Süd Park - Malte C. Lachmann hannoveranisiert die amerikanische Zeichentrick-Serie South Park
Scheiße, warum darf der das?
von Jan Fischer
Hannover, 30. Dezember 2013. So, vorsicht jetzt, heißes Eisen! Malte C. Lachmann hat sich in "Süd Park" mit der Political Correctness beschäftigt, die für ihn unter anderem in der Reglementierung der Frage besteht, wer eigentlich wann was sagen darf, ohne jemanden zu diskriminieren.
Den Rahmen der Auseinandersetzung bildet bei Lachmann eine Folge der amerikanischen Zeichentrick-Serie South-Park, in der eine Hauptfigur versehentlich live im Fernsehen das Wort "Nigger" sagt, und damit über Nacht zum meistgehassten Youtube-Star wird, was in der Folge die Frage aufwirft, warum genau man das eigentlich nicht sagen darf, selbst wenn man es gar nicht böse meint. Aber in Lachmanns "Süd Park" kriegen auch das Gender-Mainstreaming, der Umweltschutz, Homosexuelle, weiße Heteromänner und der Feminismus ihr Fett weg. Außerdem, mehr so nebenbei, Roberto Blanco, Günther Jauch und Smartphone-Besitzer. Also sozusagen jeder.
Kleine Flammen im Schutzraum
Die Frage, die über allem steht, ist – grob gesagt – ob es eigentlich etwas bringt, bestimmte Worte aus dem Sprachgebrauch zu tilgen und sie durch andere, bessere zu ersetzen, oder ob Sprache nicht nur ein Symptom dafür ist, wie eine Gesellschaft bestimmte Sachverhalte wahrnimmt und artikuliert. Doch das Gute an "Süd Park" ist, das Lachmann diese Frage gar nicht erst auf großer Flamme hochkocht. Der Deckel auf dem Topf, oder besser: die kleine Flamme, auf der alles köchelt, besteht in dem Kunstgriff, die Serie "South Park" als Vorlage zu nutzen.
Denn "South Park" hat sich, durch jahrelanges Überdrehen sämtlicher Political-Incorrectness-Regler, durch immer wieder klug gesetzte Kleinstskandale und andere Kunststücke, einen anarchischen Schutzraum geschaffen, in dem allerlei Tabus gebrochen werden können. Einen Schutzraum, der so gut funktioniert, dass in einem abendfüllenden Kinofilm achtjährige Schüler auf die Suche nach der großen Klitoris gehen können, Saddam Hussein den Teufel mit einem Dildo penetrieren kann, ein Schutzraum, der sogar Antisemitismus als Running Gag aushält.
Shake your Euphemism, Baby
Diesen Schutzraum hat sich Lachmann nun für seinen "Süd Park" ausgeliehen. Dass das funktioniert, liegt vor allem am Bühnenbild und den Schauspielern, die in wechselnden Rollen nicht nur wie die Figuren aus "South Park" angezogen sind, sondern auch auf diese typische Art laufen, als seien sie schlecht animiert. Dazu gibt es "South Park"-gemäße Gastauftritte von Berühmtheiten, bei Lachmann sind das Günther Jauch und Roberto Blanco. Und zwischendrin auch ein paar Musical-Nummern, inklusive einer vom Chefkoch namens "Shake your Euphemism, Baby" mit dem Text "Die Sache mit der Sprache kann man übertreiben."
Dirk Bach und die niedersächsischen Kühe
Trotzdem gibt ein paar Momente, die deutlich holpern: wenn etwa "Süd Park" die US-amerikanische Kultur, in der "South Park" verwurzelt ist, 1:1 auf die deutsche zu übertragen versucht. Roberto Blanco beispielsweise muss als Ersatzmann für den afroamerikanischen Bürgerrechtler Jesse Jackson einspringen. Als es um Methan in Kuhfürzen geht, sind das Beispiel die niedersächsischen Kühe. Das wirkt manchmal eher draufgesetzt als eingefügt.
