Orangenhaut - Eva-Maria Baumeister kleidet Maja Pelévics Schönheitswahnsstück ins Rokokogewand
Schönheit ist ein Spiel mit Masken
von Rainer Nolden
Trier, 23. Januar 2011. Nur wenige Männer verloren sich in der Menge der Frauen, die sich hinterm Theater, am Eingang zum Kellerstudio, versammelt hatten in Erwartung eines Kapitels aus ihrem Leben. Klar, "Orangenhaut" kennen die Herren der Schöpfung nur vom Hörensagensehen; am maskulinen Körper runzelt so schnell nichts.
Und so bleibt der Herr der Schöpfung sozusagen Zaungast bei Maja Pelévics milder Satire rund um den weiblichen Schönheitswahn(sinn), dem sich, wie die Belgrader Autorin – wohl nicht zu Unrecht – behauptet, Frauen jeden Alters unterwerfen. Konsequenterweise nimmt sie ihnen jede Individualität, nennt sie nur "die Reife" (Angelika Schmid) oder "die Problematische" (Sabine Brandauer).
Der Protagonistin verwehrt sie selbst diesen Anflug von Charakterzeichnung. Die junge Frau, die sich in den Folterkeller des Perfektionskults begibt, um Männer auf sich aufmerksam zu machen, heißt einfach nur "Sie" (Antje-Kristina Härle). Aber auch der einzige Mann im Quartett kriegt zur Kennzeichnung lediglich ein Personalpronomen: "Er" (Tim-Olrik Stöneberg) ist eines jener gar nicht so seltenen Exemplare, die die Nachfolgerin ihrer regelmäßig abgelegten Partnerinnen umgekehrt proportional zum eigenen Alter(n) auswählen, um nicht mit besagter Orangenhaut in Berührung zu kommen.
Schluss mit der Botoxfolter!
Pelévic hat für ihre knapp sechzigminütige Szenenfolge die einschlägigen Gazetten, Anzeigen, Werbefilme und Klinikprospekte ausgeschlachtet, in denen Frauen ewige Jugend und noch länger währende Schönheit verheißen wird. Ihre Protagonistin glaubt den hehren Versprechungen, lässt an sich herumschnippeln und absaugen und geheimnisvolle Substanzen unter die Haut spritzen, um am Ende den Spieß einfach umzudrehen: Die Orangenhaut, verkündet die Botoxgeschädigte angriffslustig, sollte das Symbol der Weiblichkeit sein.
Mit dieser etwas aufgesetzt wirkenden Volte entlässt die Autorin die Zuschauer(innen): Wo nichts mehr hilft, ist Trotz die letzte Bastion gegen die Einsicht. Da wird der dramatische Faden unvermittelt zum Zerreißen dünn: Wenn das die Botschaft sein soll – zurück zur Natur, wie sie die Frau geschaffen hat und ihr mitunter übel mitspielt –, dann ist das ungefähr so, als ob frau in den Keller hinabsteigt und mit der Wut der Verzweiflung die Dunkelheit wegzupfeifen versucht.
Unter silberfarben gepuderten Perücken
Die Berliner Regisseurin Eva-Maria Baumeister hat für ihre Inszenierung Anleihen beim Rokoko gemacht – eine pfiffiger Kunstgriff. Die Epoche ist schließlich gekennzeichnet durch jenen "Tapezierstil, der bloß gefallen, ausschmücken, verfeinern will", wie der Kulturkritiker Egon Friedell das Zeitalter charakterisiert hat, in dem die oberen Zehntausend Künstlichkeit und Maskenspiel um des guten Aussehens willen auf die Spitze trieben. Carola Vollath steckt die drei Darstellerinnen in pastellfarbene Rüschenkleider und Schnürkorsett, das prompt zu Ohnmachtsanfällen führt, und den Herrn in Weste und Kniehose. Unter silberfarben gepuderten Perücken verstecken sie das eigene Haar: Schönheit ist bloß ein Spiel mit Masken. Verstellbare transportable Spiegel (Bühnenbild: Thimo Plath) lassen der Hauptfigur nicht die geringste Chance, dem eigenen Anblick zu entkommen.
Alles in allem also schlägt sich die Inszenierung wacker auf dem dünnen Eis der Vorlage und versucht, nicht ganz erfolglos mit den erwähnten Mitteln, dem Stückchen ein Rückgrat zu implantieren. Dem Mimenquartett freilich, das von den leisen Tönen bis zur opernhaften Exaltiertheit, von anrührender Naivität bis zickenhafter Boshaftigkeit, von jäher Melancholie bis zu ausgelassener Albernheit zahlreiche Farbtöne weiblicher und männlicher Befindlichkeiten auf die Leinwand tuscht, hätte man dann doch etwas mehr als den schütteren Schlussapplaus gegönnt.
Orangenhaut
von Maja Pelévic
Regie: Eva-Maria Baumeister, Bühnenbild: Thimo Plath, Kostüme: Carola Vollath, Dramaturgie: Peter Oppermann
Mit Antje-Kristina Härle, Sabine Brandauer, Angelika Schmid, Tim-Olrik Stöneberg.
www.theatertrier.de
Mechthild Schneiders (Trierischer Volksfreund, 25.1.2011) hat "originelle Kostüme" und eine "sparsame Kulisse" gesehen, außerdem "schnelle Szenenwechsel, pointierte Dialoge und witzige Details". Das Bühnenbild etwa werde von "mannsgroßen mobilen Spiegel" beherrscht, "die je nach Lichteinfall und Perspektive ein Fenster ins Innere der Protagonistin öffnen". Das Stück kratze "stets an der Oberfläche", dringe aber "nicht tiefer. Baumeisters Versuch, das Klischeehafte zu entzerren, kann nur bedingt gelingen. Zu deutlich liegt der Fokus des Stücks auf dem rein Äußerlichen. Doch Baumeister und den Schauspielern gelingt es, aus dem Stück das Maximum an Aussage herauszuholen, was das Publikum mit anhaltendem Applaus belohnt".
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