Schweinsleder so zu verstehen war, war's wohl der Tiefpunkt an Postingkultur.
Eine schnelle Antwort. Es gibt bibliophile Ausgaben von Büchern. Es gibt auch in Leder eingebundene Bücher, die haben nichts mit S/M zu tun. Ich möchte mich nicht mit Peymann ins Bett legen. Im Gegensatz zu Ihnen lasse ich mich noch im Berliner Ensemble blicken.
Bleiben Sie doch in Ihrer Wiener Burg.
Die Seite NACHTKRITIK ist von der Idee her, sicher auch vom Aufwand, vom Engagement her ganz toll und bewunderswert. Schade, dass manche durch Inkorrektheit verschiedenster Art dies so wenig würdigen.
So richtig Abrotzen wie 153 meint, kann man ja auch anderswie und anderswo.
Sicherlich, im architektonisch verbauten Gebäudekomplex des BE hockt auch in irgendeinem Winkel Chefdramaturg Beil, in Krisensituationen vielleicht auf einem Notbett, um frische Kräfte zu sammeln für Strategien bei der Öffentlichkeitsarbeit im geistigen Konkurrenzkampf gegen andere Berliner Theater, da man partiell erloschene Theaterherzen - zuweilen auch Wiener - brechen könnte. Durch Stücke wie Wedekinds "Frühlingserwachen" erhält sich Peymann eine juvenile, postpubertäre Frische und kann somit durchregieren, bis er das Alter von 90 Jahren erreicht hat. Ein Ausflug lohnt sich allemal.
Ich finde Caroline Peters ganz hervorragend wie viele andere des Burgtheaterensembles auch. Und ob wer aus Freiburg oder Flensburg stammt war mir Zeit meines Lebens egal. (Mit dem Hinweis auf Freiburg habe ich dann aber schon wieder Verständnisprobleme... weil Freiburg irgendwann einmal zu Österreich gehört hat?)
Ich gehöre nicht zur der "Gott wie schrecklich..der sagt Schangse"-Fraktion!
Ob Sie es mir abnehmen oder nicht: Da jetzt 10 Jahre keine Arbeiten von Peymann in Wien zu sehen waren, bin ich tatsächlich extra dafür angereist und werde auch weiterhin anreisen z.B für den Goldoni unter dessen Schutzschirm ich gerade das Posting 159 schreibe. Ich habe ganz hervorragende Abende erlebt im dichtgedrängt besetzten BE mit viel begeistertem Publikum. Ich war sogar einmal in einer Vormittag-Jugendvorstellung von "Frühlingserwachen" und fand die Reaktionen der zwar ziemlich gleichaltrigen aber sichtlich doch unterschiedlich reifen Jugendlichen als besonders interessant und reizvoll.
@ martha: Mythos Hautcreme? Haben Sie Roland Barthes gelesen?: "Toute la publicité des produits de beauté prépare donc une conjonction miraculeuse des liquides ennemis, déclarés désormais complémentaires; respectant avec diplomatie toutes les valeurs positives de la mythologie des substances, elle parvint à imposer la conviction heureuse que les graisses sont véhicules d'eau, et qu'il existe des crèmes aqueuses, des douceurs sans luisance."
liebe evelyn !
finde ich ganz richtig, was du sagst: "das stück, leute, das stück !"
und ich finde großartig, daß dir der text so zusagt !
daß du das hier im thread ansprichst, denn da tummeln sich auch immer wieder leute, die sagen: "textlesungen, rezitationsabende, deklamieren, was wollen sie um himmels willen im theater ?? - lesen sie weiter !!"
wenn du den text an so einem abend geradezu körperlich erfährst, erfahren haben solltest (gibt auch gegenteiliges, z.b. tanz, der wie ein recht platter text wirkt), dann kann der auch nicht nur schlecht gewesen sein, du hast dann bestimmt eine neue "dimension" von so nem text. so sehe ich das grob; ich sah diesen abend ja nicht, weiß aber, daß - wie "flohbär" schon anfing darzulegen - da auch andere gute sachen laufen mit jürgen holtz, dem motzki-darsteller, zum beispiel in "katarakt" oder als peachum, dafür (und auch für handke-schwerpunkte und dergleichen) lohnt ein be-besuch allemal ! überhaupt sind an diesem haus so viele "hochkaräter", daß selbst schlechtere sachen diskutabel sein müßten, wenn es hier zuweilen um stücke, inszenierungen, darstellerinnen etc. ginge ! daß das be nicht wuppertal oder oberhausen ist, das siehst du ja an der teilnehmerin "123" : die ist gegen das "intendantenkarussell", schlägt aber karin beier, ua. weil sie eine frau ist ?!, für die intendanz des be vor; vermutlich laufen am be zu viele "hochkaräter" herum, sonst würde sie, bei alledem, was sie da so unterirdisch findet und so in anderen threads schreibt, schon lange eine strukturänderung des be vorgeschlagen haben, stattdessen will sie nrw auch noch um die intendantin schwächen, die sie favorisiert: mit nrw meint die das nicht gut, glaube ich ... eigentlich immernoch nicht ... .