Dennoch zeigt die Inszenierung, warum "South Park" eine so wunderbare Serie ist: weil sie gerade strittige Themen immer völlig respektlos anpackt, aber am Ende immer klug und sauber herauskommt. Lachmanns "Süd Park" gibt stellenweise diese Leichtigkeit auf – etwa wenn das Programm der Piratenpartei zum Thema Gender verlesen wird oder der unsägliche Artikel zu Dirk Bach ("Jetzt brennt er in der ewigen Homohölle") auf dem inzwischen abgeschalteten katholischen Hetz-Portal kreuz.net. Dann wird die "South Park"-Hommage eher zu einer Art Found-Footage-Abend, der etwas angestrengt wirkt.
South Park, der Film 2
Alles in allem aber bastelt Lachmann sich seinen eigenen South-Park-Film zusammen, der sich – auch mit seinem abstrusen Humor – erstaunlich gut an die Vorlage anpasst, und am Ende auch mit einer South-Park-Moral aufwartet (paraphrasiert lautet sie in etwa: Alles wäre verdammt noch viel einfacher, wenn wir ganzen Wichser endlich alle mal aufeinander hören würden).
Es gelingt Lachmann und den Darstellern insgesamt tatsächlich, mit reichlich Schimpfworten und einer vernünftigen Portion Mut zur Incorrectness das heiße Eisen "Political Correctness" auf Zimmertemperatur runterzukühlen, und sich auch über die skurrileren Auswüchse lustig zu machen. Gleichzeitig bringt er jedoch auch rüber, dass die strittigen Begriffe und Themen tatsächlich ein Problem markieren, mit dem sich die Gesellschaft auseinandersetzen muss. Lachmann gelingt also in etwa ein Kunststück, wie man es auch von einer "South-Park"-Folge erwarten könnte. Zugegeben, eher eine der harmloseren, aber immerhin.
Süd Park. Eine Comic Trash Revue
Regie: Malte C. Lachmann
Bühne & Kostüme: Anna van Leen, Dramaturgie: Kerstin Behrens, Komposition und musikalische Leitung: Dean Wilmington.
Mit: Tina Haas, Henning Hartmann, Peter Sikorski, Dominik Maringer, Dean Wilmington. Dauer: 1 Stunde 30 Minuten, keine Pause
www.schauspielhannover.de
Im SWR (2.1.2014) berichtet Alexander Kohlmann: "Vor dem Hintergrund der Blackfacing-Hysterie-Debatte (...) erscheint der Abend in Hannover mutig. Ziemlich mutig sogar, wenn sich einer der Schauspieler demonstrativ schwarze Schuhcreme ins Gesicht schminkt und den schwarzen Mitschüler mimt." Der große Verdienst des Regisseurs sei, dass er die Adaption zwar höchst vergnüglich, aber dabei unheimlich ernst und messerscharf kalkulierend geschrieben habe. Mit großer Pointensicherheit führe er ein überkorrektes Land vor, "in dem hinter einer verbalen Political-Schein-Correctness das Interesse an den Menschen in ihrer Verschiedenheit verloren geht". Ein "erfrischendes Gefühl" rufe der Abend hervor.
Anders als in der South-Park-Folge fokussiere Lachmann "eher den Sprach- und Bevormundungswahnsinn der PC-Jünger als das massive Gegenrüsten der PC-Gegner", meint Holger Hettinger vom Deutschlandradio (Fazit, 30.12.2013). Er transferiere die "charakteristisch amerikanischen Settings der Comic-Serie in Motive deutscher Befindlichkeit und illustriert seine tour de frappe durch den Wahnsinn der Political Correctness als beschwingte Revue durch die Abgründe der Weltverbesserei". Das alles sei "pointenstark", "temposelig" und münde in die Erkenntnis, "dass vulgäres Drauflos-Provozieren ebenso ermüdend ist wie der Versuch, durch eine Sprachregelung gesellschaftliche Konflikte lösen zu wollen". "Handwerklich" sei das Ganze "wunderbar gut und ausgesprochen präzise gemacht", man erlebe "keine Folge von Schenkelklopper-Witzen", sondern auch "leise, verinnerlichte Momente". Allerdings zeige sich, "dass eine Übertragung der Motive von der amerikanischen in die deutsche Lebenswirklichkeit nicht ohne Verluste bzw. Verschiebungen möglich ist" (z.B. der Antisemitismus des "Cartman").
