Life Is But A Dream - Schauspiel Frankfurt
Onkelchens Furzkissenspaß
21. Januar 2023. Eine Heiratssatire von Fjodor Dostojeweski. Angerichtet von der Lach- und Schießgesellschafterin Barbara Bürk (dieses Mal ohne ihren singenden Kompagnon Clemens Sienknecht). Mit Schmackes und verrückten Kleidern. Kann eigentlich nur ein Feuerwerk der guten Laune werden? Tja...
Von Shirin Sojitrawalla
21. Januar 2023. Dostojewski sprach von seiner 1859 erschienenen Erzählung "Onkelchens Traum" als einer schlechten und beschrieb sie als "ein Stück von wahrhaft taubengleicher Sanftmut und ausgesprochener Arglosigkeit", was auch damit zu tun hatte, dass er sie in der sibirischen Verbannung mit Angst vor der Zensur geschrieben hatte. Unter dem schmissigen Titel "Life Is But A Dream" hat die Regisseurin Barbara Bürk die Satire inszeniert.
Wenn der reiche Fürst anklopft
Um was geht's? Alter reicher Sack (Fürst) trifft auf die geldgeile Mutter einer schönen Tochter. Mutter möchte Tochter an den den alten Mann bringen. Alles klappt zunächst wie am Schnürchen, er macht der Tochter einen Heiratsantrag. Doch ein Verehrer der Tochter belauscht alles und verkauft es dem Onkelchen als Traum, als Hirngespinst also. Geld und Ehre des Mutter-Tochter-Gespanns sind hernach futsch. Der Fürst stirbt. Drei Jahre später haben es Mutter und Tochter trotzdem nach oben geschafft. Bei Dostojewski arrangiert sich das zu einer Gesellschaftssatire der eher schlichten Art. Für die Bühne ist allein schon das überzeichnete Figurenkarussel ein Fest. Was Barbara Bürk und ihr Team an dem Stoff gereizt hat, ist sonnenklar.
Onkelchen, das Shrekgespenst
Fixstern des Abends ist die Titelfigur. Der Schauspieler Michael Schütz gibt das Onkelchen als jeder Beschreibung spottende Mischung greiser Versionen von Robert Geiss ("Die Geissens") und Horst Schlemmer. Dazu eine Prise Belmondo, Rolf Eden und Shrek. Ein braungebranntes Monster mit blitzendem Gebiss und Witwenbuckel. In Leggings, weißen Slippern und absurd lilafarbenem Leibchen zieht er alle Blicke auf sich. Alle anderen wirken dagegen vergleichsweise normal. "Was ist schon normal?", fragte noch am Morgen mein HNO-Arzt angesichts meiner leicht schiefen Nasenscheidewand.
Richtig normal ist an diesem Abend jedenfalls nichts. Zu Beginn sitzt Markus Reschtnefki als Nick-Cave-Lookalike am Flügel und tut romantisch. Anna Böger fegt die Bühne und kehrt alles unter den Teppich. Dann rauscht schon bald Christina Geiße als Mutter herein und arrangiert die Zukunft ihrer Tochter mit schneidender Stimme und Rottweiler-Verbissenheit.
Melanie Straub glitzert sich derweil als kerzengerade Tochter ihr eigenes Universum. Torsten Flassig fungiert jetzt als Erzähler, und die Inszenierung versucht, Witz daraus zu ziehen, dass das Gesagte und das Gezeigte sich widersprechen. Sie trägt ein goldenes Oberteil, nein, es ist schwarz, haha. Ja, das mit dem Humor ist eine trickreiche Angelegenheit, und es liegt immer auch an der jeweiligen Tagesform, ob und wie man lacht. Aber Hand aufs Herz: Ich war amüsierwillig bis dorthinaus und wurde einfach nicht satt. Das lag auch am feilgebotenen Furzkissenhumor und Regieeinfällen, die auf mich wie Verzweiflungstaten wirkten. Das ist natürlich auch Teil des Konzepts. Dostojewski wird hier in eine Art Trash-TV-Format gepresst. Alles eine Spur zu viel: zu bunt, zu laut, zu schrill. Wenn es gelingt, ist's grandios, wenn nicht, wird's geradezu tragisch, da zuzuschauen.
Kostümball wie bei Disney
Und das Positive? Torsten Flassig und Anna Böger sorgen mit fantastisch bescheuerten Mienen und ebensolchen Tanzeinlagen für gute Laune. Und Ausstatterin Anke Grot verzaubert das Treiben auf der Bühne in einen disneyfilmartigen Kostümball. Wolfgang Vogler in Skinny Jeans und Glitzergürtel ist ebenso ein Hingucker wie Uwe Zerwer als Charleys Tante, wiewohl diese Art männerballettmäßiger Travestie irgendwie ausgereizt scheint. Zwischen den wenigen Höhepunkten ist der Abend so oder so eher unlustig und erstaunlich fad.
Das Schauspiel Frankfurt bleibt dem Traum trotzdem treu. Ein neues Musikformat unter dem Titel "Liedschatten: Sweet Dreams (are made of this)" geht nächste Woche an den Start, und Anfang März inszeniert Sebastian Hartmann im Schauspielhaus Arthur Schnitzlers "Traumnovelle". Hoffentlich wird das besser. Na, kann ja nur.
Life Is But A Dream
nach "Onkelchens Traum" von Fjodor M. Dostojewski
Aus dem Russischen von E.K. Rahsin
Regie: Barbara Bürk, Bühne und Kostüme: Anke Grot, Musik: Markus Reschtnefki, Dramaturgie: Julia Weinreich, Licht: Ellen Jaeger.
Mit: Anna Böger, Torsten Flassig, Christina Geiße, Michael Schütz, Melanie Straub, Wolfgang Vogler, Uwe Zerwer, Markus Reschtnefki (Live-Musik).
Premiere am 20. Januar 2023
Dauer: 1 Stunde 45 Minuten, keine Pause
www.schauspielfrankfurt.de
Kritikenrundschau
"Life Is But A Dream" sei zwar "mehr Späßchen als Spaß, aber virtuos", findet Judith von Sternburg in der Frankfurter Rundschau (22.1.23). Man lache dabei "nicht nur in Anführungsstrichen", so die Kritikerin weiter. "Dass man zehn Minuten nach dem Ende kaum noch weiß, worüber und warum, nimmt der Kurzweil nichts Wesentliches."
Es sei "ein Riesenspaß, dem durchweg konzentriert überdreht agierenden Ensemble" in dieser "rasant unterhaltsamen Inszenierung" zuzuschauen, schreibt Matthias Bischoff in der FAZ (22.1.23, €). Allerdings frage man sich, "wer oder was hier eigentlich demaskiert werden" solle. "Alles ist unecht und auf Außenwirkung hin kalkuliert, alle Figuren spielen, als wären sie Kandidaten im 'Dschungelcamp'", urteilt der Kritiker und konstatiert: "So gibt es keinen Standpunkt mehr, von dem aus Kritik möglich wäre. Die Karnevalsmaschine auf der Kammerspiel-Bühne dreht letzten Endes leer."
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