Der Missstand, den es hier aufzudecken gebe, sei die "Political Correctness, das schreibt auch Uwe Janssen in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (2.1.2014). "Selbst das kürzlich in den Sozialnetzwerken aufgeblasene Thema 'Blackfacing' hat in der Revue noch Platz gefunden." Anfangs würde beim Zuschauer noch die "innere Alarmglocke" läuten, "wenn's den Randgruppen an die Wäsche geht (...). Irgendwann jedoch lässt man sich auf seltsame Weise auf das Spiel ein, in einer Wenn-schon-denn-schon-Manier. (...) Das Wort-Spiel als Selbsttest. Schlimm? Nein. Weil die geballte Boshaftigkeit Vorurteile nicht bedient, sondern offenliegt. Diese Klippe galt es zu nehmen." Die Akteure "spielen und trippeln sich die Seele aus dem Leib". Das "gute Timing bei den rasanten Dialogen" sei "beeindruckend". Und "Tina Haas' abgedrehte Antismartphone-Hymne ist schon allein das Kommen wert."
Lachmanns Abend habe "Hirn und Zwerchfell" fest "im Griff", schreibt Rüdiger Oberschür auf dem Onlineportal der deutschen Huffington Post (12.1.2014). Seine "Comic-Trash-Revue" schaffe es "sprachlich und darstellerisch", den "satirischen Irrwitz und die Ästhetik der Vorlage verblüffend souverän auf die Bühne zu übertragen", wobei "deutsche Diskriminierungs-Abgründe problemlos integriert werden".
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längst überfällig. da werde ich mich auf eine reise hin begeben.
dafür hat aber sein sohn, der mit einem schwarzen jungen befreundet ist, nach einem streit mit diesem endlich kapiert, das er nix kapiert. ich hoffe, das stück ist tatsächlich in der lage, den weißen mainstream (mitsamt seines notorischen PC-bashings) auf ähnlich hohem niveau zu enttarnen und aufzuklären. das wäre geradezu einzigartig in der deutschen theaterlandschaft. das poster zum stück gibt allerdings anlass zum zweifel..
Apropos: Mit Hysterie wurde das "krankhafte Gebaren" von Frauen bezeichnet, deren Uterus nicht ausreichend "besamt wird". (sic!)
und progressiv dünkenden Color-Blindness-Verfechter gemeint, sondern: Was bedeutet es in der Schwarzen Vorstellungswelt an neuerlichem Schrecken, wenn die Weißen Macher von South Park ihre Figuren unablässig 'Nigger' sagen lassen?
Die womöglich bedeutsamste Einsicht, die South Park bislang
hierzu vermitteln konnte, ist die der Begrenztheit der sich heute immer noch als universell konzipierenden Weißen Vorstellungswelt in Stans Worten: 'I don’t get it!'"
Hier der gesamte Text >>> http://www.michael-lange.info/wp-content/uploads/2012/05/South-Park-im-Fokus-der-Critical-Whiteness-Studies.pdf
"Was bedeutet es in der Schwarzen Vorstellungswelt an neuerlichem Schrecken, wenn die Weißen Macher von South Park ihre Figuren unablässig 'Nigger' sagen lassen?"
Die Subversion von Ausgrenzungsmechanismen durch Übertreibung = Dadaisierung.
Die Spanier verfemten die niederländischen Freiheitskämpfer als "Bettler"/Gueux und die Diffamierten machten daraus einen Ehrentitel: Geusen.
Homosexuelle wurden als schwul und Schwuchteln verfemt und haben den Spieß umgedreht: proud to be gay.
Die "Hippies und Gammler" der 60er Jahre drehten den Angelos (Maß für Maß) eine Nase, indem sie sich die Haare nicht mehr schnitten und kifften.
Zadek wehrte sich in den 60er Jahren gegen den Antisemitismus, indem er Hans Mahnke den Shylock als Stürmer-Juden spielen ließ.
Josephine Baker wehrte sich gegen den "Nigger-Jazz", indem sie sich ein Bananen-Röckchen anzog und die Affen im Publikum zu Affen machte.
Schlingensiefs Kunst bestand fast vollkommen aus der Umwertung der Worte durch seine Freak- und Ausländer-Kampagnen.
Ein Plädoyer für Pop (subversive Kreativität) statt Pedanterie.
Herzlichst ...